S. 212 / Nr. 48 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 212

48. Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1945 i.S. Hottinger gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.

Regeste:
1. Art. 269 Abs. 1 BStrP. Ob eine Tat «leichter Fall» bezw. «schwerer Fall»
ist, ist Rechtsfrage.
2. Art. 251 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. «Besonders leichter Fall» von Urkundenfälschung
verneint.
1. Art. 269 al. 1 PPF. C'est une question de droit que de savoir si une
infraction constitue un «cas de peu de gravité» ou un «cas grave».
2. Art. 251 ch. 3 CP. Quand un faux dans les titres est-il un «cas de très peu
de gravité»?
1. Art. 269, cp. 1 PPF. È una questione di diritto se un'infrazione sia un
caso di «poca gravità» o un caso «grave».
2. Art. 251, cifra 3 CP. Quando un falso in documenti è un caso di «esigua
gravità»?

A. ­ Walter Hottinger stellt in seinem Haushalt Biskuits her und verkauft sie.
Die Rationierungsausweise, welche er dafür einzieht, hat er auf der kantonalen
Zentralstelle für Kriegswirtschaft in Basel gegen Grossbezügerkarten
umzutauschen. Bei diesem Anlass stellt ihm der Beamte des Bureaus Nr. 11 eine
Anweisung aus, auf welcher angegeben wird, für wieviel Ware ihm
Grossbezügerkarten auszuhändigen sind. Diese Karten hat er hierauf im Bureau
Nr. 10 gegen Abgabe der Anweisung in Empfang zu nehmen. Der Beamte dieses
Bureaus verlässt sich dabei einzig auf den Wortlaut der Anweisung. Am 25.
April 1944 hatte Hottinger Anspruch auf

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Grossbezügerkarten für 12 kg. Mehl. Er setzte der Zahl 12 auf der Anweisung
eine Eins vor und erreichte damit, dass ihm Karten für 112 kg. gegeben wurden.
Am 31. Juli 1944 änderte er nach dem Verlassen des Bureaus Nr. 11 die
Anweisung dahin ab, dass er der Ziffer 9 die Ziffer 7 vorsetzte, worauf er im
Bureau Nr. 10 Grossbezügerkarten statt für 9 kg. Mehl für 79 kg. erhob. Diese
Fälschung wurde kurz nachher entdeckt, weil der nachfolgende Besucher des
Bureaus Nr. 10 den Beamten darauf aufmerksam machte, dass sich Hottinger im
Vorraum verdächtig benommen hatte. Durch Nachkontrolle der früheren
Anweisungen deckte die Zentralstelle hernach auch die Fälschung vom 25. April
1944 auf.
B. ­ Am 13. März 1945 erklärte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt
Hottinger der wiederholten Fälschung öffentlicher Urkunden schuldig und
verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis. Es würdigte die beiden Vergehen als
besonders leichte Fälle im Sinne des Art. 251 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. Zur Begründung
führte es an, die beiden Urkunden seien nur dazu bestimmt gewesen, gegenüber
der ausstellenden Behörde selbst gebraucht zu werden. Der beabsichtigte und
erlangte rechtswidrige Vorteil sei nicht sehr erheblich und der Schaden wieder
gutgemacht. Hottinger habe noch eine verhältnismässig empfindlichere Strafe
durch ein kriegswirtschaftliches Strafgericht zu erwarten. Zuvielbezüge wie
jene des Angeklagten würden später auf alle Fälle entdeckt werden. Die Tat sei
nicht raffiniert. Die Fälschungen seien ausserordentlich leicht durchzuführen
gewesen. Ähnliche Fälle könnten leicht verhindert werden, wenn der Beamte,
welcher die Anweisung ausstellt, sie statt dem Bezugsberechtigten direkt dem
Beamten, der die Grossbezügerkarten abzugeben hat, aushändigen würde. Der
Angeklagte habe in einer gewissen Notlage gehandelt, da er auf den Verdienst
aus der Herstellung von Biskuits angewiesen sei. Auch möge er sich subjektiv
teilweise als entlastet betrachtet haben, weil er glaubhaft angebe, er habe
früher erheblich weniger Mehl

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bezogen, als er hätte beziehen dürfen. Schliesslich sei auch noch zu
berücksichtigen, dass er die Tat schon im kriegswirtschaftlichen
Untersuchungsverfahren gestanden habe.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft änderte das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt am 14. August 1945 dieses Urteil dahin ab, dass es
Hottinger in Anwendung von Art. 251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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, 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
1    Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
2    Hat jemand gegen einen Minderjährigen oder eine andere besonders schutzbedürftige Person ein Verbrechen oder Vergehen begangen und besteht die Gefahr, dass er in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, weitere Straftaten dieser Art begeht, so kann ihm das Gericht die betreffende Tätigkeit für ein Jahr bis zehn Jahre verbieten.
2bis    Das Gericht kann das Verbot nach Absatz 2 lebenslänglich verhängen, wenn zu erwarten ist, dass die Dauer von zehn Jahren nicht ausreicht, damit vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Es kann ein zeitlich befristetes Verbot nach Absatz 2 auf Antrag der Vollzugsbehörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen, wie sie Anlass für das Verbot waren, abzuhalten.95
3    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst:
a  Menschenhandel (Art. 182), sofern er die Straftat zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an einem minderjährigen Opfer begangen hat;
b  sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187), sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) oder sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196);
c  sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191), Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit (Art. 193), Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung (Art. 193a), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195), unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat an oder vor einem minderjährigen Opfer begangen hat;
d  Pornografie (Art. 197):
d1  nach Artikel 197 Absatz 1 oder 3,
d2  nach Artikel 197 Absatz 4 oder 5, sofern die Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatten.97
4    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu volljährigen, besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, sowie jede berufliche oder jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt:
a  Menschenhandel (Art. 182) zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191), Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit (Art. 193), Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung (Art. 193a), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195), unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat begangen hat an oder vor:98
a1  einem volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfer, oder
a2  einem volljährigen nicht besonders schutzbedürftigen Opfer, das zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig war oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zu Wehr setzen konnte;
b  Pornografie (Art. 197 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 oder 5), sofern die Gegenstände oder Vorführungen zum Inhalt hatten:
b1  sexuelle Handlungen mit volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfern, oder
b2  sexuelle Handlungen mit volljährigen, nicht besonders schutzbedürftigen Opfern, die zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig waren oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnten.99
4bis    Das Gericht kann in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach Absatz 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter:
a  verurteilt worden ist wegen Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 2 und 3), Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 2 und 3), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195); oder
b  gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist.101
5    Wird der Täter im selben Verfahren wegen mehrerer Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird gegen ihn deswegen eine Massnahme angeordnet, so legt das Gericht fest, welcher Anteil der Strafe oder welche Massnahme auf eine Straftat entfällt, die ein Tätigkeitsverbot nach sich zieht. Dieser Strafanteil, die Massnahme sowie die Straftat sind massgebend dafür, ob ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1, 2, 2bis, 3 oder 4 verhängt wird. Die Strafanteile für mehrere einschlägige Straftaten werden addiert. Es können mehrere Tätigkeitsverbote verhängt werden.102
6    Das Gericht kann für die Dauer der Verbote Bewährungshilfe anordnen.103
7    ...104
und 68
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB zu sieben Monaten
Gefängnis verurteilte. Es führte aus, Art. 251 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB treffe nicht zu,
weil sich der Angeklagte durch die beiden Fälschungen einen erheblichen
rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen versucht habe. Die beiden Urkunden seien
wichtig; sie dienten nicht nur dem internen Verkehr des
Kriegswirtschaftsamtes, sondern auch als Abrechnungsbelege gegenüber den
Bundesbehörden. Der Angeklagte habe aus Eigennutz gehandelt. Dass die
Fälschungen leicht vorgenommen werden konnten und früher oder später entdeckt
werden mussten, sei nicht erheblich. Auch die übrigen Gründe, welche die
Vorinstanz anführe, seien lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen,
könnten dagegen die rechtliche Qualifikation der Tat nicht beeinflussen.
C. - Hottinger ficht das Urteil des Appellationsgerichts mit der
Nichtigkeitsbeschwerde an. Er beantragt, es sei aufzuheben und die Sache sei
zur Anwendung des Art. 251 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er
macht sich im wesentlichen die Erwägungen des Strafgerichts zu eigen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Die Anweisungen, welche der Beschwerdeführer gefälscht hat, sind
öffentliche Urkunden im Sinne des Art. 251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB, denn ein Beamter hat
sie kraft seines Amtes ausgestellt (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB). Die beiden
Verbrechen ziehen deshalb mindestens sechs Monate Gefängnis nach sich (Art.
251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB), es sei denn, dass sie als «besonders leichte Fälle» im
Sinne des Art. 251 Ziff. 3 gewürdigt werden können.

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Ob das möglich ist, ist nicht eine Frage der Strafzumessung, in welcher das
Gesetz dem Ermessen der kantonalen Behörden innerhalb vernünftiger Grenzen
freien Spielraum lässt, sondern es ist eine Frage der Qualifikation der Tat,
also eine vom Kassationshof frei zu überprüfende Rechtsfrage. Es verhält sich
gleich wie beispielsweise bei der Abgrenzung der schweren Körperverletzung von
der einfachen, des ausgezeichneten Diebstahls vom einfachen, der Entwendung
vom Diebstahl. Wie bei der Körperverletzung der Begriff der «schweren
Schädigung» (Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB), beim Diebstahl der Begriff der
«besonderen Gefährlichkeit» (Art. 137 Ziff. 2 Abs. 4), bei der Entwendung der
Begriff des «geringen Wertes» (Art. 138 Abs. 1) Rechtsbegriffe sind, über
deren richtige Anwendung der Kassationshof zu wachen hat, sind auch die
Begriffe des «leichten», des «besonders leichten» und des «schweren» Falles,
wie das Gesetz sie zur Abstufung der Strafdrohungen wiederholt verwendet (Art.
123 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 143 Abs. 2, Art. 144 Abs. 2, Art. 272 Ziff. 2
usw.), Rechtsbegriffe, die nicht im einen Kanton so, im andern anders
ausgelegt werden dürfen, erst recht nicht, wenn von der Qualifikation als
schwerer oder leichter Fall die Qualifikation als Verbrechen, Vergehen oder
Übertretung abhängt (vgl. z.B. Art. 240 Abs. 2, 272 Ziff. 2). Freilich können
sie nicht fest umschrieben werden, und es bleibt dem richterlichen Ermessen
bei ihrer Auslegung notwendig ein gewisser Spielraum. Anhand der Anwendung auf
den einzelnen Fall lässt sich jedoch sagen, ob der kantonale Richter sie
grundsätzlich richtig auffasst. Die Rechtsprechung des
Militärkassationsgerichts, wonach die untere Instanz über die Abgrenzung der
leichten, disziplinarisch zu ahndenden, von den nicht leichten Fällen
innerhalb der Grenzen vernünftigen Ermessens endgültig entscheidet (MKGE 1915
- 1925 Nr. 5, 36,1926 - 1935 Nr. 44, 46), lässt sich nicht auf das bürgerliche
Strafverfahren übertragen. Sie erklärt sich hauptsächlich aus der dem
Militärstrafverfahren eigenen Ordnung, die es schon ins

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Ermessen des Truppenkommandanten stellt, den Schuldigen disziplinarisch zu
bestrafen, statt gegen ihn eine Voruntersuchung zu befehlen. Die Abgrenzung
der «schweren» von den gewöhnlichen Fällen (z.B. Art. 272 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 272 - 1. Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
1    Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Als schwerer Fall gilt es insbesondere, wenn der Täter zu Handlungen aufreizt oder falsche Berichte erstattet, die geeignet sind, die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden.
StGB)
betrachtet auch das Militärkassationsgericht als frei überprüfbare
Rechtsfrage.
2. ­ Art. 251 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB privilegiert nicht die «leichten», sondern nur die
«besonders leichten Fälle», «les cas de très peu de gravité», wie der
französische Text sagt. Das Gesetz will also bei der Abgrenzung der
privilegierten von den einfachen Fällen einen strengen Massstab angelegt
wissen. Der Richter soll nicht leichthin Art. 251 Ziff. 3 anwenden, wenn ihm
die Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis als hart erscheint; das Gesetz
will die Fälschung öffentlicher Urkunden streng bestrafen.
Die beiden zu beurteilenden Fälschungen sind nicht besonders leichte Fälle.
Der Beschwerdeführer hat sie in der Absicht begangen, sich ein Vielfaches der
ihm zukommenden Grossbezügerkarten für Mehl zu verschaffen, und hat von den
gefälschten Urkunden auch Gebrauch gemacht und den beabsichtigten Vorteil
erlangt. Dass die beiden Anweisungen nur dazu bestimmt waren, gegenüber der
Behörde, nicht auch gegenüber privaten Personen benützt zu werden, ist
belanglos. Da die Tat einfach zu begehen war, mag dem Beschwerdeführer der
Entschluss leicht gefallen sein, was aber den Fall nicht zum besonders
leichten macht. Auch die «gewisse Notlage», in welche ihn die Rationierung
gebracht haben soll, weil sie seinem aus der Herstellung von Biskuits
gezogenen Verdienst Schranken setzte, genügt nicht, sonst müssten die Mehrzahl
der Fälle, in denen durch Fälschungen die Rationierungsvorschriften umgangen
werden, als privilegierte Fälschungen behandelt werden, denn die Rationierung
hat für jeden eine Einschränkung zur Folge, die ihn in eine «gewisse Notlage»
bringt. Was der Beschwerdeführer sonst noch vorbringt, liegt ausserhalb des
objektiven und subjektiven Tatbestandes seiner beiden Verbrechen.

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Solche Umstände sind bei der Qualifikation der Tat als gewöhnliche oder als
privilegierte nicht zu berücksichtigen, sondern taugen höchstens für die
Abwägung des Verschuldens im Sinne des Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
oder für die Ermittlung von
Strafmilderungsgründen im Sinne des Art. 64
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
1    Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
a  auf Grund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten dieser Art begeht; oder
b  auf Grund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer Massnahme nach Artikel 59 keinen Erfolg verspricht.
1bis    Das Gericht ordnet die lebenslängliche Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, einen Raub, eine Vergewaltigung, eine sexuelle Nötigung, eine Freiheitsberaubung oder Entführung, eine Geiselnahme, ein Verschwindenlassen, Menschenhandel, Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen (Zwölfter Titelter) begangen hat und wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:60
a  Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen.
b  Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht.
c  Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.61
2    Der Vollzug der Freiheitsstrafe geht der Verwahrung voraus. Die Bestimmungen über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe (Art. 86-88) sind nicht anwendbar.62
3    Ist schon während des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu erwarten, dass der Täter sich in Freiheit bewährt, so verfügt das Gericht die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe frühestens auf den Zeitpunkt hin, an welchem der Täter zwei Drittel der Freiheitsstrafe oder 15 Jahre der lebenslänglichen Freiheitsstrafe verbüsst hat. Zuständig ist das Gericht, das die Verwahrung angeordnet hat. Im Übrigen ist Artikel 64a anwendbar.63
4    Die Verwahrung wird in einer Massnahmevollzugseinrichtung oder in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 vollzogen. Die öffentliche Sicherheit ist zu gewährleisten. Der Täter wird psychiatrisch betreut, wenn dies notwendig ist.
StGB. Das gilt für die Tatsache,
dass der Beschwerdeführer seine Verbrechen, die übrigens auf der Hand lagen,
nach der Entdeckung bald gestand (wobei er immerhin anfänglich die erste
Fälschung bestritt), dass er den Schaden wiedergutmachte, und dass er die
Fälschungen angeblich beging, um einen Teil des Mehles nachzubeziehen, auf das
er drei Jahre früher verzichtet hatte. Dass die Fälschungen unmöglich gewesen
wären, wenn der Beamte des Bureaus Nr. 11 die Anweisungen demjenigen des
Bureaus Nr. 10 direkt übergeben hätte, dass ferner die beiden Verbrechen
später ohnehin entdeckt worden wären, und dass endlich der Beschwerdeführer
sich noch vor einem kriegswirtschaftlichen Strafgericht zu verantworten hat,
sind Umstände, welche nicht einmal für die Strafzumessung (sie haben mit dem
Verschulden im Sinne des Art. 63 nichts zu tun), geschweige denn für die
Qualifikation der Tat von Bedeutung sein können.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 71 IV 212
Date : 01. Januar 1945
Published : 20. September 1945
Source : Bundesgericht
Status : 71 IV 212
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 269 Abs. 1 BStrP. Ob eine Tat «leichter Fall» bezw. «schwerer Fall» ist, ist Rechtsfrage.2...


Legislation register
StGB: 63  64  67  68  110  122  251  272
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71-IV-212
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