S. 27 / Nr. 4 Familienrecht (d)

BGE 75 II 27

4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Februar 1949 i. S. B. gegen
Gemeinderat M.


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Regeste:
Bevormundung wegen Freiheitsstrafe, Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB.
Bleibt infolge Anrechnung der Untersuchungshaft die tatsächlich zu verbüssende
Strafzeit unter einem Jahr, so ist nicht zu entmündigen.
Interdiction à raison de la détention art. 371 CC.
Si par suite de l'imputation de la détention préventive la peine à subir par
le condamné est effectivement de moins d'une année il n'y a pas lieu de le
pourvoir d'un tuteur.
Interdizione a motivo d'una pena privativa della libertà (art. 371 CC). Se in
seguito al computo della detenzione preventiva la pena che il condannato deve
subire è effettivamente di meno d'un anno, non si deve assoggettarlo a tutela.

P. B., gewesener Gemeindeschreiber, wurde mit Urteil des Kriminalgerichts des
Kantons Aargau vom 18. Mai 1948 wegen Veruntreuung und Urkundenfälschung zu 14
Monaten Gefängnis, abzüglich 90 Tage Untersuchungshaft, verurteilt. Nachdem er
die Strafe angetreten hatte, ordnete der Gemeinderat M. über ihn die
Vormundschaft gemäss Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB an. Hiegegen führte der Verurteilte beim
Bezirksamt und beim Regierungsrat des Kantons Aargau Beschwerde mit der
Begründung, eine Bevormundung habe nicht stattzufinden, da die von ihm
tatsächlich abzusitzende Freiheitsstrafe infolge Anrechnung der
Untersuchungshaft nur noch 11 Monate, also weniger als ein Jahr betrage. Die
Bevormundung könne auch nicht mit einer praktischen Notwendigkeit begründet
werden, da er in der Lage sei, seine Angelegenheiten selber zu besorgen. Beide
Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen. Der Regierungsrat führt aus, der
Grund der Bevormundung nach Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB liege nicht in der Freiheitsstrafe,
sondern in der Notwendigkeit, die Interessen des Sträflings zu wahren. Wohl
gebe es Fälle, wo die tatsächliche Internierung infolge Anrechnung der
Untersuchungshaft nur noch wenige Monate betrage. Liege in solchen Fällen eine
Notwendigkeit zur Interessenwahrung nicht vor, so möge es je nach den
Verhältnissen gerechtfertigt erscheinen, im

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Sinne der Auffassung Egger von einer Bevormundung abzusehen. Es sei allerdings
zu berücksichtigen, dass eine Bevormundung nicht nur für die Dauer der
Inhaftierung gelte, sondern von Gesetzes wegen auch für die Zeit der bedingten
Entlassung (Art. 432
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 432 - Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.
ZGB). Trotz kurzer Internierung sei es daher möglich,
dass eine Bevormundung mehrere Jahre dauern könne und sich auch für die Zeit
der bedingten Entlassung als zweckmässig erweise. Die Bevormundung sei aber
dann, wenn die Verurteilung auf ein Jahr oder mehr laute, die effektive
Strafzeit jedoch weniger als ein Jahr daure, auf jeden Fall anzuordnen, wenn
eine Notwendigkeit, die Interessen des Verurteilten zu wahren, bestehe, was
beim Beschwerdeführer angesichts einiger Betreibungen der Fall sei.
B. ­ Mit der vorliegenden Berufung hält der Interdizend an seiner Auffassung
fest und macht weiter geltend, mit Verfügung der Justizdirektion vom 11.
November 1948 werde er am 18. Dezember 1948, d.h. nach Verbüssung von 2/3 der
Strafzeit, bedingt entlassen.
Der Gemeinderat M. trägt auf Abweisung der Berufung an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB gehört jede mündige Person, die zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr oder darüber verurteilt worden ist, unter Vormundschaft. Ob für
dieses Jahr abzustellen ist auf die Dauer der Strafe, wie sie in Anwendung des
Strafmasses des Strafgesetzes ermittelt und ausgesprochen wurde, oder ob die
Strafzeit massgebend ist, die nach einem allfälligen Abzug der
Untersuchungshaft zu effektiver Verbüssung übrig bleibt, ist in der Literatur
bestritten (vgl. Kommentar Egger, Art. 371 N. 6; KAUFMANN, Art. 371 N. 5).
Einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Art. 371
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ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
bietet Art. 432
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ZGB Art. 432 - Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.
ZGB, wonach
eine gemäss Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
angeordnete Vormundschaft mit der Beendigung der Haft
aufhört. Daraus geht hervor, dass die nach Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB verfügte Bevormundung
­ abgesehen von dem in Art. 432

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Abs. 2 geregelten Sonderfall der bloss zeitweisen oder bedingten
Haftentlassung ­ ihren Grund nicht in der Verurteilung von einer bestimmten
Schwere, sondern in der den Strafvollzug bildenden effektiven
Freiheitsentziehung hat und lediglich dazu bestimmt ist, dem Verurteilten für
die Zeit, während der er durch die Inhaftierung in der Wahrnehmung seiner
Interessen behindert ist, einen Vertreter zu bestellen (BGE 62 II 69).
Angesichts dieses Sinnes der Massnahme liegt die Auffassung nahe, dass Art.
371, der als Voraussetzung für dieselbe eine Minimaldauer der Freiheitsstrafe
von einem Jahr verlangt, damit die Dauer der tatsächlichen Inhaftierung und
nicht das auf Grund des Strafgesetzes festgesetzte Strafmass im Auge hat. Die
gegenteilige Auslegung würde zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass in
Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber durch die
angerechnete Untersuchungshaft bis auf wenige Wochen abgebüsst ist, eine
Entmündigung erfolgen müsste, während sie zu unterbleiben hätte, wenn das
Urteil z.B. auf 11 Monate Gefängnis ohne Anrechnung lautet. Wollte man auf das
Strafmass abstellen, so müsste die Entmündigung sogar dann erfolgen, wenn die
Strafe durch die Untersuchungshaft gänzlich erstanden ist, ebenso in Fällen
einer bedingten Verurteilung, was beides mit Art. 432
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 432 - Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.
ZGB, wonach die
Entmündigung eine tatsächliche Haft zur Voraussetzung hat, nicht vereinbar
wäre. Dafür, dass diese Konsequenzen dem Willen des Gesetzes nicht entsprechen
würden, kann ausser den erwähnten Gründen auch auf den Art. 371 Abs. 2
hingewiesen werden, welcher die Strafvollzugsbehörde anweist, der für die
Entmündigung zuständigen Stelle vom Strafantritt Mitteilung zu machen. Diese
Vorschrift lässt erkennen, dass erst der Strafantritt Anlass zur Entmündigung
gibt und nicht schon ein Urteil, das ein Strafmass von einem Jahr oder darüber
ausfällt (BGE 62 II 68).
Ist mithin auf die Dauer der tatsächlich zu verbüssenden Freiheitsstrafe
abzustellen, so ist im vorliegenden Fall, wo die Dauer der Inhaftierung
zufolge der Anrechnung der

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Untersuchungshaft ­ auch ohne Berücksichtigung einer inzwischen eingetretenen
bedingten Entlassung ­ unter einem Jahr bleibt, der Bevormundungsgrund des
Art. 371
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
ZGB nicht gegeben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid sowie die
Entmündigung aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 II 27
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 17. Februar 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 II 27
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Bevormundung wegen Freiheitsstrafe, Art. 371 ZGB.Bleibt infolge Anrechnung der Untersuchungshaft...


Gesetzesregister
ZGB: 371 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 371 - 1 Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Wer eine Patientenverfügung errichtet hat, kann diese Tatsache und den Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eintragen lassen. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen, namentlich über den Zugang zu den Daten.
3    Die Bestimmung über den Widerruf des Vorsorgeauftrags ist sinngemäss anwendbar.
432
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 432 - Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.
BGE Register
62-II-68 • 75-II-27
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
untersuchungshaft • freiheitsstrafe • dauer • verurteilter • bedingte entlassung • monat • gemeinderat • verurteilung • aargau • regierungsrat • bundesgericht • entscheid • straf- und massnahmenvollzug • begründung des entscheids • stelle • tag • literatur • wille • besteller • gemeindeschreiber
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