S. 177 / Nr. 39 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 177

39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1945 i. S.
Gnehm gegen Generalprokurator des Kantons Bern.


Seite: 177
Regeste:
1. Art. 41 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Mit der Weisung darf der Richter nicht einen dem
Institut des bedingten Strafvollzuges fremden Zweck verfolgen, z. B. die
Finanzinteressen des Staates wahren wollen. Verfahrenskosten sind nicht
«Schaden».
2. Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB.
a) Wegen Missachtung einer unzulässigen Weisung darf der Vollzug der Strafe
nicht angeordnet werden.
b) Nur die schuldhafte Missachtung der Weisung, den Schaden zu ersetzen, führt
zur Anordnung des Strafvollzuges.
1. Art. 41 ch. 2 CP. En imposant au condamné des règles de conduite, le juge
ne doit pas chercher à atteindre un but étranger à l'institution du sursis,
par exemple la sauvegarde des intérêts financiers de l'Etat. Les frais de la
procédure ne sont pas un «dommage».
2. Art. 41 ch. 3 CP.
a) Le juge ne doit pas ordonner l'exécution de la peine à raison de
l'inobservation d'une règle de conduite inadmissible.
b) Ce n'est que si elle est imputable à faute que l'inexécution de
l'obligation de réparer le dommage peut justifier la révocation du sursis.
1. Art. 41, cifra 2 CP. Imponendo al condannato norme di condotta, il giudice
non deve cercare di raggiungere uno scopo estraneo all'istituto della
sospensione condizionale della pena, per es. di salvaguardare gli interessi
finanziari dello Stato. Le spese processuali non sono un «danno».
2. Art. 41, cifra 3 CP.

a) Il giudice non deve ordinare l'esecuzione della pena a motivo
dell'inosservanza d'una inammissibile norma di condotta.
b) L'inadempimento dell'obbligo di risarcire il danno può giustificare la
revoca della sospensione condizionale della pena solo quando è imputabile a
colpa.
Aus den Erwägungen:
1.- Nach Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB lässt der Richter die Strafe unter anderem
vollziehen, wenn der Verurteilte trotz förmlicher Mahnung des Richters einer
ihm erteilten

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Weisung zuwiderhandelt. Darunter sind die in Art. 41 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB genannten
Weisungen verstanden. Nach dieser Vorschrift kann der Richter dem Verurteilten
bei Gewährung des bedingten Strafvollzugs «für sein Verhalten während der
Probezeit bestimmte Weisungen erteilen, 80 die Weisung, einen Beruf zu
erlernen, sich an einem bestimmten Orte aufzuhalten, sich geistiger Getränke
zu enthalten, den Schaden innerhalb bestimmter Frist zu ersetzen». Als Schaden
im Sinne dieser Bestimmung ist der Nachteil zu verstehen, welchen die
strafbare Handlung der durch sie betroffenen Person zugefügt hat. Die Kosten
des Strafverfahrens gehören nicht dazu. Wohl wird die staatliche Rechtspflege
durch die Strafverfolgung mit Arbeit und Auslagen belastet. Das liegt aber in
ihrem Wesen; der Staat, der seine Strafhoheit ausübt, wird dadurch ebensowenig
geschädigt wie durch die Ausübung anderer Hoheitsrechte. In diesem Sinne hat
der Kassationshof den Begriff des Schadens bereits bei der Auslegung des Art.
80 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 80 - 1 Von den für den Vollzug geltenden Regeln darf zu Gunsten des Gefangenen abgewichen werden:
1    Von den für den Vollzug geltenden Regeln darf zu Gunsten des Gefangenen abgewichen werden:
a  wenn der Gesundheitszustand des Gefangenen dies erfordert;
b  bei Schwangerschaft, Geburt und für die Zeit unmittelbar nach der Geburt;
c  zur gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kleinkind, sofern dies auch im Interesse des Kindes liegt.
2    Wird die Strafe nicht in einer Strafanstalt, sondern in einer anderen geeigneten Einrichtung vollzogen, so untersteht der Gefangene den Reglementen dieser Einrichtung, soweit die Vollzugsbehörde nichts anderes verfügt.
StGB aufgefasst, unter Hinweis darauf, dass beispielsweise auch Art.
41 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
und Art. 76
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 76 - 1 Freiheitsstrafen werden in einer geschlossenen oder offenen Strafanstalt vollzogen.
1    Freiheitsstrafen werden in einer geschlossenen oder offenen Strafanstalt vollzogen.
2    Der Gefangene wird in eine geschlossene Strafanstalt oder in eine geschlossene Abteilung einer offenen Strafanstalt eingewiesen, wenn die Gefahr besteht, dass er flieht, oder zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten begeht.
StGB darunter nichts anderes verstehen (BGE 69 IV 161).
Die Weisung, die Verfahrenskosten zu bezahlen, ist somit nicht unter dem
Gesichtspunkt des Schadenersatzes zulässig. Sie ist nur statthaft, wenn sie
nicht aus dem Rahmen des Ermessens fällt, das die erwähnte Bestimmung, welche
die besonders genannten Weisungen nur als Beispiele aufzählt, dem Richter
einräumt (BGE 70 IV 165). Die Grenzen dieses Ermessens sind so zu ziehen, wie
es der Zweck des bedingten Strafvollzuges erfordert, denn die Weisung wird
wegen des Strafaufschubes erteilt; dieser und jene sollen beide den
Verurteilten ohne Vollzug der Strafe bessern. Die Weisung dient entweder dazu,
die Gefahr der Begehung neuer Verbrechen oder Vergehen zu vermindern (so die
Weisung, einen Beruf zu erlernen oder sich geistiger Getränke zu enthalten),
oder sie soll, wie die Weisung, den Schaden zu ersetzen, auf den Verurteilten
erzieherisch einwirken. Dagegen steht es dem Richter

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nicht zu, mit der Weisung einen dem Institut des bedingten Strafvollzuges
fremden Zweck zu verfolgen, dem Verurteilten beispielsweise einen bestimmten
Aufenthaltsort vorwiegend deshalb anzuweisen, um in das Spiel von Angebot und
Nachfrage auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt einzugreifen. Einen dem Institut
fremden Zweck erfüllt vorwiegend auch die Weisung, die Verfahrenskosten binnen
bestimmter Frist zu bezahlen. Diese Weisung, die im Kanton Bern unter der
Herrschaft des alten Rechts durch Art. 10 des Gesetzes vom 11. April 1937 über
weitere Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im
Staatshaushalt eingeführt wurde, dient weniger der Erziehung des Verurteilten
als den Finanzinteressen des Staates. Dass dem auch im vorliegenden Falle so
ist, ergibt sich daraus, dass der Verurteilte zur Bezahlung der
Verfahrenskosten vor dem Ersatz des veruntreuten Betrages und ohne
Rücksichtnahme auf die gegenüber Johanna Reinhard bestehende Schuld verhalten
werden will, während ein bloss auf Erziehung bedachter Richter den
Verurteilten im Gegenteil anweisen sollte, vor allem den verursachten Schaden
zu ersetzen.
Ist die Weisung auf Bezahlung der Verfahrenskosten unzulässig, so darf nicht
wegen deren Missachtung der Vollzug der Strafe angeordnet werden. In Frage
kommt daher nur die Anordnung des Vollzugs wegen Nichtleistung der ersten Rate
des der Johanna Reinhard geschuldeten Schadenersatzes.
2.- Nach dem Wortlaut von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB wäre bei Widerhandlung gegen
eine Weisung der Strafvollzug anzuordnen, ohne dass der Richter zu prüfen
hätte, aus welchen Gründen der Verurteilte der Weisung zuwider gehandelt hat.
Das kann aber jedenfalls bei Nichtbefolgung der Weisung auf Ersatz des
Schadens nicht der Sinn des Gesetzes sein. Nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB
soll die Nichtersetzung des Schadens der Gewährung des bedingten
Strafvollzuges dann nicht im Wege stehen, wenn die Ersetzung dem Verurteilten
nicht zuzumuten war. Diese

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Bestimmung würde illusorisch, wenn in solchen Fällen die Massnahme zwar
gewährt, dann aber wegen Nichtersetzung des Schadens widerrufen würde, ohne zu
untersuchen, ob das, was dem Verurteilten vor dem Urteil nicht zugemutet
werden konnte, nachher zumutbar geworden ist. Die Anordnung des Strafvollzuges
darf daher nur erfolgen, wenn der Verurteilte die Weisung, den Schaden
innerhalb bestimmter Frist zu ersetzen, schuldhaft nicht befolgt hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 IV 177
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 13. September 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 IV 177
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 41 Ziff. 2 StGB. Mit der Weisung darf der Richter nicht einen dem Institut des bedingten...


Gesetzesregister
StGB: 41 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
76 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 76 - 1 Freiheitsstrafen werden in einer geschlossenen oder offenen Strafanstalt vollzogen.
1    Freiheitsstrafen werden in einer geschlossenen oder offenen Strafanstalt vollzogen.
2    Der Gefangene wird in eine geschlossene Strafanstalt oder in eine geschlossene Abteilung einer offenen Strafanstalt eingewiesen, wenn die Gefahr besteht, dass er flieht, oder zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten begeht.
80
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 80 - 1 Von den für den Vollzug geltenden Regeln darf zu Gunsten des Gefangenen abgewichen werden:
1    Von den für den Vollzug geltenden Regeln darf zu Gunsten des Gefangenen abgewichen werden:
a  wenn der Gesundheitszustand des Gefangenen dies erfordert;
b  bei Schwangerschaft, Geburt und für die Zeit unmittelbar nach der Geburt;
c  zur gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kleinkind, sofern dies auch im Interesse des Kindes liegt.
2    Wird die Strafe nicht in einer Strafanstalt, sondern in einer anderen geeigneten Einrichtung vollzogen, so untersteht der Gefangene den Reglementen dieser Einrichtung, soweit die Vollzugsbehörde nichts anderes verfügt.
BGE Register
69-IV-159 • 70-IV-163 • 71-IV-177
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
weisung • verurteilter • schaden • ersetzung • verfahrenskosten • bedingter strafvollzug • frist • schadenersatz • straf- und massnahmenvollzug • ermessen • verhalten • kassationshof • innerhalb • strafgesetzbuch • richtlinie • strafaufschub • wille • probezeit • betroffene person • finanzielles gleichgewicht
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