S. 95 / Nr. 22 Strafgesetzbuch (d)

BGE 74 IV 95

22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1948 i. S. Jost
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste:
Art. 164 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB gilt auch, wenn der Verlustschein nur ein
provisorischer ist.
L'art. 164 ch. 1 al. 4 CP s'applique aussi lorsque l'acte de défaut de biens
dressé contre le débiteur n'est que provisoire.
L'art. 164 cifra 1 cp. 4 CP è applicabile anche quando l'attestato di carenza
di beni rilasciato contro il debitore è solo provvisorio.

Aus den Erwägungen:
Indem der Beschwerdeführer am 20. Januar 1943 dem Pfändungsbeamten, der ihn
zwecks Vornahme einer

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Nachpfändung nach weiteren Vermögensstücken fragte, seine Forderung gegen eine
Bank und andere verwertbare Sachen verschwieg, verheimlichte er im Sinne von
Art. 164 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB Vermögensstücke. Für diese Tat ist er strafbar,
«wenn gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist» (Art. 164 Ziff. 1
Abs. 4).
Entgegen seiner Auffassung ist diese Voraussetzung mit der Ausstellung eines
provisorischen Verlustscheines im Sinne von Art. 115 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 115 - 1 War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
1    War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
2    War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äussert als solcher die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 bezeichneten Rechtswirkungen.
3    Der provisorische Verlustschein verleiht dem Gläubiger ferner das Recht, innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.238
SchKG erfüllt
worden. Im Gegensatz zu Art. 98ter Ziff. 1 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 115 - 1 War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
1    War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
2    War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äussert als solcher die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 bezeichneten Rechtswirkungen.
3    Der provisorische Verlustschein verleiht dem Gläubiger ferner das Recht, innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.238
der Vorlage der
Redaktionskommission vom März 1913 verlangt Art. 164 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB
nicht, dass der Gläubiger tatsächlich zu Verlust gekommen sei. Dieses
Erfordernis wurde in der zweiten Expertenkommission unter Hinweis auf die
Inkongruenz, die sonst zwischen Art. 98 und Art. 98ter der Vorlage bestünde,
fallen gelassen und durch das Erfordernis der Ausstellung eines
Verlustscheines ersetzt (Protokoll 4 114). Schon Art. 98
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt:
a  mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt;
b  wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt;
c  wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört.
der Vorlage liess
nämlich wie Art. 163
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 163 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB als Voraussetzung der Strafbarkeit wegen
betrügerischen Konkurses die Eröffnung des Konkurses genügen. Dabei entging
der Expertenkommission nicht, dass der Konkurs nicht notwendigerweise auch zur
Ausstellung von Verlustscheinen führt, lehnte sie es doch ausdrücklich ab, die
Strafverfolgung dahinfallen zu lassen, wenn er, sei es wegen Befriedigung der
Gläubiger, sei es wegen Abschlusses eines Nachlassvertrages, widerrufen wird
(Protokoll 4 109, 110; vgl. auch 2 397, Votum Bolli). Die Eröffnung des
Konkurses liess man genügen, weil damit «der Verlust sozusagen festgestellt»
sei, und in der Betreibung auf Pfändung sah man «ein solches Moment» als
vorhanden an, wenn ein Verlustschein ausgestellt ist (Protokoll 4 114).
Weshalb hier die Strafbarkeit einen definitiv feststehenden Verlust
voraussetzen sollte, während dort schon die Eröffnung des Konkurses genügt,
ist nicht zu sehen. Mit der Ausstellung eines provisorischen Verlustscheines
steht der Verlust vorläufig nicht weniger zuverlässig fest als durch die
Eröffnung

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des Konkurses. Daher taugt die Berufung des Beschwerdeführers auf die
Rechtsprechung des zürcherischen Obergerichts nicht, das seine Auffassung,
wonach Art. 164 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB einen definitiven Verlustschein verlange,
ausschliesslich damit begründet, dass bis zur Ausstellung eines solchen der
Verlust noch unsicher sei, der Misserfolg der Betreibung noch nicht feststehe,
die Bestrafung des Schuldners nicht wiedergutzumachendes Unrecht stiften
könnte (BlZR 43 Nr. 75). Wenn das Gesetz, wie die Regelung des analogen
Tatbestandes des Art. 163 schliessen lässt, schon einen durch den
provisorischen Verlustschein festgestellten Zustand der Gefährdung der
Zwangsvollstreckung genügen lässt, geschieht dem Schuldner nicht Unrecht, wenn
er, nachdem er durch bewusste und gewollte Verminderung oder scheinbare
Verminderung seines Vermögens diesen Zustand herbeigeführt hat, bestraft wird,
zumal das Gesetz ja darüber hinaus noch verlangt, dass die Tat objektiv und
subjektiv «zum Nachteile seiner Gläubiger» begangen worden sei.
War mit der zum Nachteile der Gläubiger vorgenommenen Verheimlichung von
Vermögensstücken das Verbrechen vollendet und mit der Ausstellung des
provisorischen Verlustscheines die Bedingung der Strafbarkeit gegeben, so
kommt auf die Behauptung des Beschwerdeführers, der Verlust sei nachträglich
voll gedeckt worden, nichts an, ebensowenig auf die Auffassung der Vorinstanz,
dass mit der Umwandlung des provisorischen Verlustscheines in einen
definitiven im nachfolgenden Konkurse die Voraussetzung der Bestrafung ohnehin
geben sei.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 95
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 30. September 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 95
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 164 Ziff. 1 Abs. 4 StGB gilt auch, wenn der Verlustschein nur ein provisorischer ist.L'art...


Gesetzesregister
SchKG: 115
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 115 - 1 War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
1    War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
2    War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äussert als solcher die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 bezeichneten Rechtswirkungen.
3    Der provisorische Verlustschein verleiht dem Gläubiger ferner das Recht, innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.238
StGB: 98 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt:
a  mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt;
b  wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt;
c  wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört.
98ter  163 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 163 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
164
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
74-IV-95
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
verlustschein • schuldner • expertenkommission • strafgesetzbuch • sachverhalt • voraussetzung • konkurseröffnung • zwangsvollstreckung • weiler • strafverfolgung • bedingung • kassationshof • betreibung auf pfändung • biene • vorinstanz