BGE 73 I 186
25. Urteil vom 25. September 1947 i. S. Iten gegen Zurkirchen und
Kassationsgericht des Kantons Zürich.
Regeste:
Schiedsklausel. Eine die staatliche Rechtspflege ausschaltende Vereinbarung
ist nur gültig, wenn das bestellte Schiedsgericht hinreichende Gewähr für eine
unabhängige Rechtsprechung bietet. Trifft dies zu bei einer Schiedsklausel,
durch die ein Vereinsmitglied und ein Nichtmitglied sich einem Schiedsrichter
unterwerfen, der zwar nicht Vereinsorgan, aber als Leiter einer ständigen
Einrichtung (Treuhandstelle) Angestellter des Vereins ist?
Clause arbitrale. Une convention qui dessaisit les tribunaux de l'Etat n'est
valable que si le tribunal arbitral constitué offre suffisamment de garanties
d'une juridiction indépendante. Qu'en est-il d'une clause arbitrale par
laquelle le membre d'une association et une personne étrangère à celle-ci
déclarent soumettre leurs différends à un arbitre qui, sans être un organe de
l'association, en est un employé en qualité de préposé à l'un de ses services
permanents (office fiduciaire)?
Clausola compromissoria. Una convenzione che sottrae una contestazione al
giudizio dei tribunali dello Stato è valida soltanto se il tribunale arbitrale
offre sufficienti garanzie d'indipendenza. Quid d'una clausola compromissoria,
con cui il membro d'un'associazione e una persona ad essa estranea dichiarano
di sottoporre le loro contestazioni ad un arbitro che, senz'essere un organo
dell'associazione, ne è l'impiegato preposto ad uno dei suoi servizi
permanenti (ufficio fiduciario)?
A. Am 4. Februar 1943 vermietete Xaver Iten dem Josef Zurkirchen das
Restaurant «Simplon» in Luzern. Der Mietvertrag wurde schriftlich
abgeschlossen unter Verwendung eines vom Schweiz. Wirteverein herausgegebenen
Vordruckes, dessen Art. 15 lautet:
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«Die Parteien unterbreiten alle Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertrag
der Treuhandstelle des Schweiz. Wirtevereins zur endgültigen und verbindlichen
Entscheidung.»
Im Oktober 1945 entstand zwischen den Parteien Streit wegen der Bezahlung
einer Heizungsentschädigung von Fr. 300.. Iten leitete hiefür Betreibung ein
und erwirkte provisorische Rechtsöffnung. Darauf reichte Zurkirchen unter
Berufung auf Art. 15 des Mietvertrags bei der Treuhandstelle des Wirtevereins
Aberkennungsklage ein. Der Leiter der Treuhandstelle, Dr. Nussbaumer,
bezeichnete Zürich als Sitz des Schiedsgerichts und stellte die Klageschrift
dem Iten zu. Dieser bestritt «die Kompetenz des Schiedsgerichts bezw. die
Gültigkeit der Schiedsklausel» mit der Begründung, dass er, Iten, im Gegensatz
zu Zurkirchen, nicht Mitglied des Wirtevereins sei, und dass daher die
Schiedsklausel gegen den Grundsatz der Parität und damit gegen die guten
Sitten verstosse.
Mit Verfügung vom 18. Dezember 1946 verwarf der Schiedsrichter Dr. Nussbaumer
die Einrede der Ungültigkeit der Schiedsklausel und der Unzuständigkeit des
angerufenen Schiedsrichters.
Iten rekurrierte hiegegen an das Obergericht des Kantons Zürich und erhob
gegen dessen ablehnenden Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde beim Zürcher
Kassationsgericht mit der Begründung, er verletze klares Recht (§ 344 Ziff. 9
ZPO). Das Kassationsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 12. Juni 1947
ab.
B. Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Iten, dieser
Entscheid des Kassationsgerichts sei wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
aufzuheben.
C. Der Beschwerdebeklagte Zurkirchen schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Kassationsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird darzutun versucht, dass der
angefochtene Entscheid im
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Widerspruch stehe mit BGE 72 I 86 ff., wo erörtert wird, welche Eigenschaften
ein Schiedsgericht aufweisen müsse, damit seine Entscheide gleich den Urteilen
staatlicher Gerichte zu vollstrecken sind. Der Beschwerdeführer scheint der
Auffassung zu sein, der Nachweis eines solchen Widerspruches genüge ohne
weiteres, um den angefochtenen Entscheid als willkürlich erscheinen zu lassen.
Ein kantonaler Entscheid ist jedoch nicht schon deshalb willkürlich, weil er
von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweicht; er verstösst nur gegen
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Beschwerdeführer übersieht, dass das Bundesgericht im angerufenen Urteil auf
Grund freier Prüfung nach Art. 61
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 61 Zivilschutz - 1 Die Gesetzgebung über den zivilen Schutz von Personen und Gütern vor den Auswirkungen bewaffneter Konflikte ist Sache des Bundes. |
|
1 | Die Gesetzgebung über den zivilen Schutz von Personen und Gütern vor den Auswirkungen bewaffneter Konflikte ist Sache des Bundes. |
2 | Der Bund erlässt Vorschriften über den Einsatz des Zivilschutzes bei Katastrophen und in Notlagen. |
3 | Er kann den Schutzdienst für Männer obligatorisch erklären. Für Frauen ist dieser freiwillig. |
4 | Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls. |
5 | Personen, die Schutzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes. |
während es die heute streitigen, ähnlichen Tat- und Rechtsfragen nur unter dem
beschränkten Gesichtspunkt des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
2. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, der angefochtene Entscheid des
Zürcher Kassationsgerichts verstosse gegen eine bestimmte Vorschrift
eidgenössischen oder kantonalen Rechtes. In Frage kommt somit lediglich eine
Missachtung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach eine die staatliche
Rechtspflege ausschaltende Parteivereinbarung nur gültig ist, wenn das
vereinbarte Schiedsgericht hinreichende Gewähr für eine unabhängige
Rechtsprechung bietet. Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn einer Partei bei
der Bestellung des Schiedsrichters eine Vorzugsstellung zukommt. Ob eine
solche Vorzugsstellung vorliegt, ist Tatfrage. Ferner kann der Grundsatz
verletzt sein, wenn begründete Befürchtung besteht, dass dem Schiedsrichter
wegen seiner besondern Beziehungen zur einen Partei die Unbefangenheit abgeht.
Auch die Entscheidung hierüber ist Tatfrage.
3. Was zunächst die Frage der Vorzugsstellung bei der Bestellung des
Schiedsrichters betrifft, so unterscheidet sich der vorliegende Fall von den
Fällen BGE 57 I 200, 67 I 213 und 72 I 88 . Dort handelte es sich um sog.
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Verbandeschiedsgerichte, d. h. ausschliesslich oder mehrheitlich vom Verband
bezeichnete Schiedsgerichte. Die Treuhandstelle des Wirtevereins ist aber, wie
schon vor Kassationsgericht unbestritten war, kein Verbandsschiedsgericht. Sie
ist statutarisch nicht Schiedsgericht, sondern mit andern Aufgaben betraut
(Rechnungsführung, Treuhandfunktionen, statistische Arbeiten usw.; § 44 der
Statuten). Schiedsgerichtsfunktion kann die Treuhandstelle bezw. ihr Leiter
nur auf Grund einer Parteivereinbarung, also von Fall zu Fall, haben. Immerhin
ist sie eine ständige Einrichtung des Wirtevereins, weshalb hinsichtlich ihrer
Bestellung als Schiedsrichter an sich die gleichen Bedenken aufgeworfen werden
könnten, wie gegenüber einem Verbandsschiedsgericht. Solche Bedenken sind
jedoch im vorliegenden Falle, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden
kann, nicht begründet. Der Leiter der Treuhandstelle wird nicht von der
Generalversammlung des Wirtevereins gewählt, sondern vom Verwaltungsrat auf
Vorschlag der Direktion (eines Dreierausschusses des Verwaltungsrates). Der
dem Verein angehörende Beschwerdebeklagte kann daher keinen direkten Einfluss
auf die Wahl des heutigen Leiters der Treuhandstelle gehabt haben. Aber auch
ein indirekter Einfluss ist, angesichts der grossen Mitgliederzahl des
Vereins, derart unwahrscheinlich, dass die entfernte Möglichkeit eines solchen
Einflusses sehr wohl ausser Betracht gelassen werden darf.
4. Der Beschwerdeführer legt denn auch kein grosses Gewicht auf die
angebliche Vorzugsstellung des Beschwerdebeklagten bei der Wahl des
Schiedsrichters, sondern macht hauptsächlich geltend, dass die Treuhandstelle
infolge ihrer Stellung innerhalb des Wirtevereins grundsätzlich ungeeignet sei
zur schiedsgerichtlichen Erledigung einer Streitigkeit zwischen einem
Vereinsmitglied und einem Nichtvereinsmitglied. Die Treuhandstelle sei eine
ständige Institution des Wirtevereins, ihr Leiter unterstehe den Weisungen des
Verwaltungsrates, sei vom Verein angestellt und besoldet und habe daher die
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selbstverständliche Aufgabe, die Interessen des Vereins zu verfolgen und jene
der Mitglieder wahren zu helfen. Ihr Leiter könne daher in einem Streit
zwischen einem Nichtmitglied und einem Vereinsmitglied nicht als völlig
neutraler und unabhängiger Richter angesehen werden. Der Beschwerdeführer
glaubt, sich für diese Auffassung auf BGE 72 I 90 Erw. 2 b stützen zu können.
Das Bundesgericht hat dort ausgeführt, dass das Organ eines Vereins, welcher
die Verteidigung der Verbandsinteressen verfolge, die erforderliche
Unabhängigkeit nicht gewährleiste, zumal wenn es sich ausschliesslich aus
Mitgliedern zusammensetze. Im vorliegenden Falle ist der Leiter der
Treuhandstelle nun freilich nicht Mitglied des Wirtevereins, und er ist auch
nicht ein vom Verband eingesetzter Schiedsrichter, hat also nicht die Funktion
eines Verbandsschiedsgerichts. Er ist aber immerhin Angestellter des Verbands
und wurde von einem Verbandsorgan, dem Verwaltungsrat, gewählt. Würde dies
auch rechtfertigen, ihm gegenüber bezüglich der Unbefangenheit ähnliche
Vorbehalte zu machen wie gegenüber einem Verbandsschiedsgericht, so folgt
daraus noch nicht, jedenfalls aber nicht zwingend, dass er nicht
Schiedsrichter sein könnte in einer Streitsache zwischen einem Vereinsmitglied
und einem Nichtmitglied. Das Bundesgericht selbst hat in BGE 72 I 91 Erw. 4
die Möglichkeit vorgesehen, dass in einem solchen Streit sogar Mitglieder
eines Verbandsschiedsgerichts als private Schiedsrichter amten können,
vorausgesetzt, dass sie von den Parteien in der Schiedsklausel namentlich
bezeichnet seien. Im vorliegenden Falle ist zwar der Leiter der Treuhandstelle
nicht namentlich als Schiedsrichter bezeichnet worden. Das Obergericht hat
jedoch angenommen, dass er nicht wegen seiner Stellung im Wirteverein als
solcher, sondern wegen seiner durch diese Stellung verbürgten Sachkenntnis und
Tüchtigkeit zum Schiedsrichter ernannt worden sei mit der einzigen
Besonderheit, dass er nicht direkt mit Namen, sondern mittelbar bezeichnet
worden sei. Der Beschwerdeführer hat diese Feststellung vor
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Kassationsgericht nicht angefochten, Geht man aber davon aus, dass die
Parteien den Leiter der Treuhandstelle persönlich und wegen seiner Sachkunde
und Erfahrung als Schiedsrichter haben -wollten, nicht den Funktionär des
Wirtevereins als solchen, so kann die Annahme, die Schiedsklausel sei
verbindlich, nicht als willkürlich bezeichnet werden. Es lässt sich durchaus
vertreten, dass dieser Wille der Parteien das Entscheidende sei, und dass
dieser Wille nicht nur durch namentliche:Nennung des Schiedsrichters zum
Ausdruck kommen könne.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.,