S. 145 / Nr. 37 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 145

37. Entscheid vom 24. Oktober 1947 i.S. Haag.


Seite: 145
Regeste:
Rechtsvorschlag, Fortsetzung der Betreibung. Weist das Betreibungsamt einen
Rechtsvorschlag als ungültig zurück, oder nimmt es einen Rückzug des
Rechtsvorschlages (hier: durch die Ehefrau des Betriebenen) als gültig
entgegen, und setzt es daher die Betreibung auf Begehren des Gläubigers fort
so erwächst seine Verfügung mangels Beschwerde binnen gesetzlicher Frist in
Rechtskraft.
Opposition. Continuation de la poursuite. Si l'office des poursuites rejette
une opposition comme non valable ou déclare recevable un retrait de
l'opposition (effectué en l'espèce par la femme du débiteur poursuivi) et
qu'il continue en conséquence la poursuite à la réquisition du créancier, sa
décision passe en force de chose jugée si elle ne fait pas l'objet d'une
plainte dans le délai légal.
Opposizione, proseguimento dell'esecuzione. Se l'ufficio d'esecuzione respinge
come non valida un'opposizione o dichiara ricevibile un ritiro
dell'opposizione (fatto in concreto dalla moglie dell'escusso) e prosegue
quindi l'esecuzione su domanda del creditore, la sua decisione diventa
definitiva se non è impugnata mediante reclamo entro il termine legale.

A. ­ In der Betreibung Nr. 40790 des Rekurrenten gegen Gottfried Schneider
wurde der Zahlungsbefehl der Ehefrau des Schuldners ausgehändigt. Sie hielt
sich selbst für betrieben, da es sich um ihre eigene voreheliche

Seite: 146
Schuld handelte. Sie erhob Rechtsvorschlag, zog diesen dann aber später zurück
und unterzeichnete eine ihr vom Betreibungsamt vorgelegte, auf den Betriebenen
lautende dahingehende Bescheinigung. Hierauf teilte das Amt dem Gläubiger den
Rückzug des Rechtsvorschlages mit. Dem Fortsetzungsbegehren gab es am 3. Juni
1947 Folge.
B. ­ Nun erst erfuhr der Schuldner von der Betreibung. Er sagte der Ehefrau,
diese Sache müsse sie in Ordnung bringen. Dem Gläubiger schrieb er am 16. Juli
1947: «... Somit bin ich meinerseits nichts schuldig. Hätte ich von der
Betreibung etwas gewusst, so wäre ein Rückzug des Rechtsvorschlages gar nicht
in Frage gekommen...» Indessen beschwerte er sich weder über die
Pfändungsankündigung, noch über den am 6. Juni erfolgten Pfändungsvollzug,
noch über die diesen ergänzende Lohnpfändung vom 24. Juni, die ihm das
Betreibungsamt am gleichen Tag schriftlich mitteilte, noch über die vom 6.
Juli an erfolgten Lohnabzüge. Erst nach der am 8. August erhaltenen Anzeige
vom Verwertungsbegehren führte er am 12. August Beschwerde, mit dem Antrag,
die Betreibung sei gänzlich, eventuell hinsichtlich des Rückzuges des
Rechtsvorschlages als ungültig zu erklären, und es sei «festzustellen, dass
die Pfändungsurkunde und die erfolgte Pfändung ungültig sind».
C. ­ Die kantonale Aufsichtsbehörde erachtete die Beschwerde als solche als
verspätet. Sie hob jedoch die seit dem 10. März 1947 vorgenommenen
Betreibungshandlungen von Amtes wegen als nichtig auf. Die Begründung geht
dahin, die Betreibung sei durch Rechtsvorschlag gehemmt und daher jede
Fortsetzung unzulässig. Einerseits sei nämlich der von der Ehefrau erhobene
Rechtsvorschlag dem Schuldner zugute gekommen; anderseits sei der Rückzug des
Rechtsvorschlages ohne Zustimmung des Schuldners nicht gültig. Dieser habe,
als er von der Betreibung erfahren, zu erkennen gegeben, dass er seine
Schulpflicht nicht anerkenne.

Seite: 147
D. ­ Diesen Entscheid vom 11. September 1947 zieht der Gläubiger an das
Bundesgericht weiter. Er hält dafür, dass der verspäteten Beschwerde keine
Folge gegeben werden könne. Ein Nichtigkeitsgrund liege nicht vor. Die
Beschwerde wäre auch sachlich nicht begründet; auf den von der Ehefrau
erhobenen Rechtsvorschlag könne sich der Schuldner nicht mehr berufen, nachdem
die Ehefrau ihn zurückgezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in
Erwägung:
Dass die Beschwerde des Betriebenen als solche verspätet war, unterliegt
keinem Zweifel. Aber auch der von der Vorinstanz angenommene Nichtigkeitsgrund
liegt nicht vor. Freilich ist jede Fortsetzungshandlung nichtig, wenn sie des
Zahlungsbefehls als der unerlässlichen Grundlage ermangelt (BGE 38 I 327 =
Sep.-Ausg. 15 S. 146). Gleich verhält es sich grundsätzlich, wenn ein
Zahlungsbefehl zwar ergangen, aber zufolge Rechtsvorschlages nicht zum
vollstreckbaren Titel geworden ist. Steht dies ­ sowie gegebenenfalls die
Bekräftigung des Rechtsvorschlages durch rechtzeitige Aberkennungsklage, womit
die Betreibung weiterhin gehemmt ist (Art. 78 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 78 - 1 Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung.
1    Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung.
2    Bestreitet der Schuldner nur einen Teil der Forderung, so kann die Betreibung für den unbestrittenen Betrag fortgesetzt werden.
. SchKG) ­ fest, und kommt es
versehentlich gleichwohl zu einer Fortsetzungshandlung, so ist die Fortsetzung
als nichtig zu betrachten und jederzeit als solche aufzuheben. Aus diesem
Gesichtspunkte hat das Bundesgericht kürzlich im staatsrechtlichen Verfahren
eine Konkurseröffnung als unstatthaft erklärt, die trotz richtig eingereichter
und hängig gebliebener Aberkennungsklage ausgesprochen worden war auf Grund
einer Konkursandrohung, die der Gläubiger mit einer falschen Bescheinigung
über das Unterbleiben einer Aberkennungsklage erwirkt hatte (BGE 73 I 353 ff).
Hat jedoch das Betreibungsamt über die Gültigkeit des Rechtsvorschlages oder
einer diesen zurückziehenden Erklärung eine Verfügung getroffen, so kann
darauf nicht

Seite: 148
im weitern Verlaufe des Verfahrens zurückgekommen werden. Vielmehr sind
solchenfalls die Beteiligten gehalten, binnen der gesetzlichen Frist des Art.
17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG Beschwerde zu führen, ansonst die betreibungsamtliche Verfügung
rechtskräftig wird. Verneint z. B. das Betreibungsamt die Gültigkeit eines
nach seiner Ansicht undeutlichen oder in seinem Inhalt unerheblichen
Rechtsvorschlages, und bringt es dies den Beteiligten eindeutig zur Kenntnis,
und wäre es auch nur in konkludenter Weise durch Fortsetzung der Betreibung
auf Begehren des Gläubigers, so ist einerseits dem Schuldner zuzumuten, sich
darüber binnen gesetzlicher Frist zu beschweren, sofern er die vom
Betreibungsamt bekundete Auffassung nicht gelten lassen will; anderseits wäre
es ungehörig, den Gläubiger, der sich auf die betreibungsamtliche Verfügung
verlässt, der nachträglichen Aufhebung der Fortsetzungshandlungen, etwa erst
noch im Verwertungsstadium, auszusetzen. Ebenso verhält es sich, wenn zwar der
Rechtsvorschlag vom Betreibungsamt als gültig erachtet, dann aber ebenso eine
Rückzugserklärung als verbindlich entgegengenommen wurde. Erhielt der
Gläubiger eine entsprechende Anzeige und der Schuldner eine eindeutige
amtliche Mitteilung mindestens konkludent durch die Fortsetzung des
Verfahrens, so muss ihm, wenn er es dabei nicht bewenden lassen will, füglich
die Beschwerdeführung binnen gesetzlicher Frist zugemutet werden. Dass die
Fortsetzung der Betreibung jeder Grundlage ermangle und daher unmöglich gültig
sein könne, durfte der Schuldner im vorliegenden Falle keineswegs annehmen.
Hatte doch seine Ehefrau, die vorerst Rechtsvorschlag erhoben, diesen nachher
in aller Form zurückgezogen durch Unterzeichnen einer vorgedruckten, auf den
Namen des Schuldners lautenden Bescheinigung. Insbesondere aus seinem Brief
vom 16. Juli 1947 an den Gläubiger ergibt sich denn auch, dass er sich der
Bedeutung der Rückzugserklärung der Ehefrau als Grund der Fortsetzung: der
Betreibung bewusst war. Indem er trotzdem

Seite: 149
die Beschwerdeführung versäumte, ist er des Rechtes, sich auf den
Rechtsvorschlag, als angeblich nicht wirksam zurückgezogen, zu berufen,
verlustig gegangen.
Gewiss ist zweifelhaft, ob die Ehefrau den (vermutungsweise) dem Willen des
Schuldners entsprechenden Rechtsvorschlag verbindlich hatte zurückziehen
können. Auf die bezüglichen Ausführungen der Vorinstanz ist jedoch angesichts
der rechtskräftig gewordenen Verfügung des Betreibungsamtes über diese
Streitfrage nicht einzugehen.
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben, und es
wird auf die Beschwerde des Schuldners nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 III 145
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 24. Oktober 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 III 145
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Rechtsvorschlag, Fortsetzung der Betreibung. Weist das Betreibungsamt einen Rechtsvorschlag als...


Gesetzesregister
SchKG: 17 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
78
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 78 - 1 Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung.
1    Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung.
2    Bestreitet der Schuldner nur einen Teil der Forderung, so kann die Betreibung für den unbestrittenen Betrag fortgesetzt werden.
BGE Register
38-I-324 • 73-I-353 • 73-III-145
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rechtsvorschlag • schuldner • betreibungsamt • nichtigkeit • gesetzliche frist • zahlungsbefehl • aberkennungsklage • bescheinigung • wille • vorinstanz • bundesgericht • fortsetzungsbegehren • kenntnis • aufhebung • entscheid • bewilligung oder genehmigung • verwertungsbegehren • begründung des entscheids • form und inhalt • kantonales rechtsmittel
... Alle anzeigen