BGE 73 II 218
35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1947 i. S. Frank und
Brunschwig gegen Preibisch.
Seite: 218
Regeste:
Haftung für zugesicherte Eigenschaften beim Liegenschaftskauf.
Rechtsnatur der Zusicherung gemäss Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
der grundsätzlichen Vereinbarbeit von Zusicherung und vertraglichem
Haftungsausschluss, Tragweite einer allgemeinen Vertragsklausel über
Wegbedingung der Gewährspflicht im konkreten Fall.
Garantie pour les qualités promises en matière de vente d'immeubles.
Nature juridique des assurances au sens de l'art. 197 CO; condition de la
garantie; compatibilité entre la promesse de qualités et l'exclusion
conventionnelle de la garantie portée à attribuer, dans le cas particulier, à
une clause générale supprimant la garantie.
Garanzia per le qualità promesse in materia di vendita d'immobili.
Natura giuridica della garanzia ai sensi dell'art. 197 CO; condizione della
garanzia; compatibilità tra la promessa di qualità e l'esclusione
convenzionale della garanzia; portata, in concreto, d'una clausola generale
che sopprime la garanzia.
A. Mittels eines am 26. Februar 1942 erschienenen Zeitungsinserates suchte
die Agfa-Photo-A.-G. «Lagerräume und Büros» von bestimmter Fläche und mit
Warenlift zu kaufen oder zu mieten. Die Beklagten, Regina Rosine Frank-Zucker
und Alice Brunschwig Zucker, offerierten durch Vermittlung des Dr. Pinkwasser
die Liegenschaft Lavaterstrasse 11 in Zürich, deren Eigentümerinnen sie durch
Erbschaft geworden waren. Dr. Pinkwasser legte dem Angebot eine Bewertung,
eine Renditenübersicht und eine Liegenschaftenbeschreibung bei, welch letztere
u. a. Angaben über die zulässigen Nutzlasten des Kellers und der verschiedenen
Stockwerke enthielt. In der Folge verkauften die Beklagten die Liegenschaft an
den Verwaltungsratspräsidenten der Agfa-Photo-A.-G. Dr. Lohöfer. Dieser
behielt sich das Recht
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vor, bis zum Eigentumsübergang die gesamten Rechte und Pflichten aus dem
Vertrag an eine beliebige Drittperson zu übertragen. Demgemäss trat am 23.
Juni 1942 der Kläger Preibisch an die Stelle Lohöfers. Daraufhin fand gleichen
Tags die Grundbuchübertragung statt. Im Vertrag ist die Stärke der Decken
nicht erwähnt, jedoch unter Ziff. 2 allgemein die Gewährleistung wegbedungen.
B. Gestützt auf ein bautechnisches Gutachten erhob der Kläger am 20.
November 1942 Mängelrüge, weil die Tragfähigkeit der Decken in Wirklichkeit
erheblich unter den von Dr. Pinkwasser bezifferten Werten lag. Sodann belangte
er die Beklagten auf Bezahlung von Fr. 26,201.05 nebst 5 % Zins seit 24. Juni
1942 als Ersatz für die zur Deckenverstärkung gemachten Aufwendungen. Die
Klage wurde vom Bezirksgericht Zürich für Fr. 24,446.05, vom Obergericht des
Kantons Zürich mit Urteil vom 28. März 1947 für Fr. 24,431.05, je nebst Zins
ab 18. Juni 1943, geschützt.
C. Die Beklagten erklärten die Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragen
gänzliche Abweisung der Klage. Der Kläger schliesst auf Bestätigung des
angefochtenen Erkenntnisses.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung.
Streitig sind, da die Beklagten in der Berufungsschrift mehrere sonstige
Einwände nicht mehr aufgreifen, nur noch zwei Fragen, von denen die Vorinstanz
die erste bejaht und die andere verneint hat, nämlich:
ob die Angaben über die Tragfähigkeit der Decken des veräusserten Hauses, auch
ohne in der für Grundstückkäufe erforderlichen qualifizierten Form abgegeben
worden oder doch als Vertragsbestandteil vom Verpflichtungswillen der
Beklagten mitumfasst gewesen zu sein, gültige Zusicherungen im Sinne des Art.
197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
ob eine an sich entstandene Gewährspflicht der Beklagten durch die generelle
Vertragsklausel «Gewährleistung wird wegbedungen» aufgehoben wurde.
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1. Dass bloss mündlich abgegebene Zusicherungen, sofern ihnen für den
Entschluss der Gegenpartei kausale Bedeutung zukommt, auch bei formbedürftigen
Rechtsgeschäften verbindlich sind, hat das Bundesgericht schon im BGE 63 II 79
erklärt. Beigefügt wurde in BGE 71 II 240, die Gewährspflicht für derartige
Zusicherungen bestehe schlechthin, selbst wenn das Fehlen der zugesicherten
Eigenschaften nicht als rechtserheblicher Mangel erscheine. Weiter sprachen
sich das letztgenannte und ein unveröffentlichtes Urteil vom 18. Dezember 1945
i. S. Bosshardt und Lieber c. Immobilien A.-G. Frauenfeld, die beide von der
Vorinstanz massgeblich herangezogen wurden, über die Rechtsnatur der
Zusicherung gemäss Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
Vertragsbestandteil handle, sondern «um eine letzten Endes auf die Grundsätze
von Treu und Glauben zurückzuführende gesetzliche Haftung, die beim
Vorhandensein eines bestimmten Tatbestandes, nämlich der bestimmt
umschriebenen Vorstellungsäusserung oder Aussage des Verkäufers, platzgreift».
Die Berufungsvorbringen der Beklagten tendieren im wesentlichen auf
Wiedererwägung dieser Praxis.
a) Dazu kann vorab der Hinweis auf den Text des Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
geben. Obzwar richtig ist, dass der Wortlaut «die zugesicherten
Eigenschaften», «des qualités promises», «delle qualità promesse», rein
sprachlich betrachtet, eher an eine vom rechtsgeschäftlichen
Verpflichtungswillen getragene Erklärung als an eine blosse
Vorstellungsäusserung denken lässt, verbietet sich aus
entwicklungsgeschichtlichen und rechtslogischen Überlegungen eine so
restriktive Interpretation. Denn mit VON TUHR (S. 153 f.) und STAUFFER (ZBJV
Bd. 80 S. 148) ist vorauszusetzen, dass die Zusicherung nach Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
das dictum des römischen Rechtes zurückgeht. Und deshalb drängt sich eine
möglichst analoge juristische Behandlung beider Rechtsfiguren auf, sofern
nicht erkennbar der schweizerische Gesetzgeber durch die Wahl der
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in Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
grundsätzliche Abweichung zum römischrechtlichen Vorbild (Beschränkung auf das
eigentliche promissum) einfuhren wollte. Für diese Annahme fehlt indessen
jeder Anhalt. Sie dennoch zu unterstellen geht umso weniger an, als das
Ergebnis, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, ein «Rückschritt gegenüber
dem sonst streng formalistischen ädilizischen römischen Recht» wäre. Dem
Vertrauensprinzip und den Grundsätzen von Treu und Glauben, auf denen
offensichtlich die Behaftung des Verkäufers für Zusicherungen beruht, wird nur
die in BGE 71 II 241 adoptierte Lösung gerecht. Und erst durch sie erhält auch
die in BGE 63 II 79 bekundete Auffassung eine befriedigende Begründung.
b) Ebensowenig schlüssig für den der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
entgegengesetzten Prozesstandpunkt der Beklagten ist der Vergleich zwischen
den Art. 197
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |
die Gewährleistung im allgemeinen, von der schriftlichen Zusicherung abhängig.
Das kommt keineswegs von ungefähr. Art. 198
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |
bezweckt deutlich eine ungewöhnliche Besserstellung des Verkäufers, welche in
den Bedürfnissen des Marktverkehrs und in den damit zusammenhängenden Gefahren
ihre Rechtfertigung findet (vgl. BGE 70 II 51); in besonderen Verhältnissen
also, die zum vorneherein nicht für das Kaufgeschäft schlechthin zutreffen.
Daher gebricht es für eine Gleichstellung, wie die Beklagten sie versuchen,
schon an den tatsächlichen Voraussetzungen. Sie ist auch rechtlich nicht
haltbar. Gewiss beeinflusst die Formvorschrift in Art. 198
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 198 - Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat. |
der Zusicherung. Der Viehverkäufer, der dem Käufer beim Vertragsschluss
gewisse Eigenschaften des Tieres schriftlich zusagt, kann das (es sei denn in
Täuschungsabsicht) nicht wohl ohne den Willen zur Verpflichtung tun. Da
letzteres aber gerade die Folge der angewandten Form ist, lasst sich daraus
nichts über das Wesen der formlosen Zusicherung herleiten.
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c) Unzutreffend endlich ist die Ansicht der Beklagten, es bedürfe zum Schutze
von Treu und Glauben im Liegenschaftenhandel keiner Haftung des Verkäufers für
formlose Zusicherungen oder blosse Aussagen, weil der Käufer zur Wahrung
seiner Rechte über genügend andere Behelfe (Berufung auf absichtliche
Täuschung oder Irrtum) verfüge. Nach schweizerischer Rechtsauffassung steht
es, ausgenommen wiederum den Viehhandel, im freien Belieben des Käufers, den
Vertrag wegen eines Willensmangels anzufechten oder die Gewährleistungsklage
anzubringen (BGE 70 II 50 ff. und dort genannte Präjudizien; SCHÖNENBERGER in
SJZ Bd. 40 S. 305). Der Käufer kann abgesehen davon, dass solches Vorgehen
für ihn häufig vorteilhafter ist ein beachtliches Interesse daran haben, den
Vertrag trotz eines Mangels der Kaufsache oder des Fehlens einer zugesicherten
Eigenschaft bestehen zu lassen und einen Ausgleich auf anderem Wege zu suchen.
Ihm die Wahl zwischen Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrages oder
des Gewährleistungsanspruches zu beschränken kommt dem Verkäufer nicht zu.
Darum war das Angebot der Beklagten, den Kauf rückgängig zu machen, rechtlich
ohne jede Bedeutung.
2. Bedingung für die Haftung des Verkäufers ist, dass seine Zusicherung für
den Kaufsentschluss des Geschäftspartners kausal war (BGE 71 II 240 f.).
Vorliegend suchte der Käufer ein Geschäftshaus. Als solches wurde ihm die
Liegenschaft Lavaterstrasse 11 in Zürich angeboten. Mit der Vorinstanz ist
davon auszugehen, dass in bezug auf ein Geschäftshaus die Angaben über
Deckenstärken erfahrungsgemäss von erheblicher Bedeutung sind, und deshalb im
Sinne von BGE 71 II 241 die Kausalität vermutet werden muss. Aus besonderen
Umständen glauben die Beklagten das Gegenteil folgern zu dürfen. Der Käufer
habe nämlich ohnehin eine bauliche Umgestaltung des Hauses beabsichtigt,
welche Deckenverstärkungen notwendig gemacht hätten. Ferner sei ihm nicht
entgangen, dass die Liegenschaft in der
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Panikstimmung der ersten Kriegsjahre unter ihrem wirklichen Wert veräussert
worden sei, ansonst er wohl den Vorschlag auf Rückgängigmachung des Kaufes
angenommen hätte. Jedoch scheitern beide Behauptungen an den verbindlichen
Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz. Denn das Beweisverfahren hat erbracht:
einerseits, dass die Kosten für die Deckenverstärkung von den übrigen
Bauaufwendungen streng getrennt gehalten wurden und nichts für einen
zwingenden technischen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Arbeiten spricht;
anderseits, dass der Käufer, wenn er um die Unrichtigkeit der Zusicherung
gewusst hätte, entweder überhaupt nicht oder doch nicht zum vertraglichen
Preise abgeschlossen haben würde. Schliesslich heben die Beklagten wiederholt
hervor, die Tragfähigkeit der Decken sei während der Verhandlungen gar nicht
eigens erörtert worden. Allein auch hieraus ergibt sich nichts zu ihren
Gunsten, was bereits die Vorinstanz zutreffend dargetan hat.
3. Bleibt zu prüfen, ob eine Haftungsbefreiung der Beklagten als Wirkung der
vertraglichen Wegbedingungsklausel eintritt. Eine Vereinbarung über Aufhebung
oder Beschränkung der Gewährspflicht ist grundsätzlich zulässig und nach Art.
199
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 199 - Eine Vereinbarung über Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht ist ungültig, wenn der Verkäufer dem Käufer die Gewährsmängel arglistig verschwiegen hat. |
arglistig verschwiegen hat. Unbestrittenermassen machten die Beklagten die
Angaben über die Deckenstärken gutgläubig. Eine Klausel von der Art, wie sie
im Vertrage zwischen den Parteien figuriert, bezweckt in der Regel die
Wegbedingung der Gewährspflicht für Mängel, die der Verkäufer nicht kennt.
Indessen frägt sich, ob sie auch die Haftung aus Zusicherung aufheben kann. Im
erwähnten unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichtes vom 18. Dezember
1946 wurde das aus Gründen der Logik verneint, weil man nicht eine Zusicherung
machen und gleichzeitig die daraus entstehende gesetzliche Folge durch
Wegbedingung der Haftung wieder aufheben könne. Der Grundsatz ist in dieser
absoluten Form nur richtig
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für Zusicherungen, die auf dem Verpflichtungswillen des Verkäufers beruhen.
Für Zusicherungen im Sinne blosser Vorstellungsäusserungen oder Aussagen
dagegen ist eine Wegbedingung der Haftung logisch sehr wohl denkbar. Und dass
von Gesetzes wegen nichts sie hindert, erhellt aus der Gegenüberstellung der
Art. 199
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 199 - Eine Vereinbarung über Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht ist ungültig, wenn der Verkäufer dem Käufer die Gewährsmängel arglistig verschwiegen hat. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
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1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
vorhanden und für den Käufer erkennbar war, ist unter den Gesichtspunkten von
Treu und Glauben auf Grand des gegebenen Sachverhaltes und des gesamten
Verhaltens der Parteien zu ermitteln (vgl. BGE 72 II 268 f).
Die Vorinstanz stellt fest und der Kläger anerkennt in der Berufungsantwort,
dass vorliegend die Verwendung der im zürcherischen Grundstückverkehr
gebräuchlichen Vertragsklausel betreffend Wegbedingung der Gewährleistung
«nicht gedankenlos erfolgte». Indessen wurde nach den Ergebnissen des
Beweisverfahrens die Bestimmung bei Beurkundung des Vertrages lediglich
allgemein und ohne Bezug auf irgendwelche Zusicherung erläutert. Der Käufer
wusste also, dass die Verkäufer für unbekannte Mängel nicht haften wollten.
Jedoch hatte er unter den obwaltenden Umständen keinen Anlass, noch dürfte es
die Meinung der Beklagten gewesen sein, die Klausel auch auf die Zusicherungen
über die Tragkraft der Decken zu beziehen. Für die Deckenstärken in
Geschäftshäusern gelten keine konstanten Grossen. Daher ist ein solches
Gebäude allein deswegen, weil die Decken nicht jeder erwünschten Beanspruchung
standhalten, noch nicht mangelhaft. Die Deckenstärke eines bestimmten Hauses
dagegen ist eine genau berechenbare bautechnische Gegebenheit. Indem die
Beklagten ziffernmässige Angaben über die zulässigen Nutzlasten machten,
sagten sie ganz konkrete, mit keiner Norm oder Usanz sich deckende,
Eigenschaften des Kaufsobjektes zu, und zwar nicht etwa vermutungsweise oder
nach Massgabe blosser Schätzungen, sondern gestützt auf ein Gutachten der
Baufirma de Capitani, welches dem Kläger bei der
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Eigentumsübertragung sogar ausgehändigt wurde. In Anbetracht dessen brauchten
die Vertragsschliessenden gewiss nicht die Möglichkeit zu erwägen, dass die
vom Fachmann mitgeteilten Belastungszahlen sich als unrichtig erweisen
könnten. Und es klingt völlig unglaubhaft, wenn die Beklagten nachträglich
behaupten, sie hätten es bei der Expertise de Capitani nicht bewenden, sondern
eine neue Kontrolle vornehmen lassen, falls der Käufer zu erkennen gegeben
hätte, dass er die Zusicherungen als verbindlich ansehe. Wahrscheinlich ist
vielmehr, dass beide Parteien die angegebenen Deckenstärken als absolut
feststehend hinnahmen. Alsdann aber bleibt kein Raum für Unterstellung der
bezüglichen Zusicherung unter die Ausschlussklausel. Fehl geht der Einwand der
Beklagten, eine solche Deutung beeinträchtige die Rechtssicherheit. Die
Tragweite einer generellen und sozusagen stereotyp angewandten
Haftungsbefreiungsabrede ist von Fall zu Fall in Würdigung des jedem
Kaufgeschäft eigenen Sachverhaltes zu erforschen. Hat ein Verkäufer über die
konstruktive Eigenart eines Gebäudes unter Vorlegung eines
Sachverständigenberichtes so präzise Auskünfte gegeben, wie das hier geschah,
so muss er damit rechnen, dass der Käufer darauf abstellt. Und will sich der
Verkäufer nicht behaften lassen, so verpflichten ihn Treu und Glauben, das
unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Diesem Erfordernis ist mit der
Aufnahme einer gänzlich unspezifizierten Wegbedingungsklausel in den Vertrag
offensichtlich nicht Genüge getan. Eine Rechtsgefährdung entstände, entgegen
der Ansicht der Beklagten, gerade dann, wenn man solchen Vereinbarungen,
unabhängig von den Begleitumständen des Einzelfalles, schlechthin gültige
Wirkung zubilligen wollte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 28. März 1947 wird bestätigt.