S. 211 / Nr. 35 Eigentumsgarantie (d)

BGE 77 I 211

35. Urteil vom 31. Oktober 1951 i. S. Rosenberger gegen Stadt Zürich und
Regierungsrat des Kantons Zürich.

Regeste:
Eigentumsgarantie, Planung.
Schaffung von Grünzonen, insbesondere zum Zwecke städtebaulicher Gliederung
(Trenngürtel). Erfordernis der gesetzlichen Grundlage.
Garantie de la propriété, plan d'aménagement urbain.
Création de zones do verdure, en particulier aux fins d'établir une structure
urbaine (ceintures de séparation). Exigence d'une base légale.
Garanzia della proprietà, piano di sistemazione urbana.
Creazione di zone di verdura a scopi urbanistici (cintura di separazione).
Necessita d'una base legale.

A.- Der Gemeinderat der Stadt Zürich erliess am 4. September 1946 eine neue
Bauordnung (BO) mit

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Zonenplan, weiche in der Volksabstimmung vom 21. Februar 1947 angenommen
wurde. Darin werden vierzehn Zonen vorgesehen, darunter eine Land- und
Forstwirtschaftszone, in welcher nur Bauten für land- und forstwirtschaftliche
Zwecke erstellt werden dürfen, und eine Grünzone. für welche folgende
Bestimmungen gelten sollen
Art. 48. Die Grünzone umfasst
a) Gebiete für die nachfolgenden Zwecke:
Familiengärten, Gartenbau und ähnliches;
Hygienischer Schutz und städtebauliche Gliederung: Trenngürtel zwischen
Industrie. und Wohngebieten und ähnliches
Erholung: Öffentliche Grünanlagen, Sportanlagen und ähnliches
Verschiedenes: Militärische Übungsgelände, Friedhöfe und ähnliches;
b) Gebiete mit Bauten von öffentlichem Interesse, die entsprechende
Freiflächen benötigen, wie Schulen, Heil- und Pflegestätten.
Art. 49. Grundstücke oder Grundstücksteile in der Grünzone, die weder zum
Eigentum der Stadt gehören, noch mit einem gesetzlichen oder durch Servitut
festgelegten Bauverbot zugunsten der Öffentlichkeit belastet sind, können
zugunsten der Öffentlichkeit erworben oder gegen Entschädigung mit einer
Baubeschränkung belastet werden.
Art. 50. Der Stadtrat ist berechtigt, für die unter Art. 49 genannten
Grundstücke im gegebenen Zeitpunkt die Erteilung der Enteignungsrechte
nachzusuchen.
Der Grundeigentümer ist berechtigt, nach eingetretener Rechtskraft dieser
Bauordnung den ganzen oder teilweisen Erwerb der in der Grünzone gelegenen
unüberbauten Grundstücke durch die Gemeinde zu verlangen. Ist eine
Verständigung über die Höhe des Übernahmepreises nicht erfolgt, so gelten für
die Festsetzung der Entschädigung und das Verfahren die Vorschriften des
Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten.
Art. 51. In der Grünzone dürfen ausser Gebäuden, die der Bewirtschaftung und
Pflege der Grünflächen dienen, nur Bauten von öffentlichem Interesse erstellt
werden. Inbezug auf Geschosszahl und Abstände gelten die Vorschriften der
jeweils angrenzenden Zone. Im übrigen bestimmt der Stadtrat im Einzelfall die
zulässige bauliche Ausnützung, wobei der Zusammenhang der Grünfläche und ein
dem Zweck der Zone angemessenes Verhältnis zwischen Grünfläche und Gebäude zu
wahren sind.
Art. 52. An bestehenden privaten Gebäuden, die in der Grünzen liegen und
keinem öffentlichen Interesse dienen, sind Um-, An- und Aufbauten unter
Beachtung des Art. 53 (befriedigende Eingliederung in die Umgebung) gestattet.
Eine Vergrösserung ist nur bis zu dem Ausmass zulässig, das die vorher
geltende Bauordnung

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zugelassen hätte, höchstens jedoch um ein Viertel des Bauvolumens. das beim
Inkrafttreten dieser Bauordnung vorhanden war.
B. - Die Erben Rosenberger sind Eigentümer der Parzellen Kat.-Nr. 2465 und
2466 in Zürich-Seebach, welche in einem durch die Schaffhauserstrasse, die
Oberhausenstrasse und die Grenze zwischen Zürich und Glattbrugg gebildeten
Landdreieck liegen. Dieses wird landwirtschaftlich genutzt. Auf dem Boden der
Erben Rosenberger stehen ein landwirtschaftliches Wohnhaus und dazugehörende
Ökonomiegebäude im übrigen ist das Dreieck nicht überbaut. Es gehört nach dem
Zonen plan der BO zur Grünzone.
C. - Die Erben Rosenberger verlangten auf dem Rekurswege, ihre Grundstücke
seien aus der Grünzone auszuscheiden und einer Wohnzone zuzuweisen. Das
Begehren wurde abgewiesen, zuletzt vom Regierungsrat des Kantons Zürich durch
Beschluss vom 12. Oktober 1950. Der Begründung dieses Entscheides ist zu
entnehmen:
Die gesetzliche Grundlage für die Schaffung einer Grünzone liege in § 68 des
kantonalen Baugesetzes (BG) in Verbindung mit einem vom Regierungsrat
erlassenen Gesamtplan im Sinne des § 8 b desselben Gesetzes (BGE 74 I 155).
Die Grundstücke der Rekurrenten befänden sich im Bereiche des vom
Regierungsrat am 30. September 1948 genehmigten Gesamtplans Nr. 1 für das
Zürcher Unterland und den Flughafen Kloten und seien darin den Grünflächen
zugeteilt. Art. 48 BO entspreche der Umschreibung der Grünflächen im
Genehmigungsbeschluss vom 30. September 1948. Seine gesetzliche Grundlage sei
Art. 8 b BG. Allerdings gehe er insofern über die Umschreibung der Grünzone in
dieser Bestimmung hinaus, als er nicht nur die «für öffentliche Anlagen
erforderlichen Gebiete» umfasse, sondern auch Grundstücke freihalte zum Zwecke
des hygienischen Schutzes und der städtebaulichen Gliederung; aber in dieser
Hinsicht sei er ebenfalls durch Art. 8 b BG gedeckt, welcher ausdrücklich auch
eine Ausscheidung

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nicht überbaubarer landwirtschaftlicher Gebiete vorsehe. Das in Frage stehende
Geländedreieck habe man in die Grünzone einbeziehen müssen, um am nördlichen
Stadtrand einen durchgehenden Grünstreifen schaffen und damit das
Zusammenwachsen der Stadt mit der Ortschaft Glattbrugg verhindern zu können.
D. - Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragen die Erben Rosenberger, der
Entscheid des Regierungsrates vom 12. Oktober 1950 sei wegen Verletzung der
Eigentumsgarantie (Art. 4 KV) und wegen Willkür (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV) auf zu heben und
der Regierungsrat anzuweisen, bei der allfälligen Genehmigung der BO
festzustellen, dass deren Art. 48-52 auf ihre Grundstücke Kat.-Nr. 2465 und
2466 nicht anwendbar seien.
Sie machen in erster Linie geltend, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage
für die angefochtene Ordnung. Nach dem BG von 1893 sei der Bebauungsplan vor
allem ein Verkehrslinienplan und habe selber keine (dauernde) Beschränkung des
Grundeigentums zur Folge; erst die gestützt auf ihn festzusetzenden Bau- und
Niveaulinien hätten diese Wirkung. Der Entwurf des Regierungsrates von 1929
für eine Totalrevision des BG habe den Bebauungsplan auf die Einteilung in
Bauzonen und die Ausscheidung von öffentlichen Anlagen und Grünflächen
ausgedehnt; die hiefür vorgesehene Aufstellung von Bahnlinien sei aber schon
von der kantonsrätlichen Kommission gestrichen worden, und schliesslich habe
man jene Änderung überhaupt fallen lassen, indem man sich auf die Teilrevision
von 1943 beschränkt habe, welche nur die dringendsten und unbestrittenen
Punkte erfasst habe. Der im neuen § 8 b eingeführte Gesamtplan sei nach Inhalt
und rechtlicher Bedeutung dem Bebauungsplan, wie ihn das Gesetz vorsieht,
gleichzustellen; er habe so wenig wie dieser eine Beschränkung des
Grundeigentums zur Folge. Gestützt auf ihn könnten die Gemeinden keine Zonen
mit Bauverbot ausscheiden. In BGE 74 I 155 sei denn auch gesagt, dass für die
Grundeigentümer erst die Bau- und Niveaulinien

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verbindlich seien; das Bundesgericht habe jedoch unterlassen festzustellen,
dass das geltende BG solche nur für die Bestimmung der Verkehrswege mit
Einschluss der öffentlichen Plätze und Anlagen, nicht für Grünzonen und
Ähnliches kenne. Die Ansicht des Regierungsrates über die gesetzliche
Grundlage der Ausscheidung von Bauverbotszonen werde durch die richtige
Interpretation dieses Urteils widerlegt; sie sei willkürlich. -- Selbst wenn
eine solche Ausscheidung an sich zulässig wäre, so doch nur mit Bezug auf die
in § 8 b BG aufgezählten Gebiete. Die Grünzone der BO falle jedoch nicht unter
diese Aufzählung; insbesondere verstehe das BG, wie aus seinen §§ 7 und 9
hervorgehe, unter öffentlichen Anlagen nur Parkanlagen, die mit Strassen und
Plätzen verbunden seien, ein beschränktes Normalausmass hätten und in
sachlichem Zusammenhang mit den Verkehrsbedürfnissen und der Überbauung
ständen, keineswegs aber die allgemeine Grünzone nach Art. 48 BO, die allen
möglichen Zwecken diene, u.a. der Stadt eine gewaltige Landreserve verschaffen
solle.
Sodann wird ausgeführt, es mangle auch an einem öffentlichen Interesse für die
generelle Grünzone der BO, und die Entschädigung gemäss Art. 50 Abs. 2 BO
gleiche die in der Zuweisung zu dieser Zone liegende materielle Enteignung
nicht genügend aus.
E. - Der Stadtrat von Zürich und der Regierungsrat des Kantons Zürich
beantragen Abweisung der Beschwerde.
F. - Aus ergänzenden Angaben, welche der Stadtrat auf Ersuchen des
Bundesgerichtes gemacht hat, ergibt sich: Die Gesamtfläche der vorgesehenen
Grünzonen beträgt 1291,2 ha; hievon standen im Jahre 1945 rund 337,7 ha, deren
Wert damals auf rund 50 Millionen Franken geschätzt wurde, in Privateigentum.
In einem im Jahre 1945 ausgearbeiteten Nutzungsplan wurden die in Aussicht
genommenen städtischen Grünzonen nach Zweckbestimmungen (entsprechend Art. 48
BO) ausgeschieden. Die dort der Gruppe «Hygienischer Schutz und städtebauliche
Gliederung» zugeteilten Gebiete umfassen rund 30% jener

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Gesamtfläche sie zerfallen in Freigebiete, Schutzgürtel (Industrie), Freihänge
(steil, schattig) und Aussichtsvorgelände.
Über die Freigebiete, die weitaus umfangreichste dieser Untergruppen, führt
der Stadtrat aus: «Als eigentliche Freiflächen wurden im Nutzungsplan jene
Gebiete ausgeschieden, die in jedem Fall vor einer Überbauung also auch vor
einer Beanspruchung für öffentliche Bauten bewahrt werden müssen. Stets aber
wurde der Vorbehalt angebracht, dass einzelne dieser Freiflächen (nicht alle)
später - mit fortschreitender Überbauung allenfalls als öffentliche Anlagen
auszugestalten sind. Die Beanspruchung zu diesem Zweck steht mit dem primären
Freihaltungsgrund der Auflockerung der Bebauung, der Schaffung von
städtebaulich notwendigen Trennstreifen, sowie dem Schutz besonders
schutzwürdiger Stellen der Landschaft - keineswegs im Widerspruch; sie
bedeutet im Gegenteil eine Verstärkung der städtebaulichen Funktionen dieser
Grünstreifen. Wenn dennoch im Nutzungsplan zwischen Freiflächen und
öffentlichen Grünanlagen unterschieden wurde, so liegt der Grund allein in
einer unterschiedlichen Beurteilung der zeitlichen Dringlichkeit. Als
öffentliche Grünanlagen wurden jene Gebiete gekennzeichnet, für welche diese
Zweckbestimmung bereits feststand und deren Ausgestaltung als öffentliche
Anlagen schon nach dem Stand der bestehenden Bebauung eine Notwendigkeit
schien. Umgekehrt wurden Gebiete, deren Verwendung als Grünanlagen allenfalls
mit fortschreitender Bebauung in Erwägung gezogen werden muss, für die aber
immerhin schon nach den gegenwärtigen Verhältnissen eine bauliche Freihaltung
notwendig schien, entsprechend den im Zeitpunkt der Planbearbeitung
bestehenden Bedürfnissen den Freiflächen zugewiesen.»
Das in Frage stehende Landdreieck ist im erwähnten Nutzungsplan als Freigebiet
eingetragen. Der Stadtrat weist darauf hin, dass in einer Überbauungsstudie
für Seebach aus dem Jahre 1948 vorgesehen ist, es als öffentliche

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Anlage auszugestalten und darin ein Teehaus zu bauen. Er fügt bei, heute sei
zwar die Freihaltung des Dreiecks aus städtebaulichen Gründen erforderlich,
die Erstellung einer öffentlichen Anlage daselbst aber noch keine unbedingte
Notwendigkeit. Falls man die künftige Nutzung als Park für zu entfernt erachte
und daher die Dreiecksfläche nicht zu den «für öffentliche Anlagen
erforderlichen Gebieten» im Sinne des § 8 BG rechnen wolle, so müsse es beim
blossen Freihaltungszweck das Bewenden haben und das Grundstück als
«landwirtschaftlich genutztes Gebiet im Sinne der gleichen Bestimmung
betrachtet werden; tatsächlich erfülle die Grünzone in einzelnen Gegenden
keine andere Funktion als die einer entschädigungspflichtigen
Landwirtschaftszone.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Beschwerdeführer haben im kantonalen Rekursverfahren nicht schlechthin
die BO oder deren Vorschriften über die Grünzone angefochten; vielmehr haben
sie lediglich dagegen Rekurs erhoben, dass im Zonen plan, welcher Bestandteil
der BO ist, bestimmte ihnen gehörende Grundstücke dieser Zone zugewiesen sind.
Einzig diese Zuweisung war auch Gegenstand des Entscheides, dessen Aufhebung
mit der staatsrechtlichen Beschwerde verlangt wird. Daher kann sich auch das
Bundesgericht auf die Beurteilung dieses Punktes beschränken.
Der Umstand, dass die BO die vorgesehene Genehmigung des Regierungsrates (§ 68
c BG, Art. 83 BO) noch nicht erhalten hat, steht dem Eintreten auf die
Beschwerde nicht entgegen. Die kantonalen Behörden haben den Rekurs der
Beschwerdeführer vor dem Genehmigungsverfahren behandelt, und der
letztinstanzliche Rekursentscheid unterliegt der staatsrechtlichen Beschwerde.
Es besteht kein Grund, die Beschwerdeführer auf den Weg der Anfechtung des
Genehmigungsbeschlusses zu verweisen.
Anderseits geht das Begehren der Beschwerdeführer, es sei dem Regierungsrat
für den Fall der Genehmigung der

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BO in bezug auf ihre Grundstücke eine förmliche Weisung zu erteilen, zu weit.
Staatsrechtliche Beschwerden der hier vorliegenden Art sind rein
kassatorischer Natur; es kann damit lediglich die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides verlangt werden.
2.- Durch Einbezug in die Grünzone der BO werden die Grundstücke der
Beschwerdeführer mit einem praktisch fast vollständigen Bauverbot belegt; denn
gemäss Art. 51 BO dürfen darauf ausser Gebäuden, die der Bewirtschaftung und
Pflege der Grünflächen dienen, nur noch Bauten von öffentlichem Interesse
erstellt werden. Hierin liegt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung
im Sinne des Art. 702
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 702 - Dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden bleibt es vorbehalten, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen, wie namentlich betreffend die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei, das Forst- und Strassenwesen, den Reckweg, die Errichtung von Grenzmarken und Vermessungszeichen, die Bodenverbesserungen, die Zerstückelung der Güter, die Zusammenlegung von ländlichen Fluren und von Baugebiet, die Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern, die Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und den Schutz von Heilquellen.
ZGB. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes mit der Eigentumsgarantie, wie sie Art. 4 der Zürcher KV
gewährleistet, dann vereinbar, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruht, im
öffentlichen Interesse liegt und, sofern sie in der Wirkung einer Enteignung
gleichkommt, gegen Entschädigung erfolgt (BGE 74 I 150, Erw. 2, und dort
zitierte Urteile).
Die Beschwerdeführer bestreiten vor allem, dass die von ihnen beanstandete
Ordnung sich auf eine genügende gesetzliche Grundlage stütze. Diese Frage kann
das Bundesgericht nicht völlig frei untersuchen; es kann die Auslegung und
Anwendung kantonaler Gesetzesvorschriften, auch soweit sie das Eigentum aus
öffentlich-rechtlichen Gründen beschränken, nur unter dem Gesichtspunkte der
Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV überprüfen (BGE 74 I 151, Erw. 3 b, und dort
angeführte Entscheide). Indessen ist zu beachten, dass die Schaffung von
Zonen, in welchen die Befugnis des privaten Grundeigentümers zu beliebiger
Nutzung dermassen begrenzt ist wie in der Grünzone der BO, einen
ausserordentlich schweren Eingriff in das Privateigentum darstellt, der weit
über das hinausgeht, was in der Schweiz bisher als öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung gebräuchlich war. Solche Eingriffe können nur zugelassen
werden, wenn das Gesetz sie unzweideutig vorsieht; ist dies nicht der Fall, so
verstossen sie gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV und

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die Eigentumsgarantie. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn in BGE 74 I
156
eine klare Rechtsgrundlage verlangt wird.
3.- Das Bundesgericht hat erkannt, dass die §§ 8 b und 68 BG als gesetzliche
Grundlage für Vorschriften in zürcherischen Gemeindebauordnungen, durch welche
Landwirtschaftszonen (Zonen, wo nur Bauten für landwirtschaftliche Zwecke
gestattet sind) ausgeschieden werden,
für sich allein nicht genügen; es hat erklärt, dass diese Ausscheidung sich
ausserdem auf einen vom Regierungsrat gemäss § 8 b BG erlassenen Gesamtplan
müsse stützen können (BGE 74 I 151 ff., insbesondere 155). In Anlehnung an
dieses Urteil hält der Regierungsrat dafür, dass die Einführung der hier in
Frage stehenden Grünzone auf gesetzlicher Grundlage beruhe, da sie durch den
von ihm aufgestellten Gesamtplan Nr. 1 gedeckt sei. Freilich hat er diesen
Plan erst nach dem Erlass der BO genehmigt; doch ist dies unerheblich, weil
die BO die regierungsrätliche Genehmigung, deren sie ihrerseits bedarf, bis
jetzt nicht erhalten hat und daher noch nicht rechtskräftig ist. Die
Beschwerdeführer bestreiten dies nicht; sie beanstanden jene Auffassung des
Regierungsrates aus anderen Gründen.
Sie verstehen jedoch die Ausführungen in BGE 741 154 f. nicht richtig. Wohl
wird dort bemerkt, der Gesamtplan sei in erster Linie ein Verkehrslinienplan
wie der Gemeindebebauungsplan und wie dieser an sich für die Grundeigentümer
nicht verbindlich; solche Wirkung habe erst die Festsetzung der Bau- und
Niveaulinien durch die Gemeinde. Anschliessend wird jedoch von der in § 8 b BG
weiterhin als Inhalt des Gesamtplanes erwähnten Ausscheidung von Wohn-,
Industrie- und Landwirtschaftsgebieten gesprochen und erklärt, auch sie werde
«entsprechend» für die Grundeigentümer erst verbindlich, wenn sie Eingang in
einen Erlass der Gemeinde gefunden habe. Das geschieht indessen durch ihre
Festsetzung in Bauordnung und Zonenplan, nicht durch die Aufstellung von Bau-
und Niveaulinien; solche sind, wie die Beschwerdeführer zutreffend bemerken,

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dafür nicht vorgesehen. Nach der Auslegung der Beschwerdeführer wurde die
Zoneneinteilung überhaupt nie verbindlich, während in dem Urteil klar gesagt
ist, sie werde es erst mit der Aufnahme in einen Erlass der Gemeinde. Der
Hinweis des Urteils auf die Bau- und Niveaulinien bezieht sich eindeutig nur
auf die Verkehrswege, die den Gegenstand des Gemeindebebauungsplans und auch
einen Teil des Inhalts des Gesamtplans bilden und für die solche Linien
vorgesehen sind bezüglich des weiteren Gegenstandes des Gesamtplans, der
Zonenausscheidung, womit er über den Bebauungsplan hinausgeht und wofür keine
Bau- und Niveaulinien vorgesehen sind, stellt den «entsprechenden» Erlass der
Gemeinde die Bauordnung mit dem Zonen plan dar.
Es besteht kein Grund, von diesem Urteil abzuweichen. Die Argumentation der
Beschwerdeführer beruht auf der Annahme, der Gesamtplan gemäss § 8 b BG stimme
nach Inhalt und rechtlicher Bedeutung mit den Bebauungsplänen überein; er habe
lediglich deren Koordination zu dienen und könne keine weitergehenden
Wirkungen entfalten als sie. Dabei wird übersehen, dass der Gesamtplan nicht
dem in § 7 BG umschriebenen und von der Revision von 1943 unberührt
gebliebenen Bebauungsplan nachgebildet ist, sondern demjenigen des Entwurfes
für eine Totalrevision, der wesentliche weitere Aufgaben erfüllen und
insbesondere auch die Ausscheidung von Wohn-, Geschäfts- und Industriegebieten
und der vor Überbauung zu schützenden Wald- und Grünflächen enthalten sollte.
Freilich wurde dann bei der Teilrevision diese Erweiterung des von der
Gemeinde aufzustellenden Bebauungsplanes fallen gelassen; die Bestimmung des
Entwurfes über den Gesamtplan aber wurde fast unverändert als neuer § 8 b in
das Gesetz aufgenommen. Das hat, wie schon in BGE 74 I 155 bemerkt wurde,
seinen guten Sinn: Die unmittelbar interessierte Gemeinde soll nicht von sich
aus derart weitgehende Eingriffe vornehmen können; wohl aber kann ihr der
Regierungsrat, der im Gesamtplan höhere Interessen wahrt,

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in diesem die Grundlage dafür geben. Der Umstand, dass die in jenem Entwurfe
vorgesehenen Bannlinien für als unüberbaubar erklärte Gebiete schon von der
kantonsrätlichen Kommission gestrichen wurden, spricht nicht hiegegen; denn
diese Linien bezogen sich nicht auf den Gesamtplan, sondern auf den
erweiterten Bebauungsplan; sie hätten eine eigene Kompetenz der Gemeinde
begründet, die sich nicht auf einen Erlass des Regierungsrates gestützt hätte.
Es ist allerdings ungewöhnlich, dass der Gesamtplan, der selbst für die
Grundeigentümer nicht verbindlich ist, die Gemeinden ermächtigt, ihrerseits
für jene verbindliche Vorschriften aufzustellen, zu deren Erlass sie ohne ihn
nicht befugt wären. Aus der Botschaft des Regierungsrates zur Teilrevision,
worin er auf die Unverbindlichkeit des Gesamtplanes für die Grundeigentümer
hinweist und erklärt, dessen Einführung sei nur ein erster Schritt zur
Planung, der spätere - gemeint sind offensichtlich gesetzgeberische --
Massnahmen erleichtern solle, scheint hervorzugehen, dass der Regierungsrat
damals selbst nicht von seiner heutigen Auffassung ausging. Diese ist jedoch
nach Werdegang und Ergebnis der Revision, welche die Erweiterung der
selbständigen Kompetenz der Gemeinden nicht verwirklichte, aber dem
Regierungsrat in § 8 b BG eine neue Befugnis gab, durchaus nicht unhaltbar und
daher vom Bundesgericht nicht zu beanstanden.
4.- Da die Zuteilung der in Rede stehenden Grundstücke der Beschwerdeführer
zur Grünzone nicht nur im städtischen Zonenplan, sondern auch im Gesamtplan
Nr. 1 vorgesehen ist und - wie anerkennt ist - beiden Plänen derselbe Begriff
der Grünzone zugrunde liegt, fragt sich weiter, ob der Gesamtplan Nr. 1,
soweit er diese Grundstücke betrifft, seinerseits durch das Gesetz gedeckt
sei. Die Beschwerdeführer bestreiten dies schon in der Beschwerdeschrift, wo
sie vorbringen, in zürcherischen Gemeindebauordnungen könnten als
Bauverbotszonen höchstens die in § 8 b BG aufgezählten Gebiete ausgeschieden
werden, zu welchen die Grünzone im Sinne des Art. 48 BO

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nicht gehöre; denn damit wird zugleich gesagt, dass der Gesamtplan Nr. 1, was
die Grünzone anlangt, selbst über § 8 b BG hinausgehe und daher insoweit der
gesetzlichen Grundlage entbehre.
§ 8 b BG nennt als Gegenstand des Gesamtplans «das Verkehrsstrassennetz, die
Grundlagen für die Wasserversorgung und für die Ableitung der Abwasser, die
für öffentliche Anlagen erforderlichen Gebiete, die Industriegebiete, die
land- und forstwirtschaftlich benützten Gebiete und die Wohngebiete». Als
gesetzliche Grundlage für die Grünzone - neben welcher die BO eine besondere
Land- und Forstwirtschaftszone vorsieht kommt einzig die Stelle (t die für
öffentliche Anlagen erforderlichen Gebiete» in Betracht. Als öffentliche
Anlagen gelten nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch die als Park, Spielplatz
oder zu ähnlichen Zwecken ausgestalteten und dem Publikum zur Verfügung
gestellten Anlagen. Das BG verwendet den Begriff in den §§ 7 und 9
offensichtlich in diesem beschränkten Sinne, wenn es die «öffentlichen Plätze
und Anlagen» im Zusammenhang mit den Hauptverkehrslinien bzw. mit den
öffentlichen und privaten Strassen aufführt; nichts spricht dafür, dass er in
§ 8 b eine andere, weitere Bedeutung habe. Nach dem Entwurf von 1929 für eine
Gesamtrevision des BG, welcher in § 9 von «öffentlichen Anlagen
verschiedenster Art» sprach, hätten darunter allenfalls auch die in § 5 neben
den öffentlichen Plätzen und Parkanlagen und den Spielplätzen als Gegenstand
des Bebauungsplans genannten «vor der Überbauung zu schützenden Grünflächen»
verstanden werden können; bei der Teilrevision von 1943 wurde aber nicht nur
davon Umgang genommen, die Bestimmung über den Inhalt des Bebauungsplans (§ 7
BG) zu ändern, insbesondere darin die Schaffung solcher Grünflächen
vorzusehen, sondern es wurden auch die in § 9 jenes Entwurfes enthaltenen
Worte «verschiedenster Art» nicht in den neuen § 8 b übernommen. Die
Geschichte der Revision bestätigt also, dass der in dieser Bestimmung
verwendete Begriff der öffentlichen

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Anlage im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches aufgefasst werden muss.
5.- Von den in Art. 48 BO genannten Gebieten sind zweifellos die
Erholungszwecken dienenden öffentlichen Grünanlagen und Sportanlagen
öffentliche Anlagen im Sinne des § 8 b BG. Als solche könnten auch die
Friedhöfe und allenfalls die als Umschwung öffentlicher Bauten benötigten
Freiflächen angesehen werden. Schon zweifelhafter ist, ob auch die
militärischen Übungsgelände und die für Familiengärten und Gartenbau
bestimmten Gebiete darunter fallen. Keinesfalls aber gehören dazu die - gemäss
Ergänzungsbericht des Stadtrates in Freigebiete, Schutzgürtel, Freihänge und
Aussichtsvorgelände eingeteilten Gebiete, welche zum Zwecke hygienischen
Schutzes und städtebaulicher Gliederung, namentlich als Trennst reifen
zwischen Industrie- und Wohngebieten oder zwischen verschiedenen Quartieren
oder Gemeinden, der Grünzone zugeschieden, aber nicht dem Publikum zur
Verfügung gestellt und entsprechend gestaltet werden. Im angefochtenen
Entscheide wird dies denn auch anerkannt.
Das Geländedreieck, zu dem die Grundstücke der Beschwerdeführer gehören, ist
im Nutzungsplan von 1945 als Freigebiet eingetragen, und im angefochtenen
Entscheide wie in den Vernehmlassungen des Stadtrates und des Regierungsrates
zur staatsrechtlichen Beschwerde wurde seine Zuteilung zur Grünzone
ausschliesslich damit begründet, dass sie notwendig sei zur Bildung eines
durchgehenden unbebauten Trennungsgürtels, welcher das Zusammenwachsen des
Stadtteils Seebach mit der Ortschaft Glattbrugg verhindern solle; davon, dass
die Verwendung des Areals als öffentliche Anlage (im Sinne des
Sprachgebrauchs) geplant sei, war dort nicht die Rede. Nun macht der Stadtrat
in seinem Ergänzungsbericht geltend, es sei stets vorbehalten worden, einzelne
Freigebiete, so auch jenes Dreieck, «später - mit fortschreitender Überbauung
- allenfalls als öffentliche Anlagen auszugestalten». Ein solcher Vorbehalt,
auch wenn er bereits in einer -

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unverbindlichen - Überbauungsstudie seinen Niederschlag gefunden hat, genügt
jedoch nicht zur Annahme, dass es sich um «für öffentliche Anlagen
erforderliches Gebiet» im Sinne des § 8 b BG handelt. Hierunter können zumal
bei der Teilrevision auf weitgehende und umstrittene Neuerungen bewusst
verzichtet wurde - vernünftigerweise nur Grundstücke verstanden werden, für
welche die Notwendigkeit der Verwendung als öffentliche Anlage aktuell, jetzt
schon ersichtlich ist, nicht aber solche, die dafür unter Umständen in Zukunft
erforderlich werden könnten. Die Sicherstellung einer Landreserve für
allfällige künftige Bedürfnisse nach öffentlichen Anlagen mag wünschbar sein;
doch ist eine einzig zu diesem Zwecke angeordnete Eigentumsbeschränkung durch
das gelt ende zürcherische Baugesetz nicht gedeckt.
6.- Sie kann auch nicht darauf gestützt werden, dass § 8 b BG als Gegenstand
des Gesamtplanes u.a. die Ausscheidung der landwirtschaftlich benützten
Gebiete nennt. Dieser Teil der Bestimmung dient der Erhaltung der für die
Landwirtschaft erforderlichen Bodenfläche und hat weder mit städtebaulicher
Gliederung noch mit der Schaffung einer Reserve für künftige Bedürfnisse zu
tun; er darf nicht als Vorwand für andere Zwecke, deren Verwirklichung den
Boden der landwirtschaftlichen Nutzung entzöge, angerufen werden. Wohl wird
auch die Landwirtschaftszone praktisch von der Überbauung freigehalten, weil
darin nur Bauten für landwirtschaftliche Zwecke erstellt werden dürfen; das
ist aber nur eine Nebenwirkung, die für sich allein die Erklärung als
Landwirtschaftszone nicht zu rechtfertigen vermöchte. Die gesetzliche
Grundlage der Landwirtschaftszone kann deshalb nicht für die zur Grünzone
gehörenden Freigebiete, deren eigentlicher Zweck in der Freihaltung liegt,
herangezogen werden, auch wenn sie praktisch nur noch landwirtschaftlich
genutzt werden können. Wenn der zürcherische Gesetzgeber auch für jenen Zweck
das Grundeigentum hätte beschränken wollen, hätte er das sagen müssen, was
nicht geschehen ist.

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7.- Was die Zuteilung der streitigen Grundstücke anlangt, gehen somit der
Gesamtplan Nr. 1 und der auf ihm beruhende Zonenplan der BO über das hinaus,
was der Regierungsrat gemäss § 8 b BG anordnen und die Gemeinde gestützt
darauf für die Grundeigentümer verbindlich erklären kann. Da eine anderweitige
gesetzliche Grundlage jedenfalls für diese Grundstücke nicht in Betracht
fällt, ergibt sich, dass die aus ihrem Einbezug in die Grünzone folgende
Eigentumsbeschränkung gegen die Eigentumsgarantie verstösst. Der Regierungsrat
wird dies bei einer allfälligen Genehmigung der BO und des zugehörigen
Zonenplans zu berücksichtigen haben.
8.- Ist daher der angefochtene Entscheid wegen Fehlens einer gesetzlichen
Grundlage aufzuheben, so kann dahingestellt bleiben, was von den Ausführungen
der Beschwerdeführer über das öffentliche Interesse und die materielle
Enteignung zu halten ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 I 211
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 31. Oktober 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 I 211
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Eigentumsgarantie, Planung.Schaffung von Grünzonen, insbesondere zum Zwecke städtebaulicher...


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
ZGB: 702
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 702 - Dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden bleibt es vorbehalten, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen, wie namentlich betreffend die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei, das Forst- und Strassenwesen, den Reckweg, die Errichtung von Grenzmarken und Vermessungszeichen, die Bodenverbesserungen, die Zerstückelung der Güter, die Zusammenlegung von ländlichen Fluren und von Baugebiet, die Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern, die Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und den Schutz von Heilquellen.
BGE Register
74-I-147 • 77-I-211
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • gemeinde • bundesgericht • eigentumsgarantie • landwirtschaftszone • staatsrechtliche beschwerde • zonenplan • erbe • frage • sprachgebrauch • grundeigentum • totalrevision • sportanlage • entscheid • weisung • forstwirtschaftszone • materielle enteignung • kv • eigentum • funktion
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