S. 226 / Nr. 40 Verwaltungs- und Disziplinarrecht (d)

BGE 72 I 226

40. Urteil vom 27. September 1946 i.S. Zürcher gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14, Abs. 1, lit. b WUStB für «Käse
(einschliesslich Zieger und Quark)» angeordnete Steuerbefreiung erstreckt sich
auch auf die Produkte «Nähr-mi» und «Mipro» (fettarmer, nicht rationierter
Sohachtelkäse).
Impôt sur le chiffre d'affaires: L'exonération prévue à l'art. 14 al. 1 lit. b
AChA pour le «fromage (y compris le sérac et le séré)» s'étend aussi aux
produits «Nähr-mi» et «Mipro» fromage en boîtes, pauvre en graisses et non
rationné).
Imposta sulla cifra d'affari: L'esenzione prevista dall'art. 14 op. 1 lett. b
DJCA per «formaggio (compreso lo ziger e la giuncata) si estende anche ai
prodotti «Nähr-mi» e «Mipro» (formaggio in iscatole, poco grasso e non
razionato).


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A. - Der Rekurrent stellt seit dem 1. Oktober 1943 ein Nährmittel her, das
sich hauptsächlich aus eingedickter Buttermilch, Molkenzieger und
notleidendem, nicht mehr marktfähigem Magerkäse zusammensetzt. Das
Herstellungsverfahren ist dasselbe wie bei Schachtelkäse; die Qualität ist
jedoch geringer, weil als Rohstoffe Abfallprodukte mit bereits verminderter
Haltbarkeit verwendet werden. Die Sektion für Milch und Milchprodukte des
eidg. Kriegsernährungsamtes begrüsste das Vorgehen des Rekurrenten, weil
dadurch Nebenprodukte der durch den Krieg erforderten vermehrten
Butterfabrikation, insbesondere notleidender Magerkäse, der sonst nur zur
Tierfütterung verwendbar war, der menschlichen Ernährung dienstbar gemacht
werden konnten. Das Produkt des Rekurrenten wurde deshalb der Rationierung
nicht unterstellt. Anderseits wurde ihm untersagt, es als Käse oder
Schachtelkäse zu bezeichnen. Er brachte es als Käsestreckmittel «Mipro» in 2
kg-Packungen und als Brotaufstrich «Nähr-mi» in 125 kg-Packungen in den
Handel. Der Inlandabsatz war gut, solange der Käse scharf rationiert war, ging
aber stark zurück, als die Käserationen grösser wurden. In diesem Zeitpunkt
wurde deshalb die Ausfuhr der Produkte des Rekurrenten zugelassen; um den Ruf
des Schweizerkäses nicht zu gefährden, wurde ihre Bezeichnung als Käse oder
Schachtelkäse ebenfalls untersagt, und dementsprechend wurden sie nicht den
Zollpositionen 98-99, sondern der Position 103 (Konserven und Gegenstände des
feinern Tafelgenusses) unterstellt.
Der Rekurrent wurde als Grossist im Sinne des Art. 9 WUStB eingetragen. Er
machte geltend, sein Produkt sei gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB
steuerfrei, weil es aus Zieger, Buttermilch und Käse hergestellt sei. Gegen
den ablehnenden Entscheid der eidg. Steuerverwaltung erhob er Einsprache.
B. - Mit Entscheid vom 27. April 1946 hat die Steuerverwaltung die Einsprache
abgewiesen. Zur Begründung

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wird ausgeführt, nach Art. 13 WUStB seien der Steuer grundsätzlich die Umsätze
aller Arten von Waren unterstellt. Ausgenommen sei lediglich eine ganz
beschränkte Anzahl von Produkten, die in Art. 14 Abs. 1 lit. b besonders
aufgeführt seien, darunter «Käse (einschliesslich Zieger und Quark)». Der Sinn
dieser Ordnung könne nur der sein, die Steuerbefreiung auf die aufgeführten
Waren zu beschränken und alle andern davon auszuschliessen. Bei der Prüfung,
ob eine Ware steuerfrei sei, sei auf den Wortlaut des Gesetzes abzustellen und
dieser nach dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung auszulegen. Soweit
der Gesetzgeber neben dem Grundprodukt auch gewisse Neben- und Nachprodukte
von der Steuer habe ausnehmen wollen, habe er es ausdrücklich gesagt, so
betreffend Zieger und Quark. Die Produkte des Rekurrenten seien weder Käse
noch Zieger oder Quark; der Rekurrent behaupte das auch nicht, sondern wolle
ihre Steuerfreiheit daraus herleiten, dass alle zu ihrer Herstellung
verwendeten Grundstoffe von der Steuer befreit seien. Darauf komme es jedoch
nicht an; so seien die Teigwaren, die ebenfalls aus steuerbefreiten
Grundstoffen hergestellt würden, der Steuer unterstellt. Der Gesetzgeber habe
die Steuerbefreiung auf die einzeln aufgeführten Waren beschränken und nicht
auf die daraus herstellten Produkte ausdehnen wollen. Mit der Ordnung der
Steuer auf den Inlandumsätzen stehe ihre Regelung bei der Wareneinfuhr im
Einklang; auch dort würden die Produkte des Rekurrenten erfasst, da sie der
Zollposition Nr. 103 unterstehen.
C. - Mit verwaltungsgerichtlicher Beschwerde beantragt der Rekurrent, diesen
Entscheid aufzuheben und seine Artikel «Nähr-mi» und «Mipro» als
umsatzsteuerfrei zu bezeichnen. Er macht geltend, sein Produkt entspreche nach
Herstellung und Bestandteilen genau dem Schachtelkäse, mit dem einzigen
Unterschied, dass die von ihm verwendeten Rohkäse vorwiegend Magerkäse seien
und der Fettgehalt des Endproduktes durchschnittlich

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nur 7% betrage. Er habe es zuerst als «couponfreien unterfettigen
Schachtelkäse» in den Handel bringen wollen, ihm aber wegen des Widerstandes
der Schachtelkäsefabrikanten einen Phantasienamen geben und es als
Brotaufstrich verkaufen müssen; an seinem Inhalt ändere das nichts. Es müsse
daher ebenso wie der Schachtelkäse umsatzsteuerfrei sein. Lediglich deswegen,
weil man dem Rekurrenten die Ausfuhr habe gestatten wollen, der Käseexport
aber verboten gewesen sei, habe man sein Produkt in die Zollposition Nr. 103
eingereiht. Er hätte hiegegen protestiert, wenn er gewusst hätte, dass ihm die
Steuerverwaltung daraus einen Strick drehen werde. Massgebend sei nicht diese
Verlegenheitslösung, sondern was das Produkt wirklich sei. Der angefochtene
Entscheid verletze Art. 14 WUStB.
D. - Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde. Massgebend
sei vor allem der Name, die handelsübliche Bezeichnung der Ware. Hier handle
es sich also darum, ob das Produkt vom Publikum als «Käse» bezeichnet werde
oder nicht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
in Erwägung:
Nach Art. 13 WUStB unterliegen grundsätzlich alle Waren der Steuer;
ausgenommen ist nur eine beschränkte Anzahl in Art. 14 Abs. 1 lit. b einzeln
aufgeführter Produkte, fast durchweg im täglichen Haushalt verwendete
Lebensmittel oder Hilfsmittel zu deren Zubereitung. Wie in BGE 69 I 113
ausgeführt wird, ist der Sinn einer solchen Ordnung offenbar der, die
Steuerbefreiung auf die aufgeführten Waren zu beschränken und alle andern
Erzeugnisse davon auszuschliessen. Dies führt dazu, dass sich die Anwendung
des Gesetzes genau an den Wortlaut zu halten hat, wobei bei Gegenständen des
allgemeinen täglichen Bedarfes richtigerweise auf den landläufigen
Sprachgebrauch abgestellt und jede weitergehende Befreiung abgelehnt wird. Der
Gesetzgeber hat denn auch, wo

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er über den Sprachgebrauch hinausgehen, Nach- und Nebenprodukte in die
Befreiung einbeziehen wollte, die entsprechenden Anordnungen selbst getroffen,
so insbesondere bei den Milchprodukten. Während in der ursprünglichen Fassung
vom 29. Juli 1941 nur die frische Milch und später vorübergehend auch frische
und eingesottene Butter sowie Weich- und Hartkäse von der Steuer befreit
wurden, führt die jetzige Fassung vom 20. November 1942 als steuerfrei auf:
«Milch (Vollmilch, Magermilch, Buttermilch und Rahm, frisch oder
pasteurisiert, Yoghurt- und Kefirmilch, Schotte), Butter (frisch, gesalzen
oder eingesotten), Käse (einschliesslich Zieger und Quark)». Es fragt sich, ob
das Produkt des Rekurrenten hierunter fällt.
Er macht geltend, weil es sich aus Magerkäse, Buttermilch und Molkenzieger,
somit aus lauter steuerfreien Bestandteilen zusammensetze und vom
Schachtelkäse in nichts als dem geringeren Fettgehalt unterscheide, müsse es
ebenso wie dieser von der Warenumsatzsteuer befreit sein. Die eidg.
Steuerverwaltung dagegen stellt auf den Namen des Produktes ab, wonach es kein
Käse, sondern ein Käsestreckmittel bzw. Brotaufstrich sei. Entscheidend ist
aber nach dem oben Gesagten weder Herstellung und Zusammensetzung des
Produktes noch sein Name, sondern die Frage, ob es nach dem landläufigen
Sprachgebrauch in der Aufzählung in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB enthalten ist;
dabei sind freilich jene beiden Momente mit zu berücksichtigen. In Betracht
fällt einzig die Warengattung «Käse»; nicht genannte Nach- und Nebenprodukte
sind nicht darin einzubeziehen, während immerhin aus der Formulierung
«einschliesslich Zieger und Quark» hervorgeht, dass der Gesetzgeber selbst den
Begriff «Käse» nicht so eng als möglich fasst. Unbestritten ist, dass darunter
nicht nur Laib-, sondern auch Schachtelkäse verstanden ist. Es ist deshalb von
Bedeutung, dass der Rekurrent geltend macht, sein Produkt sei nichts anderes
als Schachtelkäse mit geringerem Fettgehalt.

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Das wird weitgehend bestätigt durch die von der eidg. Steuerverwaltung
eingeholte Auskunft der Sektion für Milch und Milchprodukte des
Kriegsernährungsamtes. Daraus ergibt sich, dass das Produkt des Rekurrenten
sowohl nach dem Fabrikationsverfahren als nach der chemischen Zusammensetzung
als Käse anzusprechen ist und insbesondere gleich hergestellt wird wie
Schachtelkäse, von dem es sich nur nach der Qualität, namentlich im Fettgehalt
und in der Haltbarkeit, unterscheidet. «Es bestehen keine Kriterien, weder
chemischer noch physikalischer Natur, welche die Bezeichnung Schachtelkäse
ausschliessen würden.» Deren Verwendung wurde dem Rekurrenten lediglich
deshalb verboten, um nicht couponfreie Produkte unter der gleichen Bezeichnung
zuzulassen wie die der Rationierung unterstellten Schachtelkäse und um auch im
Hinblick auf das Qualitätsprinzip eine solche Gleichstellung zu vermeiden. Aus
demselben Grunde wurden die Produkte des Rekurrenten in der Folge von der
Zollbehörde in die Position Nr. 103 und nicht als Käse eingereiht. In einem
Schreiben an die Oberzolldirektion erklärt die gleiche Sektion allerdings,
dass das Produkt des Rekurrenten «trotz seiner äusserlichen Ähnlichkeit mit
Schachtelkäse nicht die spezifischen Eigenschaften aufweist, um als Käse
tarifiert werden zu können»; zur Begründung wird aber lediglich auf den
Qualitätsunterschied und die Notwendigkeit, den guten Ruf der traditionellen
Exportkäsesorten zu wahren, hingewiesen. Die verschiedenen Äusserungen der
Sektion für Milch und Milchprodukte lassen keinen Zweifel darüber, dass
«Nähr-mi» und «Mipro» im Sinne der Lebensmittelgesetzgebung, nach
Zusammensetzung und Herstellungsart, Käse darstellen und nur aus Gründen, die
mit der Rationierung und dem Qualitätsschutz zusammenhängen, nicht als solcher
bezeichnet werden durften.
Diesem Ergebnis entspricht aber auch der landläufige Sprachgebrauch, die
Auffassung des kaufenden Publikums. Sie wird im wesentlichen bestimmt durch
die Verwendung

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der Ware. Diese ist beim «Nähr-mi» durchaus gleich wie bei Schachtelkäse; es
wird zwar als Brotaufstrich bezeichnet, ist aber nicht sehr gut streichbar und
wird eher in dünnen Schnitten aufgelegt wie jener. «Mipro» wird verwendet wie
Kochkäse; das geht deutlich aus den Rezepten hervor, wo zwar die Bezeichnung
Käse streng vermieden, aber durchweg empfohlen wird, einen Teil «Mipro» und
einen Teil Käse in gleicher Weise zu verwenden. Das Publikum hat denn auch
nicht auf die Bezeichnungen Brotaufstrich und Käsestreckmittel abgestellt,
sondern das Produkt ­ sachlich zutreffend ­ als einen fettarmen und deshalb
couponfreien Schachtelkäse betrachtet. Nach landläufigem Sprachgebrauch steht
es dem Käse jedenfalls wesentlich näher als Zieger und Quark. Damit fällt es
aber unter den Begriff «Käse» im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. WUStB, der
ausdrücklich auf Zieger und Quark erstreckt wird. Freilich wird es nicht
besonders erwähnt wie jene Neben- oder Nachprodukte; dazu bestand jedoch so
wenig Anlass wie beim gewöhnlichen Schachtelkäse, dessen Einbeziehung als
selbstverständlich galt ­ ganz abgesehen davon, dass die Aufzählung nur
Warengattungen, nicht einzelne Fabrikate erwähnt und dasjenige des Rekurrenten
bei ihrem Erlass noch gar nicht existierte. Aus der Formulierung «Käse
(einschliesslich Zieger und Quark)» und der stillschweigenden Einbeziehung des
Schachtelkäses muss geschlossen werden, dass auch ein dem Schachtelkäse
ähnliches Produkt wie dasjenige des Rekurrenten inbegriffen ist, ohne
besonders genannt zu werden. Die Verhältnisse liegen hier wesentlich anders
als in BGE 69 I 114, wo es darum ging, ob der im Gesetz ohne jeden Zusatz
verwendete Begriff «Brot» auf ein nach Form, Fabrikation und auch Grundstoff
vom Brot im landläufigen Sinne verschiedenes Spezialprodukt («Knäckebrot»)
ausgedehnt werden könne.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 I 226
Date : 01. Januar 1946
Published : 26. September 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 I 226
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14, Abs. 1, lit. b WUStB für «Käse (einschliesslich Zieger und...


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