S. 82 / Nr. 22 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 74 III 82

22. Auszug aus dem Entscheid vom 29. November 1948 i. S. Flury.

Regeste:
Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen. Ein Freihandverkauf ist ohne
Zustimmung des Schuldners (oder eines sie ersetzenden Gerichtsurteils) nicht
zulässig (Art. 130 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 130 - An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten:258
1  wenn alle Beteiligten ausdrücklich damit einverstanden sind;
2  wenn Wertpapiere oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verwerten260 sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt;
3  wenn bei Gegenständen aus Edelmetall, für die bei der Versteigerung die Angebote den Metallwert nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird;
4  im Falle des Artikels 124 Absatz 2.
SchKG, Art. 10 Abs. 2
SR 281.41 Verordnung vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG)
VVAG Art. 10 - 1 Gelingt eine gütliche Verständigung nicht, so fordert das Betreibungsamt oder die Behörde, welche die Einigungsverhandlungen leitet, die pfändenden Gläubiger, den Schuldner und die Mitanteilhaber auf, ihre Anträge über die weiteren Verwertungsmassnahmen innert zehn Tagen zu stellen, und übermittelt nach Ablauf dieser Frist die sämtlichen Betreibungsakten der für das Verfahren nach Artikel 132 SchKG zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese kann nochmals Einigungsverhandlungen anordnen.
1    Gelingt eine gütliche Verständigung nicht, so fordert das Betreibungsamt oder die Behörde, welche die Einigungsverhandlungen leitet, die pfändenden Gläubiger, den Schuldner und die Mitanteilhaber auf, ihre Anträge über die weiteren Verwertungsmassnahmen innert zehn Tagen zu stellen, und übermittelt nach Ablauf dieser Frist die sämtlichen Betreibungsakten der für das Verfahren nach Artikel 132 SchKG zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese kann nochmals Einigungsverhandlungen anordnen.
2    Die Aufsichtsbehörde verfügt unter möglichster Berücksichtigung der Anträge der Beteiligten, ob das gepfändete Anteilsrecht als solches versteigert, oder ob die Auflösung der Gemeinschaft und Liquidation des Gemeinschaftsvermögens nach den für die betreffende Gemeinschaft geltenden Vorschriften herbeigeführt werden soll.
3    Die Versteigerung soll in der Regel nur dann angeordnet werden, wenn der Wert des Anteilsrechts gestützt auf die im Pfändungsverfahren oder beim Einigungsversuch gemachten Erhebungen annähernd bestimmt werden kann. Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, über diesen Wert neue Erhebungen, insbesondere die Inventarisierung des Gemeinschaftsvermögens, anzuordnen.
VVAG).
Réalisation de parts de communautés. Elles ne peuvent être vendues de gré à
gré qu'avec l'assentiment du débiteur ou en vertu d'un jugement en tenant lieu
(art. 130 ch. 1 LP, 10 al. 2 ord. concernant la saisie et la réalisation de
parts de communautés).
Realizzazione di diritti in comunione. Essi non possono essere ceduti a
trattative private che con il consenso del debitore o in base ad una sentenza
(art. 130 cifra 1 LEF, art. 10 cp. 2 del regolamento concernente il
pignoramento e la realizzazione di diritti in comunione).

In Betreibungen gegen Flury wurde das Anteilsrecht des Schuldners an einer
einfachen Gesellschaft gepfändet. Nachdem die Verwertung verlangt worden war,
verfügte die untere Aufsichtsbehörde auf Vorschlag des Mitgesellschafters R.
im Einverständnis aller übrigen Beteiligten mit Ausnahme des Schuldners, das
gepfändete Anteilsrecht sei freihändig zu verkaufen. Die kantonale
Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde des Schuldners gegen diese Verfügung ab.
Das Bundesgericht heisst sie gut.

Seite: 83
Begründung:
Art. 10 Abs. 2
SR 281.41 Verordnung vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG)
VVAG Art. 10 - 1 Gelingt eine gütliche Verständigung nicht, so fordert das Betreibungsamt oder die Behörde, welche die Einigungsverhandlungen leitet, die pfändenden Gläubiger, den Schuldner und die Mitanteilhaber auf, ihre Anträge über die weiteren Verwertungsmassnahmen innert zehn Tagen zu stellen, und übermittelt nach Ablauf dieser Frist die sämtlichen Betreibungsakten der für das Verfahren nach Artikel 132 SchKG zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese kann nochmals Einigungsverhandlungen anordnen.
1    Gelingt eine gütliche Verständigung nicht, so fordert das Betreibungsamt oder die Behörde, welche die Einigungsverhandlungen leitet, die pfändenden Gläubiger, den Schuldner und die Mitanteilhaber auf, ihre Anträge über die weiteren Verwertungsmassnahmen innert zehn Tagen zu stellen, und übermittelt nach Ablauf dieser Frist die sämtlichen Betreibungsakten der für das Verfahren nach Artikel 132 SchKG zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese kann nochmals Einigungsverhandlungen anordnen.
2    Die Aufsichtsbehörde verfügt unter möglichster Berücksichtigung der Anträge der Beteiligten, ob das gepfändete Anteilsrecht als solches versteigert, oder ob die Auflösung der Gemeinschaft und Liquidation des Gemeinschaftsvermögens nach den für die betreffende Gemeinschaft geltenden Vorschriften herbeigeführt werden soll.
3    Die Versteigerung soll in der Regel nur dann angeordnet werden, wenn der Wert des Anteilsrechts gestützt auf die im Pfändungsverfahren oder beim Einigungsversuch gemachten Erhebungen annähernd bestimmt werden kann. Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, über diesen Wert neue Erhebungen, insbesondere die Inventarisierung des Gemeinschaftsvermögens, anzuordnen.
VVAG stellt der gemäss Art. 132
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 132 - 1 Sind Vermögensbestandteile anderer Art zu verwerten, wie eine Nutzniessung oder ein Anteil an einer unverteilten Erbschaft, an einer Gemeinderschaft, an Gesellschaftsgut oder an einem andern gemeinschaftlichen Vermögen, so ersucht der Betreibungsbeamte die Aufsichtsbehörde um Bestimmung des Verfahrens.
1    Sind Vermögensbestandteile anderer Art zu verwerten, wie eine Nutzniessung oder ein Anteil an einer unverteilten Erbschaft, an einer Gemeinderschaft, an Gesellschaftsgut oder an einem andern gemeinschaftlichen Vermögen, so ersucht der Betreibungsbeamte die Aufsichtsbehörde um Bestimmung des Verfahrens.
2    Die gleiche Regel gilt für die Verwertung von Erfindungen, von Sortenschutzrechten, von gewerblichen Mustern und Modellen, von Fabrik- und Handelsmarken und von Urheberrechten.264
3    Die Aufsichtsbehörde kann nach Anhörung der Beteiligten die Versteigerung anordnen oder die Verwertung einem Verwalter übertragen oder eine andere Vorkehrung treffen.
SchKG zur Bestimmung des
Verwertungsverfahrens beratenen Aufsichtsbehörde nur zwei Verwertungsarten zur
Wahl: sie kann verfügen, dass das gepfändete Anteilsrecht als solches zu
versteigern, oder dass die Auflösung der Gemeinschaft und die Liquidation des
Gemeinschaftsvermögens nach den für die betreffende Gemeinschaft geltenden
Vorschriften herbeizuführen sei. Die Versteigerung durch den Verkauf aus
freier Hand zu ersetzen, ist bei Anteilsrechten wie bei beweglichen Sachen und
Forderungen nur im Rahmen von Art. 130
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 130 - An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten:258
1  wenn alle Beteiligten ausdrücklich damit einverstanden sind;
2  wenn Wertpapiere oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verwerten260 sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt;
3  wenn bei Gegenständen aus Edelmetall, für die bei der Versteigerung die Angebote den Metallwert nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird;
4  im Falle des Artikels 124 Absatz 2.
SchKG zulässig. Gepfändete
Anteilsrechte können also, da sie nicht zu den in Art. 130 Ziff. 2-4
behandelten Gegenständen gehören, nur im Falle von Ziff. 1 dieser Bestimmung,
d. h. auf Begehren aller Beteiligten freihändig verkauft werden. Die
Zustimmung des Schuldners ist demnach unerlässlich. Angesichts der mit dem
Freihandverkauf verbundenen Gefahren leuchtet dies ohne weiteres ein.
Art. 6 Abs. 1
SR 281.41 Verordnung vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG)
VVAG Art. 6 - 1 Sowohl die Pfändung des Anteilsrechts selbst als auch des periodischen Ertrages ist den sämtlichen Mitanteilhabern mitzuteilen, mit der Weisung, in Zukunft fällig werdende, auf den Schuldner entfallende Erträgnisse dem Betreibungsamt abzuliefern, und mit der Anzeige, dass sie sämtliche für den Schuldner bestimmten, die Gemeinschaft betreffenden Mitteilungen in Zukunft dem Betreibungsamt zu machen haben und Verfügungen über die zur Gemeinschaft gehörenden Vermögensgegenstände, für welche an sich die Zustimmung des Schuldners erforderlich wäre, nurmehr mit Zustimmung des Betreibungsamtes vornehmen dürfen.
1    Sowohl die Pfändung des Anteilsrechts selbst als auch des periodischen Ertrages ist den sämtlichen Mitanteilhabern mitzuteilen, mit der Weisung, in Zukunft fällig werdende, auf den Schuldner entfallende Erträgnisse dem Betreibungsamt abzuliefern, und mit der Anzeige, dass sie sämtliche für den Schuldner bestimmten, die Gemeinschaft betreffenden Mitteilungen in Zukunft dem Betreibungsamt zu machen haben und Verfügungen über die zur Gemeinschaft gehörenden Vermögensgegenstände, für welche an sich die Zustimmung des Schuldners erforderlich wäre, nurmehr mit Zustimmung des Betreibungsamtes vornehmen dürfen.
2    Handelt es sich um eine unverteilte Erbschaft, so kann zugleich, wenn ein gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft nach Artikel 602 ZGB9 noch nicht bestellt ist, die Bezeichnung eines solchen verlangt werden, dem alsdann behufs Wahrung der Rechte der pfändenden Gläubiger die Pfändung anzuzeigen ist.
am Ende VVAG, auf den R. sich berufen hat, erlaubt keinen
gegenteiligen Schluss. Diese Vorschrift betrifft nach ihrem klaren Wortlaut
nur Verfügungen über die zur Gemeinschaft gehörenden Vermögensgegenstände, wie
sie sich während der Dauer der Pfändung im Interesse der Mitglieder der
Gemeinschaft als notwendig erweisen können, nicht Verfügungen über das
Anteilsrecht des betriebenen Mitglieds bezw. über seinen Liquidationsanteil.
Ob der Betriebene nach dem unter den Mitgliedern der Gemeinschaft bestehenden
Rechtsverhältnis verpflichtet sei, bei einem Freihandverkaufe mitzuwirken,
haben die Betreibungsbehörden nicht zu prüfen, da es sich hiebei um eine
materiellrechtliche Frage handelt. Sie könnten einer solchen Verpflichtung des
Betriebenen mangels Zustimmung desselben höchstens dann Rechnung tragen, wenn
sie gerichtlich festgestellt wäre.

Seite: 84
Im vorliegenden Falle liegt weder die Zustimmung des Schuldners zum
freihändigen Verkaufe seines Anteilsrechts noch ein Urteil vor, das sie
ersetzen könnte. Die angefochtene Verfügung ist daher als ungesetzlich
aufzuheben. Die untere Aufsichtsbehörde wird sich, wenn die
Verwertungsbegehren aufrechterhalten werden, darüber schlüssig werden müssen,
ob das Anteilsrecht versteigert oder die Auflösung der Gemeinschaft und die
Liquidation des Gemeinschaftsvermögens herbeigeführt werden soll.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 74 III 82
Date : 01. Januar 1948
Published : 29. November 1948
Source : Bundesgericht
Status : 74 III 82
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen. Ein Freihandverkauf ist ohne Zustimmung des...


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SchKG: 130  132
VVAG: 6  10
BGE-register
74-III-82
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