S. 193 / Nr. 45 Strafgesetzbuch (d)

BGE 69 IV 193

45. Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1943 i.S. Bachmann gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.


Seite: 193
Regeste:
Ist der vermindert zurechnungsfähige Täter gemäss Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB wegen
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu verwahren, so ist der
bedingte Strafvollzug ausgeschlossen.
Lorsque le délinquant à responsabilité restreinte doit être interné en vertu
de l'art. 14 CP parce qu'il compromet la sécurité ou l'ordre publics, l'octroi
du sursis est exclu.
Se l'agente di responsabilità scemata dev'essere internato giusta l'art. 14 CP
perchè espone a pericolo la sicurezza o l'ordine pubblico, la sospensione
condizionale della pena è esclusa.

A. - Fritz Bachmann hat, in depressiver Anwandlung sich nach Ruhe und
Versorgtsein sehnend, absichtlich eine baufällige Scheune angezündet. Er ist
Epileptiker, infolge der Krankheit vermindert zurechnungsfähig und neigt zu
Brandstiftung; mit einer Wiederholung der Tat ist daher ernstlich zu rechnen.
Der Psychiater empfiehlt wegen Gemeingefährlichkeit seine Versorgung auf
unbestimmte Zeit.
B. - Mit Urteil vom 7. Juli 1943 hat das Obergericht des Kantons Zürich
Bachmann unter Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit wegen Brandstiftung
zu zwölf Monaten Gefängnis, abzüglich 199 Tage Untersuchungshaft, verurteilt,
gemäss Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB seine Verwahrung in einer Heil- und Pflegeanstalt
angeordnet und den Strafvollzug eingestellt. Bezüglich des bedingten
Strafvollzuges weist das Urteil darauf hin, dass gemäss Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.

StGB nach Aufhebung der Verwahrung der Richter zu entscheiden haben werde, ob
die Strafe noch zu vollstrecken sei. Daher brauche heute noch nicht
entschieden zu werden, ob dem Angeklagten

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der bedingte Strafvollzug zu gewähren sei; hierüber werde allenfalls in jenem
späteren Verfahren zu entscheiden sein; jedenfalls zwinge das Gesetz nicht
dazu, dies schon heute zu tun. Diese Lösung rechtfertige sich auch deshalb,
weil dannzumal besser abgeklärt sein werde, ob mit einer erneuten
(gleichartigen) Verfehlung des Angeklagten gerechnet werden müsse; nach dem
heutigen Stand der Dinge müsste, da das Gutachten die Rückfallgefahr bejahe,
der bedingte Strafvollzug wohl abgelehnt werden.
C. - Bachmann verlangt durch Nichtigkeitsbeschwerde, dass ihm schon heute der
bedingte Strafvollzug gewährt werde; die Hinausschiebung der Entscheidung
verletze Art. 41
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
und 17 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Ist der vermindert zurechnungsfähige Täter gemäss Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB wegen
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verwahren, so ist der
bedingte Strafvollzug ausgeschlossen, weil die Bedingung des Art. 41 Ziff. 1
Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB nicht erfüllt ist, nämlich zur Zeit nicht Gewähr dafür besteht,
dass der Verurteilte durch diese Massnahme von weiteren Verbrechen oder
Vergehen abgehalten würde. Wohl wird ihn die Verwahrung davon abhalten, aber
nicht die bessere Einsicht, wie sie das Gesetz voraussetzt und die ihm wegen
seines Geisteszustandes bis auf weiteres nicht zugetraut werden kann. Den
künftigen Zustand nach der Entlassung heute dem Urteil zu Grunde zu legen -
worauf die Ausführungen der Beschwerde hinauslaufen -, kommt ernsthaft nicht
in Betracht, und die Entscheidung auf den Zeitpunkt zu verschieben, wo die
Gemeingefährlichkeit dahingefallen sein wird, ist nicht nötig. Denn alsdann
wird der Richter ohnehin gemäss Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB zu entscheiden
haben, ob und inwieweit die Strafe noch zu vollstrecken ist. Durch diese
Massnahme wird diejenige des bedingten Strafvollzuges gegenstandslos, denn die
Vollstreckung wird in erster Linie dann auszuschliessen sein, wenn die

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nunmehr behobene Gemeingefährlichkeit der Gewährung des bedingten
Strafvollzuges nicht entgegengestanden hätte. Dem Täter entgeht so allerdings
die Vergünstigung der vorzeitigen Löschung im Strafregister, wie sie mit dem
bedingten Strafvollzug bei Bewährung verbunden ist. Allein dies ist im
Vergleich zur Nichtverbüssung der Strafe nebensächlich und bildet darum keinen
genügenden Grund, neben der Sondermassnahme des Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB
auf das allgemeine Institut des bedingten Strafvollzuges nachträglich
zurückzukommen. Dieser hätte vor jener auch nicht den Vorteil voraus, dass er
während der Bewährungsfrist einen weiteren Zwang zum Wohlverhalten auf den aus
der Anstalt Entlassenen ausüben würde. Denn nicht weniger Zwang dürfte in der
Aussicht liegen, bei Rückfälligkeit wiederum versorgt zu werden.
Mit dieser abweichenden Begründung ist das angefochtene Urteil zu schützen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 IV 193
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 20. November 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 IV 193
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Ist der vermindert zurechnungsfähige Täter gemäss Art. 14 StGB wegen Gefährdung der öffentlichen...


Gesetzesregister
StGB: 14 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
17 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
41
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
BGE Register
69-IV-193
Stichwortregister
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