S. 272 / Nr. 56 Erfindungsgesetz (d)

BGE 65 II 272

56. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. November 1939 i. S. N.
V. Philips Gloeilampenfabrieken gegen Kaiser & Co. A. G. und Siemens & Halske
Aktiengesellschaft (Intervenientin).


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Regeste:
Patentgesetz, Art. 16 Abs. 2. Die Beschränkung des Patentes darf nicht vom
Vorliegen eines Parteiantrages abhängig gemacht werden, sondern ist durch den
Richter von Amtes wegen vorzunehmen.
Loi sur les brevets d'invention, art. 16 al. 2. Le juge doit prononcer
d'office la limitation du brevet, même lorsque l'intéressé n'a pas pris de
conclusions y relatives.
Legge federale sui brevetti d'invenzione, art. 16 cp. 2. Il giudice deve
pronunciare d'officio la limitazione del brevetto, anche se l'interessato non
ha formulato conclusioni in tale senso.

Die Widerklage geht auf Nichtigerklärung des Patentes Nr. 130.580, das in
einem Hauptanspruch und 8 Unteransprüchen eine Entladungsröhre zum Verstärken
elektrischer Schwingungen umschreibt. Der Hauptanspruch und die Unteransprüche
1-3 erweisen sich auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
mangels Erfindungshöhe als nichtig. Die verbleibenden Unteransprüche 4-8
zerfallen nach der Zerstörung des Hauptanspruches, auf den sie bezogen waren,
in mehrere, unter sich verschiedene Gegenstände, weisen also die nach Art. 6
u. 16 Abs. 2 erforderliche Einheit nicht auf. Da die widerbeklagte
Patentinhaberin es unterliess anzugeben, welchen dieser Unteransprüche sie bei
Nichtigkeit des übrigen Patentinhaltes aufrechterhalten und zum
Patent(haupt-)anspruch erheben wolle, hat die Vorinstanz das ganze Patent
nichtig erklärt, ohne sich auf die Frage der Beschränkung näher einzulassen.
Diese Entscheidung ist mit dem Patentgesetz nicht vereinbar,

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aus folgenden Gründen:
Art. 16 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG schreibt vor, dass der Richter bei Teilnichtigkeit das
Patent entsprechend zu beschränken hat. Ein Parteiantrag wird nicht
vorausgesetzt und darf daher vom Richter auch nicht unter Berufung auf das
kantonale Prozessrecht verlangt werden; die bundesrechtliche Regelung geht
abweichenden Bestimmungen der kantonalen Prozessordnung vor. Die Beschränkung
ist kraft Bundesrechts von Amtes wegen zu verfügen (vgl. BGE 34 II 62; 43 II
525
; WEIDLICH u. BLUM, Das schweizerische Patentrecht, Anm. 11 zu Art. 16).
Kommen mehrere der verbleibenden Ansprüche für die Neufassung des Patentes in
Betracht, so hat der Richter eine Erklärung des Patentinhabers darüber zu
veranlassen, welche Erfindung er geschützt wissen will. Es geht demnach nicht
an, einfach das ganze Patent nichtig zu erklären, wenn der Patentinhaber es
unterlassen hat, von sich aus einen Eventualantrag auf Beschränkung zu
stellen. Diese vom Patentgesetz vorgesehene Ordnung ist auch durchaus
sachgemäss. Der Wille des Patentinhabers, das Patent wenigstens soweit als
möglich aufrechtzuerhalten, darf als selbstverständlich vorausgesetzt werden.
Dass er aber, wenn auch nur in eventuellem Sinne, Beschränkungsanträge
einreiche, ist ihm billigerweise nicht zuzumuten. Er würde damit seinen
Standpunkt, es sei das Patent in vollem Umfange schutzwürdig, zum vorneherein
preisgeben oder doch abschwächen. Das kann von ihm umsoweniger verlangt
werden, als sich häufig erst aus den Feststellungen der Experten ergibt, dass
und wie das Patent zu beschränken ist. Allerdings lassen gewisse kantonale
Prozessordnungen, so die bernische, neue Anträge unter Umständen auch in
diesem Stadium des Prozesses noch zu. Die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.

PatG kann jedoch nicht von der mehr oder minder grossen Weitherzigkeit der
kantonalen Prozessrechte in der Zulassung neuer Anträge

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abhängig sein; der Richter hat die Beschränkung in jedem Falle von Amtes wegen
vorzunehmen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 II 272
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 15. November 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 II 272
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Patentgesetz, Art. 16 Abs. 2. Die Beschränkung des Patentes darf nicht vom Vorliegen eines...


Gesetzesregister
PatG: 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
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