BGE 73 I 353
54. Urteil der II. Zivilabteilung als staatsrechtlicher Kammer vom 16. Oktober
1947 i. S. Spitz gegen und Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des
Kantonsgerichts St. Gallen.
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Regeste:
Konkurseröffnung:
In der Nichtberücksichtigung der Einrede, die Konkursandrohung sei wegen
hängiger Aberkennungsklage nichtig, liegt formelle Rechtsverweigerung. Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BV, 172 und 173 SchKG.
Ouverture de la faillite.
Commet un déni de justice formel le juge qui prononce la faillite alors que le
débiteur excipe de l'ouverture de l'action en libération de dette pour
conclure à la nullité de la commination de faillite. Art. 4 Cst., 172 et 173
LP.
Dichiarazione del fallimento.
Incorre in un diniego di giustizia quanto alla forma il giudice che dichiara
il fallimento benchè il debitore faccia valere la nullità della comminatoria
di fallimento pel fatto che è stata promossa azione d'inesistenza di debito.
Art. 4 CF, 172 e 173 LEF.
A. In der Betreibung Nr. 3827 des Betreibungsamtes St. Gallen erhob der
Schuldner Spitz Rechtsvorschlag und, da der Gläubiger Bongni provisorische
Rechtsöffnung erhielt, rechtzeitig Aberkennungsklage. Trotzdem wurde dem
Schuldner der Konkurs angedroht auf Grund einer unrichtigen Bescheinigung des
Vermittleramtes, wonach eine Aberkennungsklage unterblieben wäre. Der Anwalt
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des Gläubigers will diese Bescheinigung nicht selber dem Betreibungsamte
vorgelegt haben, vielmehr habe dies seine Sekretärin versehentlich getan. Da
indessen die «Herrn Mattes mit Vollmacht» zugestellte Konkursandrohung nicht
mit Beschwerde angefochten wurde, glaubte der Anwalt des Gläubigers gestützt
darauf dann doch das Konkursbegehren stellen zu dürfen, zumal sich der
Schuldner durch ständige Abwesenheit der Aufnahme eines Güterverzeichnisses
entzogen habe.
B. Die an den Schuldner ergangene Vorladung zur Konkursverhandlung kam
zurück mit dem Vermerk «nicht abgeholt» Der Schuldner erschien auch nicht. Der
Richter eröffnete am 9. August 1947 auf Grund von Zahlungsbefehl und
Konkursandrohung den Konkurs.
a. Die Berufung des Schuldners nach Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
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1 | Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen: |
1 | die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist; |
2 | der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder |
3 | der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. |
3 | Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen. |
Rekursrichter erklärte zwar die Einwendung der Ungültigkeit der
Konkursandrohung nicht etwa als verspätet. Er fand jedoch, der Konkursrichter
könne die Gültigkeit der ihm vorgelegten Konkursandrohung nicht überprüfen;
diese wäre für ihn nach Art. 172 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab: |
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1 | wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist; |
2 | wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist; |
3 | wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat. |
von der Aufsichtsbehörde aufgehoben worden wäre; der vom Schuldner geleistete
Nachweis der hängigen Aberkennungsklage rechtfertige auch nicht die Aussetzung
des Konkurserkenntnisses gemäss Art. 173
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 173 - 1 Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
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1 | Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
2 | Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung (Art. 22 Abs. 1) erlassen wurde, so setzt es den Entscheid ebenfalls aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.335 |
3 | Der Beschluss der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgeteilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntnis. |
einer Beschwerde gegen die Fortsetzung der Betreibung wehren müssen, wie denn
Jäger, zu Art. 172 N. 2, bemerke: «Auf den Weg der Beschwerde ist der
Schuldner auch zu verweisen, wenn er geltend macht, dass die Konkursandrohung
wegen Anstellung einer Aberkennungsklage ungültig sei».
D. Gegen diesen Entscheid vom 13. September 1947 richtet sich die
vorliegende, auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Schuldners. Dieser hält die Bestätigung der Konkurseröffnung trotz hängig
gebliebener Aberkennungsklage als unhaltbar und willkürlich.
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Der Gläubiger beantragt Abweisung der Beschwerde. Der Rekursrichter verweist
auf die Begründung seines Entscheides.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Daraus, dass der Konkurs trotz nicht gelungener Vorladung zur
Konkursverhandlung eröffnet wurde, leitet der Schuldner keinen Beschwerdegrund
her. Er ist denn auch mit seinen Einwendungen in der Berufungsinstanz zu Gehör
gekommen. Der Rekursrichter hat dazu gerade so Stellung genommen, wie es nach
seiner Ansicht in erster Instanz hätte geschehen müssen, wenn der Schuldner
seine Einwendungen bereits dort vorgebracht hätte.
2. Dagegen hat der Rekursrichter die aus der hängigen Aberkennungsklage
hergeleitete Einwendung als untauglich befunden. Er ist der Ansicht, diese
Einwendung hätte auf dem Beschwerdewege bei den Aufsichtsbehörden geltend
gemacht werden müssen. Dem Schuldner ist jedoch darin beizustimmen, dass die
Konkurseröffnung bezw. deren Bestätigung über den mit rechtzeitiger
Aberkennungsklage festgehaltenen Rechtsvorschlag hinweg eine gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
verstossende formelle Rechtsverweigerung bedeutet.
Freilich ist es trotz der Aberkennungsklage aber nur auf Grund einer
falschen Bescheinigung über deren Unterbleiben zur Konkursandrohung
gekommen, die der Schuldner nicht durch Beschwerde angefochten hat. Allein
diese Konkursandrohung kann nicht in Rechtskraft erwachsen sein. Sie
widerspricht dem wahren Stande des Verfahrens. Das Betreibungsamt hätte sie
denn auch keinesfalls ohne die erwähnte vom Gläubiger unrechtmässig benützte
Bescheinigung dem Schuldner zugestellt. Es hatte ja den Rechtsvorschlag als
gültig anerkannt, und der Schuldner hatte diesen nicht etwa zurückgezogen,
sondern gegenüber der vom Gläubiger erreichten provisorischen Rechtsöffnung
Aberkennungsklage erhoben, die hängig geblieben ist. Somit kann aus der
Unterlassung
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einer Beschwerdeführung gegen die Konkursandrohung nicht auf einen
Verzichtwillen des Schuldners geschlossen werden; vielmehr muss diese
Untätigkeit blosser Nachlässigkeit zugeschrieben werden, während die
aufrechterhaltene Aberkennungsklage den Willen, die Betreibung weiterhin zu
hemmen, eindeutig zum Ausdruck bringt. Bei diesem wahren Stande des Verfahrens
muss es bleiben. Dem Gläubiger kann nicht zugestanden werden, mit der durch
eine falsche Bescheinigung erlangten Konkursandrohung einen
Vollstreckungstitel erlangt zu haben, vor dem die regelrecht erhobene
Aberkennungsklage des Schuldners ihre betreibungshemmende Wirkung verlieren
müsste.
Diese Erwägungen lassen die Konkursandrohung als nichtig erscheinen.
Jedenfalls bestehen für die Annahme der Nichtigkeit so schwerwiegende Gründe,
dass der Richter nicht darüber hinwegschreiten durfte, sondern mindestens den
Entscheid über das Konkursbegehren hätte aussetzen und die Frage nach der
Gültigkeit der Konkursandrohung der Aufsichtsbehörde unterbreiten müssen,
entsprechend Art. 173
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 173 - 1 Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
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1 | Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
2 | Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung (Art. 22 Abs. 1) erlassen wurde, so setzt es den Entscheid ebenfalls aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.335 |
3 | Der Beschluss der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgeteilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntnis. |
Das Gesetz will nicht, dass auf Grund einer nichtigen Konkursandrohung der
Konkurs eröffnet werde. Nach Art. 172 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab: |
|
1 | wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist; |
2 | wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist; |
3 | wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat. |
abzuweisen, wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben
worden ist. Steht ein Nichtigkeitsgrund in Frage, so muss darüber vor dem
Entscheid über das Konkursbegehren Klarheit geschaffen werden. Bereits der
allfällige Umstand, dass der Schuldner nicht der Konkursbetreibung unterliegt,
stellt einen Nichtigkeitsgrund dar. Deshalb eben schreibt Art. 173
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 173 - 1 Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
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1 | Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
2 | Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung (Art. 22 Abs. 1) erlassen wurde, so setzt es den Entscheid ebenfalls aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.335 |
3 | Der Beschluss der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgeteilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntnis. |
Konkursrichter vor, er habe solchenfalls seinen Entscheid auszusetzen und die
Angelegenheit der Aufsichtsbehörde zu unterbreiten. Mindestens der gleiche
Schutz muss dem Schuldner zuteil werden, wenn nicht nur die vom Betreibungsamt
eingeschlagene Betreibungsart, sondern jede auf definitive Vollstreckung
abzielende Fortsetzung der
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Betreibung ausgeschlossen ist, wie eben bei fortdauernder Hemmung der
Betreibung durch einen vom Betreibungsamt als gültig erachteten
Rechtsvorschlag und gegebenenfalls rechtzeitig angehobene und hängig
gebliebene Aberkennungsklage (Art. 78 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 78 - 1 Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung. |
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1 | Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung. |
2 | Bestreitet der Schuldner nur einen Teil der Forderung, so kann die Betreibung für den unbestrittenen Betrag fortgesetzt werden. |
Die vom Rekursrichter erwähnte Kommentarstelle kann dem nicht entgegengehalten
werden. Sie lässt sich übrigens nach dem Zusammenhang sehr wohl dahin
verstehen, dass nicht nur eine bereits hängige Beschwerde zu berücksichtigen,
sondern dem Schuldner auch eine allenfalls erst noch (binnen kurzer Frist) zu
führende Beschwerde vor dem Entscheid über das Konkursbegehren zu
ermöglichen sei. Indessen besteht kein Grund, den Schuldner auf den
Beschwerdeweg zu verweisen, sofern er nicht etwa selbst diesen Weg einschlagen
will. Vielmehr hat der Konkursrichter, wie es Art. 173
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 173 - 1 Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
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1 | Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
2 | Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung (Art. 22 Abs. 1) erlassen wurde, so setzt es den Entscheid ebenfalls aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.335 |
3 | Der Beschluss der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgeteilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntnis. |
sich aus an die Aufsichtsbehörde zu gelangen. Ob er die vorliegende, nicht die
Betreibungsart, sondern die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls betreffende
Einrede, wenigstens sofern sie als liquid erscheint, in eigner Zuständigkeit
zu entscheiden befugt sei, mag dahingestellt bleiben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Rekursrichters vom 13.
September 1947 sowie das bei diesem angefochtene Konkurserkenntnis vom 9.
August 1947 aufgehoben.