S. 188 / Nr. 31 Erfindungsschutz (d)

BGE 69 II 188

31. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. April 1943 i. S. Räz
und Dr. Egli gegen Bigler, Spichiger u. Co., A.-G.

Regeste:
1. Die neuartige Verwendung eines bekannten Stoffes stellt in casu eine
Erfindung dar.
2. Der Richter kann ein Patent nur dann beschränken (Art. 16 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG),
wenn eine Partei dies beantragt (Änderung der Rechtsprechung).
1. L'utilisation nouvelle d'une matière connue constitue dans le cas
particulier une invention.
2. Le juge ne peut limiter un brevet (art. 16 al. 2 LB) que si une partie le
demande (changement de jurisprudence).

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1. Il nuovo impiego d'una materia conosciuta costituisce nel caso particolare
un'invenzione.
2. Il giudice può limitare il brevetto (art. 16 cp. 2 della legge federale sui
brevetti d'invenzione) soltanto se una parte ha formulato una conclusione in
tale senso (cambiamento della giurisprudenza).

A. - Die Beklagten Hermann Räz und Dr. Paul Egli in Thun sind gemeinsam
Inhaber des schweizerischen Hauptpatentes Nr. 190,289 und des Zusatzpatentes
Nr. 192,072, die beide auf einen «Gleitschutzkörper, insbesondere für
Hufbeschläge» lauten. Ein nach diesen Patenten angefertigter Hufeisenstollen
wurde unter der Marke «Mordax» in den Handel gebracht.
Der Anspruch des am 9. April 1936 angemeldeten Hauptpatentes Nr. 190,289
lautet:
«Gleitschutzkörper, insbesondere für Hufbeschläge, dadurch gekennzeichnet,
dass ein aus verschleissfestem Werkstoff bestehender Dorn mit nach dem
Versenkende hin konisch verjüngtem Schaft in eine konische Vertiefung seines
aus Stahl bestehenden Trägers so eingesetzt ist, dass er am Versenkende nicht
fest aufliegt, sondern nur an seiner Mantelfläche gehalten ist.»
Dazu kommt folgender Unteranspruch:
«Gleitschutzkörper nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass der Dorn
in die konische Vertiefung seines Trägers kalt eingepresst ist.»
Das Zusatzpatent Nr. 192,072 wurde am 19. Dezember 1936, noch vor
Veröffentlichung des Hauptpatentes, angemeldet. Sein Anspruch lautet:
«Gleitschutzkörper, insbesondere für Hufbeschläge, nach dem Patentanspruch des
Hauptpatentes, bei welchem ein aus verschleissfestem Werkstoff bestehender
Dorn in einen Träger eingesetzt ist, welcher auf der Seite des Dornes an einem
Zapfen einen Kopf aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe des
Trägerkopfes dem Halbmesser des Trägerzapfens wenigstens annähernd entspricht,
und dass der Dorn, dessen kopfseitige Stirnfläche in der Mitte erhöht ist, nur
um Scheitelhöhe dieser Stirnfläche aus dem Träger hervorragt.»
Dazu kommen folgende Unteransprüche:
«1. Gleitschutzkörper nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass der
Trägerkopf eine kugelflächenförmig gewölbte Stirnfläche aufweist.
2. Gleitschutzkörper nach Unteranspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der
Dorn mit seinem untern Ende um mehr als die

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Grösse seines Durchmessers unter die Basisfläche des Trägerkopfes in den
Zapfen des Trägers hineinragt.»
B. - Die Firma Bigler, Spichiger & Co., A.-G., in Biglen, reichte beim
Handelsgericht des Kantons Bern Klage ein mit dem Begehren, die Patente Nr.
190,289 und Nr. 192,072 seien nichtig zu erklären. Die Klage stützt sich auf
Art. 16 Ziff. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
, 4
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
, 7
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
und 8
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG. Die Beklagten beantragten Abweisung der
Klage.
Das Handelsgericht hat Zeugen einvernommen und ein Gutachten von Ing. Gisi,
Adjunkt am Amt für geistiges Eigentum, eingeholt. Die Parteien legten
ausserdem Privatgutachten vor, die Klägerin ein solches von Dr. Stäger,
Privat-Dozent an der E.T.H. Zürich, die Beklagten ein solches von Dr. Eisner,
Leiter der «Stellram»-Hartmetallfabrik Nyon.
Mit Urteil vom 15. Juni 1942 hiess das Handelsgericht das Hauptbegehren der
Klage gut und erklärte die beiden Patente als nichtig. Das Gericht stützte
sich beim Hauptpatent auf Art. 16 Ziff. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG. Es nahm durch Auslegung des
Patentanspruches an, dass eine Kombinationserfindung vorliege; die drei
Elemente der Kombination seien an sich nicht neu; die Kombination selbst
stelle keine Erfindung dar, weil ihr die schöpferische Idee fehle. Das
Zusatzpatent verletze den Grundsatz der Nichtidentität (Art. 16 Ziff. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG).
C. - Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Beklagten:
1. Die Sache sei gemäss Art. 64
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
2. In Abänderung des angefochtenen Urteils sei die Klage im vollen Umfang
abzuweisen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Aus den Erwägungen:
1.- ..... (Aktivlegitimation.)
2.- Für die Beurteilung der ersten Streitfrage, ob beim Hauptpatent eine
Erfindung vorhanden sei (Art. 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.


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Ziff. 1 PatG), ist vorab zu prüfen, ob und wodurch sich der Patentgegenstand
vom bisher Bekannten unterscheidet, worin also der Erfindungsgedanke bestehen
soll.
Der durch die Streitpatente geschützte Gleitschutzkörper, der insbesondere als
Hufeisenstollen Verwendung findet, setzt sich zusammen aus dem eigentlichen
Stollenkörper, dem Träger, und einem in den Träger eingelassenen Dorn. Nach
dem Patentanspruch weist er folgende Merkmale auf:
a) Befestigung des Dornes im Träger:
aa) Der Dorn hat einen nach dem Versenkende hin konisch verjüngten Schaft; die
Vertiefung des Trägers, in die der Dorn eingesetzt wird, weist eine
entsprechende konische Form auf.
bb) Der Dorn ist so eingesetzt, dass er am Versenkende nicht fest aufliegt,
sondern nur an seiner Mantelfläche gehalten wird. Nach dem Unteranspruch kann
diese Befestigung durch kaltes Einpressen erreicht werden.
b) Stoff des Stollens:
aa) Der Träger besteht aus Stahl.
bb) Der Dorn besteht aus «verschleissfestem Werkstoff». Als verschleissfest
bezeichnet die Patentbeschreibung einen mindestens den Härtegrad 9
aufweisenden Werkstoff, beispielsweise Wolframkarbid.
Die Vorinstanz nahm auf Grund des Patentanspruches zum vorneherein an, die
Erfindung bestehe im Zusammenwirken der selbständigen Elemente des
Erfindungsgegenstandes, es liege somit ein Kombinationspatent vor. Sie setzte
damit etwas voraus, was sich erst als Antwort auf die Frage nach dem
Erfindungsgedanken hätte ergeben können. Die Annahme einer
Kombinationserfindung war daher verfrüht und - wie sich aus den nachfolgenden
Erwägungen ohne weiteres ergibt - unrichtig. Da sie auf keiner
tatbeständlichen Feststellung beruht, ist sie für das Bundesgericht nicht
verbindlich, sodass die von den Beklagten dagegen erhobene
Aktenwidrigkeitsrüge gegenstandslos ist.

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Ohne Zweifel haben nicht alle im Haupt- und Unteranspruch aufgezählten
Merkmale Erfindungscharakter. Die Beklagten geben selbst zu, dass schon früher
Hufeisenstollen aus einem Träger und einem darin eingesetzten härtern Dorn
bekannt waren und dass die Herstellung des Trägers aus Stahl und die von ihnen
gewählte Art der Befestigung des Dornes im Träger an sich nicht als
Erfindungen angesprochen werden können. Wie sie in der Klageantwort ausführen,
soll der Erfindungsgedanke im zuletzt erwähnten Merkmal liegen, nämlich darin,
dass der in der beschriebenen Weise geformte und in den stählernen Träger
eingesetzte Dorn aus verschleissfestem Werkstoff von mindestens Härtegrad 9
besteht.
Dieser Gedanke war zur Zeit der Patentanmeldung in der Tat neu. Wie die
Vorinstanz feststellte, waren zwar Werkstoffe von dieser Härte etliche Jahre
vor dem April 1936 in der Schweiz bekannt. Es bedeutete auch nichts Neues,
daraus Stifte oder Dornen herzustellen. Dagegen wurden solche Stoffe bis dahin
weder für Dornen in Gleitschutzkörpern, noch überhaupt für Gleitschutzzwecke
verwendet.
3.- Besteht somit der Erfindungsgedanke in der neuartigen Verwendung
bestimmter Stoffe, so ist weiter zu prüfen, ob darin eine Erfindung im Sinne
des PatG liege. Zum vorneherein ausgeschlossen ist dies nicht. Eine Erfindung
kann auch in der erstmaligen Auswahl eines an sich bekannten Stoffes für eine
an sich bekannte Vorrichtung bestehen, wenn nur die für jede Erfindung
erforderlichen Merkmale des technischen Fortschrittes und der schöpferischen
Idee gegeben sind (BGE 26 II 234; Urteil vom 20. Februar 1935 i. S. Arquint
gegen Gebr. Tüscher & Co., unveröffentlichte Erwägung 2).
Ob ein erheblicher technischer Fortschritt vorliegt, ist zum Teil Tat-, zum
Teil Rechtsfrage. Die Vorinstanz sprach sich darüber nicht aus. Doch lassen
sich die notwendigen tatsächlichen Feststellungen unschwer aus den Akten
gewinnen (Art. 82 Abs. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG), da die Vorinstanz über die

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Frage des Fortschrittes ein umfangreiches Beweisverfahren durchführte und
insbesondere eine Reihe der berufensten Sachverständigen als Zeugen
einvernahm. Die übereinstimmenden Aussagen dieser Zeugen geben ein klares Bild
über den Stand der Hufbeschlagtechnik in der Schweiz vor und nach der
streitigen Erfindung.
Mit dem Aufkommen der Hartstrassenbeläge aus Asphalt und Zement war der
Gleitschutz für Pferde immer notwendiger geworden. Die vor dem
«Mordax»-Stollen in den Handel gebrachten Hufeisenstollen boten keinen
ausreichenden Gleitschutz, nützten sich rasch ab und schädigten zum Teil den
Strassenbelag. Sie waren ausserdem zu hoch, was eine unnatürliche Stellung des
Hufes und häufige Krontrittverletzungen zur Folge hatte. Diese Nachteile
bestanden nach dem Urteil des gerichtlichen Sachverständigen auch bei jenen -
in der Schweiz allerdings kaum gebrauchten - Stollen, in die ein Dorn aus
härterem Stahl eingesetzt war; solche Dorne griffen den Boden ebenfalls nicht
genügend an; sie waren zudem innert kurzem so abgenützt, dass sie nicht mehr
über den Träger vorstanden und deshalb das Ausgleiten nicht mehr verhinderten.
Der ausserordentlich harte Werkstoff des beim Streitpatent verwendeten Dornes
ist härter als jeder Strassenbelag und muss, wie der gerichtliche
Sachverständige ausführt, einen ausnehmend hohen Reibungskoeffizienten mit den
bei Strassendecken verwendeten Werkstoffen haben. Der Dorn greift daher
überall an und bietet einen sichern Gleitschutz. Durch den Gebrauch wird er
noch schärfer und tritt immer mehr hervor, da sich der Träger rascher abnützt.
Allerdings bricht deshalb der vorstehende Dornteil hin und wieder ab; doch
wirkt der Rest des Dornes weiterhin als Gleitschutz.
Nach den Erfahrungen der Zeugen ist der «Mordax»-Stollen auf Hartbelagstrassen
«absolut gleitsicher», auch auf nassen, steilen und leicht vereisten Strassen.
Er ermöglicht das Reiten und Fahren auf Strassenstrecken,

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die früher nach Möglichkeit gemieden wurden. Er schont den Strassenbelag. Er
nützt sich nur langsam ab; durch den Gebrauch erhöht sich seine Griffigkeit.
Der «Mordax»-Stollen kann um ein Vielfaches länger verwendet werden als andere
Stollen. Er ist sehr niedrig, was als wichtiger veterinär-medizinischer
Vorteil bezeichnet wird; nach Auffassung fast aller Zeugen sind deswegen beim
«Mordax»-Stollen auch Krontrittverletzungen seltener. Der Vorteil der
Niedrigkeit beruht allerdings auf der nicht im Haupt- sondern im Zusatzpatent
beschriebenen Konstruktion; diese ist aber nur auf Grund des
Erfindungsgedankens des Hauptpatentes möglich.
Veterinäroberst Heusser, Professor der Tierheilkunde an der Universität
Zürich, sagte als Zeuge aus: «Der «Mordax»-Stollen war derjenige Stollen, auf
den man seit langem wartete». Der Zeuge Oberst Collaud, Oberpferdearzt der
Armee, bezeichnete den «Mordax»-Stollen als «umwälzende Neuerung». In der
Armee wurde der «Mordax»-Stollen nach eingehender Erprobung für alle
Offiziers- und Unteroffiziersreitpferde und für die gesamte Kavallerie
eingeführt; einzig wegen der Kosten wurde er nicht auch für die Zugpferde
vorgeschrieben.
Bei dieser Sachlage liegt ohne Zweifel ein erheblicher, klar erkennbarer
Fortschritt im Sinne des Patentrechtes vor.
4.- Ob in der Verwendung eines verschleissfesten Werkstoffes vom Härtegrad 9
eine schöpferische Idee liegt, hat die Vorinstanz nicht eingehend erwogen. Sie
prüfte auch die Erfindungshöhe vom Gesichtspunkt der Kombinationserfindung aus
und kam zum Ergebnis, das Streitpatent stelle einfach eine handwerksmässige
Weiterbildung des auf Grund des amerikanischen Patentes 779,753 vom Jahre 1905
angefertigten und auch in der Schweiz vorbekannten «Amerikastollens» dar.
Dieser weist ebenfalls einen Träger und einen darin eingesetzten härtern Dorn
auf, der aus hartem Stahl vom Härtegrad 7 besteht.
Da der Erfindungsgedanke beim Streitpatent gar nicht

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in einer «Kombination» von hartem Träger und noch härterem Dorn besteht, ist
die Gleichheit dieser Kombination beim Amerikastollen und beim Streitpatent
für die Frage der Erfindungshöhe unerheblich. Entscheidend ist einzig, ob es
im Zeitpunkt der Patentanmeldung wegen des Amerikastollens oder wegen anderer
technischer Gegebenheiten nahelag, für den Gleitschutzdorn einen
verschleissfesten Werkstoff vom Härtegrad 9 zu verwenden. Über diese Frage
enthält das angefochtene Urteil nur die Erwägung, dass die Beklagten einfach
«die gerichtsnotorische Zunahme der Hartstrassen in den letzten Jahren in
Rechnung zogen» und sich andererseits «die Fortschritte der Technik auf dem
Gebiete der Hartmetalle seit 1905 zu Nutzen machten».
Dieser Erwägung ist zunächst entgegenzuhalten, dass jedenfalls die Erfahrungen
mit dem Amerikastollen keinen Anreiz zur Weiterbildung gaben. Dieser Stollen
bewährte sich nicht (wird näher ausgeführt).
Richtig ist dagegen, dass sich die Beklagten die Fortschritte der Technik auf
dem Gebiete der Hartmetalle zu Nutze machten. Das spricht aber noch nicht
gegen die Erfindungshöhe. Es frägt sich vielmehr, ob es nach dem Stand der
Hartmetalltechnik zur Zeit der Patentanmeldung eine schöpferische Idee war,
ein verschleissfestes Hartmetall von der Härte 9 als Dorn für einen
Gleitschutzkörper zu verwenden. Zu dieser ausschlaggebenden Frage, die vorab
tatsächlicher Natur ist, aber auch eine rechtliche Würdigung des Tatbestandes
erfordert, nahm die Vorinstanz nicht Stellung. Die von ihr durchgeführte
Beweisaufnahme gestattet es jedoch dem Bundesgericht, die notwendigen
tatsächlichen Feststellungen selbst vorzunehmen (Art. 82 Abs. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG). Denn der
gerichtliche Sachverständige Gisi kam in bezug auf diese Frage zu einem
eindeutigen Ergebnis. Die Vorinstanz stellte nur deshalb nicht auf sein
Gutachten ab, weil sie - zu Unrecht und unabhängig vom Sachverständigen - vom
Gedanken der Kombinationserfindung ausging, und der Sachverständige die

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Erfindungshöhe, insbesondere auch die metallurgische Seite dieser Frage, gar
nicht von diesem Gesichtspunkt aus hatte prüfen müssen. Die Sachkenntnis und
Objektivität des Sachverständigen wird aber von der Vorinstanz nicht in
Zweifel gezogen. Seine Ausführungen behalten daher ihr volles Gewicht.
Wie dem Gutachten zu entnehmen ist, entwickelte die Technik erst in den
letzten Jahrzehnten brauchbare Werkstoffe von hoher Härte. Sie beruhen auf der
Verwendung hochschmelzbarer Metalle und ihrer Karbide. Im Jahre 1907 kamen
zuerst Kobaltlegierungen unter der Bezeichnung «Stellite» in den Handel. Sie
wurden später von den Karbidlegierungen verdrängt. So kam im Jahre 1923 das
Wolframkarbid als Werkstoff auf. Sein Hauptnachteil, die grosse Sprödigkeit,
konnte in der Folge durch ein neues Herstellungsverfahren - Sintern statt
Schmelzen - und durch Zusatz von Kobalt vermindert werden. Das gebräuchlichste
Hartmetall war zur Zeit der Patentanmeldung das «Widia» der Firma Krupp in
Essen (gesintertes Wolframkarbid mit Kobaltzusatz), das im Jahre 1927 im
Handel erschien. Über die Verwendungsarten dieses Hartmetalls gibt das anfangs
1936 herausgegebene Widia-Handbuch der Firma Krupp Aufschluss.
Der Sachverständige lehnt die Behauptung der Klägerin ab, dass im Jahre 1936
für den Fachmann nichts näher lag, als das von der Stahlindustrie empfohlene
Hartmetall als Dorneinsatz in einem Gleitschutzkörper zu verwenden. Weder das
Widia-Handbuch noch die übrige von der Klägerin angeführte Literatur legten
den Gedanken nahe, Hartmetalle für diesen Zweck zu gebrauchen. Im
Widia-Handbuch werden die Hartmetalle allgemein und insbesondere das Widia als
Mittel zur Verbesserung von Werkzeugen, insbesondere von Schneid- und
Bohrwerkzeugen, besprochen. Das Handbuch bezeichnet daher die Hartmetalle auch
als «Werkzeuglegierungen» und «Schneidlegierungen» und hebt als
Haupteigenschaft des Widia die hohe Schneidleistung hervor. Das Widia wurde

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denn auch in Plättchen geliefert, die auf Werkzeugschneiden befestigt wurden.
Es diente somit einem wesentlich andern Zweck als dem Gleitschutz und wurde
von diesem andern Gesichtspunkt aus von den Fachleuten empfohlen und
weiterentwickelt. Allerdings finden sich in der Literatur auch Hinweise
allgemeiner Art über die Verwendungsmöglichkeit der Hartmetalle, so
beispielsweise, es seien viele Anwendungsgebiete möglich. Solche Hinweise sind
jedoch viel zu wenig bestimmt und konnten den Beklagten für die Stoffwahl
nicht dienen.
Die neue Verwendungsmöglichkeit, welche die Beklagten dem Hartmetall
erschlossen, lag aber nicht nur dem bisherigen Anwendungsgebiet dieser Stoffe
ferne, sondern war nach dem damaligen Stand der Technik überhaupt nicht zu
erwarten. Wie der Sachverständige ausführt, ist Widia immer noch sehr spröde,
wenn auch nicht mehr so spröde wie die früher hergestellten Hartmetalle. Auch
im Widia-Handbuch wird dies nach Feststellung des Sachverständigen zugegeben.
Die Literatur aus der Zeit der Patentanmeldung bestätigt die Sprödigkeit der
Hartmetalle. So wird u. a. in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure
vom Jahre 1935 S. 348 ausgeführt, dass Hartmetall so spröde sei wie Glas.
Wegen dieser Eigenschaft mussten die Hartmetalle gerade für Gleitschutzdorne
in Hufeisenstollen ungeeignet erscheinen. Denn ein solcher Dorn ist einer
ausserordentlich starken schlagenden Beanspruchung ausgesetzt. Beim Galopp auf
harter Strasse hat jeder einzelne Stollen während der Zeit, da er am Boden
ist, einen Druck von etwa 100 kg zu übertragen. Aus diesem Grunde musste es
nach Ansicht des Sachverständigen zum vorneherein als aussichtslos erscheinen,
einen Hartmetalldorn in einen Stollen einzubauen, da der Dorn aller Erwartung
nach innert kürzester Zeit zerstört werden musste. «Man begreift daher nicht»,
führt der Sachverständige aus, «wie die Erfinder zu diesem Werkstoff greifen
konnten. Sie haben... ein Vorurteil beseitigt, das wohlbegründet schien und
voraussichtlich auf lange Zeit hinaus den

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Fortschritt, den ihr Stollen gebracht hat, verhindert hätte, und das ist nach
unserer Ansicht das Kennzeichen einer schöpferischen Idee». Den gleichen
Standpunkt vertritt Dr. Eisner, der technische Leiter der grössten Schweizer
Hartmetallfabrik, dessen Privatgutachten ohne Bedenken herangezogen werden
darf, soweit es die Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt.
Nach Dr. Eisner war die Überraschung auch in den engsten Fachkreisen
ausserordentlich gross, als der neue Verwendungszweck für Hartmetall bekannt
wurde. «Es wurde eine unbekannte Eigenschaft (nämlich ein besonders gearteter
Verschleisswiderstand) an sich bekannter Werkstoffe entdeckt.»
Die Klägerin bringt demgegenüber vor, aus der Literatur, namentlich dem
Widia-Handbuch, ergebe sich, dass Hartmetall nicht nur ausserordentlich hart,
sondern auch sehr zähe und verschleissfest sei und somit einen grossen
Abnutzungswiderstand aufweise. Es werde sogar darauf hingewiesen, dass
Hartmetalllegierungen auch benützt würden für Gegenstände, bei denen es auf
Widerstandsfähigkeit gegen schlagende Beanspruchung ankomme, so für schlagende
Bohrer.
Nach dem Urteil des Sachverständigen bezogen sich aber alle Angaben über die
Verschleissfestigkeit des Widia auf die Verwendung von Werkzeugen und waren
deshalb für die Erfinder wertlos. Weitere Angaben würden ihnen nicht viel
genützt haben. Denn die Verschleissfestigkeit eines Werkstoffes bei einem
bestimmten Gebrauchsgegenstand kann nicht auf Grund von Festigkeitsdaten,
sondern nur durch den Versuch ermittelt werden. Das Gleiche gilt nach dem
Sachverständigen auch für die schlagende Beanspruchung.
Nach dem Stand der Technik zur Zeit der Patentanmeldung waren die Erfinder
somit auf Versuche angewiesen, um die Eignung der Hartmetalle für den
Gleitschutz kennen zu lernen, und zwar auf Versuche, die man in Fachkreisen
nach dem Urteil von Dr. Eisner nicht der Mühe wert hielt. Wie der
Sachverständige ausführt,

Seite: 199
konnten die Beklagten namentlich nicht wissen, ob sich der Hartmetalldorn
nicht etwa gleich dem Stahldorn ebenso rasch wie der Dornträger abnützen werde
und aus diesem Grund für den Gleitschutz nicht geeignet sei. Aus den Akten
ergibt sich, dass die Beklagten umfangreiche Versuche unternahmen, die erst
nach längerer Zeit zum Ziele führten. Im Wagnis solcher Versuche liegt das
Originelle. Selbst wenn die neue Verwendungsmöglichkeit der Hartmetalle
theoretisch geahnt werden konnte, so erforderte ihre Verwirklichung doch eine
gewisse Kühnheit, Ausdauer und Tatkraft, die den Erfinder kennzeichnet.
Für das Vorliegen der erforderlichen Erfindungshöhe spricht dann vor allem
auch die Tatsache, dass es etwa acht Jahre ging, bis das Hartmetall für den
Gleitschutz gebraucht wurde. Das Widia wird in der schweizerischen Industrie
seit 1928 verwendet. Trotzdem kamen weder die Hartmetall- noch die
Hufbeschlag-Fachleute auf den Gedanken, Gleitschutzkörper mit Hartmetalldornen
anzufertigen. Diese Verwendungsart lag offenbar für die Fachleute nicht nahe,
trotz allen praktischen Erfahrungen mit dem Hartmetall und trotz der
allgemeinen Hinweise in der Literatur über die Verschleissfestigkeit und die
Verwendungsmöglichkeiten des Widia. Das ist umso bemerkenswerter, als der
Stand der Hufbeschlagtechnik in dieser Zeit nicht genügte. Oberst Collaud
sagte als Zeuge aus: «Jedermann, der sich für Stollen interessierte, suchte
nach einer neuen Idee». Auch der von der Vorinstanz erwähnte Umstand, die
Beklagten seien durch die Zunahme der Hartbelagstrassen veranlasst worden,
einen den neuen Anforderungen gewachsenen Gleitschutz zu schaffen, spricht
nicht gegen, sondern für die Erfindungshöhe. Trotzdem das Problem dringlich
war, fand es vor den Beklagten keine befriedigende Lösung. Schliesslich weist
auch die Grösse des erzielten Fortschrittes auf die erfinderische Originalität
hin. Die Beklagten haben gleichzeitig etwas Unerwartetes und etwas
Hervorragendes geschaffen. Durch Überwindung eines technischen Vorurteils
erreichten sie

Seite: 200
mit einem Schlag eine wesentliche Verbesserung der Hufbeschlagtechnik. Einer
solchen originellen Leistung von erheblicher technischer Tragweite muss der
Erfindungscharakter zuerkannt werden, auch wenn man die Anforderungen an die
Erfindungshöhe im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 63 II
271
ff.) höher stellt als früher. Man kann sich allerdings fragen, ob streng
genommen das dort in den Vordergrund gestellte Erfordernis der Lösung, die
nicht schon dem geschickten oder gut ausgebildeten Fachmann möglich gewesen
wäre, verwirklicht sei. Das braucht indessen nicht entschieden zu werden. Denn
in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein technisch hervorragender
Fortschritt gegen alle Voraussicht auf Grund systematischer und umfassender
Versuche herausgefunden worden ist, liegt ein Erfindungstatbestand vor, der
jenem andern Erfordernis gleichwertig ist.
5.- (Die Frage, ob der Patentanspruch die Erfindung klar definiere und ob ihre
Ausführung durch Fachleute auf Grund der Beschreibung möglich sei (Art. 16
Ziff. 7
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
und 8
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG), ist in tatsächlicher Hinsicht unabgeklärt. Die Sache ist
daher an die Vorinstanz zurückzuweisen.)
6.- Aus den Erwägungen über den Erfindungscharakter und dem Zugeständnis der
Beklagten in der Klageantwort ergibt sich, dass der Patentanspruch zu weit
gefasst ist, indem er schutzunfähige Merkmale als selbständige Kennzeichen der
Erfindung anführt. Die Erfindung besteht einzig in der Verwendung von
verschleissfestem Werkstoff für den Dorn des Gleitschutzkörpers.
Für den Fall, dass die Vorinstanz in ihrem neuen Urteil die Nichtigkeit nach
Art. 16 Ziff. 7
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
und 8
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG verneint, stellt sich somit für sie die Frage, ob
sie die Beschränkung des Patentes wegen Teilnichtigkeit im Sinne von Art. 16
Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG, die nach dem Gesagten sachlich begründet wäre, von Amtes wegen
vorzunehmen hat. Dies ist zu verneinen. Die gegenteilige Auffassung, die das
Bundesgericht in BGE 65 II 272 ff. vertrat, kann nicht aufrechterhalten

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werden. So wenig Art. 16 Abs. 1 den Richter verpflichtet, ein Patent von Amtes
wegen nichtig zu erklären, so wenig will ihm dies Abs. 2 für die
Teilnichtigkeit vorschreiben. In beiden Fällen setzt das Urteil des Richters
einen Parteiantrag voraus. Der Bundesgesetzgeber wollte diesen aus dem
kantonalen Zivilprozessrecht sich ergebenden allgemeinen Grundsatz für das
Patentrecht nicht aufheben; er hat ihn im Gegenteil durch Art. 16 Abs. 3
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG
bestätigt. Allerdings ist zu vermuten, dass im Antrag auf Nichtigerklärung
auch der Antrag auf Teilnichtigerklärung als weniger weit gehendes Begehren
enthalten ist. Doch kann einem Nichtigkeitskläger sehr wohl der Wille oder die
Aktivlegitimation fehlen, um auch die Teilnichtigkeit anzubegehren. In einem
derartigen Falle muss die Nichtigkeitsklage auch dann ganz abgewiesen werden,
wenn zwar nicht die Nichtigkeit, wohl aber die Beschränkung des Patentes
sachlich begründet ist. Ein solches Ergebnis steht mit dem schweizerischen
Patentrecht im Einklang, das auch gänzlich nichtige Patente bestehen lässt,
solange sie nicht angefochten werden.
Sollte die Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall unbegründet sein, so hat die
Vorinstanz demnach auf Grund des kantonalen Prozessrechtes zunächst zu
entscheiden, ob im Klagebegehren das Begehren auf Teilnichtigerklärung
enthalten ist, und gegebenenfalls hat sie unter Berücksichtigung der
Erwägungen des gegenwärtigen Urteils dazu Stellung zu nehmen.
7.- Mit Recht sprach die Vorinstanz dem Zusatzpatent den Erfindungscharakter
ab. Der Hauptanspruch und die beiden Unteransprüche dieses Patentes
unterscheiden sich vom Hauptpatent nur dadurch, dass sie die Form von Träger
und Dorn des Gleitschutzkörpers und die Art der Befestigung des Dornes im
Träger noch näher umschreiben. Darin liegt aber nach dem Urteil des
gerichtlichen Sachverständigen keine Erfindung. Wohl ist der nach dem
Zusatzpatent hergestellte Gleitschutzkörper sehr niedrig und verkörpert wegen
dieser Eigenschaft einen

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erheblichen Fortschritt; denn vorher war es nie gelungen, der Forderung der
Wissenschaft nach einem möglichst niedrigen Stollen zu entsprechen. Allein
nachdem einmal Gleitschutzdorne aus Hartmetall verwendet wurden, war es nur
noch Sache des handwerklichen Könnens, einen möglichst niedrigen Stollen
herzustellen, wie überhaupt die für die Wirkweise dieses Dornes günstigste
Konstruktion herauszufinden. Eine schöpferische Idee, die es vom Hauptpatent
unterscheidet, enthält das Zusatzpatent nicht.
Demgemäss erkennt das Bundesgericht:
1. Die Berufung wird abgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtigerklärung
des Zusatzpatentes Nr. 192,072 richtet. 2. Im übrigen wird die Berufung
gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Bern vom 15. Juni
1942 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 II 188
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 19. April 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 II 188
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 1. Die neuartige Verwendung eines bekannten Stoffes stellt in casu eine Erfindung dar.2. Der...
Einordnung : Änderung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
OG: 64  82
PatG: 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
BGE Register
26-II-229 • 63-II-271 • 65-II-272 • 69-II-188
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
angabe • angewiesener • anschreibung • asphalt • ausmass der baute • autonomie • beklagter • benutzung • berechtigter • beweisführung • bezogener • bundesgericht • dauer • druck • eigenschaft • entscheid • erfinder • erfindungspatent • fachmann • frage • gebrauchsgegenstand • gewicht • gleichwertigkeit • handel und gewerbe • handelsgericht • hauptpatent • ingenieur • kennzeichen • klageantwort • lehrer • leiter • literatur • neuerung • nichtigkeit • patentanspruch • pferd • planungsziel • produktion • rechtsbegehren • richterliche behörde • richtigkeit • sachlicher geltungsbereich • sachverhalt • schneider • sprache • stahl • stand der technik • stelle • sucht • teilnichtigkeit • thun • umfang • vermutung • von amtes wegen • voraussetzung • vorinstanz • vorstand • vorteil • wagnis • ware • weiler • weiterbildung • werkstoff • werkzeug • wert • wille • wissen • zahl • zement • zeuge • zweck • zweifel