S. 185 / Nr. 38 Prozessrecht (d)
BGE 71 II 185
38. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. September 1945 i. S. Meyer gegen
Guggenheim.
Regeste:
Art. 55 lit. b des neuen OG.
Bildet das (Eventual-)Begehren um Aufhebung des angefochtenen Entscheides und
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz einen genügenden Berufungsantrag?
Art. 55 lettre b nouv. OJ.
Des conclusions subsidiaires en annulation du jugement attaqué et au renvoi de
la cause à la juridiction cantonale suffisent-elles pour la recevabilité du
recours?
Art. 55 lett. b della nuova OGF.
La domanda subordinata che tende all'annullamento della sentenza impugnata e
al rinvio della causa alla giurisdizione cantonale basta per la ricevibilità
del ricorso?
Auf Grund von Fristansetzungen des Betreibungsamtes Zürich 1 verlangte der
Kläger unter Berufung auf einen ihm zustehenden Eigentumsvorbehalt beim
Richter die Aberkennung des Retentionsrechtes der Beklagten an einer Anzahl
von Gegenständen, die die Beklagten für mehrere Forderungen an ihre Mieterin
Frau Schaub hatten in Retentionsverzeichnisse aufnehmen lassen. Das
Obergericht des Kantons Zürich hat mit Urteil vom 10. April 1945 das
Retentionsrecht der Beklagten für zwei dieser Forderungen aberkannt, im
übrigen dagegen die Klage (soweit sie nicht gegenstandslos geworden war)
abgewiesen, und zwar in erster Linie mit der Begründung, der
Eigentumsvorbehalt sei wegen unrichtiger Angabe des Veräusserers im
Registereintrag ungültig.
Gegen diesen Entscheid hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit dem Antrag auf «vollumfängliche Gutheissung der Klage unter K. &
E. F.
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bezw. Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils soweit die Klage damit abgewiesen
wurde, unter Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Ausfällung eines
neuen Entscheides im Sinne der folgenden Erwägungen».
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die beiden durch das Wort «beziehungsweise» verbundenen Teile des
Berufungsantrages stehen zueinander im Verhältnis von Haupt- und
Eventualantrag. Dies wird namentlich durch den Schlussabsatz der
Berufungsbegründung bestätigt, wo der Kläger die Fällung eines neuen Urteils
entsprechend seinen Anträgen oder die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
zur Beweisergänzung verlangt.
Das Hauptbegehren, die Klage sei vollumfänglich gutzuheissen, bildet nach Art.
55 lit. b OG keinen genügenden Berufungsantrag, da es sich in einem Hinweis
auf im kantonalen Verfahren gestellte Anträge erschöpft (BGE 71 II 33).
Ebensowenig genügt das Eventualbegehren den Anforderungen von Art. 55 lit. b
OG. Der Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, soweit die Klage damit
abgewiesen wurde, lässt nur in Verbindung mit den im kantonalen Verfahren
gestellten Anträgen erkennen, in welchen Punkten der weitergezogene Entscheid
angefochten wird, und enthält keine Angabe darüber, welchen neuen
Sachentscheid das Bundesgericht nach der Meinung des Klägers fällen soll. Was
das weitere Verlangen nach Rückweisung der Sache an die Vorinstanz betrifft,
so hat das Bundesgericht unter der Herrschaft des frühern OG (Art. 67 Abs. 2
dieses Gesetzes) in ständiger Rechtsprechung erklärt, ein blosser
Rückweisungsantrag genüge nur unter der Voraussetzung, dass es in der Sache
selbst auch bei Zugrundelegung einer für den Berufungskläger günstigen
Rechtsauffassung ohne vorangegangene Rückweisung nicht zu dessen Gunsten
entscheiden könnte (BGE 42 II 70, 42 II 242, 44 II 106, 59 II 191). Das neue
OG, das die Anforderungen an den Berufungsantrag verschärft hat, lässt eine
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dieser Praxis nicht zu. Der Kläger nimmt nun, wie sein (prozessual freilich
ungenügender) Hauptantrag zeigt, selber nicht an, dass im vorliegenden Falle
die Rückweisung im erwähnten Sinne unerlässlich gewesen wäre. Das
Bundesgericht hätte, wenn es der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt wäre,
mindestens über die in erster Linie zu prüfende Frage nach der Gültigkeit des
Eigentumsvorbehaltes einen Entscheid zu seinen (des Klägers) Gunsten treffen
können, ohne vorerst eine Aktenergänzung zu veranlassen. Der
Rückweisungsantrag des Klägers kann also den fehlenden Sachantrag nicht
ersetzen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.