S. 268 / Nr. 43 Jagd und Vogelschutz (d)

BGE 69 II 268

43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1945 i. S. Huber
gegen Angst.


Seite: 268
Regeste:
1. BG über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925, Art. 13 Kausalhaftung des
Jägers gegenüber dem Jagdgast.
2. Kein Abzug wegen Vorteils der Kapitalabfindung, wenn der Geschädigte die
Abfindungssumme in das Geschäft seines Arbeitgebers einwirft, um sich seine
Stelle zu erhalten.
1. Art. 13 LF du 10 juin 1925 (ROLF 1925 p. 749) sur la chasse et la
protection des oiseaux. - Le chasseur est responsable en raison de la seule
causalité envers la personne invitée à la chasse.
2. Il n'y a pas lieu à réduction des dommages-intérêts en raison de
l'allocation d'un capital, lorsque la partie lésée met la somme obtenue dans
l'entreprise de son employeur pour garder son emploi.
1. Art. 13 LF 10 giugno 1925 su la caccia e la protezione degli uccelli. Il
cacciatore è responsabile in virtù del solo principio della causalità verso la
persona invitata alla caccia.
2. Non si deve procedere ad una riduzione del risarcimento dei danni pel fatto
che è accordato al leso un capitale, s'egli impiega la somma ottenuta
nell'azienda del suo padrone per conservare il suo posto.

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger Huber nahm am 29. November 1938 als Gast an einer Jagd im Revier
Buchberg teil. Der Beklagte Angst war Obmann der Jagdgesellschaft. Nach Ende
der Mittagspause lud Angst im Vorwärtsgehen auf einer Strasse zwei Läufe
seines Drilling-Gewehres mit Schrot. Die Waffe war ungesichert und einer ihrer
beiden Abzüge gestochen, sodass ein Schuss sehr leicht ausgelöst werden
konnte. Als Angst das Gewehr nach dem Laden zuklinkte, ging aus dem rechten
Schrotlauf ein Schuss los. Huber, der in diesem Augenblick unmittelbar vor
Angst herging, wurde im linken Fuss getroffen und derart verletzt, dass ihm
noch am gleichen Tag das Bein unter dem Knie amputiert werden musste.

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Angst wurde vom Kantonsgericht Schaffhausen wegen fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Geldbusse von Fr. 500.- verurteilt.
Huber ist nach dem Rentenbescheid der SUVAL dauernd zu 50 % arbeitsunfähig.
Vor dem Unfall war er Filialleiter der Deco A.-G., Zürich. Im Jahre 1938
betrug sein Einkommen Fr. 11058.- .
Huber bezieht von der SUVAL eine Dauerrente. Vom Jagd-Haftpflicht-Versicherer
des Angst erhielt er Fr. 25438.30. Für den ungedeckten Schaden klagte er Angst
ein. Das Bezirksgericht Zürich sprach ihm Fr. 41150.62 zu nebst Zinsen. Das
Obergericht des Kantons Zürich setzte die Entschädigung auf Fr. 22542.90
herab.
Gegen das Urteil des Obergerichts erklärte der Kläger die Berufung an das
Bundesgericht mit dem Antrag, es sei das Urteil des Bezirksgerichtes
wiederherzustellen.
Der Beklagte reichte Anschlussberufung ein mit dem Antrag, der von ihm an den
Kläger zu bezahlende Betrag sei auf Fr. 15028.60 festzusetzen.
Das Bundesgericht stellte das Urteil des Bezirksgerichtes wieder her.
Aus den Erwägungen:
1.- Der vorliegende Fall beurteilt sich nach dem Bundesgesetz über Jagd und
Vogelschutz vom 10. Juni 1925, das in Art. 13 die uneingeschränkte
Kausalhaftung des Jägers für Jagdschaden vorsieht, und zwar, wie sich aus
seiner Entstehungsgeschichte ergibt, für jede Art von Jagdschaden (vgl.
BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht, III Nr. 1099/IV). Man kann sich allerdings
fragen, ob diese strenge Haftung auch gegenüber dem Jagdgast am Platze ist,
der sich freiwillig der bei einer Jagd erhöhten Gefahr aussetzt, und ob nicht
der Gesetzgeber seither in Art. 37 Abs. 4 MFG einen über das MFG
hinausgehenden allgemeinen Grundsatz aufgestellt hat, der auch bei Unfällen
von Jagdgästen anzuwenden ist. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Denn ein
solcher Grundsatz könnte sicher nur dann gelten, wenn den Haftpflichtigen

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kein Verschulden trifft. Wie nun das Bezirksgericht in Übereinstimmung mit dem
Strafgericht feststellte, hat der Beklagte ohne Zweifel fahrlässig gehandelt,
indem er sein Gewehr nicht sicherte, den Abzug nicht nachprüfte und sich beim
Laden zu wenig nach den in der Nähe befindlichen Personen umsah.
2.... 3.... 4....
5.- Den Schaden, der dem Kläger durch die dauernde Arbeitsunfähigkeit von 50 %
erwachsen ist, berechneten beide kantonalen Gerichte in der Weise, dass sie
von der mittleren Lebenserwartung des 1902 geborenen Klägers ausgingen und die
Hälfte des von ihm im Jahre 1938 erzielten Einkommens zu 4 % kapitalisierten.
Vom so errechneten Barwert der Invalidenrente von Fr. 90288.57 zog das
Obergericht 20 Prozent ab und stellte demgemäss im Gegensatz zum
Bezirksgericht als Kapitalentschädigung nur Fr. 72230.87 in Rechnung. Die
Vorinstanz tat dies mit der Begründung, die Kapitalabfindung bedeute für den
Kläger einen augenscheinlichen Vorteil. Von der ihm vom Haftpflichtversicherer
ausgerichteten Teilentschädigung habe er nämlich Fr. 20000.- durch Kauf von
Aktien und durch Darlehen in die Deco A.-G. eingeworfen. Auf diese Weise habe
er, zusammen mit drei andern Angestellten der Deco A.-G., die beabsichtigte
Liquidation seiner Arbeitgeberfirma verhindern können. Die Kapitalabfindung
habe es ihm somit ermöglicht, seine Arbeitgeberfirma zu stützen, seine eigene
Stellung zu festigen und die ihm drohende Gefahr einer erheblichen
Einkommensverminderung, wenn nicht einer dauernden Arbeitslosigkeit,
abzuwenden. Ohne den Weiterbestand seiner Arbeitgeberfirma wäre der Annahme,
er werde auch in Zukunft Fr. 11058.- jährlich verdienen, der Boden entzogen
gewesen.
Gegen diesen Abzug von Fr. 18057.70 richtet sich in der Hauptsache die
Berufung des Klägers, während der Beklagte mit der Anschlussberufung eine
Erhöhung des Abzuges beantragt.

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Der Abzug erweist sich zum vorneherein als zu hoch. Die Vorinstanz übersieht,
dass der von ihr angeführte Vorteil nur einen Betrag von Fr. 20000.- betrifft.
Der Abzug dürfte daher höchstens von diesem Betrag, nicht vom gesamten Barwert
der Rente berechnet werden.
Ein Vorteil der Kapitalabfindung kann aber auch nicht angenommen werden mit
Bezug auf den in die Deco A.-G. eingeworfenen Betrag von Fr. 20000.-. Vorab
ist es unrichtig, dass die Vorinstanz den Weiterbestand der Deco A.-G. in
diesem Zusammenhang als Grundlage bezeichnete für die Annahme, der Kläger
werde auch in Zukunft jährlich Fr. 11058.- verdienen. Denn wenn es sich einmal
als richtig erwiesen hat, das Einkommen, das der Verunfallte ohne den Unfall
hätte erwarten können, nach seinem Einkommen zur Zeit des Unfalles zu
berechnen - was die Vorinstanz für den vorliegenden Fall an anderer Stelle mit
zutreffenden Gründen darlegte (Erw. 4 hievor) - so bildet dieser Betrag den
zahlenmässigen Ausdruck für den Wert der Arbeitsfähigkeit, die der Verunfallte
ohne den Unfall gehabt hätte, also für eine seiner Person innewohnende
Eigenschaft, die im allgemeinen nicht nur in einer bestimmten Stelle betätigt
werden kann und daher vom Fortbestand eines bestimmten Dienstvertrages und
eines bestimmten Geschäftes unabhängig ist. Bei der Zusprechung einer Rente
oder eines Kapitalbetrages als Entschädigung für dauernde Arbeitsunfähigkeit
kommt es denn auch nicht darauf an, ob der geschädigte Dienstnehmer seine
Stelle hätte behalten können oder sie in absehbarer Zeit hätte wechseln
müssen. Daraus ergibt sich aber, dass es innerhalb des Haftpflichtrechtes
grundsätzlich nicht angeht, es als einen anrechenbaren Vorteil zu bezeichnen,
wenn der Geschädigte seine Kapitalabfindung dazu benützt, um sich seine
bisherige Stelle zu sichern und so einen Wechsel zu vermeiden. Zu einer
solchen Verwendung der Abfindungssumme wird er zudem häufig nur deshalb
veranlasst oder durch die Umstände gezwungen sein, weil er es

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gerade wegen seiner Schädigung schwerer hat, den ihm verbleibenden Teil seiner
Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt zur Geltung zu bringen. Die Abfindungssumme
an sich kann er jedenfalls deswegen nicht nutzbringender verwenden als
derjenige, der nicht in eine solche Zwangslage gerät und den Betrag in sichern
Werttiteln anlegen kann. Der Kläger musste seine Abfindungssumme einem
offenbar nicht kapitalkräftigen, den Schwankungen des Wirtschaftslebens
unterworfenen Unternehmen für Aktien und als Darlehen überlassen. Er läuft
somit Gefahr, die Abfindungssumme zu verlieren, während eine Rentenleistung
des Versicherers für ihn viel sicherer gewesen wäre. Von einem greifbaren
Vorteil, der gemäss BGE 60 II 398 f. einen Abzug rechtfertigen würde, könnte
nur dann gesprochen werden, wenn die Einlage in die Deco A.-G. als
Betriebskapital einen erheblichen Gewinn abwerfen würde. Das geht aber aus dem
angefochtenen Urteil nicht hervor und ist nach den Akten nicht anzunehmen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 II 268
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 24. Mai 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 II 268
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 1. BG über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925, Art. 13 Kausalhaftung des Jägers gegenüber dem...


BGE Register
60-II-397 • 69-II-268
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