S. 366 / Nr. 57 Registersachen (d)

BGE 71 I 366

57. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. September 1945 i.S. Zander gegen
Aargau, Regierungsrat.

Regeste:
Wahl der Vornamen. Art. 69 Abs. 2 der Verordnung über den Zivilstandsdienst
vom 18. Mai 1928.
Familienamen (vorliegend: «Mayor») als Vornamen?
Choix des prénoms. Art. 69 al. 2 de l'ordonnance sur le service de l'état
civil, du 18 mai 1928.
Nom de famille (en l'espèce «Mayor») donné comme prénom?
Scelta dei nomi, Art. 69 cp. 2 dell'Ordinanza 18 maggio 1928 sul servizio
dello stato civile.
Nome di famiglia (nella specie, Mayor) dato come nome ad un bambino?

Edmund Herbert Zander von Mellingen, Kt. Aargau, beantragt mit seiner
verwaltungsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht, das Zivilstandsamt
Baden sei anzuweisen, für seinen am 21. Mai 1945 geborenen Sohn neben den
Namen «Guy Louis» auch den von den kantonalen Zivilstandsbehörden
zurückgewiesenen Namen «Mayor», den Mädchennamen seiner Frau, als Vornamen
einzutragen. Der Regierungsrat des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung, das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Gutheissung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Eltern sind in der Wahl der Vornamen für ihre Kinder grundsätzlich frei.
Nur solche Namen, die die

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Interessen des Kindes oder Dritter offensichtlich verletzen, dürfen gemäss
Art. 69 Abs. 2 der Verordnung über den Zivilstandsdienst vom 18. Mai 1928
zurückgewiesen werden.
Bloss deswegen, weil eine Bezeichnung als Vorname nicht gebräuchlich ist, kann
ihre Eintragung demnach nicht abgelehnt werden. Neben der Verwendung bereits
bekannter Vornamen ist vielmehr an sich auch die Neubildung von solchen
zulässig (BGE 69 I 62: «Marisa»).
Auch die Tatsache, dass ein Name als Familienname vorkommt, kann für sich
allein keinen Grund dafür bilden, ihn als Vornamen nicht zuzulassen.
Zahlreiche Namen dienen zugleich als Vornamen und als Familiennamen, ohne dass
sich daraus für diejenigen, die sie als Vornamen tragen, oder für Dritte
Unzukömmlichkeiten ergäben (Arnold, Ernst, Louis, Martin usw.).
Von neugebildeten Namen wie «Marisa» unterscheidet sich der Name «Mayor»
jedoch dadurch, dass es sich dabei um einen bekannten (west-) schweizerischen
Familiennamen handelt, und von Namen wie Arnold, Ernst usw. unterscheidet er
sich dadurch, dass er als Vorname nicht gebräuchlich ist. Werden bekannte
Familiennamen, die nicht zugleich als Vornamen gebräuchlich sind, als Vornamen
verwendet, so entsteht über die Personalien des Namensträgers Unklarheit. Hat
dieser neben dem nur als Familiennamen bekannten noch weitere Vornamen, so
kann er den Nachteilen, die solche Unklarheit ihm bringen könnte, freilich
ausweichen, indem er den erstgenannten Namen im täglichen Verkehr nicht führt.
Dagegen bietet der Umstand, dass jemand neben dem missverständlichen noch
weitere, nicht als Familiennamen misszuverstehende Vornamen hat, der an klaren
Namenverhältnissen ebenfalls interessierten Öffentlichkeit keinen Schutz vor
Irreführung, da der Gebrauch des missverständlichen Namens, wenn er einmal
eingetragen ist, seinem Träger nicht verwehrt werden kann. Wegen
offensichtlicher Verletzung von Drittinteressen hat es also das Zivilstandsamt
mit

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Recht abgelehnt, den Namen «Mayor» als Vornamen einzutragen, obwohl er nicht
als einziger Vorname in Aussicht genommen war.
In gewissen Landesgegenden entspricht es freilich alter Sitte, den
Geschlechtsnamen der Mutter als (zweiten) Vornamen des Kindes zu wählen (so
teilweise im Kanton Graubünden; vgl. «Der Zivilstandsbeamte», 16. Jahrgang
1927, S. 331 f., 348 f., und die vom Schweiz. Verband der Zivilstandsbeamten
herausgegebene Schrift «Vornamen in der Schweiz», 2. Aufl. 1941, S. 9, 23). Wo
diese Sitte bekannt ist, tritt die Gefahr der Irreführung der Öffentlichkeit
zurück. Im Kanton Aargau, wo der Beschwerdeführer heimatberechtigt und
wohnhaft ist, besteht jedoch laut Feststellung der Vorinstanz keine solche
Übung.
Der Name «Mayor» ist schliesslich vom Standpunkt der Öffentlichkeit aus als
Vorname auch deswegen unerwünscht, weil er (wenigstens für Deutschschweizer)
in der Aussprache einer militärischen Gradbezeichnung gleicht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 366
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 19. September 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 366
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wahl der Vornamen. Art. 69 Abs. 2 der Verordnung über den Zivilstandsdienst vom 18. Mai...


BGE Register
69-I-61 • 71-I-366
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