S. 78 / Nr. 22 Schuldbetreibungs-und Konkursrecht (d)

BGE 72 III 78

22. Entscheid vom 19. September 1946 i. S. Beaud, Rolandez & Cie.

Regeste:
Zustellung von Betreibungsurkunden, Art. 64 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
SchKG.
« Angestellter » des Schuldners ist, wer als ihm untergeordnete Hilfsperson
bei der Ausübung seines Berufes mitwirkt. Ein dauerndes Dienstverhältnis ist
nicht erforderlich.
Notification des actes de poursuite.
Est un employé du débiteur dans le sens de l'art. 64 al. 1 LP celui qui
collabore avec lui dans l'exercice de sa profession en qualité de subordonné.
Il n'est pas nécessaire qu'il s'agisse d'un engagement durable.
Notifica degli atti esecutivi.
E' un impiegato del debitore ai sensi dell'art. 64 LEF chi collabora con lui
nell'esercizio della sua professione in qualità di subordinato. Non occorre
che si tratti d'un'assunzione duratura.


Seite: 79
A. ­ Auf Begehren der Rekurrentin erliess das Betreibungsamt Bern am 22. /23.
Juli 1946 an ein kriegswirtschaftliches Syndikat und an Fürsprecher Dr. X.,
dessen Sekretär, je einen Zahlungsbefehl für Fr. 93,500.­. Die beiden
Zahlungsbefehle wurden am 25. Juli 1946, während Dr. X. und seine ständige
Büroangestellte sich in den Ferien befanden, dem in seinem Büro anwesenden
Fräulein Y. zugestellt. Fräulein Y. steht im Dienste einer A.-G., die mit Dr.
X. Bürogemeinschaft unterhält, und besorgte für ihn während der Abwesenheit
seiner ständigen Angestellten aus Gefälligkeit den Bürodienst.
B. ­ Den Zahlungsbefehl für das Syndikat leitete Fräulein Y. an Dr. X. weiter,
sodass dieser in der Betreibung gegen das Syndikat innert Frist Recht
vorschlagen konnte. Den für Dr. X. bestimmten Zahlungsbefehl liess sie dagegen
in der Meinung, dass es sich nur um ein Doppel des andern handle, bei den
übrigen eingegangenen Korrespondenzen liegen. Dr. X. erhielt davon erst am 12.
August 1946 Kenntnis, als er aus den Ferien zurückkehrte. Mit Beschwerde vom
gleichen Tage beantragte er, der an ihn gerichtete Zahlungsbefehl sei
aufzuheben, und das Betreibungsamt sei zu veranlassen, ihm einen neuen
Zahlungsbefehl in seiner Wohnung zuzustellen. Die kantonale Aufsichtsbehörde
hat am 3. September 1946 entschieden, die Beschwerde werde in dem Sinne
gutgeheissen, dass der angefochtene Zahlungsbefehl aufgehoben und das
Betreibungsamt angewiesen werde, dem Beschwerdeführer einen neuen
Zahlungsbefehl zuzustellen.
C. ­ Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen
mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Wie die Vorinstanz mit Recht erklärt, hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch
darauf, dass die Zustellung eines an ihn gerichteten Zahlungsbefehls in

Seite: 80
seiner Wohnung und an ihn persönlich erfolge, sondern gemäss Art. 64
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
SchKG
kann ihm ein solcher auch an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt,
also in seinem Büro, zugestellt werden und darf die Zustellung, wenn er dort
nicht angetroffen wird, an einen dort anwesenden Angestellten geschehen. Die
streitige Zustellung ist daher nicht zu beanstanden, wenn Fräulein Y. im Sinne
der erwähnten Bestimmung als Angestellte zu gelten hat.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist dies der Fall. Der Beschwerdeführer
hatte Fräulein Y. die Aufgabe übertragen, bei ihm den Bürodienst zu besorgen,
während er und seine ständige Angestellte in den Ferien waren. Sie wirkte also
während einer gewissen Zeit als ihm untergeordnete Hilfsperson bei der
Ausübung seines Berufes mit. Mehr braucht es nicht, um sie als Angestellte des
Beschwerdeführers erscheinen zu lassen. Personen, die mit dem Bürodienst auf
einem Advokaturbüro betraut sind, darf die Eigenschaft von Angestellten und
damit die Berechtigung, für den Vorgesetzten Betreibungsurkunden in Empfang zu
nehmen, umso weniger abgesprochen werden, als die Entgegennahme von amtlichen
Zustellungen aller Art zu den normalen Obliegenheiten solchen Personals
gehört.
Das Bestehen eines dauernden Dienstverhältnisses, wie die Vorinstanz es
fordert, wird in Art. 64
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
SchKG nicht vorausgesetzt. Dem Zustellungsbeamten
wäre es gar nicht möglich, nachzuprüfen, ob ein solches Verhältnis vorliege
oder nicht, und es darf nicht nur von ständigen Angestellten, sondern auch von
Personen, die aushilfsweise Funktionen der erwähnten Art ausüben, erwartet
werden, dass sie Betreibungsurkunden, die ihnen zuhanden des Vorgesetzten
ausgehändigt werden, richtig an diesen weiterleiten, ob sie nun ihren Dienst
gegen Lohn oder aus Gefälligkeit versehen. Wenn in BGE 25 I 121 = Sep. ausg. 2
S. 11 gesagt wurde, Art. 64
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
SchKG verstehe unter einem Angestellten eine
Person, die mit dem

Seite: 81
Schuldner « in continui e diretti rapporti d'affari » stehe, so wollte damit
nur der Gegensatz zu einem Sonderbevollmächtigten (Anwalt) bezeichnet werden;
dass Art. 64
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
SchKG einen festen Dienstvertrag fordere, ist daraus nicht
abzuleiten.
Die Zustellung an Fräulein Y. ist also für den Beschwerdeführer wirksam. Hätte
er verhindern wollen, dass in Abwesenheit seiner selbst und seiner ständigen
Angestellten in seinem Büro Betreibungsurkunden an ihn zugestellt werden
können, so hätte er sein Büro schliessen müssen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Beschwerde abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 III 78
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 18. September 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 III 78
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Zustellung von Betreibungsurkunden, Art. 64 Abs. 1 SchKG.« Angestellter » des Schuldners ist, wer...


Gesetzesregister
SchKG: 64
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 64 - 1 Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
1    Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.
2    Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.
BGE Register
25-I-119 • 72-III-78
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
zahlungsbefehl • betreibungsurkunde • ferien • betreibungsamt • vorinstanz • schuldner • hilfsperson • kenntnis • empfang • öffentlich-rechtliches dienstverhältnis • rechtsanwalt • öffentlicher angestellter • kantonales rechtsmittel • frist • funktion • schuldbetreibungs- und konkursrecht • eigenschaft • obliegenheit • bundesgericht • angewiesener
... Alle anzeigen