S. 132 / Nr. 29 Familienrecht (d)

BGE 71 II 132

29. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juni 1945 i. S. Sütterlin-Züllig
gegen Sütterlin.

Regeste:
Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (Art. 158 Ziff. 5 ZGB):
Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung auch beim Abschluss während der
Appellationsfrist. Zulässigkeit der freiwilligen Anerkennung nach Prozessende.
Die zeitliche Begrenzung der Rentenansprüche gemäss Art. 153 Abs. 1 ZGB
schliesst eine abweichende Vereinbarung nicht aus (Art. 19
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 19 - 1 Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
1    Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
2    Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst.
und 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR).
Lebensversicherung: Begünstigung mit Verzicht auf den Widerruf (Art. 77 Abs. 2
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 77 - 1 Der Versicherungsnehmer kann auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen.120
1    Der Versicherungsnehmer kann auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen.120
2    Das Recht, die Begünstigung zu widerrufen, fällt nur dann dahin, wenn der Versicherungsnehmer in der Police auf den Widerruf unterschriftlich verzichtet und die Police dem Begünstigten übergeben hat.

VVG). Anfechtung des Grundgeschäftes.
Convention au sujet des effets accessoires du divorce (Art. 158 ch 5 CC):
Exigence de la ratification par le juge, même en cas de conclusion pendant le
délai d'appel. Admissibilité de la reconnaissance volontaire après la fin du
procès. La cessation du droit à la rente, prévue à l'art. 153 al. 1 er CC,
n'exclut pas une convention contraire (Art. 19 et 20 CO).
Assurance sur la vie. Stipulation d'une clause bénéficiaire avec renonciation
à la révocation (Art. 77 al. 2 LCA). Contestation de la validité de la
convention originaire.
Convenzione sulle conseguenze accessorie del divorzio (art. 158, cifra 5 CC):
È necessaria l'approvazione del giudice anche se la convenzione è stata
conclusa durante il termine di appello. Ammissibilità del riconoscimento
volontario dopo ultimato il processo. La cessazione del diritto alla rendita
prevista dall'art. 153 cp. 1 CC non esclude un patto contrario (art. 19 e 20
CO).
Assicurazione sull vita. Stipulazione d'una clausola di beneficiario con
rinuncia alla revoca (art. 77 cp. 2 LA). Contestazione della convenzione di
base.


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A. ­ Das Bezirksgericht Zürich schied am 29. August 1934 die Ehe der Parteien
nach zwölfjähriger Dauer und genehmigte eine am gleichen Tag abgeschlossene
Vereinbarung über die Nebenfolgen. Darnach war der Beklagte verpflichtet, der
Klägerin eine Monatsrente von Fr. 600.­ und zudem einen monatlichen
Wohnungskostenbeitrag von Fr. 200.­ zu zahlen, beides «auf Lebenszeit oder bis
zu einer allfälligen Wiederverheiratung». Vorbehalten wurde ausdrücklich eine
«später abzuschliessende Sondervereinbarung in einem Frau Sütterlin
begünstigenden Sinne».
B. ­ Eine solche Sondervereinbarung, datiert vom 20. September 1934, sieht
vor, dass der Beklagte die erwähnten Leistungen, jedoch nur zur Hälfte, auch
nach einer allfälligen Wiederverheiratung der Klägerin zu erbringen haben
werde, und dass die Leistungen, wenn sich eine solche zweite Ehe aus
irgendwelchem Grunde auflösen sollte, wieder im ursprünglichen Umfange
aufleben werden. Ferner «zediert» der Beklagte der Klägerin laut der
Sondervereinbarung zwei Lebensversicherungspolicen von Fr. 20,000.­ und Fr.
25,000.­ mit einer auf die Klägerin lautenden Begünstigung.
C. ­ Das Scheidungsurteil war den Parteien am 17. September 1934 zugestellt
worden. Von da an lief die Appellationsfrist von zehn Tagen. Sie blieb
unbenutzt; das Urteil des Bezirksgerichtes erwuchs in Rechtskraft, und zwar
nach § 103 der zürcherischen ZPO rückwirkend auf den Tag der Ausfällung.
In der Sondervereinbarung (oben B) war bemerkt, sie stelle einen Nachtrag zur
gerichtlich genehmigten Vereinbarung vom 29. August 1934 dar, die Parteien
halten sich daran moralisch und rechtlich gebunden und seien jederzeit bereit,
auf Begehren der einen Partei die gerichtliche Genehmigung zu beantragen.
Das geschah dann nicht, doch hielt sich der Beklagte an die
Sondervereinbarung, als sich die Klägerin im Frühjahr 1935 wieder
verheiratete. Er setzte diese auch

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vereinbarungsgemäss in zwei von ihm abgeschlossenen
Lebensversicherungsverträgen unwiderruflich als Begünstigte ein und übergab
ihr die Policen. Die beiden ursprünglich vorgesehenen Policen wurden im
Einverständnis der Parteien durch andere ersetzt, in Beträgen von Fr. 20,000.­
und Fr. 5000.­.
D. ­ Im Jahre 1937 kamen die Parteien mündlich überein, die monatlichen
Rentenleistungen des Beklagten für die Zukunft auf Fr. 200.­ zu ermässigen.
Fortan leistete der Beklagte monatlich in der Regel diesen Betrag. Dabei blieb
es auch nach der im Dezember 1937 erfolgten Scheidung der zweiten Ehe der
Klägerin. Mit dem Monat September 1941 hörte indessen der Beklagte mit den
Rentenzahlungen auf.
E. ­ Im Mai 1942 forderte die Klägerin mit der vorliegenden Klage Fr. 33,370.­
Rentenleistungen für die Zeit seit 1. Januar 1938 nach, gemäss den in der
Sondervereinbarung vom 20. September 1934 vorgesehenen Beträgen, unter Abzug
der erhaltenen Leistungen. Der Beklagte verneinte jegliche
Nachzahlungspflicht. Widerklageweise beantragte er, die Sondervereinbarung sei
als nichtig oder für ihn unverbindlich zu erklären und die Klägerin zur
Aushändigung der zwei Lebensversicherungspolicen zu verurteilen; eventuell
seien wenigstens die in der Sondervereinbarung vorgesehenen
Rentenverpflichtungen als nichtig oder unverbindlich zu erklären;
subeventuell: sie seien wegen Unvermögens aufzuheben. Daneben verlangte er die
Anrechnung noch weiterer als der von der Klägerin berücksichtigten Leistungen.
In der Replik erweiterte die Klägerin ihr Begehren dahin, dass die
gerichtliche Genehmigung der Sondervereinbarung nötigenfalls im vorliegenden
Prozess nachzuholen oder dieser Prozess bis zur Durchführung eines besonderen
Genehmigungsverfahrens einzustellen sei.
F. ­ Beide kantonalen Instanzen wiesen die Klage auf Nachzahlung von Renten
ab. Die Klage war in oberer Instanz gemäss der mündlichen Vereinbarung vom
Jahre

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1937 (oben D) auf Fr. 1600.­ ermässigt worden, entsprechend den gänzlich
ausgebliebenen Renten von je Fr. 200.­ in den acht letzten Monaten vor
Einreichung der Klage. Die Widerklage wurde vom Bezirksgericht ganz, vom
Obergericht nur teilweise gutgeheissen. Das Obergericht sah wie das
Bezirksgericht die Sondervereinbarung vom 20. September 1934 mangels der in
Art. 158 Ziff. 5 ZGB vorgeschriebenen gerichtlichen Genehmigung als nichtig
an. Die Begünstigung der Klägerin in den zwei Lebensversicherungsverträgen
stellte dagegen eine bereits getroffene Verfügung dar. Diese Zuwendung könne
nur mit Bereicherungsklage zurückgefordert werden, was aber wegen der von der
Klägerin geltend gemachten Verjährung nicht mehr angehe. Insoweit wurde die
Widerklage abgewiesen.
G. ­ Gegen das Urteil des Obergerichts des Standes Zürich vom 23. Januar 1945
legten beide Parteien Berufung an das Bundesgericht ein: die Klägerin mit dem
Antrag auf Gutheissung der Klage im aufrechterhaltenen Betrag von Fr. 1600.­,
der Beklagte mit dem Antrag auf gänzliche Gutheissung der Widerklage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Ehescheidung bedürfen nach Art.
158 Ziff. 5 ZGB zu ihrer Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch den Richter.
Solche Genehmigung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich für
Vereinbarungen, die erst nach rechtskräftiger Beendigung des
Scheidungsprozesses über Vermögensleistungen des einen an den andern Ehegatten
getroffen werden (BGE 47 II 243, 67 II 6). Die Klägerin meint, demnach sei
auch die vorliegende Sondervereinbarung nicht genehmigungsbedürftig. Das Datum
des 20. September 1934 falle auf die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung,
nachdem mangels Appellation das erstinstanzliche Urteil rückwirkend auf den
Tag der Ausfällung rechtskräftig geworden sei (oben C). Übrigens sei beim

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Abschluss der Vereinbarung zugleich auf Appellation verzichtet worden. Der
Beklagte behauptet demgegenüber, die Sondervereinbarung sei auf den 20.
September 1934 nachdatiert, in Wirklichkeit aber schon vor dem
erstinstanzlichen Urteil abgeschlossen worden. Die Vorinstanz erachtet weder
den gleichzeitigen Verzicht auf Appellation noch anderseits den frühern
Abschluss der Sondervereinbarung als bewiesen. Mit Recht hält sie aber dafür,
dass die gesetzliche Fiktion der mit Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils
eingetretenen Rechtskraft das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung nicht
aufzuheben vermag. Sie weicht damit von einer frühern Entscheidung des
zürcherischen Obergerichtes ab (Blätter für zürcherische Rechtsprechung 35 Nr.
137). In der Tat kommt es auf die Verhältnisse beim Abschluss der Vereinbarung
an und kann nicht auf eine nachträgliche Rückbeziehung der Rechtskraft
abgestellt werden. Daran würde auch ein beim Abschluss der Sondervereinbarung
zugleich erfolgter Verzicht auf Weiterziehung nichts ändern. Die gerichtliche
Genehmigung ist zum Schutze der Parteien vorgeschrieben. Sie muss diesen Zweck
auch noch während des Laufes einer Weiterziehungsfrist, ebenso wie während
bereits hängiger Weiterziehung, erfüllen können. Gerade der bisweilen mit der
Vereinbarung verbundene Verzicht auf Weiterziehung kann durch übermässige
Verpflichtungen erkauft sein, und der andern Partei kann der Verzicht nicht
auf die Gefahr einer Verwerfung der Vereinbarung durch den Richter zugemutet
werden. Damit ist freilich auch gesagt, dass eine solche während noch offener
oder bereits hängiger Weiterziehung geschlossene Vereinbarung der Gefahr des
Scheiterns mangels gerichtlicher Genehmigung ausgesetzt ist. Das ist aber,
entgegen der erwähnten zürcherischen Entscheidung, kein Grund, vom
Genehmigungserfordernis abzusehen. Das liefe auf eine dem Art. 158 Ziff. 5 ZGB
widersprechende Preisgabe des richterlichen Schutzes der Parteien hinaus.
Diese Vorschrift lässt sich denn auch ohne Gefährdung berechtigter

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Interessen handhaben. Will eine Partei an sich das erstinstanzliche
Scheidungsurteil weiterziehen, und ist sie zum Verzicht darauf nur bei
gültigem Zustandekommen einer Vereinbarung bereit, so mag sie die
Weiterziehung vorsorglich einlegen oder, wenn dies schon geschehen ist,
aufrecht erhalten und den Rückzug nur für den Fall erklären, dass die
Vereinbarung genehmigt wird. Damit kommt sie nach Treu und Glauben dem etwa
als Bedingung der Vereinbarung aufgestellten Verzicht auf Weiterziehung nach,
ohne das erstinstanzliche Urteil auch bei Verwerfung der Vereinbarung gelten
lassen zu müssen.
2. ­ Die gerichtliche Genehmigung wäre freilich nicht notwendig gewesen, wenn
beim Abschluss der Vereinbarung ein nicht weiterziehbares und daher schon
rechtskräftiges Urteil vorgelegen hätte. Man möchte versucht sein, diesen
Sachverhalt anzunehmen, weil das Bezirksgericht die Begehren beider Parteien
zugesprochen hatte, also keine Partei durch das Urteil beschwert war. Die
Vorinstanz nimmt aber nicht diesen Standpunkt ein. Das kantonale Prozessrecht
kann denn auch, insbesondere in Ehescheidungsfällen, eine Weiterziehung sehr
wohl ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Beschwer zulassen, sei es zur
nachträglichen Erweiterung der Rechtsbegehren, sei es zur Anbahnung einer
Versöhnung und eines Rückzuges der Scheidungsklage.
3. ­ Für den Fall, dass die gerichtliche Genehmigung notwendig war, weist die
Klägerin auf den in der gerichtlich genehmigten Hauptvereinbarung vom 29.
August 1934 enthaltenen Vorbehalt der später abzuschliessenden
Sondervereinbarung hin. Sie meint, dieser Vorbehalt werde von der Genehmigung
erfasst. Damit habe das Bezirksgericht es den Parteien anheimgestellt, die
nähern Bedingungen «in einem die Klägerin begünstigenden Sinne» festzusetzen.
Solches Gewährenlassen steht indessen mit der gerichtlichen
Genehmigungspflicht nach Art. 158 Ziff. 5 ZGB in Widerspruch. Es ist auch
nicht wohl anzunehmen das Bezirksgericht habe die nähern Bestimmungen

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der vorgesehenen Sondervereinbarung der gerichtlichen Genehmigung entziehen
wollen. Das mag indessen auf sich beruhen; ebenso die Frage, ob die
Genehmigung jetzt noch, jahrelang nach Abschluss des Scheidungsprozesses,
nachgeholt werden könnte, wie dies die Klägerin eventuell beantragt. Denn die
Sondervereinbarung ist seit Prozessbeendigung durch freiwillige Anerkennung
gültig geworden.
Die Möglichkeit einer solchen Anerkennung mit verbindlicher Wirkung ist vom
Bundesgericht bereits bejaht worden (BGE 64 II 63). Der Beklagte meint, dies
sei nach der Lehre von den nichtigen Rechtsgeschäften nicht angängig. Er
beruft sich auf § 141 des deutschen BGB und Art. 1338 des französischen Code
civil. Jene Entscheidung ist auch in der Literatur kritisiert worden
(Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 75 S. 541). Das veranlasst zu
erneuter Prüfung. Das Ergebnis bleibt indessen unerschüttert. Freilich folgt
daraus, dass Vereinbarungen über Vermögensleistungen des einen an den andern
Ehegatten auf Lebenszeit nach beendigtem Scheidungsprozess keiner
gerichtlichen Genehmigung bedürfen, nicht ohne weiteres die Verbindlichkeit
einer freiwilligen Anerkennung, wie sie hier in Frage steht. Werden solche
Vereinbarungen nicht in den Formen des Prozessrechtes getroffen, wie immer,
wenn sie dem Gerichte nicht vorgelegt werden, und ebenso beim Abschluss nach
beendigtem Prozesse, so ist dafür die schriftliche Form zu verlangen, zumal in
analoger Anwendung von Art. 517
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 517 - Der Leibrentenvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
OR. Es frägt sich daher, ob die freiwillige
Anerkennung einer vor Prozessende getroffenen solchen Vereinbarung nicht auch
in schriftlicher Form erfolgen müsse. Dagegen liesse sich jedenfalls nichts
herleiten aus der Möglichkeit der Anerkennung eines hinkenden Rechtsgeschäftes
durch die beim Abschluss nicht voll handlungsfähig gewesene Partei nach
erlangter voller Handlungsfähigkeit (sofern die andere Partei noch gebunden
ist). Denn gerade eine solche Anerkennung ist, wenn das Gesetz für das
betreffende Rechtsgeschäft zum Schutz der Vertragschliessenden eine besondere
Form vorschreibt,

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in diese Form zu kleiden (BGE 54 II 82). Allein eine, wie hier, ohne
gerichtliche Genehmigung noch während hängigen Scheidungsprozesses
geschlossene Vereinbarung ist eben kein hinkendes Rechtsgeschäft. Einerseits
ist sie weder für die eine noch die andere Partei a rechtsgültig)), anderseits
aber auch nicht etwa einseitig widerruflich (BGE 60 II 169). Vor allem ist sie
beidseitig von handlungsfähigen Personen abgeschlossen. Die Schutzvorschrift
des Art. 158 Ziff. 5 ZGB will hieran nichts ändern. Die hier beim Abschluss
der Vereinbarung beobachtete Schriftform konnte angesichts der
Handlungsfähigkeit beider Parteien ihren Zweck völlig erfüllen. Es ist nicht
notwendig, sie bei der freiwilligen Anerkennung der Vereinbarung nach
Prozessende zu wiederholen. Diese Anerkennung ist, nachdem die Parteien des
gerichtlichen Schutzes nicht mehr bedürfen, an keine Form gebunden. Sie kann
wirksam auch durch konkludentes Handeln erfolgen.
Indem sich der Beklagte während der zweiten Ehe der Klägerin an die
Sondervereinbarung hielt und sich dann im Jahre 1937 mit ihr noch
ausdrücklich, wenn auch nur mündlich, über den Betrag der künftigen
Monatsleistungen einigte, hat er, wenigstens nun im letztern Betrage, die
Sondervereinbarung eindeutig anerkannt. Ob nur eine in Kenntnis der
Ungültigkeit erfolgte Anerkennung verbindlich sein könne (was auf Bedenken
stösst, vgl. BGE 52 II 65 oben), kann dahingestellt bleiben. Aus den
Ausführungen der Duplikschrift, auf welche die Vorinstanz hinweist, ergibt
sich, dass der Beklagte, wenn nicht schon zuvor, so doch bei der im Jahre 1937
getroffenen mündlichen Vereinbarung über die Rechtslage aufgeklärt war.
5. ­ Vom Erfordernis der Genehmigung abgesehen, sieht der Beklagte einen
Nichtigkeitsgrund darin, dass die Verpflichtung zu Rentenleistungen nach
Eingehung einer neuen Ehe der Klägerin gegen Art. 153 Abs. 1 ZGB verstosse.
Wie es aber den Parteien grundsätzlich überhaupt freisteht, durch Vereinbarung
weitergehende Leistungen

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zu übernehmen, als ihnen nach den gesetzlichen Vorschriften von Art. 151 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 517 - Der Leibrentenvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
.
ZGB auferlegt werden könnten, so ist auch die Begrenzung der Rentenleistungen
in Art. 153 Abs. 1 ZGB nicht zwingenden Rechtes. Aus dem Gesichtspunkt der
öffentlichen Ordnung drängt sich nur der Vorbehalt auf, dass solche
vertragliche Verpflichtungen, wie sie der Beklagte hier eingegangen ist, nach
Abschluss einer neuen Ehe der andern Partei der Revision durch den Richter auf
Begehren des Pflichtigen unterliegen. Hier ist aber seinerzeit ein solches
Begehren nicht gestellt worden, sondern die Parteien haben sich, wie erwähnt,
während der zweiten Ehe der Klägerin gütlich auf eine Ermässigung der
Rentenleistungen geeinigt.
Endlich meint der Beklagte, speziell die Verpflichtung zu Renten auch nach
Auflösung einer zweiten Ehe der Klägerin verstosse gegen die guten Sitten;
denn sie stelle sich als Aufmunterungsprämie für ehewidriges Verhalten dar und
sei daher nach Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR nichtig. Auch dies trifft nicht grundsätzlich und
von vornherein zu, und dass es sich nach den tatsächlichen Verhältnissen
dieses Falles so verhalte, ist nicht dargetan.
6. ­ Der Beklagte behauptet endlich Unverbindlichkeit der Sondervereinbarung,
weil er sich zu solch «exorbitanten Leistungen» nur infolge von Drohungen der
Klägerin bereit gefunden habe. Diese habe ihm nämlich gedroht, sie werde den
Ehemann seiner frühern Geliebten über die betreffenden Beziehungen aufklären.
Die Vorinstanz hat dies, angesichts der von ihr ohnehin angenommenen
Ungültigkeit der Sondervereinbarung, ungeprüft gelassen. Es bedarf auch keiner
weitern Abklärung, nachdem die behauptete Furcht den Beklagten jedenfalls bei
der mündlichen Einigung vom Jahre 1937 nicht mehr in der Handlungsfreiheit
behindert hat. Verlangte er doch damals nach den Duplikvorbringen zunächst die
gänzliche Annullierung der Sondervereinbarung, um dann infolge von
Verhandlungen unter Mitwirkung des gemeinsamen Anwaltes zu ermässigten
Leistungen Hand zu bieten. Nur

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diese Leistungen aber bilden Gegenstand der Klageforderung.
7. ­ Das führt jedoch nicht ohne weiteres zu deren Gutheissung. Vielmehr sind
noch die weiteren Einwendungen des Beklagten zu prüfen, wonach auf die
Klageforderung gewisse von ihm erbrachte Leistungen anzurechnen seien (Ziff.
I, 6 der Antwort- und Ziff. 6 der Duplikschrift), und wonach eventuell die
Leistungspflicht wegen Unvermögens im Sinne von Art. 153 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
ZGB
dahingefallen sei. Dazu bedarf es tatsächlicher Feststellungen, weshalb die
Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden muss.
8. ­ Was das Widerklagebegehren um Aushändigung der zwei
Lebensversicherungspolicen betrifft, will der Beklagte und Widerkläger nicht
gelten lassen, dass es sich um eine nach Art. 67
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 67 - 1 Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
1    Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
2    Besteht die Bereicherung in einer Forderung an den Verletzten, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Bereicherungsanspruch verjährt ist.
OR verjährte
Bereicherungsklage handle. Er meint, nach der neuern Rechtsprechung seien die
Policen wegen der von ihm geltend gemachten Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit
des Grundgeschäftes, eben der Sondervereinbarung vom 20. September 1934, gar
nicht gültig Eigentum der Klägerin geworden (BGE 55 II 302); sein Begehren sei
daher als Vindikation aufzufassen. Diese Betrachtungsweise geht fehl. Die
Übergabe der beiden Policen gehörte zum Vollzug der unwiderruflichen
Begünstigung der Klägerin (Art. 77 Abs. 2
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 77 - 1 Der Versicherungsnehmer kann auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen.120
1    Der Versicherungsnehmer kann auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen.120
2    Das Recht, die Begünstigung zu widerrufen, fällt nur dann dahin, wenn der Versicherungsnehmer in der Police auf den Widerruf unterschriftlich verzichtet und die Police dem Begünstigten übergeben hat.
VVG). Das Grundgeschäft ging nicht
auf Verschaffung des Eigentums an sich, sondern auf Begründung der
unwiderruflichen Begünstigung. Dementsprechend hat auch das Widerklagebegehren
auf Herausgabe der Policen die Aufhebung dieser Begünstigung, also des
Besitzestitels der Klägerin, zur Voraussetzung. Diese Aufhebung aber ist keine
Vindikation. Ist sie als Bereicherungsanspruch zu beurteilen (so JAEGER, zu
Art. 76
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 76 - 1 Der Versicherungsnehmer ist befugt, ohne Zustimmung des Versicherungsunternehmens einen Dritten als Begünstigten zu bezeichnen.119
1    Der Versicherungsnehmer ist befugt, ohne Zustimmung des Versicherungsunternehmens einen Dritten als Begünstigten zu bezeichnen.119
2    Die Begünstigung kann sich auf den gesamten Versicherungsanspruch oder nur auf einen Teil desselben beziehen.
VVG N. 11), so ist Verjährung eingetreten und die Klägerin daher im
Besitz der Policen zu schützen.
Freilich liegt keine gewöhnliche Bereicherungsklage auf Leistung vor. Aber
ganz gleichgültig, ob die

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Bereicherungsgrundsätze überhaupt auf solche Begehren um Aufhebung einer
unwiderruflichen Begünstigung in Versicherungsverträgen anwendbar sind, ist
das Begehren im vorliegenden Falle nach den vorausgehenden Erwägungen
unbegründet; es fehlt also an einer Voraussetzung des Herausgabeanspruches.
Das Grundgeschäft, die Sondervereinbarung, ist, wie dargetan, weder nichtig
noch für den Beklagten unverbindlich. Insbesondere hat er auch die
Begünstigung der Klägerin seit 1937, also seitdem er in seinem Handeln auf
jeden Fall nicht mehr durch Furcht behindert war, bestehen lassen, weiterhin
die Prämien zugunsten der Klägerin bezahlt und ihr am 22. März /7. April 1938
ausserdem neue Begünstigungserklärungen mit Verzicht auf Widerruf ausgestellt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung des Beklagten wird abgewiesen, die Berufung der Klägerin dagegen
im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und die Sache zu neuer Entscheidung
gemäss Ziff. 7 der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 71 II 132
Date : 01. Januar 1945
Published : 13. Juni 1945
Source : Bundesgericht
Status : 71 II 132
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (Art. 158 Ziff. 5 ZGB):Erfordernis der gerichtlichen...


Legislation register
OR: 19  20  67  517
VVG: 76  77
ZGB: 151  153  158
BGE-register
47-II-243 • 52-II-65 • 54-II-77 • 55-II-302 • 60-II-169 • 64-II-63 • 67-II-6 • 71-II-132
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
defendant • nullity • marriage • month • lower instance • federal court • day • spouse • counterclaim • intention • action for unjustified enrichment • behavior • remarriage • for lifetime • property • position • question • hamlet • condition • divorce decree
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