S. 351 / Nr. 54 Sachenrecht (d)

BGE 72 II 351

54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. September 1946 i.S. Neue Fleisch
A.-G. gegen Massmünster und Streitberufene.

Regeste:
Art. 886
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 886 - Ein nachgehendes Faustpfand wird dadurch bestellt, dass der Faustpfandgläubiger schriftlich von der Nachverpfändung benachrichtigt und angewiesen wird, nach seiner Befriedigung das Pfand an den nachfolgenden Gläubiger herauszugeben.
und 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
ZGB: Nichtanwendung dieser Vorschriften auf einen Fall
mehrfacher Verpfändung, der sieh nicht als eigentliche Nachverpfändung
darstellt.
Art. 886 et 903 CC: Ces dispositions ne s'appliquent pas à un cas de
nantissement multiple dans lequel il ne s'agit pas d'un droit de gage
subséquent.
Art. 886 e 903 CC: Queste disposizioni non si applicano ad un caso di pegno
multiplo, che non appare come un vero e proprio pegno posteriore.


Seite: 352
A. ­ Die Fleisch A. G. verpfändete am 15. September 1946 einen auf ihrer
Liegenschaft Heinrichstrasse 9 in Zürich errichteten Inhaberschuldbrief im 5.
Rang von Fr. 10000.­den Brüdern Emil und Adolf Guggenbühl für «laufende
Darlehen». Am 10. Dezember 1943 verpfändete sie den nämlichen Schuldbrief dem
Beklagten Massmünster für ein Darlehen von Fr. 5000.­. Sie hatte den
Schuldbrief nicht zurückerhalten. Vielmehr befand sich dieser bei Adolf
Guggenbühl, der ihn dem Beklagten zuerst zur Einsicht, dann zu Pfandbesitz
aushändigte und hiebei (auf Veranlassung des Geschäftsleiters der Fleisch
A.G., Walder) für sich und seinen Bruder (mit dessen Zustimmung) dem
Pfandrecht des Beklagten den Vorrang einräumte.
B. ­ Am 17. Mai 1944 verkaufte die Fleisch A.G. die Pfandliegenschaft an die
Klägerin, Neue Fleisch A.G. Diese übernahm auf Anrechnung an den Kaufpreis von
Fr. 200000.­die Hypotheken im 1. bis 4. Rang und ferner die restliche Schuld
von Fr. 4000.­ gegenüber dem Beklagten. Der Kaufvertrag bestimmt hiezu: «Mit
der Anerkennung des Käufers als Schuldner durch A. Massmünster geht der
Faustpfand-Schuldbrief ins Eigentum des Käufers über. ­ Sollte Herr
Massmünster allfällig weitere Ansprüche an den Schuldbrief geltend machen
wollen, so übernimmt die Käuferin Neue Fleisch A.G. die Erledigung dieser
Angelegenheit».
C. ­ Von dieser Schuldübernahme gab das Grundbuchamt dem Beklagten am 20. Mai
1944 Kenntnis. Am 7. Juni 1944 teilte die Bank A.G. Leu und Co. dem Beklagten
mit, sie sei von der Klägerin mit der Einlösung des Schuldbriefes beauftragt
und stelle ihm den Kapitalbetrag von Fr. 4000.­ samt dem am 10. Juni 1944
verfallenden Halbjahreszins von Fr. 120.­gegen Rückgabe des Schuldbriefes zur
Verfügung. Der Beklagte wies demgegenüber auf das nachgehende Pfandrecht der
Brüder Guggenbühl hin, denen er den Schuldbrief nach Tilgung seiner eigenen
Forderung herauszugeben habe.

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Die Brüder Guggenbühl machten denn auch sowohl der Klägerin wie dem Beklagten
gegenüber ihr Pfandrecht geltend.
D. ­ Die vorliegende Klage auf Herausgabe des Schuldbriefes gegen Zahlung von
Fr. 4129.75 wurde, gemäss dem Antrage des Beklagten und der Intervenienten
Emil und Adolf Guggenbühl, in beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, vom
Obergericht des Standes Zürich am 26. März 1946. Mit der vorliegenden Berufung
hält die Klägerin an ihrem Begehren fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Die Legitimation der Klägerin zur Sache ist gegeben. Die Klägerin ist
nach der eindeutigen Klausel des Kaufvertrages Eigentümerin des Schuldbriefes
geworden, sobald der Beklagte der Schuldübernahme zustimmte. Das hat er nach
den Feststellungen der kantonalen Gerichte getan. Freilich war ihm der
Eigentumsübergang nicht gemäss Art. 924 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 924 - 1 Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt.
1    Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt.
2    Gegenüber dem Dritten ist dieser Besitzesübergang erst dann wirksam, wenn ihm der Veräusserer davon Anzeige gemacht hat.
3    Der Dritte kann dem Erwerber die Herausgabe aus den gleichen Gründen verweigern, aus denen er sie dem Veräusserer hätte verweigern können.
ZGB von der Verkäuferin
mitgeteilt worden. Aber nach dem Kaufvertrag muss die Klägerin als befugt
gelten, dies von sich aus zu tun. Und sie hat den Eigentumsübergang dem
Beklagten spätestens mit der vorliegenden Klage angezeigt, mit wörtlicher
Wiedergabe der betreffenden Vertragsklausel. Sie ist daher berechtigt, als
Eigentümerin des Schuldbriefes aufzutreten, und nicht auf einen bloss
obligatorischen Herausgabeanspruch angewiesen.
2. ­ Der Faustpfandgläubiger ist von Gesetzes wegen verpflichtet, nach Tilgung
seiner Forderung den Pfandgegenstand «dem Berechtigten» herauszugeben (Art.
889
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 889 - 1 Ist das Pfandrecht infolge der Tilgung der Forderung oder aus anderem Grunde untergegangen, so hat der Gläubiger die Pfandsache an den Berechtigten herauszugeben.
1    Ist das Pfandrecht infolge der Tilgung der Forderung oder aus anderem Grunde untergegangen, so hat der Gläubiger die Pfandsache an den Berechtigten herauszugeben.
2    Vor seiner vollen Befriedigung ist er nicht verpflichtet, das Pfand ganz oder zum Teil herauszugeben.
ZGB). Gleiches gilt bei verpfändeten Wertpapieren (Art. 899).
«Berechtigter» ist in der Regel der Eigentümer des Pfandes. Doch kann es unter
Umständen eine andere Person sein. Insbesondere steht im Fall einer
Nachverpfändung der Herausgabeanspruch nicht dem Eigentümer, sondern dem
nachgehenden Pfandgläubiger zu (Art. 886
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 886 - Ein nachgehendes Faustpfand wird dadurch bestellt, dass der Faustpfandgläubiger schriftlich von der Nachverpfändung benachrichtigt und angewiesen wird, nach seiner Befriedigung das Pfand an den nachfolgenden Gläubiger herauszugeben.
und 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
ZGB; die letztere Vorschrift
gilt unter

Seite: 354
Ausschluss der erstern bei Wertpapieren, auch solchen auf den Inhaber, BGE 66
II 21
). Entsprechendes muss auch in andern Fällen mehrfacher Verpfändung
derselben Sache oder desselben Wertpapieres gelten; dies dann, wenn neben dem
Pfandrecht des befriedigten Gläubigers ein solches im gleichen oder sogar in
vorgehendem Range eines Andern besteht, der (was ausnahmsweise vorkommen mag)
den Pfandgegenstand dem nachgehenden anvertraut hat.
Sollte den Brüdern Guggenbühl ein noch gültiges Pfandrecht zustehen, so
widersetzt sich also der Beklagte dem Herausgabebegehren der Klägerin mit
Recht. Es handelt sich keineswegs um konkurrierende «Forderungen» mehrerer
«Gläubiger», von denen jeder ohne Rücksicht auf den andern klagen könnte (v.
TUHR, Schweiz. Obligationenrecht § 2 VIII). Vielmehr hat der in Frage stehende
weitere Pfandgläubiger einen auch vom Eigentümer zu respektierenden dinglichen
Herausgabeanspruch. Einem solchen allfälligen Rechte der Brüder Guggenbühl
gegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass ihr davon beim
Kauf der Liegenschaft nicht Kenntnis gegeben worden sei, sie also den
Schuldbrief nach Art. 933
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 933 - Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, ist in seinem Erwerbe auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war.
ZGB gutgläubig ohne weitere Lasten ausser dem
Pfandrecht des Beklagten erworben habe. Der Pfandbesitz, wie ihn der Beklagte
auch für die Brüder Guggenbühl ausübt, ist stärker als der fiktive Besitz, wie
er der Klägerin ohne Übergabe des Schuldbriefes übertragen worden ist. Sollte
sie von der (inzwischen in Konkurs geratenen) Verkäuferin getäuscht worden
sein, so mag sie dies mit deren Konkursmasse ausmachen.
3. ­ Keinem Zweifel unterliegt, dass die Brüder Guggenbühl seinerzeit durch
Faustpfandbestellung ein gültiges Pfandrecht erworben haben. Kein Untergang
dieses Rechtes folgt an und für sich aus der Übergabe des Schuldbriefes an den
Beklagten; denn ein Faustpfand kann ohne Rechtsverlust Dritthänden anvertraut
werden, sofern es nur nicht in die ausschliessliche Gewalt des Eigentümers

Seite: 355
gerät (Art. 884 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 884 - 1 Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird.
1    Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird.
2    Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen.
3    Das Pfandrecht ist nicht begründet, solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält.
, 888
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 888 - 1 Das Faustpfandrecht geht unter, sobald der Gläubiger die Pfandsache nicht mehr besitzt und auch von dritten Besitzern nicht zurückverlangen kann.
1    Das Faustpfandrecht geht unter, sobald der Gläubiger die Pfandsache nicht mehr besitzt und auch von dritten Besitzern nicht zurückverlangen kann.
2    Es hat keine Wirkung, solange sich das Pfand mit Willen des Gläubigers in der ausschliesslichen Gewalt des Verpfänders befindet.
ZGB). Auch ein Verzicht der Brüder Guggenbühl
liegt nicht vor. Dagegen wurde dem Beklagten mündlich der Vorrang eingeräumt.
Es frägt sich, ob dies ohne schriftliche Anzeige im Sinne von Art. 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
ZGB
gültig geschehen konnte.
Vor dem Inkrafttreten des ZGB galt für die Nachverpfändung von Sachen und
Forderungen gleicherweise Art. 217 aOR. Darnach bedurfte es einer (nicht
notwendig schriftlichen) Anzeige an den ersten Pfandgläubiger mit
entsprechender Anweisung. Der Vorentwurf zum ZGB sah für die Nachverpfändung
von Sachen eine schriftliche Anzeige vor (Art. 866). Für die Nachverpfändung
von Forderungen stellte er keine besondere Vorschrift auf, hielt also den Art.
866 kraft der allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften über die Verpfändung
von Sachen für analog anwendbar. Die Erläuterungen heben die Schriftlichkeit
nicht hervor, sondern bemerken, Nachverpfändung und Verpfändung durch den
Pfandgläubiger seien in der gleichen Art beschränkt wie in Art. 217
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 217 - 1 Ist ein Grundstückkauf bedingt abgeschlossen worden, so erfolgt die Eintragung in das Grundbuch erst, wenn die Bedingung erfüllt ist.
1    Ist ein Grundstückkauf bedingt abgeschlossen worden, so erfolgt die Eintragung in das Grundbuch erst, wenn die Bedingung erfüllt ist.
2    Die Eintragung eines Eigentumsvorbehaltes ist ausgeschlossen.
und 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.

OR. Und als man auf Antrag der ständerätlichen Kommission eine besondere
Vorschrift für die Nachverpfändung von Forderungen aufnahm (als Art. 887 bis),
war hiebei wiederum nicht von Schriftlichkeit die Rede (Sten. Bull. der
Bundesversammlung 1906 S. 1425 ff, 1907 NR S. 341 ff.). Erst die
Redaktionskommission ergänzte die Vorschrift so, wie sie nun lautet, offenbar
um sie in dieser Beziehung in Einklang mit der für Sachen geltenden Vorschrift
zu bringen.
Zweck der Anzeige ist bei Wertpapieren wie bei Sachen, den vorgehenden
Pfandgläubiger, in dessen Gewahrsam sich das Pfand gewöhnlich befindet, zum
Pfandhalter für den nachgehenden zu machen. Eine schriftliche Anzeige kann das
Rechtsverhältnis klarer zum Ausdruck bringen als eine mündliche. Aber warum
die Schriftform geradezu Gültigkeitserfordernis sein soll, ist nicht ohne
weiteres ersichtlich. Es kann sich nicht darum handeln, den Verpfänder vor
übereiltem Handeln zu schützen.

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Die Befugnis zur Anzeige steht ja nach Art. 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
ZGB nicht nur ihm, sondern
auch dem nachgehenden Pfandgläubiger zu. Und die Gewähr dafür, dass das
nachgehende Pfandrecht des Dritten dem vorgehenden Pfandgläubiger eindringlich
zum Bewusstsein komme, könnte sich auch aus andern Umständen, z.B. aus dem
eigenen Verhalten des vorgehenden Pfandgläubigers, ergeben. Im Schrifttum ist
als Zweck der Schriftform noch erwähnt, dass auf solche Weise die Daten der
Nachverpfändungen, namentlich wenn es mehrere sind, festgelegt sein sollen
(vgl. HOMBERGER, ZU Art. 924 Nr. 9). Allein die mehrfache Nachverpfändung ist
ein Sonderfall und Datierung der Anzeige nicht vorgeschrieben. Wie dem aber
auch sei, lässt der Wortlaut von Art. 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
gleichwie 886 ZGB nicht wohl eine
andere Auslegung zu, als dass eine Nachverpfändung nur durch schriftliche
Anzeige gültig zustande kommt.
Dagegen besteht keine Veranlassung, dieser Schriftform Fälle zu unterstellen,
die sich nicht als eigentliche Nachverpfändung darstellen. Im vorliegenden
Falle leiten die Brüder Guggenbühl ihr Pfandrecht nicht aus einer
Nachverpfändung, sondern aus einer einwandfreien Faustpfandbestellung her. Als
sie später den Schuldbrief dem Beklagten übergaben, geschah dies nach
Feststellung der kantonalen Gerichte keineswegs im Sinn eines Verzichtes.
Vielmehr einigte man sich dahin, dem Pfandrecht des Beklagten stehe der
Vorrang zu, m.a.W. das eigentlich vorgehende Pfandrecht der Brüder Guggenbühl
trete in nachgehenden Rang. Es ist verständlich, dass die Beteiligten nicht
auf den Gedanken verfielen, ein Pfandrecht könne gar nicht in andern Rang
versetzt werden, es verlöre damit Identität und Existenz, somit sei es um der
angestrebten Reihenfolge wegen aufzuheben und dafür ein neues, eben durch
Nachverpfändung des Schuldbriefes gemäss Art. 903
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
ZGB, zu begründen. Entgegen
der vorherrschenden Lehre zu § 1209 des deutschen BGB ist denn auch Leemann
(zu Art. 893
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 893 - 1 Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
1    Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
2    Der Rang der Pfandrechte wird durch die Zeit ihrer Errichtung bestimmt.
Nr. 4) der Ansicht,

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der nach Art. 893 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 893 - 1 Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
1    Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
2    Der Rang der Pfandrechte wird durch die Zeit ihrer Errichtung bestimmt.
ZGB durch die Zeit der Errichtung bestimmte Rang der
Pfandrechte an Fahrnis könne durch Vereinbarung mit dinglicher Wirkung
verschoben werden. mit Vorbehalt der Zustimmung durch Dritte, zu deren Gunsten
die zurücktretende Forderung allenfalls belastet ist (was im vorliegenden
Falle keine Rolle spielt). Indessen mag diese Frage auf sich beruhen. Da der
Wille der Beteiligten eindeutig dahin ging, das Pfandrecht der Brüder
Guggenbühl fortbestehen zu lassen und ihm lediglich nachgehenden Rang
anzuweisen, kommt nur eine andere Art der Konversion der Vereinbarung in
Betracht, falls ihr dingliche Wirkung versagt sein müsste: die Umdeutung in
eine bloss obligatorische Verpflichtung der Brüder Guggenbühl, den Pfanderlös
vorweg dem Beklagten bis zu dessen Deckung zu überlassen.
So oder so bleibt also das Pfandrecht der Intervenienten bestehen, und
demgemäss auch die gesetzliche Pflicht des Beklagten, den Schuldbrief nach
Tilgung seiner Forderung ihnen, nicht der Klägerin herauszugeben.
4. ­ Diese behauptet endlich mit Unrecht, die Stellungnahme des Beklagten
verstosse gegen Treu und Glauben. Sie will ihn bei folgender Stelle des von
ihm mit der Fleisch A. G. abgeschlossenen Pfandvertrages vom 10. Dezember 1943
behaften: r' Nach restloser Saldierung dieser Darlehensschuld wird dieser
Schuldbrief wieder unbeschwert an die Fleisch A. G. ausgehändigt». Allein
diese Vertragsstelle, die von einer durch die Fleisch A. G. vorgenommenen
Übergabe des Schuldbriefes ausgeht, während der Beklagte diesen von Adolf
Guggenbühl erhielt, und welche dem Pfandrecht der Brüder Guggenbühl keine
Rechnung trägt, vermag diesem Recht nichts anzuhaben und auch die gesetzliche
Pflicht des Beklagten, sich daran zu halten, nicht aufzuheben. Höchstens frägt
sich, ob die Klägerin daraus (gegen die in Konkurs geratene Fleisch A. G., die
ihm das Pfandrecht der Intervenienten verschwiegen zu haben scheint, sowie
allenfalls) gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche herleiten

Seite: 358
könne. Dies bildet jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Standes
Zürich vom 26. März 1946 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 II 351
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 18. September 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 II 351
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 886 und 903 ZGB: Nichtanwendung dieser Vorschriften auf einen Fall mehrfacher Verpfändung, der...


Gesetzesregister
OR: 217 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 217 - 1 Ist ein Grundstückkauf bedingt abgeschlossen worden, so erfolgt die Eintragung in das Grundbuch erst, wenn die Bedingung erfüllt ist.
1    Ist ein Grundstückkauf bedingt abgeschlossen worden, so erfolgt die Eintragung in das Grundbuch erst, wenn die Bedingung erfüllt ist.
2    Die Eintragung eines Eigentumsvorbehaltes ist ausgeschlossen.
218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
ZGB: 884 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 884 - 1 Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird.
1    Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird.
2    Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen.
3    Das Pfandrecht ist nicht begründet, solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält.
886 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 886 - Ein nachgehendes Faustpfand wird dadurch bestellt, dass der Faustpfandgläubiger schriftlich von der Nachverpfändung benachrichtigt und angewiesen wird, nach seiner Befriedigung das Pfand an den nachfolgenden Gläubiger herauszugeben.
888 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 888 - 1 Das Faustpfandrecht geht unter, sobald der Gläubiger die Pfandsache nicht mehr besitzt und auch von dritten Besitzern nicht zurückverlangen kann.
1    Das Faustpfandrecht geht unter, sobald der Gläubiger die Pfandsache nicht mehr besitzt und auch von dritten Besitzern nicht zurückverlangen kann.
2    Es hat keine Wirkung, solange sich das Pfand mit Willen des Gläubigers in der ausschliesslichen Gewalt des Verpfänders befindet.
889 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 889 - 1 Ist das Pfandrecht infolge der Tilgung der Forderung oder aus anderem Grunde untergegangen, so hat der Gläubiger die Pfandsache an den Berechtigten herauszugeben.
1    Ist das Pfandrecht infolge der Tilgung der Forderung oder aus anderem Grunde untergegangen, so hat der Gläubiger die Pfandsache an den Berechtigten herauszugeben.
2    Vor seiner vollen Befriedigung ist er nicht verpflichtet, das Pfand ganz oder zum Teil herauszugeben.
893 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 893 - 1 Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
1    Haften mehrere Pfandrechte auf der gleichen Sache, so werden die Gläubiger nach ihrem Range befriedigt.
2    Der Rang der Pfandrechte wird durch die Zeit ihrer Errichtung bestimmt.
903 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 903 - Ein nachgehendes Forderungspfandrecht ist nur gültig, wenn der vorgehende Pfandgläubiger vom Gläubiger der Forderung oder vom nachgehenden Pfandgläubiger von der Nachverpfändung schriftlich benachrichtigt wird.
924 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 924 - 1 Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt.
1    Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt.
2    Gegenüber dem Dritten ist dieser Besitzesübergang erst dann wirksam, wenn ihm der Veräusserer davon Anzeige gemacht hat.
3    Der Dritte kann dem Erwerber die Herausgabe aus den gleichen Gründen verweigern, aus denen er sie dem Veräusserer hätte verweigern können.
933
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 933 - Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, ist in seinem Erwerbe auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war.
BGE Register
66-II-18 • 72-II-351
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • fleisch • rang • wertpapier • pfand • wille • faustpfand • kenntnis • bundesgericht • stelle • frage • darlehen • vertragsklausel • entscheid • begründung des entscheids • änderung • unrichtige rechtsmittelbezeichnung • erlöschen der obligation • weisung • rückerstattung
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