S. 255 / Nr. 43 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 75 I 255

43. Urteil vom 15. Juli 1949 i. S. Kantonale Steuerverwaltung St. Gallen gegen
Brauerei L. und Steuerrekurskommission St. Gallen.

Regeste:
Wehrsteuer: Steuerbare und steuerfreie Rückstellungen bei Berechnung des
Reingewinns von Aktiengesellschaften.
Impôt pour la défense nationale: Réserves d'amortissement imposables et non
imposables dans le calcul du bénéfice net de sociétés anonymes.
Imposta per la difesa nazionale: Riserve d'ammortamento imponibili e non
imponibili nel calcolo dell'utile netto delle società anonime.

A. ­ Die Aktiengesellschaft Brauerei L. gewährt ihrer Wirtekundschaft
langfristige Darlehen, hauptsächlich auf nachstehende Hypotheken auf
Gasthäusern in dem Raum, der von Banken nur gegen zusätzliche Sicherung oder
überhaupt nicht mehr belehnt würde. Die Darlehen sind in der Bilanz mit ihrem
Nominalbetrag aufgenommen; anderseits besteht unter den Passiven ein Konto «
Amortisationsfonds », das als Rückstellung für die mit dieser
Darlehensgewährung verbundenen Risiken bezeichnet wird. Das Konto belief sich
1942 auf Fr. 520000.­, 1943 auf Fr. 482000.­, und 1944 auf Fr. 485000.­. Es
hat sich

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also im Geschäftsjahr 1942/43 um Fr. 38000.- vermindert und 1943/44 um Fr.
3000.- zugenommen. Nach einer bei den Akten liegenden Aufstellung sind die
Einlagen in den Amortisationsfonds in den Jahren 1930, 1931, 1932, 1934, 1935,
1937, 1938 und 1939 ganz oder teilweise in die Berechnung des
steuerrechtlichen Reingewinns einbezogen worden, im ganzen Fr. 131708.-.
B. ­ Bei der Einschätzung zur Wehrsteuer III und zum Wehropfer II hat sich die
Einschätzungsbehörde auf den Standpunkt gestellt, dass eine Rücklage für die
langfristigen Darlehen der Beschwerdeführerin nur bis zum Betrage von Fr.
185000.­ geschäftsmässig begründet sei. Sie hat den Mehrbetrag von Fr.
300000.­ beim Wehropfer als Vermögen angerechnet, und die kantonale
Rekurskommission hat eine hiegegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 12.
November 1948 abgewiesen. Dieser Entscheid ist nicht angefochten worden.
Bei der Wehrsteuer hat die Behörde zunächst den nämlichen Betrag als
freigewordene Rückstellung behandelt, ihn aber im Einspracheentscheid um die
bei früheren Einschätzungen erfassten Einlagen in den Amortisationsfonds (Fr.
131708.­) herabgesetzt, die Zurechnung also auf Fr. 168292.­ ermässigt. Die
kantonale Rekurskommission hat die Zurechnung, auch in diesem Betrage, als
unzulässig erklärt.
a. ­ Die Steuerverwaltung des Kantons St. Gallen ergreift die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, die freigewordene Reservr in
vollem Umfange zu erfassen, soweit sie nicht schon früher versteuert worden
war.
Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück
in Erwägung:
1. ­ Die Umschreibung « Abschreibungen und Rückstellungen » (Art. 49 , Abs. 1,
lit. c WStB) ist nicht eindeutig. Sie kann in einem rein formalen,

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buchhaltungstechnischen Sinne verstanden werden: « Abschreibungen » als
Bilanzkorrekturen in Form von Wertkürzungen auf dem Bilanzposten selbst,
Abstriche am Werte dieser (aktiven oder passiven) Posten, « Rückstellungen »
als Bilanzkorrekturen in Form von Posten auf der Gegenseite der Bilanz, sei es
für bestimmte Positionen, sei es als allgemeine « Rücklagen » (auf der Aktiv-
oder der Passivseite) zur Herstellung des erforderlichen Bilanz-Ausgleichs.
Die kantonale Rekurskommission geht offenbar davon aus, dass die Umschreibung
in diesem formalen Sinne zu verstehen sei. Sie bezeichnet (S. 4 der
Vernehmlassung) Abschreibungen und Rückstellungen als zwei verschiedene
äussere Formen der Ertragsberichtigung und fügt bei, dass in sehr vielen
Fällen die beiden Formen durchaus vertauschbar seien. Letzteres trifft im
allgemeinen zu, wenn und soweit es bei der Unterscheidung auf die formale
buchhaltungstechnische Betrachtungsweise ankommt.
Die Unterscheidung kann aber auch der Ausdruck sachlicher, inhaltlicher
Verschiedenheit sein. Sie ist es dann, wenn auf den Zweck der Bilanzkorrektur
abgestellt, eine Ausscheidung nach der betriebswirtschaftlichen Funktion des
Wertausgleichs angestrebt wird: « Abschreibungen » in diesem Sinne sind die
Bilanzkorrekturen, die dem Ausgleich eingetretener Entwertungen dienen, «
Rückstellungen » Abstriche, die über das für diesen Ausgleich Erforderliche
hinausgehen, Rücklagen, die ihren Grund in etwas anderem als in einem bereits
eingetretenen feststehenden Wertverlust haben. Auf die Form kommt es dabei
weniger an als auf die wirtschaftliche Veranlassung und den Zweck des
Bilanzabstriches.
Das Bundesgericht ist stets davon ausgegangen, dass bei der Umschreibung in
Art. 49 , Abs. 1, lit. c WStB, wie auch schon in den entsprechenden Anordnungen
früherer eidgenössischer Steuererlasse über die Berechnung des Reingewinns
juristischer Personen, die äussere Form, die die Steuerpflichtigen ihren
Bilanzkorrekturen geben, nicht entscheidend sein könne, dass es vielmehr auf
die

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sachliche Bedeutung der Abstriche ankommen müsse, wie ja überhaupt Art. 49
WStB die Kontrolle der buchmässigen Rechnungsergebnisse nach sachlichen,
betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (geschäftsmässiger Begründetheit,
Unkostencharakter im Gegensatz zu Anlagen im Geschäft, geschäftswidrigen
Zuwendungen an die Beteiligten und an Dritte, usw., vgl. lit. b) vorschreibt.
Entsprechend stellt lit. c bei Abschreibungen und Rückstelhlngen auf «
geschäftsmässige Begründetheit » ab; diese wird bestimmt durch den sachlichen,
betriebswirtschaftlichen Charakter eines beabsichtigten oder vollzogenen
Wertausgleichs.
Die äussere Form, die dem Wertabstrich gegeben wird, kann schon deshalb nicht
entscheidend sein, weil es den Unternehmungen weitgehend überlassen ist, diese
nach Gutfinden zu wählen. Die Form, in der der Bilanzabstrich in den Büchern
der Steuerpflichtigen erscheint (oder mit der er unter Umständen auch verdeckt
wird), wäre daher keine sachgemässe Grundlage für die steuerliche Behandlung.
Darin besteht denn auch gerade der Zweck der Steuerkontrolle, die in der
Buchführung ausgewiesenen Ergebnisse auf ihre Übereinstimmung mit der
wirtschaftlichen Wirklichkeit einerseits und auf ihre Bedeutung für die
Steuererhebung anderseits zu überprüfen.
Wo es im Gebiete eidgenössischer Steuern auf die Unterscheidung von
Abschreibungen und Rückstellungen ankam, wurden diese Ausdrücke denn auch
stets in dem dargelegten betriebswirtschaftlichen Sinne verstanden,
Abschreibungen als Wertberichtigungen zum Ausgleich eingetretener
Wertverminderungen, Rückstellungen als Rücklagen zur Sicherung gegen
Verlustgefahren (BGE 69 I 275, 74 I 199; vgl. 62 I 149 und 157, 63 I 83 betr.
Abschreibungen). Es entspricht dies dem Sprachgebrauch, der in der
Bundessteuergesetzgebung von jeher gemacht wurde (vgl. z. B. den BRB vom 18.
September 1916 über die eidg. Kriegsgewinnsteuer, Art. 7 Ziff. 3 Fassung vom
22. April 1919 [Ges. S. S. 271 in Verbindung mit Ges.

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S. 1916, S. 363], wo Abschreibungen zum « Ausgleich einer Wertverminderung »
und daneben « Rückstellungen für drohende Verluste » vorgesehen sind; ebenso
Art. 6 des bis 1946 geltenden KGStB vom 19. Juli 1944). Es besteht kein Grund
anzunehmen, dass die Umschreibung « Abschreibungen und Rückstellungen » in
Art. 49 , Abs. 1, lit. c WStB, abweichend hievon, lediglich den Ausdruck der
formalen Unterscheidung im Sinne der Buchhaltungstechnik bedeuten könnte. Im
Gegenteil erweist sich aus der in jenem Zusammenhang aufgestellten
Ausscheidungsnorm geschäftsmässiger Begründetheit, dass es auf die sachliche
Funktion des Bilanzabstriches ankommen muss.
Diese Auslegung drängt sich übrigens geradezu auf, wenn als geschäftsmässig
begründete Abschreibungen die Abstriche zum Ausgleich eingetretener
Wertverminderungen charakterisiert werden. Denn dann bildet die Rückstellung
die natürliche und sachlich notwendige Ergänzung der Abschreibung. Die Prüfung
auf geschäftsmässige Begründetheit eines Bilanzabstrichs ist dann mit der
Ablehnung unter dem Gesichtspunkte einer Abschreibung für einen bereits
eingetretenen Wertverlust nicht erschöpft, wenn daneben der Gesichtspunkt der
Rückstellung in Frage kommen kann. Die Ausnahme geschäftsmässig begründeter «
Rückstellungen » von der Anrechnung auf den Reingewinn bedeutet in diesem
Zusammenhang und bei diesem Sprachgebrauch eine Erweiterung des Rahmens der
Abzüge gegenüber einer Ordnung, die bei eidgenössischen Steuern den Abzug nur
für geschäftsmässig begründete « Abschreibungen » zulassen würde. Denn sie
ermöglicht es, bei Feststellung des jährlichen Reingewinns nicht nur den im
Geschäftsjahre eingetretenen Wertverminderungen Rechnung zu tragen, sondern
auch Risiken zu berücksichtigen, die sich nicht realisiert haben und von denen
ungewiss ist, ob sie sich realisieren werden. Der Umfang dieser Rücksichtnahme
ergibt sich aus dem Erfordernis geschäftsmässiger Begründetheit.
2. ­ Rückstellungen in dem umschriebenen

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betriebswirtschaftlichen Sinne können dazu bestimmt sein, unmittelbar
drohenden, gegenwärtigen Verlustgefahren zu begegnen, oder aber eine Rücklage
für zukünftige Zwecke zu bilden. Rücklagen für zukünftige Zwecke. sind stets
der Ausdruck vorhandenen Vermögens. Sie gehören, soweit sie nicht aus
Kapitaleinlagen stammen, sondern aus der Unternehmung herrühren, zum
anrechenbaren Gewinn. Dies auch dann, wenn sie zur Sicherstellung des
Betriebes zurückgelegt werden in der Meinung, dass sie heranzuziehen sind,
wenn der Betrieb später Verluste erleiden sollte, somit mit der Möglichkeit
gerechnet wird, dass sie später in der Unternehmung aufgehen. Gleichgültig ist
dabei, ob sie als Reserven ausgewiesen oder in Form übersetzter Abschreibungen
(als verschleierte Reserven) in die Bilanz eingeführt werden. Das Wesen
derartiger Rückstellungen, als aus Gewinnen angesammeltes Vermögen, wird
dadurch nicht berührt.
Von diesen, erworbenes Vermögen bildenden Rückstellungen zu unterscheiden sind
die Rückstellungen, die im Hinblick auf gegenwärtige Verlustgefahren in die
Bilanz eingeführt werden und die deshalb nicht als Ausdruck definitiv
erworbenen Vermögens angesehen werden können. Es sind Rückstellungen, die
gemacht werden müssen, wenn vermieden werden soll, dass die Bilanz die
Vermögenslage der Unternehmung am Bilanztag unrichtig, zu günstig, erscheinen
lässt. Sie bringen die Risiken zum Ausdruck, die z. Z. auf den an sich
sachgemässen Bewertungen der Bilanz lasten. Auf sie bezieht sich das in Art.
49 , Abs. 1, lit. c WStB auch für Rückstellungen aufgestellte Merkmal
geschäftsmässiger Begründetheit. Diese wird dort als gegeben angesehen, wo
unmittelbar drohende Verlustgefahren anzunehmen sind, bei denen sich die
Berücksichtigung in der Rechnung für den Bemessungszeitraum noch rechtfertigen
lässt (BGE 69 I 275, 74 I 199), im Unterschied zu jenen entfernteren Risiken,
bei denen sich eine Vorverlegung in die Gegenwart im Rahmen der (zeitlich
beschränkten) direkten

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Bundessteuern nicht rechtfertigen liesse (vgl. dazu auch die Bemerkung in BGE
69 I 274 über die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit für Rückstellungen).
Es liegt aber auf der Hand, dass Bilanzberichtigungen, deren Zweck darin
besteht, unmittelbar gegenwärtigen Risiken Rechnung zu tragen, vorübergehenden
Charakter haben müssen, dass sie ihre Berechtigung verlieren, sobald das
Risiko, für das sie bestimmt waren, wegfällt. Sie sind transitorischen Posten
der Bilanz gleichzuachten, die ihrer Bestimmung gemäss abzurechnen und zu
eliminieren sind, sobald die Entwicklung oder auch nur ein besserer Einblick
in die Verhältnisse eine neue oder eine sicherere Beurteilung des
Sachverhaltes erlaubt. Es liegt dies in dem Zweck derartiger « Reserven »,
einer ausgesprochen vorläufigen Beurteilung der Verhältnisse Rechnung zu
tragen. Deshalb wurde, wo die Frage nach der späteren Erfassung solcher
Rückstellungen gestellt war, die BesteuerungsmÖglichkeit nicht auf die
allgemeinen Gründe für die Erfassung von Rückstellungen beim Einkommen
(Verbuchung von Mehrwerten und Realisierung, vgl. Art. 21 , lit. f WStB)
beschränkt, sondern daneben auch die Erfassung in dem Zeitpunkt vorbehalten,
in welchem die Rückstellungen frei geworden sind und festgestellt wird, dass
sie für den Zweck, für den sie vorgesehen waren, nicht mehr in Anspruch
genommen werden müssen (BGE 69 I 274). Diese Voraussetzung war z. B. gegeben
und wurde Anlass zu der Besteuerung im Falle des Baugeschäftes Trippel (BGE 74
I 193
), das angefangen hatte, Waren zu sog. Friedenspreisen zu inventarisieren
und sich damit Rückstellungen - in Form stiller Reserven im Warenlager
zugelegt hatte, deren Ausnahme von der Besteuerung beim Reingewinn sich nur
solange rechtfertigen liess, als bei sachgemässer Beurteilung der Marktlage
und der voraussichtlichen künftigen Entwicklung der Verhältnisse noch mit der
Möglichkeit einer ausserordentlichen Rückbildung der Preise bei der Umstellung
auf Nachkriegsverhältnisse zu rechnen war. Die Bewertung zu Friedenspreisen
war

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eine ausserordentliche Massnahme, sie war dazu bestimmt, aufgehoben zu werden,
sobald die Voraussetzungen dafür gegeben waren. Für die Besteuerung kann es in
solchen Fällen nicht auf das Ermessen des Steuerpflichtigen ankommen, den
Zeitpunkt und den Umfang der Rückbildung zu bestimmen; diese sind vielmehr
nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Falle Trippel hatte die
Weiterführung der Bilanzierung der Warenlager zu Vorkriegspreisen keine
Berechtigung mehr. Der Reingewinn war daher auf Grund der unter dem
Gesichtspunkte ordentlicher Inventarwerte berichtigten Bilanz und
Ertragsrechnung zu berechnen. In gleicher Weise muss auch bei andern
Rückstellungen, die in Anwendung von Art. 49 , Abs. 1, lit. c WStB freigelassen
werden, die Möglichkeit der Erfassung beim « Freiwerden » vorbehalten sein, wo
nach dem Grund der Rückstellung die Befreiung als eine vorläufige, auf Zusehen
hin geltende und späterer Überprüfung unterliegende Massnahme anzusehen ist.
Im übrigen richtet sich der Zeitpunkt der Besteuerung nach dem Grund der
Rückstellung und nach der Art, in der sich der Wegfall geschäftsmässiger
Begründetheit manifestiert.
Bei Rückstellungen, deren Ausnahme von der Besteuerung auf anderen Gründen
beruht als auf dem Gesichtspunkte geschäftsmässiger Begründetheit im Sinne von
Art. 49 , Abs. 1, lit. c WStB wird eine Besteuerung beim « Freiwerden » weniger
in Frage kommen können. Bei ihnen wird es meistens auf die Verbuchung oder die
Realisierung ankommen. Vor allem muss diese die Regel bilden bei
Rückstellungen, die den Charakter angesammelten Vermögens aufweisen.
3. ­ Um eine solche Reserve handelt es sich hier. Die in der Bilanz der
Brauerei L. als « Amortisationsfonds » aufgeführte Rückstellung besteht, wie
nicht bestritten ist, seit der Errichtung der Aktiengesellschaft. Sie ist von
der Aktiengesellschaft mit dem Geschäftsbetrieb übernommen und seither dauernd
(als offene

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Reserve) aufrechterhalten worden. Sie wurde von jeher zur Deckung laufender
Verluste auf Kreditoren verwendet und früher regelmässig, seit einigen Jahren
nur noch gelegentlich geäufnet. Die Steuerbehörden des Kantons St. Gallen
haben bereits seit Jahren die Zuweisungen an den Amortisationsfonds als
Verwendung erzielter Erträgnisse erfasst. Wenn die kantonale Rekurskommission
feststellt, dass die Rückstellung von im Ganzen Fr. 485000.­ (1944) nur in
einem Teilbetrage von Fr. 185000.­als geschäftsmässig begründet anzusehen sei,
und gestützt auf diese Feststellung den Mehrbetrag von Fr. 300000.­ als
Bestandteil des wehropferpflichtigen Vermögens erklärt hat (Wehropferentscheid
S. 5, Erw. 6), so drängt sich die Auffassung auf, dass die Reserve in diesem
Umfange von jeher den Charakter einer allgemeinen Rücklage für gelegentliche
Verluste auf Debitoren gehabt hat und es nicht erst jetzt geworden ist. Dann
aber fällt sie nicht unter den für geschäftsmässig begründete Rückstellungen
aufgestellten Vorbehalt der Besteuerung im Falle des Wegfalles des
Rückstellungsgrundes, sondern sie kann nur besteuert werden, wenn und soweit
sie von der Unternehmung selbst freigegeben, dem bisher gewidmeten Zwecke
entzogen wird oder durch Realisierung der Risiken, für die sie bestimmt ist,
frei geworden ist. In Frage kommt in erster Linie die verlustlose Einlösung
der Forderungen, deren Sicherung die Reserve dient (vgl. BGE 69 I 275, Erw.
4).
Aus den Akten geht nicht hervor, ob im massgebenden Zeitraum Darlehen
zurückbezahlt worden sind, deren Sicherung der Amortisationsfonds diente. Die
kantonale Steuerverwaltung beruft sich lediglich darauf, dass die Rückstellung
in dem von ihr in Anspruch genommenen Umfange nicht oder nicht mehr
geschäftsmässig begründet sei. Das genügt aber dann nicht für die Anrechnung
in der Bemessungsperiode, wenn die Reserve in diesem Umfange, wie anzunehmen
ist, überhaupt nicht als Rückstellung für konkret drohende Verlustgefahren,
sondern als

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Rückstellung für bloss mögliche Verluste begründet, also zurückgelegtes
Vermögen war, sodass es auf die Realisierung ankommt. Diese wäre hier
vielleicht gegeben, wenn Darlehen eingelöst worden wären. Wie es sich damit
verhält, ist vermutlich nicht untersucht worden. Und bei der Untersuchung über
die Bewegung des Amortisationskontos ist der Rekurskommission vermutlich
insofern ein Versehen unterlaufen, als sie eine Einlage in die Reserve als für
die Gewinnberechnung unerheblich bezeichnete (S. 8 des Entscheides). Wenn der
Rückstellung bereits in einem Umfange von Fr. 300000.­ geschäftsmässige
Begründetheit im Sinne des Steuergesetzes abgeht, so lässt sich für neue
Zuweisungen die Geschäftsmässigkeit nicht begründen. Neue Zuweisungen
erscheinen als Rücklagen aus Gewinnen. Die Fr. 3000.­,die im Jahre 1943/44 dem
Amortisationsfonds zugewiesen wurden, sind auf jeden Fall bei der
Gewinnberechnung anzurechnen. Sie rühren aus der Aufwertung eines Grundstücks
her und stellen sich als Verbuchung einer bisher stillen Reserve dar. Sie
fallen daher unter die Beträge, die in die Gewinnberechnung einzubeziehen sind
(Entscheid Wisa - Gloria S. 8, Erw. 3). Im übrigen ist die Untersuchung
daraufhin zu ergänzen, ob und inwieweit im Berechnungszeitraum eine
Realisation der durch den Amortisationsfonds gedeckten Risiken stattgefunden
hat. Aus den Akten geht hervor dass im Geschäftsjahre 1942/43 zwei, aus
Darlehen eingetretene Verluste von zusammen Fr. 38000.­ aus dem
Amortisationsfonds gedeckt wurden. Ob dagegen auch Darlehen verlustlos
eingezogen wurden, was allenfalls als Realisierung in Betracht kommen könnte,
ist den Akten nicht zu entnehmen. Die Sache ist daher unter Aufhebung des
angefochtenen Entscheides an die kantonale Rekursinstanz zurückzuweisen.
4. ­ Nicht weiterzuverfolgen ist wohl die Frage, ob sich die Risiken, deren
Sicherung die Reserve dient, im Verlaufe der Bemessungsperiode dadurch
vermindert

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haben, dass infolge der allgemeinen Preisbewegung im Liegenschaftsmarkt der
Wert der Unterpfänder zugenommen hat. Abgesehen davon, dass hier, bei einer
Rückstellung aus erworbenem Vermögen, die Besteuerung unter dem Gesichtspunkte
des « Freiwerdens » der Reserve ausscheidet, wäre es kaum gerechtfertigt,
anzunehmen, dass sich ­ nur wegen jener Veränderung des Liegenschaftsmarktes ­
an der Begründetheit oder Unbegründetheit einer bisher anerkannten
Rückstellung für Debitoren etwas wesentliches geändert hätte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 I 255
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 14. Juli 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 I 255
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehrsteuer: Steuerbare und steuerfreie Rückstellungen bei Berechnung des Reingewinns von...


Gesetzesregister
WStB: 21  49
BGE Register
62-I-148 • 63-I-79 • 69-I-270 • 74-I-193 • 75-I-255
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
darlehen • frage • realisierung • charakter • aktiengesellschaft • brauerei • unternehmung • wert • direkte bundessteuer • sprachgebrauch • vermutung • funktion • bundesgericht • stille reserve • bilanz • wertberichtigung • provisorisch • wertminderung • entscheid • steuererlass
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