S. 344 / Nr. 52 Gerichtsstand (d)

BGE 71 I 344

52. Urteil vom 15. Oktober 1945 i.S. Gütlin gegen Panis A.-G. und
Handelsgericht Zürich.


Seite: 344
Regeste:
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV: Begriff der persönlichen Ansprache (Erw. 1); Zulässigkeit des
Ausnahmegerichtsstands der Widerklage, wenn zwischen dieser und der Hauptklage
ein rechtlicher Zusammenhang besteht (Erw. 2, 3).
Art. 59 CF: Notion de la réclamation personnelle (consid. 1); admissibilité du
for exceptionnel de la demande reconventionnelle lorsqu'il y a un rapport
juridique entre cette demande et la demande principale (consid. 2 et 3).
Art. 59 CF: Nozione della pretesa personale (consid. 1); ammissibilità del
foro, eccezionale della domanda reconvenzionale, quando esiste un nesso
giuridico tra questa domanda e la domanda principale (consid. 2 e 3).

A. ­ Der Beschwerdeführer Gütlin in Neuenstadt ist Inhaber der Marke «Sanopan»
für ein patentiertes Gärungsmittel zur Bekämpfung der Brotkrankheit, das von
der «Mubag» A.-G. hergestellt wird. Die Panis A.-G. in Zürich vertreibt unter
der Marke «Pro PAN» ebenfalls ein Mittel gegen die Brotkrankheit.
Ende November 1944 reichten Gütlin und die Mubag beim Handelsgericht Zürich
gegen die Panis A.-G. Klage auf Nichtigerklärung der Marke «Pro PAN» ein mit
der Begründung, es handle sich um eine unzulässige und irreführende Marke;
unzulässig, weil Propan als Sachbezeichnung für eine chemische Verbindung ein
Freizeichen sei, und irreführend, weil das Backmittel der Panis A.-G. dieses
Propan nicht enthalte.
Die Panis A.-G. beantragte Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise
gegenüber Gütlin Nichtigerklärung der Marke «Sanopan», die nichts anderes
heisse als gesundes Brot und daher als reine Sachbezeichnung nicht schutzfähig
sei.
Gütlin bestritt gestützt auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV die Zuständigkeit des Handelsgerichts
Zürich zur Beurteilung der Widerklage, da diese mit der Hauptklage nicht
konnex sei.

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Durch Zwischenentscheid vom 16. Februar 1945 erklärte sich jedoch das
Handelsgericht Zürich für zuständig, indem es ausführte: Konnexität setze
keine rechtliche gegenseitige Abhängigkeit in dem Sinne voraus, dass sich die
beiden Ansprüche gegenseitig bedingen oder ausschliessen. Es genüge vielmehr,
dass die beiden Klagen eine gewisse gemeinsame Grundlage hätten, sodass die
Beurteilung der Widerklage durch die gleichzeitige Würdigung des tatsächlichen
Fundaments der Hauptklage wesentlich gefördert werde. Das treffe hier zu,
freilich nicht schon deshalb, weil es sich um Ansprüche aus dem gegenseitigen
Konkurrenzkampf handle, wohl aber, weil es sich bei den umstrittenen Marken um
solche für gleichartige Erzeugnisse handle; auch bestehe zwischen ihnen eine
gewisse Ähnlichkeit, sodass der für die Beurteilung beider Klagen massgebende
Sachverhalt weitgehend derselbe sei.
B. ­ Gegen diesen Entscheid hat Gütlin staatsrechtliche Beschwerde erhoben.
Zur Begründung wird unter Berufung auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV ausgeführt: Eine innere
rechtliche Konnexität zwischen Haupt- und Widerklageanspruch bestehe nicht.
Die Beurteilung der Hauptklage fördere die der Widerklage keineswegs. Bei der
Hauptklage frage es sich, ob die Marke «Pro PAN» im Hinblick auf die chemische
Verbindung Propan als gemeinfreie Sachbezeichnung zu gelten habe und für das
Publikum irreführend sei. Bei der Widerklage dagegen, mit der selbständig die
Löschung der Marke «Sanopan» verlangt werde, frage es sich, ob diese
Bezeichnung Phantasiecharakter und Verkehrsgeltung habe.
C. - Das Handelsgericht Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Die Beschwerdebeklagte beantragt Abweisung der Beschwerde und führt aus: Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei der erforderliche Zusammenhang
gegeben, wenn Haupt- und Widerklage auch nur zum Teil dieselbe Grundlage
hätten. Das treffe hier zu. Beide Klagen seien nach demselben Spezialgesetz zu
beurteilen und gingen auf das zwischen den Parteien herrschende

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Wettbewerbsverhältnis zurück. Auch die gegenseitige Förderung durch gemeinsame
Beurteilung sei gegeben, denn das mit Bezug auf die Marke «Pro PAN» gesammelte
Material werde auch für die Beurteilung der Marke «Sanopan» von Bedeutung
sein.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen aus folgenden Erwägungen:
1. ­ Das Recht zur Berufung auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV kann dem Beschwerdeführer nicht
wegen der Natur des gegen ihn erhobenen Anspruchs abgesprochen werden.
Markenrechte sind zwar gleich den dinglichen absolute Rechte. Ihr Gegenstand
ist aber nicht körperlich, sondern als immaterielles Gut mit der Person ihres
Inhabers verbunden. Gegen diesen gerichtete Klagen, die sich auf Bestand oder
Umfang seines Markenrechts beziehen, sind daher bezüglich des Gerichtsstands
als persönliche Ansprachen zu betrachten.
2. ­ Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV
den Gerichtsstand der Widerklage im interkantonalen Verhältnis auch für
persönliche Ansprachen nicht aus, sofern ein rechtlicher Zusammenhang zwischen
Klage und Widerklage besteht (BGE 58 I 169 E. 3 und dort zitierte frühere
Urteile). Ein solcher Zusammenhang liegt nicht nur vor bei materieller
Konnexität im strengen Sinne, wenn die beidseitigen Ansprüche aus dem gleichen
Rechtsgeschäft oder aus dem gleichen Tatbestand abgeleitet werden. Klage und
Widerklage können sich auch auf verschiedene Tatbestände stützen,
vorausgesetzt nur, dass sie Ausfluss eines gemeinsamen Rechtsverhältnisses
sind oder doch eine enge rechtliche Beziehung zu einander haben, wie z.B. die
Forderungsklage und die Widerklage aus ungerechtfertigtem Arrest für die
Forderung (BGE 47 I 182 E. 4). Dagegen genügt es nicht, wenn es sich bloss um
gleichartige Klagen handelt (BGE 7 S. 21, 21 S. 358, 34 I 773) oder wenn
lediglich Gründe der Prozessökonomie für ihre gemeinsame Beurteilung sprechen.

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3. ­ Im vorliegenden Falle ist nicht ersichtlich, wieso zwischen den beiden
Markenlöschungsklagen ein rechtlicher Zusammenhang bestehen soll. Sie beruhen
auf unabhängigen Tatbeständen, die durch keine rechtlichen Beziehungen
miteinander verbunden sind. Auch der gegenseitige Konkurrenzkampf, aus dem sie
hervorgegangen sind, schafft eine rechtliche Beziehung nicht; er ist lediglich
der äussere Anlass für Klage und Widerklage. Eine gemeinsame Grundlage wäre
dagegen vorhanden, wenn die Verwechselbarkeit der beiden Marken die eine als
unzulässig erscheinen liesse. Allein hierauf wird weder die Klage noch die
Widerklage gestützt. Übrigens besteht zwischen den beiden Klagen nicht einmal
ein tatsächlicher Zusammenhang. Sieht man von der Identität der Parteien und
dem Konkurrenzkampf zwischen ihnen ab, so ist den beiden Klagen auch nicht
einmal ein nebensächlicher Tatbestand gemeinsam. Dass beide Marken für ein
Mittel gegen die Brotkrankheit gebraucht werden und die Silbe «pan» führen,
vermag die beiden Klagen nicht zu zusammenhängenden, sondern höchstens zu
gleichartigen zu stempeln. Damit lässt sich aber der Ausnahmegerichtsstand der
Widerklage ebensowenig rechtfertigen wie mit den Gründen der Prozessökonomie,
die sich hier zu seinen Gunsten anführen lassen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 344
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 14. Oktober 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 344
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 59 BV: Begriff der persönlichen Ansprache (Erw. 1); Zulässigkeit des Ausnahmegerichtsstands...


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BGE Register
34-I-755 • 47-I-176 • 58-I-165 • 71-I-344
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
widerklage • handelsgericht • weiler • persönliche ansprache • sachbezeichnung • bundesgericht • treffen • frage • autonomie • sachverhalt • abweisung • markenschutz • entscheid • zahl • begründung des entscheids • staatsrechtliche beschwerde • zwischenentscheid • bedingung • freizeichen • brot
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