S. 485 / Nr. 82 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 74 I 485

82. Auszug aus dem Urteil vom 10. Dezember 1948 i. S. Aarg. Kantonalbank gegen
Rekurskommission des Kantons Bern.


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Regeste:
Wehrsteuer: Auskunftspflicht der Bank gegenüber den Erben und
Steuersukzessoren in der Nachsteueruntersuchung wegen Hinterziehungen des
verstorbenen Bankkunden.
Impôt pour la défense nationale: Devoir d'une banque de renseigner les
héritiers au cours d'une instruction en rappel d'impôt motivée par une
soustraction dont s'est rendu coupable un client décédé de la banque.
Imposta per la difesa nazionale: Obbligo della banca di fornire agli eredi dei
ragguagli nella procedura per sottrazione d'imposta da parte di un cliente
decesso della banca.

A. ­ 1944 ist in X. (Kt. Bern) Fräulein Y. gestorben. Sie hinterliess als
einzige Erbin Frau S. Erbschaftsliquidator und Vertreter der Erbin war Notar
G. Im Inventar über den Nachlass fanden sich einige Werte, die im
Wertschriftenverzeichnis für das erste Wehropfer nicht enthalten waren. Die
Steuerverwaltung des Kantons Bern leitete daher gegen den Nachlass eine
Nachsteueruntersuchung ein, u. a. auch für die eidgenössischen Steuern. Im
Verlaufe dieser Untersuchung wurde Notar G. aufgefordert, Ausweise über
Zinsgutschriften auf einer Kontokorrentrechnung bei der Aargauischen
Kantonalbank in Aarau für die Jahre 1938 bis 1943 und über den Kapitalbestand
auf den 1. Januar 1940, 1941 und 1943 einzureichen. Die Aargauische
Kantonalbank gab unter Berufung auf Art. 90 Abs. 8 WStB nur Auskunft über das
Guthaben der Verstorbenen am Todestag und über den Verkehr während des dem
Todestag vorangehenden Jahres. Eine weitere, über diesen Rahmen hinausgehende
Auskunftserteilung wurde verweigert, obgleich die Alleinerbin die Öffnung des
Bankgeheimnisses in Bezug auf das in Frage stehende Kontokorrent verlangt und
die Bank ermächtigt hatte, die geforderten Auskünfte an Notar G, zu erteilen.
Sie hielt an ihrer Weigerung auch fest, nachdem die Steuerverwaltung die
Auskunft auf den Bestand des Kontokorrents der Erblasserin auf den 1. Januar
1941 und

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den 1. Januar 1943 (Stichtage für die Wehrsteuer I und II) und den Zinsertrag
des Kontokorrents in den Jahren 1940, 1941 und 1942 (Bemessungsjahre für die
Wehrsteuer I und II) beschränkt und die Bank unter Strafandrohung gemahnt
hatte. Mit Verfügung vom 17. Februar 1948 belegte die kantonale
Wehrsteuerverwaltung daher die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 131 WStB
mit einer Busse wegen Auskunftsverweigerung. Die dagegen eingereichte
Beschwerde wurde von der kantonalen Rekurskommission mit Entscheid vom 29.
Juli 1948 abgewiesen.
B. ­ Die Beschwerdeführerin erhebt verwaltungsrechtliche Beschwerde mit dem
Antrag, den Entscheid der kantonalen Rekurskommission und damit die
Bussenverfügung der kantonalen Wehrsteuerverwaltung aufzuheben. Die Begründung
lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Das Gesetz über die Errichtung der Aargauischen Kantonalbank vom 13. Mai 1912
mache in § 18 die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses allen Behörden, Beamten
und Angestellten zur strengen Pflicht. Ausserdem stelle das Bundesgesetz über
Banken und Sparkassen in Art. 47 lit. b eine Sanktion für die Verletzung der
Schweigepflicht oder des Berufsgeheimnisses auf. Die Beschwerdeführerin wolle
nicht behaupten, dass das Bankgeheimnis ein absolutes, gegenüber jedem Dritten
gültiges Recht und für die Bank eine entsprechende Pflicht sei. Die Bank habe
aber Dritten gegenüber das Geheimnis zu wahren, solange nicht gegenteilige
gesetzliche Bestimmungen sie zur Auskunftserteilung zwängen. Es sei Sache des
Gesetzgebers, die gegensätzlichen Interessen der Wirtschaft und des Fiskus
abzuwägen. Nach herrschender Meinung sei Träger des Bankgeheimnisses der
Bankkunde und sein Recht auf die Geheimhaltung seines Bankverkehrs, dem ein
Vertrauensverhältnis zu Grunde liege, ein höchstpersönliches Recht. Als
solches sei es unvererblich in dem Sinne, dass die Erben von der Bank, deren
Kunde der Erblasser war, nicht beliebige Auskunft über dessen
Vermögensverhältnisse vor dem Todestag verlangen und die Bank auch nicht

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verhalten könnten, über diese Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Ausserdem sei
zu berücksichtigen, dass der BRB über die Erhebung einer Wehrsteuer vom 9.
Dezember 1940 keine allgemeine Auskunftspflicht Dritter aufgestellt habe. Die
Rekurskommission berufe sich in ihrem Entscheid auf Art. 90 Abs. 6 WStB. Nach
dieser Bestimmung sei die Bank als Dritte aus Forderungsverhältnissen aber nur
verpflichtet, ihrem Gläubiger oder Schuldner Bescheinigungen über Bestand,
Höhe, Verzinsung und Sicherstellung der Guthaben resp. der Schulden
auszustellen; der WStB sage nicht: «dem Gläubiger oder dessen Erben», wie die
Rekurskommission diese Bestimmung ausgelegt haben möchte. Zuzugeben sei, dass
die gesetzlichen Erben durch den Tod des Erblassers eo ipso auch Gläubiger der
Bank würden, aber erst mit dem Todestag und vom Todestag hinweg. Die Bank sei
daher weder berechtigt noch verpflichtet, über die Verhältnisse des Erblassers
den Erben Auskunft auf einen Zeitpunkt zu erteilen, in welchem sie, die Erben,
noch nicht Gläubiger der Bank gewesen seien. Eine solche Auskunftserteilung
der Bank über den Vermögensverkehr und die Verfügungen des Erblassers während
der letzten 10 Jahre vor seinem Tode sei vom Verstorbenen nicht gewollt und
würde seine Persönlichkeitssphäre verletzen. Das Begehren der
Wehrsteuerverwaltung des Kantons Bern gehe auch insoweit über den Rahmen der
im WStB festgelegten Auskunftspflicht hinaus, als nach Art. 90 Abs. 6 der
Dritte aus Forderungsverhältnissen verpflichtet sei, seinem Gläubiger Bestand,
Höhe, Verzinsung und Sicherstellung ihrer Forderungen auf den jeweiligen
letzten Stichtag der Wehrsteuer zu bescheinigen, während die
Wehrsteuerverwaltung die Auskunft auch über den Verkehr durch Erteilung des
Kontokorrentauszuges verlangt habe. Nur bei dieser Auslegung von Abs. 6 habe
die Ergänzung von Art. 90 Abs. 8 durch BRB vom 31. Oktober 1944 Sinn und
Zweck, wonach im Inventarisationsfall, d. h. beim Tode des Steuerpflichtigen,
der Dritte über die Verhältnisse am Todestag und während

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des letzten dem Todestag vorangegangenen Jahres auskunftspflichtig sei. Hätte
gegenüber den Erben bereits eine zeitlich unbeschränkte, rückwirkende
Auskunftspflicht bestanden, so wäre diese Ergänzung sicherlich nicht notwendig
gewesen. Jedenfalls statuiere Art. 90 Abs. 6 für den Dritten gegenüber den
Erben keine über Abs. 8 hinausgehende Auskunftspflicht, da der Erbe erst am
Todestag der Erblassers Gläubiger der Bank werde. Wenn bei dieser Rechtslage
eine genaue Veranlagung im Hinterziehungsverfahren nicht möglich sei, so habe
eben die Steuerbehörde die Veranlagung nach Ermessen gemäss Art. 92 WStB
vorzunehmen, indem sie dann den Erben das Vorgehen gegen die die Auskunft
verweigernde Bank überlassen könne. Es liege somit keine willkürliche
Auskunftsverweigerung im Sinne von Art. 131 WStB vor.
Das Bundesgericht hat die grundsätzliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin
abgelehnt
in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 132 WStB wird das Verfahren in Hinterziehungsfällen durch die
kantonale Wehrsteuerverwaltung eingeleitet und durchgeführt. Sie «nimmt die
notwendigen Untersuchungen vor; es stehen ihr ... die Befugnisse der
Veranlagungsbehörde im Veranlagungsverfahren zu» (Abs. 2). Danach kann die
Behörde im Hinterziehungsverfahren vom Pflichtigen die Einreichung von
Bescheinigungen und Aufstellungen gemäss Art. 89 Abs. 2 WStB verlangen, die
für die Steuerkontrolle von Bedeutung sind. Streitig ist dagegen, in welchem
Umfang die Auskunftspflicht Dritter gemäss Art. 90 WStB im vorliegenden Fall
Platz greift.
a) Die Beschwerdeführerin behauptet, dass im Hinterziehungsverfahren gegen die
Erben eines Steuerpflichtigen nur die Auskunftspflicht Dritter gemäss Art. 90
Abs. 8 WStB in Frage komme, nicht aber diejenige gemäss Art. 90 Abs. 6 WStB.
Aus dem Wortlaut von Art. 90 Abs. 8 WStB ergibt sich indessen eindeutig, dass
die hier vorgesehene

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Auskunftspflicht Dritter über die Vermögenswerte und Ansprüche des Erblassers
und über die Verfügungen, die im Laufe des dem Todestage vorangegangenen
Jahres über diese Vermögenswerte und Ansprüche getroffen worden sind, sich
ausschliesslich auf die Inventarisation gemäss Art. 97 WStB bezieht. Nach der
Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses aber bildet die Inventarisation in
Todesfällen, abweichend von den Ordnungen einzelner Kantone, nicht schon einen
Bestandteil des Hinterziehungsverfahrens, sondern sie wird allgemein einfach
als Mittel der Steuerkontrolle in allen Fällen durchgeführt, wo nach den
Umständen auf das Vorhandensein steuerbaren Vermögens zu schliessen ist. Sie
kann die Eröffnung eines Verfahrens wegen Steuerhinterziehung nach sich
ziehen, muss es aber nicht. Inventarisation und Hinterziehungsverfahren sind
denn auch nach Zweck und Ausgestaltung verschieden. Das Inventar in
Todesfällen dient zur Feststellung der zum Nachlass gehörenden
Vermögensgegenstände (Art. 10 der Verfügung des Eidg. Finanz- und
Zolldepartementes vom 21. Dezember 1940 über die Errichtung des Inventars für
die Wehrsteuer und das Wehropfer). Die ein Vorjahr umfassende Auskunftspflicht
Dritter dient ausschliesslich demselben Zweck, nämlich der Abklärung der
Vermögenslage des Erblassers am Todestag; die Ausdehnung auf ein Jahr zurück
soll verhindern, dass diese Abklärung durch Dispositionen erschwert oder
vereitelt werde, die der Erblasser in Erwartung seines Ablebens allenfalls
getroffen haben könnte. Das Hinterziehungsverfahren dagegen, um das es sich
hier handelt, umfasst die hinterzogenen Wehrsteuerbeträge und die
entsprechenden Bussen für einen weit grössern Zeitraum, da das Recht, das
Verfahren nach Art. 132 WStB einzuleiten, gemäss Art. 134 WStB erst 5 Jahre
nach Ablauf der in Frage kommenden Veranlagungsperiode erlischt. Dem
Zweckgedanken dieses Verfahrens entsprechend muss sich daher auch die
Auskunftspflicht der steuerpflichtigen Erben und Dritter auf den ganzen
Zeitraum erstrecken, für welchen die hinterzogene

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Wehrsteuer und die entsprechende Busse gefordert werden können. Die in Art. 90
Abs. 8 WStB statuierte Auskunftspflicht würde diesem Zwecke nicht gerecht.
b) Dass für die Auskunftspflicht Dritter gegenüber den Erben des
steuerpflichtigen Erblassers nur Art. 90 Abs. 8 WStB in Frage komme, schliesst
die Beschwerdeführerin weiter daraus, dass Art. 90 Abs. 6 WStB den Schuldner
aus Forderungsverhältnis nur zur Auskunftserteilung an den Gläubiger, nicht
aber an dessen Erben verpflichte. Die Beschwerdeführerin sei daher nur
verpflichtet, der Erbin über die Verhältnisse der Erblasserin Auskunft auf den
Zeitpunkt zu erteilen, in dem sie durch den Erbgang selbst Gläubigerin der
Bank geworden sei. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn der genannten
Bestimmung kann diese Beschränkung abgeleitet werden. Es kommt einzig darauf
an, wer bei Eintritt der Auskunftspflicht Gläubiger bezw. Schuldner aus einem
Forderungsverhältnis ist. Tritt die Auskunftspflicht nach dem Tode des
Erblassers ein, so sind die Erben Gläubiger bezw. Schuldner des dritten
Auskunftspflichtigen geworden, da die Forderungen und Schulden gemäss Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.

ZGB mit dem Tode des Erblassers auf sie übergegangen sind, und die
Auskunftspflicht ist daher ihnen gegenüber gegeben. Dass dem so sein muss,
ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus Art. 130
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
WStB. Danach treten die Erben
an Stelle des Erblassers in ein hängiges Hinterziehungsverfahren ein, bezw.
kann ein solches Hinterziehungsverfahren gegen sie angehoben und durchgeführt
werden, wobei sie bis auf die Höhe der Erbteile solidarisch für die vom
Erblasser hinterzogene Wehrsteuer und die von ihm verwirkte Busse ohne
Rücksicht auf ein eigenes Verschulden haften. Die Erben müssen daher im
Hinterziehungsverfahren dieselben Rechte und Pflichten haben wie der Erblasser
selbst; bestand dem Erblasser gegenüber eine Auskunftspflicht Dritter, muss
sie auch gegenüber den an seine Stelle getretenen Erben gelten. Nur so kann
einerseits der Hinterziehungstatbestand abgeklärt und die gesetzliche Sanktion
herbeigeführt

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werden, nur so kann anderseits eine finanzielle Schädigung der Erben durch
eine Ermessenstaxation, die gemäss Art. 132 WStB in Verbindung mit Art. 92
WStB auch im Hinterziehungsverfahren zulässig ist, verhindert werden.
c) Ebenso unhaltbar ist der weitere Standpunkt der Beschwerdeführerin, der
Schuldner aus einem Forderungsverhältnis sei gemäss Art. 90 Abs. 6 WStB nur
verpflichtet, seinem Gläubiger auf Verlangen Bestand, Höhe, Verzinsung und
Sicherstellung seines Guthabens auf den jeweiligen letzten Stichtag der
Wehrsteuer zu bescheinigen. Nach dem Zwecke dieser Bestimmung sollen durch die
Auskunftspflicht diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die für die
richtige Festsetzung der Wehrsteuerforderung von Bedeutung sind. Da bei der
ordentlichen Veranlagung -natürlicher Personen gemäss Art. 21
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
WStB u. a. jedes
Einkommen aus beweglichem Vermögen während der Veranlagungsperiode in die
Steuerberechnung fällt, ist es klar, dass jene Bescheinigung von Drittpersonen
sich über Bestand, Höhe und Verzinsung während der ganzen Veranlagungsperiode
aussprechen muss. Im Hinterziehungsverfahren kann es nicht anders sein. Hier
muss sich die Auskunftspflicht auf alle Tatsachen beziehen, die sich während
dem für die Nachsteuer und für die Busse massgebenden Zeitraum abgespielt
haben.
d) Die Beschwerdeführerin stellt sich endlich auf den Standpunkt, ihre
Auslegung von Art. 90 Abs. 6 WStB, wonach sie nur über die Vermögenswerte des
Erblassers am Todestag Auskunft zu geben habe, sei deswegen schlüssig, weil
nur so die Ergänzung von Art. 90 Abs. 8 WStB durch den BRB vom 31. Oktober
1944 einen Sinn gehabt habe. Hätte gegenüber den Erben bereits eine zeitlich
unbeschränkte, rückwirkende Auskunftspflicht bestanden, wäre diese Ergänzung
unnötig gewesen. Allein auch diese Einwendung ist unbegründet.
Art. 90 Abs. 8 WStB bezieht sich ausschliesslich auf das
Inventarisationsverfahren, das, auch wenn es im Abschnitt über das
Veranlagungsverfahren untergebracht ist, weder

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einen Teil dieses Verfahrens, noch, wie ausgeführt, einen solchen des
Hinterziehungsverfahrens bildet, sondern eine selbständige Massnahme der
Steuerbehörde zur Feststellung der zum Nachlass eines Erblassers gehörenden
Vermögensgegenstände darstellt. Es mussten daher den Steuerbehörden besondere
Kompetenzen eingeräumt und eine auf das Inventarisationsverfahren
zugeschnittene Auskunftspflicht der Erben und Dritter eingeführt werden, ohne
die das gewollte Ziel nicht hätte erreicht werden können. Bereits der
ursprüngliche WStB sah daher in Art. 90 Abs. 8 eine spezielle Auskunftspflicht
Dritter vor' die im BRB vom 31. Oktober 1944 lediglich erweitert wurde. Aus
diesem Grunde kann nicht angenommen werden, dass Art. 90 Abs. 8 WStB als lex
specialis gegenüber Art. 90 Abs. 6 WStB in einem gegenüber den Erben
angehobenen Hinterziehungsverfahren zur Anwendung kommt; Art. 90 Abs. 8 WStB
ist ausschliesslich für die Inventarisation bestimmt.
e) Da die Alleinerbin die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen zur
Erteilung der Auskünfte gemäss Art. 90 Abs. 6 WStB aufgefordert und ermächtigt
hatte, hatte diese Auskunft über den Stand des Kontokorrentes der Erblasserin
auf den 1. Januar 1941 und 1. Januar 1943 und den Zinsertrag des
Kontokorrentes in den Jahren 1940, 1941 und 1942 ZU erteilen, sofern die nach
Art. 90 Abs. 60
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
WStB statuierte Auskunftspflicht Dritter dem Bankgeheimnis
vorgeht.
2. ­ Die Frage des Bankgeheimnisses spielt dann überhaupt keine Rolle, wenn im
vorliegenden Fall das Verhältnis der Bank zum Kunden gegeben ist. Wenn der
Bankkunde die Bank zur Auskunftserteilung ermächtigt, kann diese sich nicht
auf das Bankgeheimnis berufen. Nur der Bankkunde kann ein persönliches Recht
aus dem Bankgeheimnis ableiten; der Bank selbst erwächst daraus kein Recht,
sondern nur die Geheimhaltepflicht (CAPITAINE, Le secret professionnel du
banquier, S. 12; BLUMENSTEIN, Die Stellung dritter Personen im
Steuerveranlagungs- und

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Steuerjustizverfahren, Archiv 9, S. 378; HUNZINGER, Das Berufsgeheimnis im
schweizerischen Steuerrecht, Archiv 13, S. 280; BGE 68 I 198).
Nun behauptet die Beschwerdeführerin aber, der Kunde sei der Erblasser
gewesen; sein Recht auf Geheimhaltung seines Bankverkehrs sei ein
höchstpersönliches, unvererbliches, sodass seine Erben von der Bank nur
Auskunft über die Vermögenslage des Erblassers am Todestage verlangen könnten,
d. h. in dem Zeitpunkt, in welchem sie selbst Kunden der Bank werden. Es wird
also der Anspruch des Verstorbenen auf Geheimhaltung seiner Verhältnisse ins
Feld geführt. Indessen kann ein solcher Anspruch hier schon deshalb nicht
gegeben sein, weil es im Hinterziehungsverfahren um Offenbarungspflichten
geht, die der Verstorbene selbst hatte. Der Erbe ist am Verfahren nur
beteiligt, weil er nach Gesetz in die Pflichten des Verstorbenen eintritt,
diesen von Gesetzes wegen in jenen Pflichten vertritt (Art. 130 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
WStB).
Sowenig die Bank sich in einer zu Lebzeiten des Bankkunden durchgeführten
Nachsteueruntersuchung dem Kunden gegenüber auf das Bankengeheimnis hätte
berufen können, kann sie die ihr gesetzlich auferlegte Unterstützung im
Nachweise über die für die Besteuerung massgebenden Verhältnisse demjenigen
verweigern, dem das Gesetz nach dessen Tode die gesetzlichen Pflichten des
Verstorbenen überbindet. Übrigens anerkennt die Steuerrechtsliteratur
allgemein, dass die Verfügung über die Geheimhaltungspflicht der Banken im
Falle des Todes des Kunden auf dessen Erben übergeht und dass die Bank sich
gegen den Willen des Erben nicht auf das Bankengeheimnis berufen kann
(BLUMENSTEIN a.a.O. S. 380,; vgl. SCHÄFER, Das Bankgeheimnis, S. 9; CAPITAINE,
S. 114). Ob eine Ausnahme zu machen wäre für Tatsachen höchstpersönlicher
Natur, die der Erblasser dem Bankier mit der ausdrücklichen Auflage anvertraut
hatte, sie auch gegenüber Erben geheimzuhalten (CAPITAINE, S. 114), kann
dahingestellt bleiben da eine solche besonders begründete, individuelle

Seite: 494
Geheimhaltungspflicht hier nicht angerufen worden ist. Übrigens wird es bei
der Steuerkontrolle nur äusserst. selten auf Tatsachen ankommen, bei denen
wegen höchstpersönlichen Charakters jene besondere Geheimhaltungspflicht in
Frage kommen könnte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 I 485
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 10. Dezember 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 I 485
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehrsteuer: Auskunftspflicht der Bank gegenüber den Erben und Steuersukzessoren in der...


Gesetzesregister
WStB: 21  89  90  92  97  130  131  132  134
ZGB: 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
BGE Register
68-I-196 • 74-I-485
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
erbe • auskunftspflicht • erblasser • tod • frage • bescheinigung • bankgeheimnis • schuldner • busse • kontokorrent • geheimhaltung • kantonalbank • stichtag • veranlagungsverfahren • weiler • notar • stelle • inventar • aargau • sanktion
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