S. 146 / Nr. 24 Registersachen (d)

BGE 76 I 146

24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Mai 1950 i. S. Gerber gegen
Regierungsrat des Kantons Bern.

Regeste:
Handelsregister: Eintragungspflicht der Gastwirtschafts-Betriebe (Art. 53 lit.
A Ziff. 1 und lit. C mit Art. 54 HRV).
Registre du commerce Assujettissement à l'inscription des auberges,
restaurants, pensions, hôtels (art. 53 lettre A, ch. 1, et lettre C, en
rapport avec l'art. 54 ORC).
Registro di commercio. Assoggettamento all'iscrizione degli alberghi, dei
ristoranti, delle pensioni (art. 53, lett. A, cifra 1, e lett. C, combinato
con l'art. 54 ORC).

Paul Gerber führt den Gasthof zum Badhaus in Ittigen. Seine jährlichen
Roheinnahmen belaufen sich auf rund Fr. 75,000.-. Da er sich weigerte, der im
Oktober 1949 an ihn ergangenen Aufforderung zur Anmeldung beim Handelsregister
nachzukommen, ordnete der Regierungsrat des Kantons Bern am 30. Dezember 1949
die Eintragung von Amtes wegen an.
Hiegegen richtet sich die vorliegende

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Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, es sei die angefochtene
Verfügung aufzuheben und festzustellen, dass keine Eintragungspflicht bestehe.
Der Regierungsrat des Kantons Bern schliesst auf Bestätigung seines
Entscheides. Zum nämlichen Antrag gelangt in der Vernehmlassung auch das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gaststätten, Hotels und Pensionen, zumindest in der überkommenen und für
ländliche Verhältnisse allgemein üblichen Form, gehören ihrer Natur nach zu
den Handelsgewerben im Sinne von Art. 53 lit. A Ziff. 1 HRV. Denn der
Wirtschaftsbetrieb, den sie ausschliesslich oder als einen ihrer Hauptzwecke
unterhalten, und dem auch im Unternehmen des Beschwerdeführers die
überwiegende Bedeutung zukommt, ist gekennzeichnet durch den Umsatz von Waren,
nämlich der Speisen und Getränke aller Art. Damit ist die Voraussetzung der
zitierten Gesetzesnorm - Erwerb von Sachen und Wiederveräusserung derselben«in
unveränderter oder veränderter Form» erfüllt. Dass Esswaren teilweise
zubereitet werden müssen, um geniessbar und, was der Beschwerdeführer
besonders hervorhebt, schmackhaft zu sein, ist somit belanglos.
Anders verhält es sich höchstens für jene neuzeitlichen Unternehmungen, die
unter Verzicht auf Bewirtung (abgesehen vielleicht von der Verabreichung des
Frühstücks) einzig oder doch in erster Linie der Beherbergung von Gästen
dienen. Solche Geschäfte sind aber grundsätzlich den von Art. 53 lit. C HRV
erfassten Gewerben zuzuzählen, da sie, sobald sie erheblichen Umfang annehmen,
zweifellos einen kaufmännischen Betrieb und eine geordnete Buchführung
erfordern.
Im einen wie im anderen Fall hängt die Pflicht zur Eintragung im
Handelsregister nach Art. 54 HRV einzig von der Höhe der jährlichen
Roheinnahmen ab. Indem der Gesetzgeber die Mindestgrenze auf Fr. 25000.-
festsetzte, ging er davon aus, dass bei entsprechenden oder

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grösseren Roheinnahmen für die in Betracht kommenden Gewerbe kaufmännischer
Betrieb und geordnete Buchführung sowie die mit dem Registereintrag verbundene
Publizität im Interesse der Sicherheit des Geschäftslebens und des
Kreditwesens nötig sind.
2.- Die nämliche Annahme lag schon der alten HRV von 1890 zugrunde. Dort (Art.
13 Ziff. 3 lit. d) waren Hotels, Gasthäuser, Kurhäuser, Fremdenpensionen und
dergleichen ausdrücklich bei den «anderen nach kaufmännischer Art betriebenen
Gewerben» eingereiht und eintragungspflichtig erklärt, ausgenommen nur die
Kleinbetriebe, deren Warenlager den durchschnittlichen Minimalwert von Fr.
2000.- nicht erreichte oder deren Jahresumsatz unter der Summe von Fr.
10,000.- blieb. Die Praxis hat denn auch allein auf diese Momente und nicht
etwa auf die Eintragungsbedürftigkeit der Gastwirtschaftsbetriebe als solcher
abgestellt (vgl. BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. III Nr. 1495,
1496, 1498 und 1499, ferner STAMPA, Sammlung von Entscheiden in
Handelsregistersachen, Nr. 95, 96, 103 und 104).
Die damalige Ordnung wurde durch die neue HRV nicht geändert. Wohl sind darin
die Gaststätten nicht mehr eigens genannt. Das heisst aber entgegen der
Meinung des Beschwerdeführers nicht, dass sie schlechthin den
Handwerksbetrieben beigezählt werden wollten. Vielmehr fällt das Gastgewerbe
begrifflich ohne weiteres unter die Bestimmung in Art. 53 lit. A Ziff. 1 und
lit. C HRV, weshalb sich dessen namentliche Anführung erübrigte. So wurden im
Kanton Bern nach den Darlegungen des Regierungsrates bis anhin
Gastwirtschaften, Hotels, Tea-Rooms usw. beim Vorliegen der gesetzlichen
Mindest-Roheinnahme als eintragungspflichtig angesehen und notfalls zur
Eintragung gezwungen. Von dieser gegebenen Auslegung und ständigen Handhabung
des Art. 53 HRV abzugehen besteht umso weniger Anlass, als sie, wie der
Regierungsrat weiter erwähnt, den Bedürfnissen und den Auffassungen der
Gewerbekreise entsprechen. Auch das Bundesgericht hat in

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einem das Gastwirtschaftsgewerbe betreffenden Fall die Erreichung oder
Überschreitung der in der HRV vorgeschriebenen Roheinnahme zum massgebenden
Kriterium der Eintragungspflicht genommen (vgl. BGE 70 I 205).
3.- Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 75 I 74, welcher handwerkliche
Kleinbetriebe von der Eintragungspflicht ausnimmt, geht fehl. Seinem Wesen
nach ist das Handwerk dem Fabrikationsgewerbe zuzurechnen. An sich würde es
daher gemäss Art. 53 lit. B HRV zu behandeln sein, wäre es nicht so, dass
diese Bestimmung auf den Grossbetrieb zugeschnitten ist, wie in dem genannten
Präjudiz (S. 78) dargetan wurde. Mit Rücksicht darauf erschien es angezeigt,
das gewöhnliche Handwerk der Vorschrift in Art. 53 lit. C zu unterstellen.
Nichtsdestoweniger gehört das Handwerk begrifflich zur Kategorie der
Fabrikationsgewerbe. Deswegen verbietet sich eine Übertragung oder
analogieweise Anwendung der in BGE 75 I 74 umschriebenen Betrachtungsweise auf
das anders geartete Gastgewerbe. Bei letzterem steht im Vordergrund der
Warenumsatz, also der Handel, und demzufolge der geschäftliche Verkehr mit
Dritten wie Gästen, Lieferanten, Dienstnehmern. Das Handwerk jedoch geht
vornehmlich aus auf die Erbringung einer produktiven Leistung im kleinen und
ist charakterisiert durch das Vorwiegen der persönlichen Arbeitskraft und
Fähigkeit des Inhabers, während die eigentliche geschäftliche Tätigkeit meist
eine untergeordnete Rolle spielt und mit einfachen Mitteln bewältigt werden
kann. Gerade dieser Unterschied rechtfertigt es, an das Handelsgewerbe und
sonstige hauptsächlich den Warenumsatz pflegende Gewerbe höhere Anforderungen
zu stellen und sie generell der Eintragungspflicht zu unterwerfen, wenn
jährlich eine Roheinnahme des in der HRV vorgesehenen Umfangs erzielt wird.
Wollte man davon abgehen und statt dessen, wie der Beschwerdeführer verlangt,
entscheidend den organisatorischen Aufbau des einzelnen Geschäftes würdigen,
so würde für das Handels- und Umsatzgewerbe jedes zuverlässige

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Unterscheidungsmittel aus der Hand gegeben und sowohl die Rechtssicherheit als
auch die Rechtsgleichheit gefährdet.
4.- Da im Betrieb des Beschwerdeführers die gesetzlich bestimmte jährliche
Roheinnahme von Fr. 25,000.- nicht nur erreicht, sondern bei weitem
überschritten wird, ist nach dem Gesagten mit dem Regierungsrat des Kantors
Bern die Eintragungspflicht zu bejahen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 I 146
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 09. Mai 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 I 146
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Handelsregister: Eintragungspflicht der Gastwirtschafts-Betriebe (Art. 53 lit. A Ziff. 1 und lit. C...


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