S. 4 / Nr. 2 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 69 III 4

2. Entscheid vom 12. Januar 1943 i. S. Gmür.

Regeste:
Ein vom Gläubiger dem Schuldner einseitig und unbedingt ausgestellter Rückzug
der Betreibung gilt als zu Handen des Betreibungsamtes erklärt. Der Rückzug
ist jedoch nicht vor Einreichung beim Amte wirksam und darf nicht mehr
berücksichtigt werden, wenn er durch eine inzwischen eingetroffene abweichende
Erklärung des Gläubigers (z. B. ein Fortsetzungsbegehren) überholt ist.
Retrait de la poursuite: La communication que le créancier fait au débiteur
pour l'informer qu'il retire sa poursuite doit être considérée comme faite à
l'intention de l'office lorsqu'elle n'est accompagnée d'aucune réserve. Le
retrait de la poursuite n'a cependant pas d'effet aussi longtemps qu'il n'a
pas été porté à la connaissance de l'office et ne doit plus être pris en
considération s'il a été expressément ou implicitement révoqué dans
l'intervalle, notamment par le dépôt d'une réquisition de continuer la
poursuite.
Ritiro dell'esecuzione: La comunicazione del creditore al debitore nel senso
che ritira la sua esecuzione dev'essere considerata come fatta all'intenzione
dell'ufficio, se non è accompagnata da riserva. Il ritiro dell'esecuzione non
ha tuttavia alcun effetto fino a tanto che non è stato portato a conoscenza
dell'ufficio e non dev'essere preso in considerazione se è stato espressamente
od implicitamente revocato nell'intervallo, p. es., mediante domanda di
proseguimento dell'esecuzione.


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In der Betreibung Nr. 3839 des Beat Gmür gegen Alois Gmür verweigerte das
Betreibungsamt Reichenburg den Vollzug des auf provisorische Rechtsöffnung
gestützten Pfändungsbegehrens vom 17. Juli 1942 angesichts zweier vom
Schuldner vorgewiesener Erklärungen des Gläubigers vom 10. Juni (« Juli ») und
14. Juni 1942, wonach die Forderung von Fr. 1500.­ unter Nachlass von Fr.
200.­ «bereinigt» sei und der Gläubiger die Betreibung Nr. 3839 zurückziehe.
Der Gläubiger führte Beschwerde mit dem Antrag, das Betreibungsamt sei
anzuweisen, die Pfändung zu vollziehen und die neue Pfändungsurkunde
kostenfrei zuzustellen. Von den kantonalen Aufsichtsbehörden abgewiesen
(ausser dass das Betreibungsamt zur Rückerstattung eines Teilbetrages von Fr.
2.­ der Vollzugsgebühren verpflichtet wurde), hält er mit dem vorliegenden
Rekurs an seinem Beschwerdebegehren fest. Er führt wie schon in den kantonalen
Instanzen aus, die mit dem Schuldner getroffene Abmachung habe auf der
Zusicherung beruht, dass der Schuldner für ihn Fr. 1300.­gerichtlich
hinterlegt habe, was sich jedoch als unwahr erwiesen habe. Der Schuldner möge
nach Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG an den Richter gelangen und sich über die Erfüllung der
Vereinbarung ausweisen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Dass der Gläubiger eine hängige Betreibung zurückziehen kann, ist vom SchKG in
Art. 278 Abs. 4 ausdrücklich angenommen, ausserdem in den Vorschriften über
die Führung des Betreibungsbuches berücksichtigt (Art. 30 Kolonne 20, E
«Abstellung durch den Gläubiger») und entspricht denn auch ständiger Praxis
(vgl. BGE 59 III 136). Der Rückzug der Betreibung erfasst deren Grundlage, das
Betreibungsbegehren, und hat dementsprechend (mit Vorbehalt zivilrechtlicher
Gründe des Untergangs der Forderung) nicht mehr, aber auch nicht weniger zur
Folge, als dass eine neue Betreibung angehoben werden

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muss, wenn der Gläubiger dann später doch wieder den Weg der
Zwangsvollstreckung beschreiten will. Indessen liegt ein Rückzug, wie im
bereits angeführten Entscheide ausgesprochen, nur in einer dahingehenden an
das Betreibungsamt gerichteten Erklärung, wogegen mit einer Erklärung an den
Schuldner, des Inhalts, die Betreibung werde zurückgezogen, nur entweder eine
Verpflichtung eingegangen wird, dies alsbald gegenüber dem Betreibungsamt zu
tun, oder aber der Schuldner ermächtigt wird, von der Erklärung des Gläubigers
als einer wenn auch nicht unmittelbar an das Betreibungsamt, so doch zu dessen
Handen abgegebenen Rückzugserklärung Gebrauch zu machen, indem er sie an das
Betreibungsamt weiterleitet. Jedenfalls ist die Betreibung erst in dem
Augenblick wirksam zurückgezogen, in dem das Betreibungsamt eine einwandfreie
Rückzugserklärung erhält, nicht schon bei Abgabe einer dahingehenden
Willensäusserung des Gläubigers an den Schuldner. Hier nun fehlt es an einer
vom Gläubiger dem Betreibungsamt selbst abgegebenen Rückzugserklärung. Dagegen
fragt sich, ob der Schuldner nicht befugt gewesen wäre, die ihm abgegebenen
Erklärungen dem Betreibungsamte als zu dessen Handen abgegebene
Rückzugserklärungen zu unterbreiten. Wenn BGE 59 III 136 hiefür eine
ausdrückliche und schriftliche Vollmacht verlangt, so versteht sich dies für
den Fall, dass, wie damals, die Rückzugserklärung nur eine von mehreren
Vertragsklauseln ist. Im vorliegenden Falle liegt jedoch eine selbständige
Erklärung des Gläubigers vor, die ihrem Wortlaute nach nicht wohl anders als
zu Handen des Betreibungsamtes abgegeben sein konnte. Nun hat aber der
Schuldner die Erklärung nicht an das Betreibungsamt eingereicht und auch in
dem erst am 25. Juni 1942 vom Gläubiger angehobenen Rechtsöffnungsverfahren
sich nicht auf die Rückzugserklärung berufen. Es braucht nicht geprüft zu
werden, wieweit dieses Verhalten einen Beweis für die vom Gläubiger behauptete
unerfüllte Bedingung bilde, an die der Rückzug der Betreibung

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geknüpft worden sei. Vielmehr fällt die Rückzugserklärung für die
Betreibungsbehörden einfach deshalb ausser Betracht, weil sie dem
Betreibungsamt vom Schuldner erst anlässlich des Pfändungsvollzuges
unterbreitet wurde, als sie durch das Fortsetzungsbegehren des Gläubigers
überholt war. Denn wenn das Betreibungsamt eine, sei es auch zu seinen Handen
dem Schuldner abgegebene Rückzugserklärung erst nach Empfang einer
gegenteiligen direkten Erklärung des Gläubigers selbst erhält, so darf es jene
nicht mehr berücksichtigen. Solchenfalls ist, wie der Rekurrent mit Recht
geltend macht, der Schuldner, wenn er (unter Vorbehalt der vom Gläubiger
vorzubringenden Einwendungen) auf der Verbindlichkeit der Rückzugserklärung
beharren will, in der Tat darauf angewiesen, im Sinne von Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG an den
Richter zu gelangen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und das Betreibungsamt angewiesen, die Pfändung
zu vollziehen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 69 III 4
Date : 01. Januar 1942
Published : 12. Januar 1943
Source : Bundesgericht
Status : 69 III 4
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Ein vom Gläubiger dem Schuldner einseitig und unbedingt ausgestellter Rückzug der Betreibung gilt...


Legislation register
SchKG: 85
BGE-register
59-III-136 • 69-III-4
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prosecution office • debtor • demand for continuation of prosecution • intention • drawee • judicial agency • ensuring • declaration of intention • cantonal remedies • abrogation • requisition • behavior • condition • objection • prosecution demand • provisionary dismissal of objection • reception • undertaking • debt enforcement • hamlet • debt enforcement and bankruptcy law
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