S. 394 / Nr. 61 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 394

61. Urteil vom 19. Dezember 1947 i.S. Daetwyler gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Couponabgabe und Quellenwehrsteuer:
1. Anstände zwischen dem Couponschuldner und dem Regresspflichtigen über die
Abwälzungspflicht werden von der eidg. Steuerverwaltung entschieden.
2. Die Entscheidungsbefugnis der Verwaltung ist beschränkt auf das
öffentlich-rechtliche Streitverhältnis und auf die zu seiner Beurteilung
wesentlichen Vorfragen.
3. Die Möglichkeit einer Verrechnung der Regressschuld mit einer bestrittenen
zivilrechtlichen Forderung an den regressberechtigten Steuerpflichtigen ist
keine solche Vorfrage.
Droit de timbre sur les coupons et impôt de défense nationale à la source:
1. Les différends qui surgissent entre le débiteur et le créancier du coupon
concernant l'obligation du transfert de l'impôt sont tranchées par
l'administration fédérale des contributions.
2. La compétence de l'administration est limitée à l'examen du différend de
droit public et des questions préjudicielles qu'elle doit trancher pour
pouvoir prendre sa décision.
3. Ne constitue pas une question préjudicielle celle de savoir si le créancier
du coupon peut opposer à sa dette résultant de l'obligation du transfert la
compensation avec une prétention de droit civil qu'il invoque contre le
débiteur du coupon mais qui est contestée par celui-ci.
Diritto di bollo sulle cedole e imposta alla fonte:
1. Le contestazioni tra il debitore e il creditore della cedola relative al
trasferimento dell'imposta sono decise dall'Amministrazione federale delle
contribuzioni.
2. La competenza dell'Amministrazione federale delle contribuzioni è limitata
all'esame della contestazione di diritto pubblico e dei punti pregiudiziali
che deve risolvere per potersi pronunciare.
3. Non è un punto pregiudiziale quello di sapere se il creditore della cedola
possa opporre al suo debito derivante dall'obbligo del trasferimento la
compensazione con una pretesa di diritto civile ch'egli invoca contro il
debitore della cedola, il quale però la contesta.

A. ­ Die Hermann Daetwyler A.-G. ist von der eidg. Steuerverwaltung mit
Verfügung vom 19. Februar 1946

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verhalten worden, für verschiedene Steuertatbestände aus den Geschäftsjahren
1940, 1942/43 und 1943/44 Couponabgaben und Quellenwehrsteuern zu entrichten
und auf den heutigen Beschwerdeführer als den Regresspflichtigen zu
überwälzen. In der Betreibung gegen den Beschwerdeführer hat das Obergericht
des Kantons Aargau der Aktiengesellschaft die Rechtsöffnung verweigert, weil
der Hinweis auf die Abwälzungspflicht im Schreiben der eidg. Steuerverwaltung
vom 19. Februar 1946 keinen Titel für die Beanspruchung der definitiven
Rechtsöffnung begründe; der Regresspflichtige sei im
Steuerfeststellungsverfahren weder zahlungspflichtig erklärt worden, noch
Partei gewesen. Auch eine Anerkennung der Zahlungspflicht liege, mindestens im
Verhältnis zwischen der regressberechtigten Aktiengesellschaft und dem
Regresspflichtigen, nicht vor.
Die Aktiengesellschaft wandte sich daraufhin an die Steuerverwaltung. Diese
erliess einen Feststellungsentscheid dahingehend, dass der Beschwerdeführer
Hermann Daetwyler der Hermann Daetwyler Aktiengesellschaft die auf ihn zu
überwälzende Couponabgabe und Quellenwehrsteuer schulde, und bestätigte den
Entscheid im Einspracheverfahren. Der Beschwerdeführer hatte sich der
Feststellung des Anspruches der Aktiengesellschaft mit der Behauptung
widersetzt, die Forderung sei durch Verrechnung mit privaten Gegenansprüchen
an die Gesellschaft getilgt worden.
B. ­ Hermann Daetwyler erhebt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, den Einspracheentscheid aufzuheben. Er macht geltend, der Abgabebetrag
und die Pflicht der Aktiengesellschaft, die Abgabe auf ihn zu überwälzen,
würden nicht bestritten. In Diskussion stehe einzig, ob die Forderung der
Aktiengesellschaft durch Verrechnung mit fälligen Gegenforderungen getilgt,
die Überwälzung also bereits erfolgt sei. Hierüber zu entscheiden stehe der
eidgenössischen Steuerverwaltung nicht zu. da sich ihr Entscheid nur auf
Anstände über

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den Abzug des Abgabebetrages durch den Couponschuldner beziehen könne (Art. 2,
Abs. 2 CG). Da hier weder die Abgabe, noch die Überwälzungspflicht jemals
bestritten gewesen seien, liege überhaupt kein Anstand im Sinne des Gesetzes
vor. ­ Wenn man aber annehmen wollte, es bestehe ein Anstand, so fehle es
gleichwohl an der Voraussetzung für eine Entscheidungskompetenz der
Steuerverwaltung. Denn es gehe um die zivilrechtliche Frage, ob die
Verrechnung vollzogen sei. Wenn sich die Steuerverwaltung mit dieser Frage
befassen wolle, so müsse sie sie ganz beurteilen, die zivilrechtliche
Berechtigung der «beiderseits geltend gemachten Verrechnungseinreden»
behandeln. Eine Beschränkung der Verrechnung nach Art. 125
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 125 - Wider den Willen des Gläubigers können durch Verrechnung nicht getilgt werden:
1  Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen;
2  Verpflichtungen, deren besondere Natur die tatsächliche Erfüllung an den Gläubiger verlangt, wie Unterhaltsansprüche und Lohnguthaben, die zum Unterhalt des Gläubigers und seiner Familie unbedingt erforderlich sind;
3  Verpflichtungen gegen das Gemeinwesen aus öffentlichem Rechte.
, Ziff. 3 OR komme
hier nicht in Frage, sie wäre auch unangebracht.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Nach Art. 2, Abs. 2 CG entscheidet die eidgenössische Steuerverwaltung
Anstände über den Abzug des Abgabebetrages durch den Couponschuldner. Ein
solcher Anstand liegt hier vor. Er ergab sich daraus, dass das Obergericht des
Kantons Aargau aus Gründen verfahrensrechtlicher Natur den Feststellungen der
eidgenössischen Steuerverwaltung über die Abwälzungspflicht (Brief vom 19.
Februar 1946) die Anerkennung als Rechtsöffnungstitel gegenüber dem
Beschwerdeführer versagte. Die Steuerpflichtige hatte Anspruch darauf, dass
die Feststellung der Steuerverwaltung ergänzt, ihre Regressforderung von der
Verwaltung in einer Form umschrieben werde, die eine anstandslose Durchsetzung
ihrer Abwälzungspflicht im Rechtsöffnungsverfahren ermöglichte. Die Verwaltung
war, nach Art. 2, Abs. 2 CG und Art. 3
SR 641.101 Verordnung vom 3. Dezember 1973 über die Stempelabgaben (StV)
StV Art. 3 Auskünfte; Gutachten von Sachverständigen; Einvernahme
1    Die ESTV kann Auskünfte schriftlich oder mündlich einholen, Sachverständige beiziehen und die abgabepflichtige Person zur Einvernahme laden.
2    Wo es angezeigt erscheint, sind die Auskünfte in Gegenwart der einvernommenen Person zu protokollieren; das Protokoll ist von dieser und der einvernehmenden Person sowie allenfalls von der beigezogenen protokollführenden Person zu unterzeichnen.
3    Vor jeder Einvernahme ist die einzuvernehmende Person zur Wahrheit zu ermahnen und auf die Folgen unrichtiger Auskünfte (Art. 46 Abs. 1 Bst. c StG) hinzuweisen.
, Abs. 1 StV, verpflichtet, den
Feststellungsentscheid auf ein Begehren der Steuerpflichtigen hin zu erlassen.
Der Beschwerdeführer hätte das administrative Feststellungsverfahren und die
damit verbundenen Umtriebe

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allerdings dadurch vermeiden können, dass er seine Regresspflicht vor dem
Rechtsöffnungsrichter im Grundsatz und dem Betrage nach unzweideutig anerkannt
und damit die formellen Bedenken behoben hätte, die den Rechtsöffnungsrichter
zur Verweigerung der Rechtsöffnung aus Gründen führten, die im Verfahren über
die Festsetzung der Abgabe und über die mit der Abgabeentrichtung verbundenen
öffentlichrechtlichen Pflichten lagen. Es hätte dies der Haltung entsprochen,
die er jetzt im Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht einnimmt. Nach der
Begründung des Entscheides im Rechtsöffnungsverfahren fehlte es jedoch an
einer genügenden Anerkennung der im öffentlichen Recht begründeten
grundsätzlichen Schuldpflicht.
Die eidgenössische Steuerverwaltung war daher zu dem Entscheide über die
Abwälzungspflicht zweifellos zuständig. Der Beschwerdeführer bestreitet mit
Recht nicht, dass unter Anständen über den «Abzug» des Abgabebetrages auch
solche über nachträgliche Geltendmachung des Regressanspruches gehören.
2. ­ Die Verwaltung hat es auch mit Recht abgelehnt, die zivilrechtliche
Berechtigung der Verrechnungseinrede und der dagegen erhobenen Einwendungen zu
beurteilen; sie hat die Parteien hiefür mit Recht an den Zivilrichter
verwiesen (Ziff. 3 des Einspracheentscheides). Die Ausführungen unter Ziffer 4
und 5 des Entscheides enthalten Ansichtsäusserungen, zusätzliche Bemerkungen.
Der Entscheid (Feststellung der Schuld aus obligatorischer Überwälzung) beruht
auf der in Ziffer 1 bis 3 der Erwägungen enthaltenen Begründung.
Mit den Einwendungen des Beschwerdeführers hätte sich die Verwaltung nur zu
befassen gehabt, wenn sie eine Vorfrage zur Entscheidung des
öffentlichrechtlichen Streitverhältnisses betroffen hätten Der
Beschwerdeführer hat einen zivilrechtlichen Anspruch an die Regressgläubigerin
zur Verrechnung gestellt. Der Anspruch war aber bestritten. Es handelte sich
daher darum, ob er begründet

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sei oder nicht. Das war eine selbständige zivilrechtliche Streitfrage, die das
zwischen den Regressparteien bestehende öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis
als solches nicht berührte. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Einwendung im
Grunde genommen eine Widerklage erhoben, die nur deshalb nicht als solche in
Erscheinung tritt, weil in diesem Verfahren der Gegenanspruch zur Verrechnung
gestellt, nur bis zur Höhe der eingeklagten öffentlich-rechtlichen Forderung
geltend gemacht wurde. Da es sich aber um ein bestrittenes
Zivilrechtsverhältnis handelt, zu dessen Beurteilung der administrative
Richter nicht zuständig ist, und nicht um eine Vorfrage zur Entscheidung über
die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, kann die Verrechnungseinrede in
diesem Verfahren nicht geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer ist für
seine zivilrechtlichen Ansprüche an die Regressgläubigerin an den zuständigen
Zivilrichter zu verweisen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 I 394
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 19. Dezember 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 I 394
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Couponabgabe und Quellenwehrsteuer:1. Anstände zwischen dem Couponschuldner und dem...


Gesetzesregister
OR: 125
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 125 - Wider den Willen des Gläubigers können durch Verrechnung nicht getilgt werden:
1  Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen;
2  Verpflichtungen, deren besondere Natur die tatsächliche Erfüllung an den Gläubiger verlangt, wie Unterhaltsansprüche und Lohnguthaben, die zum Unterhalt des Gläubigers und seiner Familie unbedingt erforderlich sind;
3  Verpflichtungen gegen das Gemeinwesen aus öffentlichem Rechte.
StV: 3
SR 641.101 Verordnung vom 3. Dezember 1973 über die Stempelabgaben (StV)
StV Art. 3 Auskünfte; Gutachten von Sachverständigen; Einvernahme
1    Die ESTV kann Auskünfte schriftlich oder mündlich einholen, Sachverständige beiziehen und die abgabepflichtige Person zur Einvernahme laden.
2    Wo es angezeigt erscheint, sind die Auskünfte in Gegenwart der einvernommenen Person zu protokollieren; das Protokoll ist von dieser und der einvernehmenden Person sowie allenfalls von der beigezogenen protokollführenden Person zu unterzeichnen.
3    Vor jeder Einvernahme ist die einzuvernehmende Person zur Wahrheit zu ermahnen und auf die Folgen unrichtiger Auskünfte (Art. 46 Abs. 1 Bst. c StG) hinzuweisen.
BGE Register
73-I-394
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aktiengesellschaft • coupon • vorfrage • einwendung • frage • couponabgabe • begründung des entscheids • weiler • einspracheentscheid • aargau • feststellungsentscheid • entscheid • verhältnis zwischen • zivilrechtlicher anspruch • entscheidungsbefugnis • berechnung • definitive rechtsöffnung • widerklage • bundesgericht • mais
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