BGE 73 III 114
29. Entscheid vom 3. Oktober 1947 i.S. Entscheid
Regeste:
Die Frist für den Gläubiger zur Beschwerdeführung gegen die Ausscheidung von
Kompetenzstücken läuft vom Empfang der Pfändungsurkunde an und wird dadurch,
dass der Gläubiger innert derselben beim Betreibungsamt ein Verzeichnis der
Kompetenzstücke im Sinne von Art. 28 Abs. 4 GebTarif verlangt. nicht
verlängert.
Le créancier qui entend porter plainte contre la décision par laquelle
l'office déclare certains biens soustraits à la saisie en qualité de biens
indispensables au débiteur doit le faire dans les dix jours de la
communication du procès-verbal de saisie. Ce délai n'est pas prolongé du fait
que le créancier, faisant usage de la faculté prévue par l'art. 28 al. 4 du
tarif, aurait dans ce même laps de temps demandé à l'office de lui délivrer la
liste des biens insaisissables laissés au débiteur.
Il creditore che intende inoltrare reclamo contro la decisione con la quale
l'ufficio dichiara impignorabili certi beni perché indispensabili al debitore
deve agire entro dieci giorni dalla comunicazione del verbale di pignoramento.
Questo termine non è prolungato pel fatto che il creditore, valendosi della
facoltà prevista dall'art. 28 cp. 4 della tariffa, ha chiesto entro detto
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termino che l'ufficio gli rilasci la lista dei beni impignorabili lasciati al
debitore.
Am 25. April 1947 wurden dem Schuldner Sachen im Werte von Fr. 722.
gepfändet. Die Pfändungsurkunde enthält den Vermerk: «Weitere pfändbare Sachen
fanden sich nicht vor... Die vorhandenen Maschinen (Drehbank, Bohrmaschine, 2
Schraubstöcke) sowie das Berufswerkzeug müssen dem Schuldner als
Kompetenzstücke belassen werden». Binnen 10 Tagen seit Zustellung der
Pfändungsurkunde verlangte der Gläubiger beim Betreibungsamt ein Verzeichnis
der Kompetenzstücke. Am 30. Juni wurde ihm dieses zugestellt, worauf er am 8.
Juli Beschwerde mit dem Begehren auf Pfändung des freigegebenen
Betriebsmobiliars erhob. Nach bloss teilweiser Gutheissung derselben durch die
kantonale Aufsichtsbehörde verlangt der Gläubiger mit dem vorliegenden Rekurs
gänzliche, jedenfalls weitergehende Pfändung des Betriebsmobiliars.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz lässt für den Gläubiger die Frist zur Beschwerdeführung gegen
die Ausscheidung von Kompetenzstücken nicht vom Empfang der Pfändungsurkunde
an laufen, sondern vom Empfang des detaillierten Verzeichnisses der
Kompetenzstücke an, das er binnen 10 Tagen seit Empfang der Pfändungsurkunde
beim Betreibungsamt verlangt hat. Diese von vereinzelten kantonalen
Aufsichtsbehörden befolgte Praxis (vgl. BIZR 29 Nr. 73, ZbJV 68, 295; JAEGER,
Praxis IV, Art. 92, S. 48) findet indessen im Gesetze keine Grundlage.
Rein begrifflich geht es nicht an, die anzufechtende Verfügung, nämlich die
Nichtpfändung der Kompetenzstücke, vom Vollzug der Pfändung der übrigen Sachen
zu trennen und auf einen spätern Zeitpunkt zu verlegen. Die Nichtpfändung der
Kompetenzstücke ist lediglich die negative Seite der auf die pfändbaren Sachen
beschränkten Pfändung, also gleichzeitig mit dieser perfekt. Durch die
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Zustellung der Pfändungsurkunde erhält der Gläubiger Kenntnis von der
Nichtpfändung andern Vermögens. Aus dem nachträglich einverlangten Verzeichnis
erfährt er nur noch, was für weitere Gegenstände vorhanden und als
Kompetenzstücke behandelt worden sind. Diese genaue Kenntnis ist übrigens
nicht unbedingt nötig, um die Nichtpfändung anzufechten. Der Gläubiger kann
auch auf andre Weise wissen bzw. erfahren, was der Schuldner ausser den
gepfändeten Objekten noch besitzt. Im vorliegenden Falle waren zudem in der
Pfändungsurkunde selber einige im einzelnen bezeichnete Maschinen sowie
generell das Berufswerkzeug als unpfändbar erwähnt. Die Verfügung über die
Ausscheidung der Kompetenzstücke liegt in der Pfändungsurkunde, nicht im
nachträglich verlangten Detailverzeichnis, das vielmehr nur das Motiv zur
Verfügung darstellt. In den häufigen Fällen übrigens, wo sich der Gläubiger
nach Empfang der Pfändungsurkunde mündlich beim Betreibungsamt über die dem
Schuldner belassenen Kompetenzstücke erkundigt und sich mit der mündlichen
Auskunft desselben begnügt, kann keine Rede davon sein, dass die
Beschwerdefrist mit dieser Vorsprache neu zu laufen begänne.
Die gegenteilige Auffassung kann auch nicht etwa auf die vom Bundesgericht
begründete Praxis gestützt werden, wonach die Frist zur Beschwerde gegen die
Betreibungskosten erst vom Erhalt der detaillierten Kostenrechnung an läuft,
sofern diese binnen 10 Tagen seit Kenntnis vom Globalbetrag der Kosten
verlangt wurde (BGE 63 III 37). Eine bloss im Totalbetrag bekanntgegebene
Kostenrechnung lässt sich ohne Kenntnis der einzelnen Posten schlechterdings
nicht oder nur ins Blaue hinein anfechten. Ohne detaillierte Rechnungstellung
liegt überhaupt noch keine vollständige Verfügung über die Kosten, jedenfalls
keine rechtsgenügliche Mitteilung einer solchen vor. Es liegt mithin in der
Natur der Sache, dass die Beschwerdefrist mit der Zustellung der ohne
Verzögerung verlangten Detailaufstellung beginne.
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Ebensowenig kann zugunsten eines spätern Fristbeginns daraus etwas hergeleitet
werden, dass Art. 28 Abs. 4 des Gebührentarifs das Recht des Gläubigers, ein
Verzeichnis der dem Schuldner belassenen Vermögensstücke zu verlangen,
besonders erwähnt. Es wollte damit nichts weiteres bestimmt werden, als dass
ein solches Verzeichnis zu dem billigen generellen Tarif des Art. 9 Abs. 3
verlangt werden kann. Irgendwelche Änderung am gesetzlichen Fristenlauf kann
aus diesem Hinweis schon deshalb nicht folgen, weil dies ausserhalb der dem
Bundesrat gemäss Art. 16
SR 281.1 Legge federale dell'11 aprile 1889 sulla esecuzione e sul fallimento (LEF) LEF Art. 16 - 1 Il Consiglio federale stabilisce la tariffa delle tasse. |
|
1 | Il Consiglio federale stabilisce la tariffa delle tasse. |
2 | Gli atti della procedura d'esecuzione e di fallimento sono esenti da bollo. |
Wenn ferner das Recht des Gläubigers, das Verzeichnis zu verlangen, auf 10
Tage befristet wird, so handelt es sich dabei offenbar um eine analoge
Anwendung der Beschwerdefrist, die jedoch keinen zureichenden Anhalt im Gesetz
hat.
Wird dem Begehren um Zustellung eines Kompetenzverzeichnisses die Wirkung der
Hinausschiebung des Beschwerdefristbeginns versagt, so ist allerdings der
Gläubiger, der von der Pfändung nicht befriedigt ist, u. U. gezwungen, das
Verzeichnis sofort nach Empfang der Pfändungsurkunde zu verlangen und innert
des ihm dann nach Zustellung desselben noch verbleibenden Restes der Frist die
Beschwerde gegen die Nichtpfändung der bestrittenen Kompetenzstücke
einzureichen. Ob in Härtefällen, z. B. wenn trotz sofortiger Einforderung des
Verzeichnisses dessen Zustellung durch das Betreibungsamt bis hart an das Ende
der Beschwerdefrist oder darüber hinaus verzögert würde, dem Beschwerdeführer
ein Ausweg ad hoc, event. durch Zulassung ergänzender Beschwerdeanträge, zu
gestatten wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Grundsätzlich aber ist die
Lage des Betroffenen keine andere als in zahlreichen andern Fällen, wo der
Beschwerdeführer oder Kläger binnen der 10tägigen Frist sich erst noch
Kenntnis von wesentlichen Tatsachen verschaffen muss, um sich über die
Aussichten einer Beschwerde bzw. Klage und den besten Angriffspunkt schlüssig
machen, ja überhaupt
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sie rechtsgenüglich substanzieren zu können. So ist z. B. nach erfolgter
Lohnpfändung der Gläubiger ebenfalls darauf angewiesen, sich binnen der
Beschwerdefrist über Erwerbsverhältnisse, Existenzminimum, allfällige
Lohnabtretungen usw. des Schuldners zu erkundigen. Gerade im Hinblick auf die
Notwendigkeit solcher vorgängiger Erkundigungen sind diese Fristen immerhin
auf 10 Tage bemessen. Nur für die nötige Bedenkzeit und die Abfassung der
Eingabe würde eine kürzere Frist genügen. Sowenig in den angeführten Fällen
die Einziehung der nötigen Information die bereits laufende Frist zu
verlängern vermag, sowenig kann das Begehren um Bekanntgabe der
Kompetenzstücke diese Wirkung haben und das zugestellte Verzeichnis an die
Stelle der einzigen ergangenen Verfügung, der in der Urkunde verkörperten
Pfändung, treten.
War mithin die Beschwerde des Gläubigers an die Aufsichtsbehörde verspätet, so
ist der vorliegende Rekurs gegen deren Entscheid abzuweisen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.