S. 110 / Nr. 26 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 69 I 110

26. Urteil vom 14. Juli 1941 i. S. Knäckebrotwerke Murten A.-G. gegen eidg.
Steuerverwaltung.

Regeste:
Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14, Abs. 1, lit. b, WUStB für «Brot»
angeordnete Ausnahme von der eidgenössischen Warenumsatzsteuer erstreckt sich
nicht auf das Spezialgebäck, das unter der Bezeichnung «Knäckebrot» in den
Handel kommt.
Impôt sur le chiffre d'affaires: L'exonération que prévoit l'art. 14 al. 1
lit. b ACA pour le pain ne vaut pas pour le produit spécial que l'on trouve
dans le commerce sous le nom de «Knäckebrot» (pain croustillant).

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Imposta sulla cifra d'affari: L'esenzione che l'art. 14, cp. 1, lett. b DICA
prevede pel «pane», non vale pel prodotto speciale che si trova in commercio
sotto il nome di «Knäckebrot» (pain croustillant).

A. ­ Die Aktiengesellschaft Knäckebrotwerke in Murten hat für ihr Produkt
«Knäckebrot» Anspruch auf Befreiung von der eidgenössischen Warenumsatzsteuer
erhoben als für «Brot» im Sinne von Art. 14, Abs. 1 lit. b WUStB. Die
eidgenössische Steuerverwaltung hat die Befreiung am 17. März 1942 abgelehnt
und, am 9. Februar 1943, eine hiegegen erhobene Einsprache abgewiesen.
B. ­ Die Rekurrentin beantragt die Aufhebung des Einspracheentscheides und
kostenfällige Feststellung, dass das Knäckebrot oder eventuell wenigstens die
Qualitäten H («Hausbrot») und D («Delikatessbrot») nicht unter die
Umsatzsteuer fallen. Sie macht geltend, der Einspracheentscheid der
eidgenössischen Steuerverwaltung beruhe auf einer unrichtigen Anwendung der
erwähnten Vorschrift, vor allem auf einer unrichtigen Beurteilung des
Sachverhaltes. Da im WUStB eine nähere Umschreibung fehle, müsse auf die
Merkmale und Eigenschaften abgestellt werden, die für das Brot
charakteristisch sind, Beschaffenheit, Herstellungsart und funktionelle
Bedeutung. Der Einspracheentscheid lasse sie aber ausser Betracht und halte
sich einzig an einen von ihm behaupteten Sprachgebrauch, was zu beanstanden
sei. Die Herstellung des Knäckebrotes sei die nämliche wie diejenige des
gewöhnlichen Bäckerbrotes. Es werde aus Vollkornmehl ein normaler Brotteig
zubereitet und im Ofen gebacken. Nur die Backzeit sei kürzer als beim
Laibbrot. Namentlich sei Knäckebrot kein Biskuit (Zwieback). Die im
Einspracheentscheid versuchte Gleichstellung mit dem Armee-Zwieback
(Bundesziegel) sei irrtümlich. Beim Knäckebrot finde nur ein, und zwar stark
verkürzter, Backprozess statt, woraus folge, dass auch die Beschaffenheit des
Knäckebrotes die nämliche sei wie die des gewöhnlichen Brotes. Es weise einen
geringeren Wassergehalt auf, was aber keinen Unterschied mache. Ein
Unterschied dürfe

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auch nicht aus der Verpackungsart hergeleitet werden. Brot, welches in dünnen
Scheiben (Fladen) hergestellt wird, könne nicht ohne Verpackung in den Handel
gebracht werden, da es sonst zerbreche. ­ Die funktionelle Bedeutung des
Knäckebrotes sei nicht verschieden von der des gewöhnlichen Brotes. Es diene
als Nahrungsmittel für den täglichen Gebrauch und zwar, wie das gewöhnliche
Brot, als Grundnahrungsmittel. In Schweden, seinem Ursprungslande, sei es in
mittleren und nördlichen Provinzen noch das Alltagsbrot; in der Schweiz werde
das Walliser Trocken-Flachbrot als Alltagsbrot genossen. Es sei daher
tatsachenwidrig, das Knäckebrot als Spezialgebäck dem eigentlichen Brot
gegenüberzustellen. Übrigens lasse die Steuerverwaltung eine Reihe von
Spezialbroten, wie Graham-, Bircher-, Vitalinbrot usw. umsatzsteuerfrei zu. Es
bestehe kein haltbarer rechtlicher Grund, die einen Spezialbrote dem
gewöhnlichen Brot gleichzustellen, die andern nicht. Auf die Verbreitung könne
es, nach diesen Beispielen, ebenfalls nicht ankommen. Überdies sei das
Knäckebrot erst 1939 eingeführt worden; seine Verbreitung nehme von Jahr zu
Jahr zu. Im Entscheide der Steuerverwaltung liege daher ein Verstoss gegen die
Rechtsgleichheit. ­ Das Knäckebrot sei auch kein Luxusbackwerk. Aus Gutachten
der Herren Prof. v. GONZENBACH in Zürich und Dr. KRAFT in Davos gehe hervor,
dass das Knäckebrot für magenkranke und magenschwache Personen das richtige
tägliche Nahrungsmittel darstelle und in diesem Sinne auch von weiten Kreisen
genossen werde. Diese Kreise seien auf eine Nichtverteuerung ihres
Hauptnahrungsmittels stärker angewiesen als die Personen, die mit dem
gewöhnlichen und billigeren Hausbrot auskommen können. Die
volkswirtschaftliche Fürsorgetendenz, die zu den Steuerausnahmen nach Art. 14,
Abs. 1, lit. b WUStB geführt habe, rechtfertige es, auch diesem Gesichtspunkt
Rechnung zu tragen. Die Unterstellung des Knäckebrotes unter die in Art. 14,
Abs. 1, lit. b aufgeführten Ausnahmen stelle keine Missachtung des
Zweckgedankens dieser

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Vorschrift dar, sondern entspreche im Gegenteil ihren sozialen,
volkswirtschaftlichen Tendenzen. Vor allem bestehe kein Grund, das Knäckebrot
in dieser Beziehung anders zu behandeln als die übrigen Spezialbrote, die
steuerfrei gelassen worden seien. Sollte es darauf ankommen, ob Beimischungen
vorhanden sein dürfen, so wären eventuell wenigstens die Qualitäten H
(«Hausbrot») und D («Delikatessbrot») des Knäckebrotes zu befreien, die keine
Beimischungen enthalten.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1. ­ Der Warenumsatzsteuer unterliegen grundsätzlich alle Waren, inbegriffen ­
wenn auch mit gewissen Einschränkungen (vgl. Art. 8, Abs. 1, lit. b und Art.
14, Abs. 1, lit. c) ­ die Erzeugnisse der inländischen Urproduktion (Art. 13
WUStB). Ausgenommen ist lediglich eine ganz beschränkte Anzahl einzeln
aufgeführter Produkte (Art. 14, Abs. 1, lit. b). Ursprünglich, nach der
Fassung vom 29. Juli 1941 (Ges. S. 1941 S. 798), waren es ­ abgesehen von
Zeitungen und Zeitschriften ­ ausschliesslich Nahrungsmittel und Hilfsmittel
zu deren Zubereitung: Getreide, Mehl und Griess, Kartoffeln, Brot, Kochsalz
und frische Milch, sowie Kochgas, Wasser und Elektrizität. Später wurde die
Liste etwas ergänzt, im wesentlichen durch einige weitere Lebensmittel, meist
solche, die, wie die von Anfang an befreiten, im täglichen Haushalt verwendet
werden und als für ihn kaum entbehrlich angesehen werden dürfen; eine einzige
weitere Position (lebendes Vieh) fällt unter einen andern Gesichtspunkt (BRB
vom 20. November 1942, Ges. S. 1942 S. 1102). Der Sinn einer derartigen
Ordnung ist offenbar, die Befreiung auf die aufgeführten Waren zu beschränken
und alle andern Erzeugnisse davon auszuschliessen. Dies führt dazu, dass sich
die Anwendung des Gesetzes genau an den Wortlaut zu halten hat, wobei bei
Gegenständen des allgemeinen täglichen Bedarfes richtigerweise auf den
landläufigen Sprachgebrauch

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abgestellt und jede Ausdehnung der Befreiung darüber hinaus abgelehnt wird.
Der Gesetzgeber hat denn auch, soweit er es für richtig fand, die Befreiung
etwas über den dem landläufigen Sprachgebrauch entsprechenden Wortsinn
auszudehnen, wo Nach- und Nebenprodukte oder Spezialitäten in die Befreiung
des Grundproduktes einbezogen werden sollten, die entsprechenden Anordnungen
selbst getroffen, so schon bei seinem ursprünglichen Erlasse für Getreide und
sodann im Beschlusse vom 20. November 1942 für Milch, Butter, Käse, Obst und
Gemüse. Wo keine Sonderanordnungen getroffen sind, hat es daher bei der
Befreiung des Grundproduktes sein Bewenden.
2. ­ Für «Brot» ist eine Ausdehnung auf Nach-, Nebenprodukte und vom Wortsinne
nicht umfasste Spezialitäten nicht angeordnet, weshalb davon auszugehen ist,
dass die Befreiung in Art. 14, Abs. 1, lit. b auf Brot im landläufigen Sinne
beschränkt sein soll. Unter Brot versteht man aber, wie die Steuerverwaltung
mit Recht feststellt, ein Backwerk in Laibform. Jedenfalls ist nach
schweizerischem Sprachgebrauch scheiben-, bretzel- oder kuchenförmiges
Kleingebäck nicht Brot; es wird als Spezialität angesehen, auch wenn es
lediglich aus Brotteig ohne Zusätze hergestellt ist.
Das von der Rekurrentin vertriebene Knäckebrot ist, in allen vier zur Zeit
gehandelten Qualitäten, ein Spezialgebäck, das sich schon durch seine Form vom
Brot im landläufigen Sinne unterscheidet und auch dem Walliser Flachbrot nicht
vergleichbar ist. Es sind rechteckige Scheiben von ca. 0,5: 7,5: 10,5 cm. Sie
kommen der Form und Aufmachung nach den Flachgebäcken nahe, die etwa unter der
Bezeichnung «Biskuit» und «Bretzel», (im Sinne von «bricelets») gehandelt
werden. Derartige Spezialerzeugnisse fallen offensichtlich nicht unter die in
Art. 14, Abs. 1, lit. b WUStB angeordnete Befreiung. Übrigens wird das
Knäckebrot auch nicht, wie in der Beschwerde behauptet wird, aus normalem
Brotteig hergestellt, sondern aus einer wesentlich dünnern Masse, die die
Erstellung von

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Fladen oder Scheiben ermöglicht. Auch sonst weicht die Fabrikation von
derjenigen des Brotes ab (Kraft: Wahrheiten über das Brot, S. 28 ff.). Die
eidgenössische Steuerverwaltung hat die Befreiung daher mit Recht abgelehnt.
Ob es aus volkswirtschaftlichen und volkshygienischen Gründen angezeigt wäre,
das «Knäckebrot» in die von der Warenumsatzsteuer befreiten Erzeugnisse
einzubeziehen, hat das Bundesgericht nicht zu erörtern.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 I 110
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 14. Juli 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 I 110
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14, Abs. 1, lit. b, WUStB für «Brot» angeordnete Ausnahme von der...


BGE Register
69-I-110
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