BGE 73 IV 97
27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. April 1947 i.S. Zurlinden
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Regeste:
Art. 144 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202 |
Bestrafung des Hehlers nicht.
Art. 144 al. 1 CP. Le retrait de la plainte contre l'auteur de l'infraction
principale n'empêche pas la condamnation du receleur.
Art. 144, cp. 1 CP. La desistenza dalla querela c contro l'autore del reato
principale non è di ostacolo alla condanna del ricettatore.
Aus den Erwägungen:
1. Der Hehlerei macht sich unter anderen schuldig, wer eine Sache erwirbt,
von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung
erlangt worden ist (Art. 144 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202 |
bloss, dass das gestohlene Mehl, das er erworben hat, im Sinne dieser
Bestimmung durch eine «strafbare Handlung» erlangt worden sei; der Diebstahl
Siegfrieds soll keine solche Handlung sein, weil er zum Nachteil eines
Familiengenossen begangen worden ist und der Bestohlene den Strafantrag
zurückgezogen hat.
Damit wendet sich der Beschwerdeführer gegen die in BGE 69 IV 71 ff. eingehend
begründete Auffassung des Kassationshofes, wonach der Strafantrag nicht
Strafbarkeitsbedingung, sondern blosse Prozessvoraussetzung ist, der Rückzug
des Antrages gegen den Vortäter die Bestrafung des Hehlers daher nicht
hindert. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, an der auch seither wiederholt
festgehalten worden ist, besteht kein Anlass. Was der Beschwerdeführer dagegen
vorbringt, deckt sich im wesentlichen mit der Begründung der Kommentatoren,
die den Strafantrag als Strafbarkeitsbedingung ansehen (HAFTER, Allgem. Teil,
1. Auflage, 128; LOGOZ, Vorbem. zu Art. 28-31 N. 5; THORMANN-VON OVERBECK,
Art. 28 N. 2). Mit ihr hat sich der Kassationshof im erwähnten Urteil bereits
auseinandergesetzt. Namentlich hat er dargetan, dass sich aus dem Wortlaut von
Art. 28 und den besonderen
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Bestimmungen des Strafgesetzbuches, wo von Strafbarkeit auf Antrag die Rede
ist, ferner aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nichts für ihren
Standpunkt ableiten lässt. Es entspricht auch einer natürlichen
Betrachtungsweise, die Strafbarkeit einer Tat nur nach der Tat als solcher zu
beurteilen, nicht nach den Verfolgungsmassnahmen, die der Verletzte
nachträglich trifft. Zudem steht auch die Literatur nicht einmütig auf dem
Boden der Strafbarkeitsbedingung. So halten den Strafantrag als
Prozessvoraussetzung GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, 206 f., und
PFENNINGER, SJZ 40 245 ff., der bloss die Begründung des erwähnten Präjudizes
nicht für durchschlagend hält. Der Beschwerdeführer bringt vor, beim Diebstahl
unter Familiengenossen habe das Antragserfordernis seinen Grund darin, dass
das staatliche Strafbedürfnis erst bestehe, wenn der Verletzte die Tat als
Verletzung empfinde und geltend mache. Damit setzt er sich nicht nur zu den
Ausführungen in BGE 72 IV 6, sondern auch zu HAFTER, Allgem. Teil, 2. Auflage,
134 f., und zu PFENNINGER, a.a.O. 245 f., in Gegensatz, die beide, der erste
für Delikte dieser Art, der zweite überhaupt, das Antragserfordernis mit der
Kollision zwischen dem Strafbedürfnis des Staates und den Interessen des
Verletzten oder seiner Familie, nicht durch ein gerichtliches Verfahren in
Mitleidenschaft gezogen zu werden, erklären. Auf die Begründung, die man dem
Antragserfordernis gibt, kommt indes überhaupt nichts an; denn jedenfalls
könnte der Antrag beim Diebstahl unter Familiengenossen nicht je nach der
Begründung, die ihm gegeben wird, anders behandelt werden als bei andern
Antragsdelikten.
2. In BGE 69 IV 74 hat der Kassationshof die Frage aufgeworfen, ob Hehlerei
nicht überhaupt schon dann vorliege, wenn die Vortat bloss objektiv eine
strafbare Handlung ist und der Vortäter z. B. aus subjektiven Gründen nicht
bestraft werden kann. Das ist zu bejahen. Es ist stossend, den Erwerber einer
Sache, die beispielsweise ein Unzurechnungsfähiger einem andern widerrechtlich
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hat, bloss deshalb nicht als Hehler zu bestrafen, weil der Vortäter nicht
bestraft werden kann. Unzurechnungsfähigkeit des Täters kommt nach Art. 26
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 26 - Wird die Strafbarkeit durch eine besondere Pflicht des Täters begründet oder erhöht, so wird der Teilnehmer, dem diese Pflicht nicht obliegt, milder bestraft. |
StGB nicht einmal dem Gehülfen zugute. Umso weniger besteht ein Grund, sie dem
Hehler, der nicht wie der Gehülfe Teilnehmer des Vortäters ist, sondern ein
selbständiges Verbrechen begeht, zugute zu halten. Damit stimmt der Wortlaut
von Art. 144 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202 |
«strafbare Handlung» (infraction, reato) erlangt worden ist, nicht darauf, ob
sich der Vormann oder einer der Vormänner des Hehlers durch die Erlangung
strafbar gemacht hat. Der Hehler wird nicht bestraft, weil sich schon ein
anderer durch den Erwerb der Sache strafbar gemacht hat, sondern weil er, der
Hehler, einen durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Zustand fortsetzt
und festigt. Dass die Vortat eine strafbare sei, verlangt das Gesetz, weil es
nicht wohl die Fortsetzung eines rechtswidrigen Zustandes mit Strafe bedrohen
kann, wenn es nicht einmal die in der Schaffung dieses Zustandes liegende
Rechtswidrigkeit für erheblich genug betrachtet, um dem Vortäter Strafe
anzudrohen. Ob der Vortäter auch tatsächlich Strafe verwirkt habe und bestraft
werde, ist dagegen nicht entscheidend; es genügt, dass seine Tat die
objektiven Merkmale einer strafbaren Handlung aufweist.
Auch aus diesem Grunde nützt dem Beschwerdeführer der Rückzug des
Strafantrages gegen den Dieb Siegfried nichts.