S. 302 / Nr. 51 Doppelbesteuerung (d)

BGE 76 I 302

51. Auszug aus dem Urteil von 20. Dezember 1950 i. S. Schüpbach gegen Kantone
Aargau und Solothurn.


Seite: 302
Regeste:
An. 46 Abs. 2 BV. Der Steuerwohnsitz des in unselbständiger Stellung
erwerbstätigen Minderjährigen befindet sich am Wohnsitz des Inhabers der
elterlichen Gewalt.
Art. 46 al. 2 Cst. Le domicile fiscal du mineur qui gagne sa vie d'une manière
non indépendante est au domicile du titulaire de la puissance paternelle.
Art. 46 cp. 2 CF. Il domicilio fiscale del minorenne che guadagna la sua vita
in maniera non indipendente è al domicilio del detentore della patria potestà.

Der 1931 geborene Beschwerdeführer wohnte bis zum 1. Juni 1950 bei seinen
Eltern in Kallern (AG). Als er nach Derendingen übersiedelte und bei der
Sparkasse der Amtei Kriegstetten daselbst eine Stelle antrat, haben Gemeinde
Derendingen und Kanton Solothurn ihn für sein Einkommen steuerpflichtig
erklärt. Anderseits beanspruchte auch der Kanton Aargau die Steuerhoheit über
den Beschwerdeführer am Wohnsitz der Eltern. Die von Schüpbach wegen
Doppelbesteuerung erhobene staatsrechtliche Beschwerde wird vom Bundesgericht
gegenüber dem Kanton Aargau abgewiesen, gegenüber dem Kanton Solothurn dagegen
gutgeheissen aus folgenden
Erwägungen:
1.- ...
2.- Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Doppelbesteuerungssachen
unterstellen Einkommen und Vermögen, soweit es sich nicht uni Immobilien und
deren Ertrag oder um solches Vermögen handelt, mit dein der Pflichtige ein
Gewerbe ausübt, grundsätzlich der Steuerhoheit des Kantons des
zivilrechtlichen Wohnsitzes im Sinne der Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
, 25
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
und 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB. Der

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zivilrechtliche Wohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich nach Art. 25 Abs.
1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB am Wohnsitz des Inhabers der elterlichen Gewalt. Nur bei selbständiger
Ausübung eines Berufes oder Gewerbes kann das minderjährige, unter elterlicher
Gewalt stehende Kind einen andern Wohnsitz haben als denjenigen der Eltern
(BGE 67 II 80). Mit diesem Urteil ist die frühere gegenteilige Praxis in BGE
45 II 245, wonach auch das unselbständig erwerbende Kind eigenen Wohnsitz
haben könne, aufgegeben worden. Es verhält sich bei solchen unselbständig
erwerbenden Minderjährigen ähnlich wie bei Entmündigten, deren Steuerwohnsitz
sich dann, wenn der Sitz der Vormundschaftsbehörde und der tatsächliche
Aufenthalt des Mündels auseinanderfallen, am Sitz der Vormundschaftsbehörde
befindet, die die Vormundschaft tatsächlich führt (BGE vom 14. September 1949
i. S. Vogel, nicht veröffentlicht).
Eine Einschränkung der Steuerhoheit des Kantons des zivilrechtlichen
Wohnsitzes mit Bezug auf Vermögen und Einkommen, das grundsätzlich diesem
untersteht, hat das Bundesgericht nur ganz ausnahmsweise zugelassen, so beim
Sommerwohnsitz und bei getrennter Familienniederlassung. Beim minderjährigen
Kind, das sich mit Zustimmung des Gewaltinhabers zu Erwerbszwecken an einem
andern Ort als dem Wohnsitz der Eltern aufhält, vom Grundsatz der
Massgeblichkeit des zivilrechtlichen Wohnsitzes abzuweichen, rechtfertigt sich
nicht. Der Mittelpunkt der persönlichen Beziehungen, auf die es bei der
Bestimmung des Steuerwohnsitzes im allgemeinen ankommt, befindet sich nicht
nur dann, wenn der Minderjährige jede Woche in die häusliche Gemeinschaft
zurückkehrt, sondern auch, wenn die Besuche bei den Eltern bloss unregelmässig
erfolgen, nicht am Ort der Erwerbstätigkeit, sondern am Wohnsitz der Eltern.
Auch bei Fehlen der Hausgemeinschaft erfasst doch die elterliche Gewalt die
geamten persönlichen und ökonomischen Verhältnisse des Kindes und muss daher
auch den Wohnsitz bestimmen.

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Die Beziehungen des minderjährigen Kindes zum Erwerbsort sind im Hinblick auf
die Fortdauer der elterlichen Gewalt nicht von gleicher Festigkeit wie
diejenigen anderer Steuerpflichtiger, die den Mittelpunkt ihrer persönlichen
Beziehungen vom bisherigen Wohnort nach dem Arbeitsort verlegt haben. Der
Inhaber der elterlichen Gewalt kann jene Beziehungen grundsätzlich jederzeit
und ohne Rücksicht auf den Willen des Kindes wieder aufheben. Dass der
Minderjährige dann, wenn er mit Zustimmung der Eltern ausserhalb der
häuslichen Gemeinschaft lebt, über seinen Erwerb verfügen kann (Art. 295 Abs.
2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
ZGB), vermag hieran nichts zu ändern. Auch in diesem Falle bleiben die
Pflichten des Kindes gegenüber den Eltern vorbehalten, besteht deren Recht auf
Auskunft über das Einkommen und bleibt es beim elterlichen Gewaltverhältnis,
sowie dabei, dass der Inhaber dieser Gewalt bestimmt, ob und wie lange das
Kind sich ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft aufhalten kann wenn er damit
nicht oder nicht mehr einverstanden ist, muss auch der Erwerb nach Art. 295
Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
ZGB behandelt werden (EGGER zu Art. 295
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
ZGB Note 8).
Ob, wie der Regierungsrat des Kantons Solothurn geltend macht, das
solothurnische Recht die Besteuerung des Minderjährigen, der sich an einem vom
Wohnsitz der Eltern verschiedenen Ort aufhält, zulässt, ist für die Frage, ob
eine unzulässige Doppelbesteuerung vorliege. unerheblich. Das kantonale Recht
muss weichen, wenn seine Anwendung zu, einer internationalen Doppelbesteuerung
führen würde. Warum die Besteuerung des minderjährigen Kindes am Wohnsitz der
Eltern zu grössern praktischen Schwierigkeiten führen müsste als die Erfassung
des Arbeitseinkommens am Arbeitsort, ist nicht einzusehen. Die Besteuerung des
Kindes am Wohnort des Inhabers der elterlichen Gewalt hat im Gegenteil zur
Folge, dass nur eine einzige Steuerverfügung ergehen muss, dass der
Gewaltinhaber dem Fiskus für die rechtskräftig gewordene Steuerforderung
haftet, was deren

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Eintreibung erleichtert, und dass er die Stelle des Steuerpflichtigen auch im
Steuerveranlagungs- und Justizverfahren einnimmt und mit Bezug auf das
Einkommen des Kindes in gleicher Weise auskunftspflichtig ist wie über das
Einkommen der Kinder, die in häuslicher Gemeinschaft mit ihm leben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 I 302
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 20. Dezember 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 I 302
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : An. 46 Abs. 2 BV. Der Steuerwohnsitz des in unselbständiger Stellung erwerbstätigen Minderjährigen...


Gesetzesregister
ZGB: 23 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
25 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
26 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
295
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1    Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:371
1  für die Entbindungskosten;
2  für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt;
3  für andere infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig gewordene Auslagen unter Einschluss der ersten Ausstattung des Kindes.
2    Aus Billigkeit kann das Gericht teilweisen oder vollständigen Ersatz der entsprechenden Kosten zusprechen, wenn die Schwangerschaft vorzeitig beendigt wird.
3    Leistungen Dritter, auf welche die Mutter nach Gesetz oder Vertrag Anspruch hat, sind anzurechnen, soweit es die Umstände rechtfertigen.
BGE Register
45-II-241 • 67-II-80 • 76-I-302
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
elterliche gewalt • aargau • steuerhoheit • doppelbesteuerung • bundesgericht • ausserhalb • stelle • autonomie • wohnsitz • gemeinsamer haushalt • auskunftspflicht • entscheid • solothurn • gerichts- und verwaltungspraxis • not • wille • kantonales recht • sparkasse • regierungsrat • internationale doppelbesteuerung
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