S. 234 / Nr. 61 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 234

61. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Oktober 1947 i. S.
Strittmatter gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.


Seite: 234
Regeste:
Art. 237
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB. Wann sind Leib und Leben von Menschen in Gefahr?
Art. 237 CP. Quand la vie ou l'intégrité corporelle des personnes est-elle en
danger?
Art. 237 OP. Quando la vita o l'integrità corporale delle persone è in
pericolo?

A. ­ In der ersten Stunde des 24. August 1946 fuhr Kurt Strittmatter in
angetrunkenem Zustande von Aarau gegen Suhr. Er hatte mit dem in einem anderen
Automobil vorausfahrenden Max Gautschi verabredet, den in Aarau begonnenen
Wirtshausbesuch in Suhr fortzusetzen. In diesem Dorfe, vor der von rechts her
einmündenden Metzgergasse, wo die Strasse eine leichte Linksbiegung macht,
überholte er das Automobil Gautschis, das mit mindestens 65 km/h fuhr. Dabei
geriet das von Strittmatter geführte Fahrzeug auf der linken Strassenseite auf
den infolge des Nebels feuchten Geleisen der Strassenbahn ins Rutschen. Als
Strittmatter zu bremsen versuchte, glitt es nach links ab der Strasse und fuhr
knapp an den vor dem Gemeindehaus stehenden Bäumen vorbei. Strittmatter riss
das Steuer nach rechts, fuhr über die Strasse und am rechten Rande in eine von
einer Dole gebildete Vertiefung, wo er die Herrschaft über den Wagen vollends
verlor. Dieser durchschlug einen rechts der Strasse verlaufenden Eisenhag,
fuhr dem Hag entlang weiter, schlug zwei armierte Betonpfosten weg und kippte
auf der Strasse seitwärts um. Strittmatter stieg aus, stellte den Motor ab und
schaltete das Licht aus. Ohne den Unfall der Polizei oder dem Eigentümer des
beschädigten Hages gemeldet zu haben, liess er sich mit seiner Begleiterin von
Gautschi in dessen Wagen an seinen Wohnort Baden führen. von dort aus schickte
er den Mechaniker aus der Fabrik seines Vaters mit Gautschi an die
Unfallstelle zurück.

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B. ­ Am 6. März 1947 erklärte das Bezirksgericht Aarau Strittmatter unter
anderem der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

StGB) schuldig. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde, die er
gegen dieses Urteil führte, am 14. Juli 1947 ab.
C. ­ Strittmatter ficht das Urteil des Obergerichts mit der
Nichtigkeitsbeschwerde an. Er beantragt, es sei aufzuheben und die Sache an
das Obergericht zurückzuweisen, damit es ihn von der Anschuldigung der
fahrlässigen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs freispreche.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Das Vergehen des Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB erblickt das Obergericht schon in
dem «überaus leichtsinnigen und ganz unverantwortlichen Vorfahren im Dorfe
Suhr». Es begründet diese Auffassung damit, dass es wohl ein schweres Unglück
gegeben hätte, wenn im kritischen Augenblick Leute auf oder neben der Strasse
gewesen wären oder aus entgegengesetzter Richtung ein anderes Motorfahrzeug
gekommen wäre. Der Beschwerdeführer wendet ein, das seien blosse Hypothesen
von Gefahren, eine konkrete, tatsächliche Gefahr habe nicht bestanden, da sich
weder Fussgänger auf der Strasse befunden hätten, noch ein Motorfahrzeug
entgegengekommen sei. Allein damit ist die konkrete Gefährdung, d. h. die nahe
Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib und Leben anderer, wie sie nach der
Rechtsprechung des Kassationshofes zum Tatbestand gehört (BGE 71 IV 100, 73 IV
183
Erw. 2), nicht widerlegt. Der Beschwerdeführer übergeht, dass GAUTSCHI in
seiner Nähe fuhr. Zum mindestens diesen hat er gefährdet, da die
Nichtbeherrschung des Fahrzeuges während des Überholens die nahe
Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstosses und damit einer Verletzung oder
Tötung Gautschis mit sich brachte. Der Beschwerdeführer hatte ja das Fahrzeug
schon auf der linken Strassenseite nicht mehr in voller Gewalt. Gautschi war
vom Glück begünstigt, dass er bei dem unsinnigen

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Unternehmen des Beschwerdeführers heil davonkam.
2. ­ In Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht sieht das Obergericht eine
fahrlässige Gefährdung des öffentlichen Verkehrs ferner darin, dass der
Beschwerdeführer das umgekippte Fahrzeug, das von der Breite der Fahrbahn
mindestens 1,6 m versperrte, im Halbdunkel mit ausgelöschten Scheinwerfern
verliess. Auch dieses Verhalten sucht der Beschwerdeführer als nicht strafbar
hinzustellen, weil es keine konkrete Gefahr für den Verkehr mit sich gebracht
habe. Die Strasse, auf der er das Fahrzeug im Stiche gelassen hat, führt
indessen durch das dicht bevölkerte, industriereiche Wynental von Aarau nach
Luzern, ist also, wenn nicht eine der grossen Überlandstrassen, so doch eine
der wichtigen mittleren Verkehrsadern, auf denen auch zur Nachtzeit Fahrzeuge
unterwegs zu sein pflegen. Daher war ein Zusammenstoss anderer Fahrzeuge mit
dem Hindernis und damit die Verletzung von Leib oder Leben ihrer Insassen
nicht nur möglich, sondern ernsthaft wahrscheinlich. Bei dieser Sachlage
braucht nicht nachgewiesen zu sein, dass tatsächlich Fahrzeuge durchgefahren
sind. Die Verhältnisse waren andere, als sie in gewissen Fällen
vorschriftswidrigen Verhaltens auf der Strasse sind, das häufig nur einen
Augenblick dauert und deshalb, selbst an belebten Orten, den Verkehr nicht
notwendigerweise konkret gefährdet. Hier war das auf der Strasse umgekippte
Automobil ein Hindernis, das solange einen Leib und Leben von Menschen aufs
Spiel setzenden Unfall in die Nähe rückte, als es nicht weggeschafft oder gut
erkennbar gemacht wurde. Letzteres hätte durch Beleuchtung des Fahrzeuges
geschehen können, wobei unter Umständen schon die Einschaltung des
Scheinwerferlichtes genügt hätte. In der Unterlassung einer solchen Massnahme
liegt der Fehler des Beschwerdeführers, nicht darin, dass dieser nicht mit
genügender Raschheit für die Wegschaffung des Hindernisses gesorgt hätte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 234
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 17. Oktober 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 234
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 237 StGB. Wann sind Leib und Leben von Menschen in Gefahr?Art. 237 CP. Quand la vie ou...


Gesetzesregister
StGB: 237
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
BGE Register
71-IV-96 • 73-IV-180 • 73-IV-234
Stichwortregister
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