BGE-73-IV-6
S. 6 / Nr. 2 Strafgesetzbuch (d)
BGE 73 IV 6
2. Urteil des Kassationshofes vom 7. März 1947 i.S. Schmid gegen Funk.
Regeste:
Art. 29 StGB, Frist zur Stellung des Strafantrages. Der Tag, mit dem die Frist
beginnt, wird nicht mitgezählt.
Art. 29 CP, délai pour porter plainte Le jour duquel le délai court n'est pas
compté.
Art. 29 CP, termine per sporgere querela. Il giorno da cui il termine decorre
non é contato.
A. Jacques Schmid verlangte mit einer an das Bezirksgericht Zürich
gerichteten, am 16. Juni 1945 der Post übergebenen Anklageschrift unter
Beilegung der friedensrichterlichen Weisung die Bestrafung des Albert Funk
wegen Ehrverletzung, der sich der Beklagte am 16. März 1945 in einer
Verhandlung vor dem Friedensrichter in Anwesenheit des Klägers schuldig
gemacht haben soll. Das Bezirksgericht verurteilte Funk wegen übler Nachrede,
das Obergericht des Kantons Zürich sprach ihn dagegen am 7. November 1946
frei, weil der Kläger den Strafantrag zu spät gestellt habe.
Prozessvoraussetzung sei die Einleitung der Klage beim Bezirksgericht innert
der von Art. 29

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
ff.). Der Monat werde im Sprachgebrauch des Strafgesetzbuches nach der
Kalenderzeit berechnet (Art. 110 Ziff. 6). Eine am 16. März beginnende Frist
von drei Monaten laute also am
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15. Juni ab. Dass aber im vorliegenden Falle die Frist am 16. März zu laufen
begonnen habe, ergebe sich aus Art. 29, der die Antragsfrist ausdrücklich mit
dem Tage beginnen lasse, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt
wird.
B. Schmid führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, die Frist zur Stellung des
Strafantrages sei erst am 16. Juni abgelaufen. Selbst wenn das nicht zuträfe,
wäre sie im vorliegenden Falle eingehalten worden, weil der Kläger am 30. Mai
1945 von seinem Antragsrecht durch Einreichung der Anklageschrift beim
Friedensrichter Gebrauch gemacht habe; die Rechtsprechung des Bundesgerichts,
die darin keinen Strafantrag erblicke, sei in der Literatur mit zutreffender
Begründung widerlegt worden.
C. Funk beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Das Recht zur Stellung des Strafantrages erlischt nach Ablauf von drei Monaten
(Art. 29

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
Ziff. 6

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.155 |
Antragsberechtigten der Täter bekannt wird (Art. 29

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
Obergericht ist der Meinung, dass dieser Tag auf die Frist anzurechnen sei, da
das Strafgesetzbuch nicht wie andere Gesetze ausdrücklich bestimme, dass erst
vom folgenden Tag an zu zählen sei. Allein wenn auch der Bundesgesetzgeber
sich veranlasst gesehen hat, in einigen Gesetzen ausdrücklich zu bestimmen,
dass der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, nicht mitgerechnet werde
(Art. 31 Abs. 1

SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 31 - Für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200851 (ZPO), sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 77 - 1 Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrages erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 77 - 1 Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrages erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt: |
gegenteilige Lösung in den Fällen, wo eine solche Vorschrift im Gesetze fehlt,
nicht selbstverständlich. Denn es leuchtet nicht ohne weiteres ein, dass ein
Tag, der bereits teilweise abgelaufen war, als das die
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Frist in Gang setzende Ereignis eintrat, so behandelt werden soll, als ob er
vollständig innerhalb der Frist gelegen hätte. Die Rückverlegung des
Fristbeginnes auf den Anfang dieses Tages hätte zur Folge, dass die Zeit,
während welcher der Pflichtige die ihm obliegende Handlung vornehmen kann,
verkürzt würde. Das wäre jedenfalls dann unbillig, wenn die Frist gesetzt ist,
um ein Recht zu wahren, z. B. Strafantrag zu stellen. Wäre die Auffassung der
Vorinstanz richtig, so stünden dem Verletzten zur Stellung des Antrages
weniger als drei Monate zur Verfügung, obschon Art. 29

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
versetzen kann, die Frist betrage volle drei Monate. Sie erst von dem auf den
Fristbeginn folgenden Tage an zu rechnen, liegt umsonäher, als diese Art der
Berechnung, wie gesagt, für die Fristen des Zivilrechts, des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts und der Bundesrechtspflege gilt und auch
in zahlreichen kantonalen Prozessgesetzen vorgesehen ist (z. B. Zürich § 211
GVG; Bern Art. 98 Abs. 2

SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 98 Kostenvorschuss - 1 Das Gericht und die Schlichtungsbehörde können von der klagenden Partei einen Vorschuss von höchstens der Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. |
|
1 | Das Gericht und die Schlichtungsbehörde können von der klagenden Partei einen Vorschuss von höchstens der Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. |
2 | Sie können einen Vorschuss bis zur Höhe der gesamten mutmasslichen Gerichtskosten verlangen in: |
a | Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe c und nach Artikel 8; |
b | Schlichtungsverfahren; |
c | summarischen Verfahren mit Ausnahme der vorsorglichen Massnahmen nach Artikel 248 Buchstabe d und der familienrechtlichen Streitigkeiten nach den Artikeln 271, 276, 302 und 305; |
d | Rechtsmittelverfahren. |
StPO). Ein sachlicher Grund, bundesrechtliche Fristen zur Rechtswahrung in
Strafsachen anders zu berechnen, besteht nicht. Auch ist diese Art der
Berechnung vereinbar mit dem französischen und dem italienischen Text des Art.
29

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
Da der Beschwerdeführer vom Täter am 16. März Kenntnis erhielt, war die
dreimonatige Antragsfrist erst vom 17. März an zu rechnen. Am 16. Juni, als
der Strafantrag der Post übergeben wurde, war sie daher noch nicht abgelaufen.
Die Vorinstanz hat die Sache neu zu beurteilen.
Die Frage, ob die Bestrafung auch noch am 17. Juni gültig hätte beantragt
werden können, kann offen bleiben, und auch zu den Aussetzungen an der
Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach das Sühnebegehren des zürcherischen
Rechts kein Strafantrag ist, braucht nicht Stellung genommen zu werden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 7. November 1946 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Gesetzesregister
OG 32
OR 77
SchKG 31
StGB 29
StGB 110
ZPO 98
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 77 - 1 Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrages erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt: |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 31 - Für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200851 (ZPO), sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.155 |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 98 Kostenvorschuss - 1 Das Gericht und die Schlichtungsbehörde können von der klagenden Partei einen Vorschuss von höchstens der Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. |
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1 | Das Gericht und die Schlichtungsbehörde können von der klagenden Partei einen Vorschuss von höchstens der Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. |
2 | Sie können einen Vorschuss bis zur Höhe der gesamten mutmasslichen Gerichtskosten verlangen in: |
a | Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe c und nach Artikel 8; |
b | Schlichtungsverfahren; |
c | summarischen Verfahren mit Ausnahme der vorsorglichen Massnahmen nach Artikel 248 Buchstabe d und der familienrechtlichen Streitigkeiten nach den Artikeln 271, 276, 302 und 305; |
d | Rechtsmittelverfahren. |