S. 39 / Nr. 8 Obligationenrecht (d)

BGE 72 II 39

8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Februar 1946 i. S. Bieri
gegen Schneuwly.

Regeste:
Grundstückkauf. Rechtsmissbräuchliche Vertragsanfechtung wegen eines
Formfehlers bei der öffentlichen Beurkundung. Bedeutung und Zweck des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.

ZGB; seine Anwendbarkeit im Bereich der Formen.
Achat d'immeuble. Abus du droit consistant dans la contestation de la validité
d'un contrat pour vice de forme entachant l'acte authentique. Signification et
but de l'art. 2 CC; son application dans les litiges touchant aux formes.
Acquisto d'un immobile. Abusiva impugnazione d'un contratto per un vizio di
forma nell'erezione dell'atto pubblico. Significato e scopo dell'art. 2 CC;
applicabilità nelle contestazioni concernenti la forma.

A. - Bis zum 27. April 1942 war der Kläger Bieri Eigentümer eines
landwirtschaftlichen Heimwesens in Muhrenvorsatz. An diesem Tage verkaufte er
es an den Beklagten Pfarrer Schneuwly. Der Preis betrug Fr. 31,000.­. Er wurde
vom Käufer durch Übernahme der Hypothekarbelastung und Barzahlung sofort
erlegt. Zusätzlich vereinbarten die Parteien, dass Bieri als Pächter gegen

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Entrichtung eines Pachtzinses von jährlich Fr. 1200.­ für drei Jahre auf der
Liegenschaft bleiben könne. Die Verschreibung des Geschäftes fand in der
Wohnung des Klägers statt, wohin sich der Beklagte in Begleitung eines Notars
eigens begeben hatte. Dieser verlangte, nachdem der Kaufvertrag ausgefertigt
war, zwei Zeugen. Der Verkäufer nannte seinen Nachbarn X. und seinen Knecht F.
B. Er bemerkte, dass ausser ihnen in der näheren Umgebung niemand erreichbar
sei und er diese Zeugen auch aus Diskretionsgründen bevorzuge. Weder der Notar
noch der Käufer erhoben Einwendungen. Die beiden Zeugen wurden herbeigerufen,
nahmen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis und unterzeichneten diese mit den
Kontrahenten und dem Notar.
In der Folge übte der Käufer seine Eigentumsrechte aus. Bieri seinerseits
bewirtschaftete das Heimwesen als Pächter. Er bezahlte den vereinbarten Zins
vollständig für das Pachtjahr 1942/43 und zur Hälfte für das Pachtjahr
1943/44.
B. - Mit Brief vom 17. Februar 1944 teilte Bieri durch seinen Anwalt dem
Beklagten mit, er betrachte den Vertrag als nichtig, weil entgegen den
gesetzlichen Vorschriften sein Knecht bei der öffentlichen Beurkundung als
Zeuge aufgetreten sei. Er verlange deshalb die Rückübertragung der
Liegenschaft. Pfarrer Schneuwly lehnte ab.
C. - Nunmehr klagte Bieri beim Richteramt des Sensebezirkes in Tafers auf
Nichtigerklärung des Kaufvertrages mit allen daraus sich ergebenden Folgen.
Rechtlich wurden die Ansprüche ausschliesslich mit dem erwähnten Formfehler
beim Vertragsschluss begründet und auf die einschlägigen Bestimmungen (Art.
70, 71 Ziff. 6, 104) des kantonalen Gesetzes über das Notariatswesen vom 26.
Mai 1869 gestützt. Der Beklagte bestritt die Nichtigkeit des Kaufvertrages.
Ferner erhob er die Einrede des Rechtsmissbrauchs im Sinne von Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB.
Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen. Das Bezirksgericht
anerkannte die Nichtigkeit des

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Vertrages, erachtete aber deren Geltendmachung als rechtsmissbräuchlich. Der
Appellationshof des Kantons Freiburg erklärte in seinem Urteil vom 18. Juni
1945, der Kaufvertrag sei nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und schützte
ebenfalls die Einrede des Beklagten.
D. - Der Kläger ergriff die Berufung an das Bundesgericht. Ferner reichte er
wegen willkürlicher Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechtes eine
staatsrechtliche Beschwerde ein. Diese wurde durch Urteil von heute
abgewiesen. Mit der Berufung beantragt der Kläger die Gutheissung seiner
Rechtsbegehren. Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen
Urteils.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- (Soweit es sich um die Wirkung des Formfehlers bei der öffentlichen
Beurkundung handelt, kann die Stellungnahme der Vorinstanz nicht überprüft
werden, da sie auf der Auslegung kantonalen Rechtes gründet und keine
geltenden Bundesrechtssätze verletzt.)
2.- Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB bleibt es übrigens ohne
Einfluss auf das Schicksal der Klage, ob Nichtigkeit oder blosse
Anfechtbarkeit des Kaufvertrages angenommen wird. Auch wenn man ersteres
voraussetzen wollte, könnte der Argumentation des Klägers nicht beigepflichtet
werden. Seine grundlegende Behauptung, die Geltendmachung der aus einem
Formmangel resultierenden Nichtigkeit stelle niemals einen Rechtsmissbrauch
dar, ist offensichtlich irrig. Richtig ist nur, dass die Anrufung des
Formmangels an sich keinen Rechtsmissbrauch bedeutet. Dagegen können im
konkreten Fall die Umstände so liegen, dass die Geltendmachung des Formfehlers
als rechtsmissbräuchlich erscheint und die Einrede nach Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB gegeben ist
(BGE 68 II 236, 54 II 331 f., 53 II 165 f., 50 II 147 f.; EGGER, Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB N.
33, OSER-SCHÖNENBERGER, Art. 216
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76
3    Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77
OR N. 15; VON TUHR, OR S. 210 Ziff. III am
Ende; ZSR Bd. 40 S. 55).
Die Rechtsprechung anerkennt seit langem Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB

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als «Schranke aller Rechtsausübung» (BGE 47 II 453). Ihm liegt die Erkenntnis
zugrunde, dass das positive Recht unmöglich alle Streitigkeiten im
menschlichen Zusammenleben einzeln erfassen und im voraus regeln kann. Wie
sehr der Gesetzgeber sich um eine lückenlose Rechtsordnung bemühen mag, es
wird immer Spezialfälle geben, in denen die starre Anwendung der gesetzlichen
Prinzipien zu Ungerechtigkeiten führen müsste, die der Richter nicht dulden
darf. Das trifft besonders dann zu, wenn Individualrechte wider Treu und
Glauben ausgeübt werden. Abs. 2 des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB, der dem offenbaren Missbrauch
eines Rechtes den Schutz versagt, bildet die notwendige Ergänzung der in Abs.
1 statuierten Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben. Zweck dieser
Bestimmung ist, die formelle Gültigkeit positiver Rechtssätze zu beschränken
oder aufzuheben, wo immer der Richter das im Interesse der materiellen
Gerechtigkeit als geboten erachtet. Die Anwendbarkeit des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB muss sich
daher über den ganzen Bereich des ZGB und des OR erstrecken. Das ergibt sich
auch aus seiner Stellung im Gesetz, und dem entspricht seine gemeinhin
verwendete Kennzeichnung als «exceptio doli generalis».
Es gibt wohl einzelne Rechtsgebiete, in denen einer Überprüfung der
Rechtsausübung nach Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB zwingende Gründe entgegenstehen (BGE 43 II 24,
EGGER a.a.O. N. 29). Solche Gründe sind indessen vorliegend nicht gegeben. Die
dem Begriff der Nichtigkeit innewohnende Unheilbarkeit ist in diesem
Zusammenhang ohne Belang. Aus der Feststellung des Missbrauchs eines Rechtes
folgt nicht notwendig dessen Aufhebung, noch die Rechtsgültigkeit der
angegriffenen Drittinteressen. Es wird lediglich dem Rechtsmissbraucher das
beanspruchte Einzelrecht versagt. Die Wirkung ist zumeist nicht generell,
sondern persönlich (BGE 48 II 187, EGGER a.a.O. N. 37). Nichts hindert den
Richter, sogar die Nichtigkeit beispielsweise eines Vertrages ausdrücklich
oder stillschweigend anzuerkennen. und trotzdem demjenigen, der sich

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darauf beruft, seinen Schutz in Anwendung von Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB zu verweigern.
Entscheidend im vorliegenden Fall ist also allein die Frage, ob der Kläger mit
der Geltendmachung des Formfehlers gegen Treu und Glauben handelt. Die
Rechtslage wäre eine andere, wenn die Nichtigkeit des Vertrages vor der
Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch vorgebracht worden wäre.
Angesichts der sachenrechtlichen Formalordnung könnte der Richter selbst im
Falle eines Rechtsmissbrauchs den Registerführer nicht zwingen, den Eintrag
auf Grund einer formell ungültigen Urkunde vorzunehmen. Hier aber hat die
Eintragung stattgefunden und der Eigentumsübergang ist vollzogene Tatsache.
Nichts steht daher einer Abweisung der Klage entgegen, sofern darin ein
Rechtsmissbrauch erblickt werden muss.
3.- Die Bedingungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs sind in Praxis und
Doktrin des näheren umschrieben worden. Von Bedeutung ist die beidseitige
freiwillige Erfüllung des angefochtenen Vertrages. Zwar vermag sie für sich
allein den Formmangel nicht zu heilen. Unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsmissbrauchs aber kann sie im Rahmen der übrigen Umstände ein wichtiges
Element für die Beurteilung darstellen (BGE 53 II 165 f., 50 II 148).
Rechtsmissbrauch wird vielfach auch dann angenommen, wenn die den Formfehler
anrufende Vertragspartei daran kein schutzwürdiges Interesse hat, sodass durch
die Vertragsanfechtung die Form einem ihr fremden Zwecke dienstbar gemacht
wird (BGE 53 II 166, EGGER a.a.O. N. 32). Rechtsmissbräuchlich erscheint
schliesslich die nachträgliche Geltendmachung von Formvorschriften durch die
Partei, die beim Vertragsschluss den Formfehler in Kauf genommen oder ihn zum
eigenen Vorteil sogar gewollt hat (BGE 53 II 166). Gleiches hat zu gelten,
wenn ein Formerfordernis besonders zum Schutze der einen Partei besteht,
jedoch nicht diese, sondern die Gegenpartei aus der Nichtbeachtung später
zweckfremden Nutzen zu ziehen sucht.

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4.- Diese Hinweise sind immerhin nicht als zwingende Richtlinien zu
betrachten. Die Anwendbarkeit des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB ist, dem Sinn dieser Vorschrift
entsprechend, eine Ermessensfrage. Sie ist vom Richter in jedem einzelnen Fall
ohne Bindung an starre Regeln an Hand der gesamten Umstände frei zu prüfen und
zu entscheiden (BGE 54 II 331 /32). Das hat die Vorinstanz getan. Ihr
Erkenntnis resultiert aus einer sorgfältigen sachlichen und rechtlichen
Würdigung der Zusammenhänge. Die Anbringen, mit denen der Kläger seine
Berufung schriftlich und vor Schranken begründet, können nicht zu einer
abweichenden Beurteilung Anlass geben.
a) Der Kläger hat erwiesenermassen den Verkauf seines Heimwesens von sich aus
gewollt, unabhängig vom Kaufsangebot des Beklagten und lange bevor er mit
diesem überhaupt zusammentraf.
b) Die Parteien haben den Vertrag in allen Teilen erfüllt; der Kaufpreis wurde
bezahlt und der Eigentumsübergang wurde im Grundbuch eingetragen; der Beklagte
übte ungehindert seine Eigentümerrechte aus; der Kläger wirtschaftete als
Pächter und bezahlte für 1½ Jahre anstandslos den Pachtzins. Die
nachträglichen Behauptungen, der Kläger habe nur unter dem Überredungseinfluss
des Beklagten in den Verkauf eingewilligt, und es wäre nicht zum Abschluss
gekommen, wenn man anstatt B. einen entfernter wohnenden Zeugen geholt hätte,
weil in der Zwischenzeit der Kläger sich die Sache nochmals überlegt haben
würde, sind weder belegt noch glaubhaft gemacht.
c) Die Vorinstanz stellt fest, Art. 70 des freiburgischen Gesetzes über das
Notariatswesen verlange die Anwesenheit zweier Zeugen bei der öffentlichen
Beurkundung um zu verhindern, dass der Notar im Einvernehmen mit der einen
Vertragspartei die andere benachteilige. Dienstboten seien als Zeugen nicht
schlechthin, sondern nur vermöge bestehender Beziehungen zur einen
Vertragspartei untauglich. Der Grund für die Ausschlussbestimmung in Art. 71
Ziff. 6 liege im Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer, bezw. in daheriger

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Befangenheit des Letzteren. Wenn also der Dienstbote der einen Partei als
Zeuge auftrete, so habe nur die andere Partei ein Interesse an der
Geltendmachung des Formmangels.
An diese Auslegung des kantonalen Rechtes ist das Bundesgericht gebunden. Die
Tatsache, dass eine Formvorschrift dem Schutze der einen Partei dient,
schliesst nun allerdings nicht notwendigerweise das Klagerecht der anderen
aus. Es mag dem Kläger auch eingeräumt werden, dass ausnahmsweise die
Interessenlage einmal umgekehrt sein kann, als die Vorinstanz angenommen hat.
Hier aber trifft das jedenfalls nicht zu. Der Kläger hatte weder im Zeitpunkte
des Vertragsschlusses noch zwei Jahre später ein schutzwürdiges Interesse an
der Beobachtung des Art. 71 Ziff. 6 des Notariatsgesetzes. Er selbst hatte den
Beizug seines Knechtes als Zeuge angeregt und aus Diskretionsgründen direkt
gewünscht, mithin nicht nur die Verletzung der Formvorschrift (obzwar
unbewusst) herbeigeführt, sondern daraus auch einen persönlichen Vorteil
gezogen. Es widerspricht daher offenkundig Treu und Glauben, wenn er heute
unter Anrufung eben dieser Formverletzung sich vom Vertrage loszusagen
versucht.
d)...
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Freiburg vom 18. Juni 1945 bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 II 39
Date : 01. Januar 1946
Published : 05. Februar 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 II 39
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Grundstückkauf. Rechtsmissbräuchliche Vertragsanfechtung wegen eines Formfehlers bei der...


Legislation register
OR: 216
ZGB: 2
BGE-register
43-II-15 • 47-II-440 • 48-II-182 • 50-II-142 • 53-II-162 • 54-II-323 • 68-II-229 • 72-II-39
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nullity • defendant • witness • abuse of legal right • defect of form • good faith • contractual party • lower instance • federal court • notary • cantonal law • form and content • advantage • land register • hamlet • effect • buy • judicial agency • decision • fribourg • end • contract conclusion • court and administration exercise • autonomy • authorization • employee • condition • rent • easement • interest • addiction • question • cash payment • correctness • property law • positive law • position • employer • doctrine • appeal relating to public law • notary law • letter • knowledge • legal demand • day • purchase price • objection • fraud
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