S. 148 / Nr. 18 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 148

18. Urteil vom 27. Juni 1947 i. S. Grüninger & Co. gegen eidg.
Steuerverwaltung.

Regeste:
Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB für «Getreide
(einschliesslich Mais und Reis), Getreidemehl und -griess» angeordnete
Steuerbefreiung betrifft nur Produkte die nach ihrer Beschaffenheit für die
Ernährung des Menschen verwendet werden können.
Impôt sur le chiffre d'affaires: L'exonération prévue à l'art. 14 al. 1 lit. b
ACA pour les «céréales (y compris maïs et riz), farine et semoule de céréales»
ne concerne que des produits qui, par leur nature, sont destinés à
l'alimentation humaine.
Imposta sulla cifra d'affari: L'esonero previsto dall'art. 14, cp. 1, lett. b
DCA per i «cereali (compresi il mais e il riso) farina e semolino di cereali»
concerne soltanto prodotti che per loro natura sono destinati
all'alimentazione umana.

A. ­ Die Beschwerdeführerin betreibt eine Hafer-, Mais- und Futterwarenmühle.
Sie ist als Grossist im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses
steuerpflichtig. Zwischen ihr und der eidg. Steuerverwaltung ist streitig, was
unter den in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB von der Steuer befreiten Erzeugnissen
«Getreide (einschliesslich Mais und Reis), Getreidemehl und -griess» zu
verstehen ist. Der Streit betrifft die Steuerperioden vom zweiten Quartal 1944
an. Die Steuerverwaltung hat mit Einspracheentscheid vom 5. Februar 1947 die
Beschwerdeführerin verhalten, die Abrechnung richtigzustellen und die
rückständigen Steuern zu zahlen (Dispositiv 2), entsprechend folgender
Feststellung (Dispositiv 1):
«a) Als steuerfreies Getreide ... gelten: Buchweizen, Dari, Dinkel, Gerste,
Hafer, Hirse, Mais, Reis, Roggen, Weizen, soweit sie für die menschliche
Ernährung geeignet sind, nicht steuerfrei sind obige Getreidearten, soweit es
sich um für die menschliche Ernährung nicht geeignete Waren wie denaturiertes,
verdorbenes oder verunreinigtes Getreide oder Getreideabfälle handelt:

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b) als steuerfreies Getreidemehl und -griess ... gelten: nur die für die
menschliche Ernährung geeigneten und durch gewöhnlichen Zerkleinerungsprozess
(Brechen, Mahlen, Walzen) hergestellten Produkte der vorgenannten
Getreidearten; nicht steuerfrei sind die übrigen Mahlprodukte wie Futtermehl,
gequetschte oder mechanisch zerkleinerte Körner und Getreideabfälle der
Müllerei»
B. ­ Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die eidg. Steuerverwaltung sei
anzuweisen, «das in Art. 14 WUStB genannte Getreide, Getreidemehl und -griess
ohne Eignungs- oder Verwendungseinschränkung als steuerfrei zu betrachten».
Zur Begründung wird geltend gemacht:
Der Warenumsatzsteuerbeschluss erkläre das Getreide ohne jede Ausnahme als
steuerfrei. Die von der eidg. Steuerverwaltung vorgenommene Einschränkung sei
willkürlich. Dem Gesetzgeber sei sicher bekannt gewesen, dass die Ware sowohl
zur menschlichen Ernährung als auch für Futterzwecke verwendet und dass im
zolltechnischen und landläufigen Sinne auch dann noch von «Getreide»
gesprochen werde, wenn das Erzeugnis infolge seiner Beschaffenheit für die
menschliche Ernährung nicht mehr geeignet sei. Wenn er jene Einschränkung
gewollt hätte, so hätte er es im Gesetz zum Ausdruck gebracht, etwa durch die
Wendung «Getreide zur menschlichen Ernährung». Weder der
Warenumsatzsteuerbeschluss noch die Wegleitung der eidg. Steuerverwaltung für
die Steuerpflichtigen vom August 1941 enthalte die leiseste Andeutung, dass
nur Lebensmittel von der Steuer befreit seien. Die Wegleitung erkläre sogar
ausdrücklich auch Futterkartoffeln als steuerfreie «Kartoffeln» im Sinne des
Gesetzes. Nach der anfänglichen Praxis seien denn auch Getreide und
Getreidemehl durchweg steuerfrei gewesen.
Die heutige Auffassung der eidg. Steuerverwaltung hätte zur Folge, dass das
schon vom Grossisten zu Futter verarbeitete und bei ihm in diesem Zustand
gekaufte Getreide mit der Steuer belastet würde, während der Nichtgrossist das
Getreide im Rohzustand beim Grossisten steuerfrei beziehen, es mit seiner
eigenen Mahleinrichtung zu

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Futterzwecken zerkleinern und dann steuerfrei weitergeben oder verbrauchen
könnte. Eine solche Ungleichheit wäre unhaltbar.
C. ­ Die eidg. Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 13 WUStB unterliegen der Warenumsatzsteuer grundsätzlich alle
Waren, inbegriffen ­ wenn auch mit gewissen Einschränkungen (vgl. Art. 8 Abs.
1 lit. b und Art. 14 Abs. 1 lit. c) ­ die Erzeugnisse der inländischen
Urproduktion. Ausgenommen ist lediglich eine eng begrenzte Anzahl einzeln
aufgeführter Produkte (Art. 14 Abs. 1 lit. b). Ursprünglich, nach der Fassung
vom 29. Juli 1941, waren es ­ abgesehen von Zeitungen und Zeitschriften ­
ausschliesslich Waren (oder Energien), die vorab als Nahrungsmittel für den
Menschen und als Hilfsmittel zu deren Zubereitung in Frage kommen: Getreide,
Getreidemehl und -griess, Kartoffeln, Brot, Kochsalz und frische Milch, sowie
Kochgas, Wasser und Elektrizität. Später wurde die Liste etwas ergänzt, im
wesentlichen durch einige weitere Lebensmittel, meist solche, die, wie die von
Anfang an befreiten, im täglichen Haushalt verwendet werden und als für ihn
kaum entbehrlich angesehen werden dürfen; eine einzige Position (lebendes
Vieh) fällt unter einen andern Gesichtspunkt (BRB vom 20. November 1942). Der
Sinn einer solchen Ordnung ist offenbar, die Befreiung auf die angeführten
Waren zu beschränken und alle andern Erzeugnisse davon auszuschliessen. Bei
der Anwendung des Gesetzes ist zu beachten, dass Bezeichnungen für Gegenstände
des täglichen Bedarfes richtigerweise unter Berücksichtigung des landläufigen
Sprachgebrauches auszulegen sind (BGE 69 I 113, 72 I 229).
2. ­ In Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB werden auch die Produkte «Getreide
(einschliesslich Mais und Reis), Getreidemehl und -griess,' von der Steuer
befreit. Für den Umfang dieser Befreiung ergibt sich zunächst schon aus

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der Zusammensetzung der Liste der sämtlichen von der Steuer ausgenommenen
Erzeugnisse ein gewisser Anhaltspunkt. Danach hat man es, wie erwähnt, im
wesentlichen zu tun mit Lebensmitteln, die besonders im täglichen Haushalt
verwendet werden, und mit Hilfsmitteln zu deren Zubereitung; mit Gegenständen
also, deren Befreiung von der Steuer, wie es scheint, auf sozialpolitischen
Erwägungen beruht. Aus dieser Ordnung kann geschlossen werden, dass auch unter
«Getreide, Getreidemehl-und -griess» nur solche Produkte gemeint sind, die der
Ernährung des Menschen dienen, und zwar direkt, nicht auf dem Umweg der
Verfütterung an das Vieh. Dass dies der Sinn der Bestimmung ist, wird vollends
deutlich dadurch, dass das Gesetz auf «Getreide» «Getreidemehl und -griess»
folgen lässt. Griess dient seiner Natur nach nur der menschlichen Ernährung,
und aus Getreide gewonnenes Mehl, das zu Futterzwecken bestimmt ist, wird im
gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht als «Getreidemehl», sondern als «Futtermehl»
bezeichnet. Durch jene Anfügung lässt das Gesetz selbst erkennen, dass es das
Grundprodukt «Getreide» einer- und die Nachprodukte «Getreidemehl und -griess»
anderseits im gleichen beschränkten Sinne verstanden wissen will. Der Einwand,
dass es schlechthin nur von «Getreide» spreche, trifft somit nicht zu.
Immerhin kann nicht massgebend sein, ob die in Frage stehenden Feldfrüchte -
nach der Aufzählung der eidg. Steuerverwaltung Buchweizen, Dari, Dinkel,
Gerste, Hafer, Hirse, Mais, Reis, Roggen und Weizen - und die daraus
hergestellten Produkte auch wirklich für die menschliche Ernährung verwendet
werden. Es kann vorkommen, dass Getreide, das an sich als Nahrungsmittel für
den Menschen geeignet ist, schliesslich als Viehfutter Verwendung findet, und
umgekehrt kann es sich, besonders in Notzeiten, ereignen, dass der Mensch sich
mit verdorbenem oder zu Futterzwecken verarbeitetem Getreide als Nahrung
begnügen muss. Selbst wenn auf den üblichen oder normalen Verwendungszweck
abgestellt würde, wäre noch kein

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zuverlässiges Merkmal für die Unterscheidung zwischen steuerbaren und
steuerfreien Umsätzen gewonnen. Man muss vielmehr von der objektiven
Beschaffenheit der Produkte ausgehen; nur so ist eine klare, ohne praktische
Schwierigkeiten durchführbare und auch sachlich befriedigende Abgrenzung
möglich. Und zwar ist richtigerweise als steuerfrei anzusehen die Ware, die
nach ihrer Natur oder ihrem Zustande für die menschliche Ernährung unter
normalen Verhältnissen überhaupt noch verwendet werden kann. Ist dies nicht
der Fall, so unterliegt das betreffende Produkt der Steuer, da man es dann
nicht mehr mit a Getreide, Getreidemehl und -griess n gemäss Art. 14 Abs. 1
lit. b WUStB zu tun hat. In diesem Sinne kommt es in der Tat auf die «Eignung»
der Ware für die menschliche Ernährung an, wie sich der angefochtene Entscheid
ausdrückt.
Dieser Grundsatz wird von der Vorinstanz im einzelnen richtig angewendet, beim
Grundprodukt, dem Getreide, wie bei den daraus durch mechanischen
Zerkleinerungsprozess gewonnenen Nachprodukten, dem Getreidemehl und -griess.
So kommt Getreide, das nach Vorschrift der Zollverwaltung denaturiert ist, für
die menschliche Ernährung tatsächlich nicht mehr in Frage; der Zweck der
Denaturierung ist ja gerade, diese Verwendung zu verunmöglichen. Auch
verdorbenes und verunreinigtes Getreide scheidet als Nahrung des Menschen aus.
Dasselbe gilt für Abfälle, die beim Dreschen und Reinigen («Trieuren») des
Getreides entstehen. Sodann können als Getreidemehl und -griess nur gelten die
im erwähnten Sinne für die menschliche Ernährung geeigneten und durch
gewöhnlichen Zerkleinerungsprozess (Brechen, Mahlen, Walzen) hergestellten
Getreideprodukte, dagegen nicht Futtermehl ­ dessen Verwendung zur Ernährung
des Menschen durch Art. 21 Abs. 4 des Getreidegesetzes ausdrücklich verboten
ist ­, gequetschte oder mechanisch zerkleinerte Futterkörner ­ diese meint
offenbar der wohl etwas zu allgemein gefasste Ausdruck «Körner» in Dispositiv
1 b des

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angefochtenen Entscheides; vgl. Ziff. 2 des von der eidg. Steuerverwaltung im
September 1944 herausgegebenen Merkblatts 7 für Grossisten ­ und
Getreideabfälle der Müllerei.
Wenn die eidg. Steuerverwaltung früher einen etwas anderen Standpunkt
eingenommen hat, so hindert sie das nicht, ihre Praxis auf Grund erneuter
Prüfung und besserer Erkenntnis des Sinnes des Gesetzes zu ändern, unter der
selbstverständlichen Voraussetzung, dass die neue dem Gesetze entsprechende
Praxis in gleicher Weise allen Steuerpflichtigen gegenüber angewendet wird.
Dass dies im hier streitigen Punkte nicht der Fall sei, ist weder behauptet
noch anzunehmen. Daher ist unerheblich, ob die Steuerverwaltung die
Streitfrage in der Wegleitung für die Steuerpflichtigen vom August 1941
behandelt hat oder nicht. Auch darauf kommt im vorliegenden Falle nichts an,
dass in dieser Wegleitung Futterkartoffeln ausdrücklich als steuerfreie
«Kartoffeln», im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB aufgeführt worden sind.
Übrigens werden nach einer Auskunft der Steuerverwaltung in neuerer Zeit
Kartoffeln, die ihrer Beschaffenheit nach überhaupt nicht mehr als Nahrung des
Menschen in Betracht fallen können, ebenfalls der Steuer unterworfen.
3. ­ Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, der Grossist würde infolge der
von ihr bekämpften Auslegung in unhaltbarer Weise benachteiligt. Es trifft in
der Tat zu, dass der Grossist, der steuerfreies Getreide zu Futtermitteln
verarbeitet, die Lieferung dieser Produkte versteuern muss, während der
Nichtgrossist den steuerfreien Rohstoff eben ohne Steuerbelastung einkaufen
kann und für den Verbrauch oder Wiederverkauf der daraus von ihm selbst
hergestellten Futtermittel die Steuer nicht zu entrichten hat. Dasselbe gilt
aber, wie die eidg. Steuerverwaltung mit Recht ausführt, für alle andern
steuerbaren Produkte, die aus steuerfreien Waren hergestellt werden. Die
beanstandete Ungleichheit ist die unvermeidliche Folge der gesetzlichen
Ordnung, welche einerseits die

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Steuerpflicht grundsätzlich auf Personen beschränkt, die einen gewissen
Mindestumsatz erzielen, und anderseits den Kreis der von der Steuer befreiten
Waren eng zieht und nur ganz bestimmte Produkte aus diesen Waren ebenfalls von
der Besteuerung ausnimmt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 I 148
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 26. Juni 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 I 148
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB für «Getreide (einschliesslich Mais und...


BGE Register
69-I-110 • 72-I-226 • 73-I-148
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
getreide • mais • grossist • reis • mechaniker • frage • ware • gerste • haushalt • sprachgebrauch • hirse • vieh • bundesgericht • warenumsatzsteuer • weizen • roggen • futter • zahl • richtlinie • zeitung
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