S. 145 / Nr. 38 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 145

38. Urteil des Kassationshofes vom 19. September 1947 i.S. Früh gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.


Seite: 145
Regeste:
Art. 14 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
, StGB Verwahrung eines vermindert Zurechnungsfähigen.
Begriff der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (Erw. 2).
Auch ein Unheilbarer kann verwahrt werden, wenn er pflegebedürftig ist (Erw.
3).
Die Heil- oder Pflegeanstalt braucht nicht ärztlich geleitet zu sein (Erw. 4).
Art. 14 al. 1 CP. Internement d'un délinquant à responsabilité restreinte.
Ce qu'il faut entendre par «compromettre la sécurité ou l'ordre publies»
(consid. 2).
Un incurable peut aussi être interné s'il a besoin de soins (consid. 3).
Il n'est pas nécessaire quo l'hôpital ou l'hospice soit dirigé par un médecin
(consid. 4).
Art. 14, cp. 1 CP. Internamento d'un delinquente di responsabilità scemata.
Che debbasi intendere con le parole «espone a pericolo la sicurezza o l'ordine
pubblico» (consid. 2).
Un incurabile può essere pure internato, se è bisognoso di cure (consid. 3).
Non occorre che la casa di salute o di custodia sia diretta da un medico
(consid. 4).

A ­ Die Ehe des Johann Früh, eines fünfundvierzigjährigen Metzgers, ist seit
März 1946 gerichtlich getrennt. Früh hat seine Ehefrau einmal mit dem Messer
bedroht und ihr erklärt, er mache sie gerade hin. Auch mit seinen zwei
Schwestern lebt Früh nicht in gutem Einvernehmen. Als er mit seinem Geschäft
in finanzielle Schwierigkeiten geriet, warf er ihnen vor, sie hätten ihn bei
verschiedenen Erbteilungen hintergangen Er belästigte sie deswegen ständig,
wurde in der Wut tätlich, packte eine seiner

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Schwestern und warf einen Tisch um. Die Schwestern erwirkten deswegen gegen
ihn ein gerichtliches Besuchsverbot. Da er es brach, verurteilte ihn das
Bezirksgericht Winterthur wegen Ungehorsams, während das Obergericht des
Kantons Zürich die Tat als Hausfriedensbruch würdigte und Früh am 20. November
1945 mangels Strafantrages freisprach. Am 22. März 1946 geriet Früh im
Restaurant seiner Schwestern erneut mit diesen in Streit. Er zerschlug Gläser
und warf eine Kiste mit Stumpen auf den Boden. Die eine Schwester fürchtete
damals, er werde gegen sie tätlich, und rief die Polizei um Schutz an. In
einem Prozesse, den Früh wegen der behaupteten Übervorteilung bei den
Erbteilungen gegen seine Schwestern durchführte, unterlag er sowohl vor dem
Bezirksgericht Winterthur, als auch vor dem Obergericht und am 6. Juli 1946
vor dem Kassationsgericht des Kantons Zürich. Der ungünstige Ausgang des
Prozesses vor der ersten Instanz bewog ihn, den Gerichtsbeamten Dr. Haller
verschiedene Male im Büro aufzusuchen und ihm vorzuwerfen, er habe das
Protokoll über die Befragung seiner Schwestern gefälscht, ihn ferner mit
«Halunke» zu beschimpfen und sich überhaupt so zu benehmen, dass sich Dr.
Haller ernstlich bedroht fühlte und man sich veranlasst sah, Früh das Betreten
des Büros dieses Beamten zu verbieten und das gesamte Personal des
Bezirksgerichts vor ihm zu warnen. Im August 1946 sprach Früh gegen Dr. Haller
anlässlich eines Zusammentreffens im Obergericht erneut Drohungen aus.
Gegen 23 Uhr des 4. September 1946 traf Früh, der leicht angetrunken war, am
Bahnhofplatz in Winterthur den Kanzleiadjunkten Müller, einen Beamten der
Bezirksanwaltschaft. Er redete ihn mit den Worten an: «So du Sauchaib vo de
Bezirksanwaltschaft, ich schla di z'Tod, lueg da mini Chlüppli (Hände) a, ich
bi nüd umesuscht Metzger, ich schla di zumene Chrüppel.» Nachdem Müller
versucht hatte, Früh zu beruhigen, fuhr dieser fort: «Ich schla di zumene
Chrüppel, de nächscht, wo dra

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chunt, isch de Hueberli.» Damit meinte er:Dr. Huber, den Geschäftsleiter der
Bezirksanwaltschaft, Winterthur Früh schlug dem Müller den Hut; von hinten ins
Gesicht und versetzte ihm, vor Wut schäumend, mehrere Stösse und Faustschläge
in die Bauch- und Magengegend. Müller flüchtete sich in eine Telephonkabine
und benachrichtigte die Polizei Früh versuchte, die Glastüre der Kabine
einzuschlagen, öffnete sie und wollte Müller herauszerren Er sprach nicht nur
gegen diesen, sondern auch gegen eine ihn begleitende Frau Schimpfworte aus.
In der Annahme, dass die Polizei benachrichtigt sei, entfernte er sich dann.
Als er etwas später Müller erneut traf, versetzte er ihm wiederum Schläge in
die Magen- und Bauchgegend. In diesem Augenblick erschien die Polizei und nahm
ihn fest.
Im Verfahren vor der Bezirksanwaltschaft Winterthur, vor der sich Früh wegen
des Vorfalles vom d. September 1946 zu verantworten hatte, wurde der
Beschuldigte durch Ärzte der Heil- und Pflegeanstalt Rheinau psychiatrisch
begutachtet. Die Bemühungen der Gutachter, ihn zur Einsicht zu bringen, waren
umsonst. Früh wurde zeitweise heftig, bezeichnete die Mitglieder der Behörden
als «Schnuderbuben» und sprach sogar dunkel und unbestimmt davon, dass er
einen Karabiner laden könne und dass er abrechnen würde. Auch äusserte er sich
dahin, ein anderer hätte unter solchen Umständen seine Schwester hingemacht,
er wolle sie aber nicht anrühren, sondern nur um sein Recht kämpfen. Die
Gutachter kamen zum Schlusse, dass Früh ein unintelligenter, reizbarer,
primitiver Psychopath mit katathymen überwertigen Ideen sei. Als solcher habe
er mehr als ein Normaler unter der Wirkung seiner Affekte gestanden. Er habe
die Tat daher im Zustande erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit
begangen. Da abgesehen von den überwertigen Ideen alle anderen geistigen
Funktionen Frühs intakt seien und die genannten Ideen durch ärztliche
Massnahmen nicht zu beeinflussen seien, sei seine Unterbringung in eine
ärztlich geleitete Anstalt nicht notwendig, obwohl er in seinem

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jetzigen Zustande die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und bei ihm
die Gefahr weiterer unberechenbarer Affekthandlungen bestehe.
B. ­ Am 25. Januar 1947 erklärte das Bezirksgericht Winterthur Früh wegen des
Vorfalles vom 4. September 1946 der Drohung (Art. 180
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
bbis  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.247
StGB) und der
Tätlichkeiten (Art. 126
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 126 - 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:
a  an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind;
b  an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung; oder
cbis  an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.180
StGB) schuldig, verurteilte ihn unter Annahme
verminderter Zurechnungsfähigkeit zu vierzehn Tagen Gefängnis, die es als
durch die Untersuchungs- und Sicherheitshaft erstanden erklärte, und ordnete
gestützt auf Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB die Verwahrung des Verurteilten an.
Früh legte gegen dieses Urteil Berufung ein mit dem Antrage auf Aufhebung der
Verwahrung. Eine vom Obergericht des Kantons Zürich angeordnete zweite
Begutachtung führte den Oberarzt der Heilanstalt Burghölzli zum Schluss, dass
Früh in seiner geistigen Gesundheit erheblich beeinträchtigt und geistig
mangelhaft entwickelt sei, sodass seine Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat
einzusehen oder gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln,
erheblich herabgesetzt gewesen sei. Früh gefährde die öffentliche Sicherheit
oder Ordnung und bedürfe, solange diese Gefährdung andauere, der Verwahrung in
einer geschlossenen Anstalt (Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB). Der Zustand des Angeklagten
erfordere weder seine Behandlung noch seine Versorgung in einer Heil- oder
Pflegeanstalt (Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB). Zur Begründung führte der Sachverständige unter
anderem aus, die Untersuchung im Burghölzli zeige genau das gleiche Bild wie
jene in der Rheinau. Früh trete konsequent als Ankläger auf und werfe den
Vorexperten falsche Begutachtung vor. In wiederholten eingehenden
Unterredungen zeige er sich allen Anstrengungen gegenüber, ihn zur Einsicht zu
bringen, vollkommen unbelehrbar. Je mehr man auf ihn eindringe, Argumente der
Logik anführe und ihn auf seine Denkfehler aufmerksam mache, umsomehr
versteife er sich auf sein Besserwissen. Wo Wünsche und Triebe im Spiele
seien, sei das Denken und Argumentieren Frühs ausschliesslich affektgelenkt.
Als Ergebnis dieser

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Denkstörungen treten die ans Wahnhafte grenzenden katathymen überwertigen
Ideen auf, an denen Früh in sturer Einsichtslosigkeit festhalte. Im
Vordergrund seiner angeborenen Psychopathie stünden die Reizbarkeit,
Unbeherrschtheit, Unordentlichkeit, Disziplinlosigkeit und Primitivität. Es
müsse angenommen werden, dass Früh auf freiem Fusse unverzüglich seine
Prozesse wieder aufgreifen und seine Angriffe gegen die Behörden fortsetzen
würde. Einer ärztlichen oder psychologischen Behandlung gegenüber habe er sich
bis jetzt vollkommen unbeeinflussbar erwiesen. Er bedürfe der Verwahrung in
einer nicht ärztlich geleiteten Anstalt, da er keiner Behandlung oder
psychologischen Beeinflussung zugänglich sei.
Gestützt auf dieses Gutachten bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am
16. Mai 1947 das Urteil des Bezirksgerichts. Zum Einwand des Angeklagten, dass
er weder der Heilung zugänglich sei noch der Pflege bedürfe, führte es aus,
dass er immer wieder in Aufregungszustände verfalle, die eine ärztliche
Behandlung als notwendig erscheinen liessen. Sie könne sich möglicherweise auf
die Abgabe von Beruhigungsmitteln und auf persönlichen Zuspruch beschränken,
sie könne aber auch weiter gehen, um den Angeklagten mit der Zeit von seinen
Zwangsvorstellungen zu befreien. Dass er sich während der verhältnismässig
kurzen Beobachtungszeit einer psychiatrischen Behandlung nicht sehr zugänglich
gezeigt habe, spreche noch nicht endgültig gegen seine Heilfähigkeit; das
Abklingen so heftiger Affekte, wie sie bei ihm vorliegen, erfordere
erfahrungsgemäss viel Zeit. Auf jeden Fall aber sei die Pflegebedürftigkeit
des Angeklagten gegeben.
C. ­ Früh führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit
dem Antrage, die Verwahrung sei aufzuheben. Er macht geltend, er gefährde die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht. Auch sei er weder heil- noch
pflegebedürftig, weil er keiner Behandlung oder psychologischen Beeinflussung
zugänglich sei. Es sei ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 277bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

BStP,

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dass das Obergericht diese Feststellung des Oberarztes der Heil- und
Pflegeanstalt Burghölzli nicht berücksichtige.
D. ­ Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Gefährdet der vermindert zurechnungsfähige (oder unzurechnungsfähige)
Täter die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, und ist es notwendig, ihn in
einer Heil- oder Pflegeanstalt zu verwahren, so ordnet der Richter diese
Verwahrung an (Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB). Dass die erste Voraussetzung dieser Massnahme,
die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Täters, im vorliegenden Falle
erfüllt ist, wird mit Recht nicht bestritten.
2. ­ Die zweite Voraussetzung der Verwahrung nach Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB ist die
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch den Täter. Von einer
Gefährdung kann hier, wie in anderen Fällen, in denen das Strafgesetz diesen
Begriff verwendet, nicht schon dann gesprochen werden, wenn das befürchtete
Ereignis bloss entfernt möglich, die Gefahr nur abstrakt ist. Verlangt wird
vielmehr eine konkrete Gefahr, d.h. ein Zustand, bei dem die Verletzung nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nahe liegt. Aus dem Erfordernis sodann, dass
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet sein müsse, ergibt sich,
dass auch an das befürchtete Ereignis qualifizierte Anforderungen gestellt
werden. Nicht jedes rechtswidrige oder sogar strafbare Verhalten, mit dem
dringend zu rechnen ist, genügt. Es müssen vielmehr Handlungen vorauszusehen
sein, die gegen erhebliche Rechtsgüter gerichtet sind und nicht nur eine
bestimmte Person treffen, sondern die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in
Frage stellen. Wann diese Merkmale erfüllt sind, ist anhand der Umstände des
einzelnen Falles zu entscheiden, wobei der Richter bei der Stellung der
Diagnose und der Prognose weitgehend vom Rate von Sachverständigen und von
seinem Ermessen Gebrauch machen wird. Nur wenn dessen Grenzen überschritten
sind, ist das Gesetz verletzt,

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Im vorliegenden Falle ist die Vorinstanz weder von falschen Begriffen der
Gefährdung oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgegangen, noch
fällt ihr Entscheid aus dem Rahmen des Ermessens. Der Beschwerdeführer hat
nicht nur durch seine Tat vom 4. September 1946 gegenüber Müller, sondern auch
durch die gegen andere Personen gerichteten, auf seine krankhafte Veranlagung
zurückzuführenden Notfälle und Äusserungen dargetan, dass niemand, gegen den
sich sein Affekt entlädt, seiner körperlichen Unversehrtheit sicher ist. Dass
aber neue Wutausbrüche wahrscheinlich sind, ergibt sich aus der von den
Sachverständigen festgestellten Psychopathie des Beschwerdeführers, die sich
unter anderem in Reizbarkeit, Unbeherrschtheit, Angriffslust und Primitivität
äussert, ferner aus seiner krankhaften Rechthaberei, auf die schon seine
bisherigen Drohungen und Ausschreitungen zurückzuführen sind, und endlich aus
seiner Einsichtslosigkeit, gegen welche Belehrungen, Ermahnungen,
psychologische Behandlung und ärztliche Kunst sich bisher als machtlos
erwiesen haben.
3. ­ Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB setzt weiter voraus, dass es notwendig sei, den Täter in
einer Heil- oder Pflegeanstalt zu verwahren. Das trifft dann zu, wenn er
entweder einer Heilbehandlung bedarf oder pflegebedürftig ist (vgl. BGE 71 IV
71
). Pflegebedürftigkeit allein genügt also; der Verwahrte braucht nicht
heilbar zu sein. Daher kommt nichts darauf an, dass beide Gutachten den
Geisteszustand des Beschwerdeführers als nicht besserungsfähig erklären. Dass
der Beschwerdeführer zum mindesten pflegebedürftig sei, durfte das Obergericht
ausser aus den festgestellten Tatsachen daraus schliessen, dass der Oberarzt
der Anstalt Burghölzli unter Hinweis auf Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB die Verwahrung in einer
geschlossenen Anstalt empfiehlt. Übrigens liegt entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers kein Versehen vor, wenn das Obergericht in freier Würdigung
des Gutachtens, wie sie ihm zustand, die Ansicht vertrat, dass die nur kurze
Beobachtung, während der sich der Beschwerdeführer einer psychiatrischen
Behandlung nicht

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sehr zugänglich gezeigt habe, nicht endgültig gegen dessen Heilungsfähigkeit
spreche, da dass Abklingen so heftiger Affekte erfahrungsgemäss viel Zeit
erfordere.
4. ­ Das Obergericht hat die Verwahrung in einer «Heil- und Pflegeanstalt»
angeordnet. Solche Anstalten brauchen nicht durch einen Arzt geleitet zu sein.
Ob, wie der Sachverständige empfiehlt, der Beschwerdeführer in einer nicht
ärztlich geleiteten Anstalt unterzubringen ist, ist eine Frage des Vollzuges
und der praktischen Möglichkeiten. Wie der Vollzug auch gestaltet werden möge,
wird der Beschwerdeführer, der nach der Auffassung des Obergerichts eine vom
Arzt anzuordnende Behandlung nötig hat, gegebenenfalls von einer Anstalt in
die andere verbracht werden können. Hierüber zu befinden, ist Sache der
kantonalen Verwaltungsbehörde (Art. 17 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB).
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 145
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 18. September 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 145
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 14 Abs. 1, StGB Verwahrung eines vermindert Zurechnungsfähigen.Begriff der Gefährdung der...


Gesetzesregister
BStP: 277bis
StGB: 14 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
15 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
17 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
126 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 126 - 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:
a  an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind;
b  an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung; oder
cbis  an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.180
180
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
bbis  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.247
BGE Register
71-IV-68 • 73-IV-145
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
verminderte zurechnungsfähigkeit • kassationshof • sprache • verurteilter • ermessen • frage • arzt • psychopathie • voraussetzung • offensichtliches versehen • beschuldigter • strafgesetzbuch • heilanstalt • strafanstalt • kantonsgericht • staatsanwalt • entscheid • strafantrag • bedürfnis • richterliche behörde
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