BGE 72 IV 173
47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. November 1946 i. S.
Sutter gegen Bamert.
Regeste:
Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 173 - 1. Chiunque, comunicando con un terzo, incolpa o rende sospetta una persona di condotta disonorevole o di altri fatti che possano nuocere alla riputazione di lei, |
Mitteilung an einen Lehrer, ein Knabe rede unsittlich. Die Ehre des Knaben ist
nicht verletzt (Erw. 1). Wahrung berechtigter Interessen (Erw. 2).
Art. 173 ch. 1 al. 1 CP.
Communication faite à un maître d'école selon laquelle un jeune garçon tient
des propos immoraux. L'honneur de cet enfant n'est pas atteint (consid. 1).
Sauvegarde d'intérêts légitimes (consid. 2).
Art. 173, cifra 1, cp. 1 CP.
Comunicazione fatta a un maestro di scuola che un ragazzo tiene dei discorsi
immorali. L'onore del ragazzo non è leso (consid. 1). Salvaguardia d'interessi
legittimi (consid. 2).
Bamert stellte anfangs 1945 fest, dass sein Knabe wüst redete, und wurde von
ihm darüber unterrichtet, dass der zwölfjährige Walter Sutter auf dem Schulweg
solche Reden führe. Vater Bamert wandte sich daher Ende Februar oder anfangs
März 1940 an den Lehrer Hunold
Seite: 174
und teilte ihm mit, was sein Knabe behauptet hatte. Nachdem Hunold Walter
Sutter vor der Klasse zur Rede gestellt hatte und sich deswegen auf Beschwerde
von Vater Sutter hin vor dem Schulrat verantworten musste, bestätigte ihm
Vater Bamert, dass er jederzeit zu seinen Äusserungen stehe.
Die mündliche Mitteilung und die schriftliche Bestätigung Vater Bamerts an
Hunold gab dem Knaben Sutter Anlass, gegen Bamert Strafklage zu führen. Das
Kantonsgericht von Schwyz wies sie in dem Sinne ab, dass es Bamert zwar der
üblen Nachrede schuldig fand, dagegen gemäss Art. 20
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 20 - Qualora vi sia serio motivo di dubitare dell'imputabilità dell'autore, l'autorità istruttoria o il giudice ordina una perizia. |
Umgang nahm. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Knaben wurde vom Kassationshof
abgewiesen.
Erwägungen:
1. Vater Bamert hat sich gegenüber dem Lehrer Hunold geäussert, Walter
Sutter gehöre zu jenen Schülern, die auf dem Heimweg von der Schule
unsittliche Gespräche führten und unsittliche Dinge zeichneten. In dieser
Mitteilung liegt nicht der Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer
Tatsachen, die geeignet gewesen wären, im Sinne des Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 173 - 1. Chiunque, comunicando con un terzo, incolpa o rende sospetta una persona di condotta disonorevole o di altri fatti che possano nuocere alla riputazione di lei, |
StGB den Ruf des Knaben zu schädigen. Was sich ein ehrbarer Erwachsener nicht
nachreden zu lassen braucht, geht nicht unbedingt auch an die Ehre eines
Kindes, von dem nicht ein gleiches Betragen erwartet werden kann wie von einem
Erwachsenen. Was Vater Bamert über den Beschwerdeführer gesagt hat, war
geeignet, ihn als einen in sittlicher Hinsicht noch erziehungsbedürftigen
Schüler hinzustellen. Ein solcher Vorhalt eignete sich nicht, einen
zwölfjährigen Knaben, dessen Erziehung auf dem erwähnten Gebiete noch nicht
abgeschlossen sein kann, im Gegenteil gerade in diesem Alter besonders
nachhaltig einsetzen muss, in den Augen der Mitmenschen verächtlich zu machen.
Schon aus diesem Grunde kann Bamert nicht wegen Ehrverletzung bestraft werden.
Seite: 175
2. Zudem käme ihm zugute, dass er seine Äusserungen in Wahrung berechtigter
Interessen getan hat und daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE
71 IV 188) ohnehin nicht verurteilt werden dürfte. Er war befugt, zum Wohle
seiner eigenen und aller andern Kinder, die mit dem Beschwerdeführer in
Berührung kamen, den Lehrer, der unter anderem auch zur sittlichen Erziehung
des Beschwerdeführers berechtigt und verpflichtet war, auf die Lücke
aufmerksam zu machen, welche die Erziehung des Knaben nach der Auffassung
Bamerts noch aufwies. Er war nicht gehalten, sich zuerst an die Eltern zu
wenden. Aus eigener Wahrnehmung hätten sie über das sittliche Betragen, das
der Beschwerdeführer auf dem Schulweg zeigte, nichts sagen können. Bamert war
überzeugt, dass eine Rücksprache mit Vater Sutter wegen dessen
Voreingenommenheit für seinen Buben nichts genützt hätte. Ein Mitglied des
Schulrates bezeugt denn auch, dass die Eltern Sutter bei jeder Gelegenheit für
ihre Kinder Partei ergreifen. Bamert befand sich in der Zwangslage, entweder
auf die Wahrnehmung der erwähnten eigenen und öffentlichen Interessen
verzichten oder sich gegenüber Lehrer Hunold in der Weise, wie er es getan
hat, äussern zu müssen. Die Mitteilung an den Lehrer war das richtige Mittel
zur Verfolgung des erlaubten Zweckes. Bamert hat seine Äusserungen nicht aus
der Luft gegriffen. Schon die Erklärung seines Knaben, dass Walter Sutter und
August Bruhin auf dem Schulwege unsittlich redeten, berechtigte ihn zur Tat.
Dazu kommt, dass ein erwachsener Augenzeuge ihm im Oktober 1944 berichtet
hatte, Walter Sutter und ein anderer Knabe hätten mit Dolores Bamert und
Rosmarie Sutter hinter einer Hecke «schandbar funktioniert», die Buben seien
auf den Mädchen herumgerutscht und Walter Sutter habe die ganze Sache
dirigiert. Endlich stellt das Kantonsgericht fest, dass im Dorfe Klagen
umgingen, wonach Schüler auf dem Schulwege unsittliche Gespräche führten. Das
waren Anhaltspunkte genug für Bamert, um
Seite: 176
sich an den Lehrer zu wenden, damit dieser die Schüler befrage und zur Rede
stelle. Dieses Vorgehen war nicht nur nicht mutwillig, sondern drängte sich
als die geeignetste Massnahme geradezu auf.