S. 5 / Nr. 2 Gerichtsstand (d)

BGE 69 I 5

2. Auszug aus dem Urteil vom 26. März 1943 i. S. Depuoz gegen Pirovino und
Bezirksgericht Heinzenberg.

Regeste:
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV als Vorschrift von interkantonaler Bedeutung; Klagen auf Aufhebung
eines Kaufvertrages über ein Grundstück und einer Grundpfandverschreibung
sowie auf Löschung des Vertrages sind persönliche Klagen; Einschränkung der
Garantie des Wohnsitzrichters bei notwendiger Streitgenossenschaft.
Art. 59 CF. Portée intercantonale.
Les demandes en résolution de la vente d'un immeuble et en annulation d'une
hypothèque ainsi qu'en radiation du contrat au registre foncier sont des
actions personnelles Restriction de la garantie du juge du domicile en cas de
participation obligatoire au procès.

Seite: 6
Art. 59 CF. Portata intercantonale.
Le domande volte ad ottenere l'annullamento della vendita di un immobile e
l'annullamento di un'ipoteca, come pure la cancellazione delle relative
iscrizioni nel registro fondiario, sono azioni personali.
Restrizione della garanzia di essere convenuto davanti al giudice del luogo di
domicilio in caso di partecipazione necessaria al processo.

A. ­ Der Rekursbeklagte Pirovino hatte vom Erblasser (Vater) der heutigen
Rekurrenten, Gebrüder Depuoz, dessen Liegenschaft in Cazis gekauft. Wegen
teilweiser Entwehrung erhob er gegen die Rekurrenten Klage beim Bezirksgericht
Heinzenberg als Richter des Ortes der gelegenen Sache. Die Begehren gehen
dahin, dass der Kaufvertrag aufgehoben, die Eintragung des Klägers als
Eigentümer und die zu Gunsten der Verkäufer errichtete Grundpfandverschreibung
am Grundbuch gelöscht werde, und dass die Beklagten an den Kläger Fr. 2345.20
zu zahlen hätten. Zugleich wurde das Gesuch gestellt, dass durch provisorische
Verfügung die von den Rekurrenten angehobene Betreibung auf
Grundpfandverwertung einzustellen sei. Das Bezirksamt stellte die Klage am 5.
Januar 1943 den Rekurrenten zu, verband damit die Aufforderung zur Einreichung
der Antwort und erliess am folgenden Tage, noch vor Ablauf der den Rekurrenten
gesetzten Vernehmlassungsfrist, die begehrte vorsorgliche Verfügung. Von den
Rekurrenten wohnt der eine, Simon Depuoz in Seth (Bezirk Glenner, Kanton
Graubünden), die übrigen haben ihren Wohnsitz in andern Kantonen der Schweiz.
B. ­ Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 23. Januar 1943 beantragen die
Gebrüder Depuoz, die vom Bezirksamt im Zusammenhang mit der Klageeinreichung
erlassenen Verfügungen seien aufzuheben und Bezirksamt und Bezirksgericht von
Heinzenberg anzuweisen, sich für die Klage unzuständig zu erklären.
Es wird Verletzung von Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
und von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV (willkürliche Anwendung des
SchKG und der bündnerischen Zivilprozessordnung) geltend gemacht.

Seite: 7
Das Bezirksgericht von Heinzenberg und der Rekursbeklagte beantragen die
Abweisung der Beschwerde.
Aus den Erwägungen:
2. ­ Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV hat nur interkantonale Bedeutung. Er kann demnach von dem im
Kanton Graubünden wohnhaften Rekurrenten Simon Depuoz nicht angerufen werden,
obwohl er seinen Wohnsitz nicht im Bezirk Heinzenberg, sondern in einem andern
Bezirk des Kantons hat. Doch richtet sich die Klage nicht gegen diesen
Rekurrenten allein, sondern gegen alle Söhne (Erben) des Fidel Depuoz als
Streitgenossen und muss gegen alle gerichtet werden, wenn der Kläger ein der
Vollstreckung fähiges Urteil erwirken will. Die Gutheissung der Beschwerde der
andern Rekurrenten muss daher die Aufhebung der angefochtenen Verfügungen auch
gegenüber Simon Depuoz nach sich ziehen.
3. ­ Die gegen die Rekurrenten erhobenen Ansprachen sind persönlicher Natur.
Das gilt nicht nur für die Schadenersatzforderung aus Entwehrung, sondern auch
insoweit, als damit die Aufhebung des Kaufvertrages wegen teilweiser
Entwehrung verlangt wird. Denn auch diese Klage betrifft, was für ihren
persönlichen Charakter entscheidend ist, nicht das Ausführungs- sondern das
(obligatorische) Grundgeschäft; sie ist daher, ebenso wie die Klage auf
Erfüllung eines Immobiliarkaufvertrages, mit der ein obligatorischer Anspruch
auf Verschaffung des dinglichen Rechtes geltend gemacht wird, in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtes immer als persönliche Ansprache behandelt
worden (BGE 4, 119; 24 660; 32 I 291; 35 I 72; 51 I 49). Hievon abzuweichen
besteht kein hinlänglicher Grund. Aber auch für das Begehren auf Aufhebung der
Grundpfandverschreibung und Löschung des Kaufvertrages lässt sich der
persönliche Charakter der Klage nicht bestreiten. Der Wegfall des ursprünglich
gültigen Rechtsgrundes des Kaufsgeschäftes erzeugt zunächst nur einen
obligatorischen Anspruch,

Seite: 8
eine Forderung auf Rückerstattung der beim Empfänger noch vorhandenen Leistung
des Käufers von Fr. 6000.- bezw. was die Liegenschaft betrifft, eine Forderung
auf deren Rücknahme. Dabei haben die Rekurrenten mitzuwirken, d. h. in die
Löschung des Grundpfandes einzuwilligen, und, da die Bewilligung des
Rekursbeklagten zur Löschung des Eintrages im Grundbuch noch keine
Rückübertragung auf den früheren Eigentümer oder dessen Erben herbeizuführen
vermag, der Rückübertragung auf sie zuzustimmen. Dass nicht ausdrücklich auf
ein positives Tun in diesem Sinne geklagt ist, vermag hieran nichts zu ändern:
die Verfügung, die vom Richter verlangt wird, soll an die Stelle der
rechtsgeschäftlichen Willenserklärung (Einwilligung) der Rekurrenten treten,
auf Grund deren der Rekursbeklagte die Änderung im Grundbuch erwirken könnte,
ist also gerade dazu bestimmt, jene Erklärung zu ersetzen.
4. ­ Betrifft demnach die Klage persönliche Ansprüche, so müsste, weil nach
der Rechtsprechung die Garantie des Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV auch zugunsten jedes einzelnen
von mehreren solidarisch Belangten gilt (BGE 51 I 49; 53 I 49), jeder der
verschiedenen Rekurrenten an seinem Wohnsitz belangt werden. Dieser Grundsatz
muss indessen eine Einschränkung erleiden, wenn die Beklagten notwendige
Streitgenossen, die gegen sie erhobenen Ansprüche identisch sind und die
Vollziehung des Urteils gegen den einen daher notwendig auch die Verurteilung
der übrigen Beklagten voraussetzt. Das trifft aus den in BGE 51 I 49
dargelegten Gründen hier für die Rückübertragung der Liegenschaft und die
Löschung des Grundpfandrechtes zu. Das gegen einen Rekurrenten an dessen
Wohnsitz erstrittene Urteil wäre sonst wirkungslos, wenn die Urteile gegen die
anderen Rekurrenten anders ausfallen sollten. Der Rechtsverweigerung, die
dermassen aus dem Fehlen eines einheitlichen Gerichtsstandes entstehen könnte,
ist nur dadurch zu begegnen, dass das Bundesgericht, wenn es auf Grund von
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV angerufen ist,

Seite: 9
selbst den zuständigen Richter bezeichnet. Dafür kann, soll die Garantie des
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV im Grundsatz gewahrt bleiben, nicht der Gerichtsstand der gelegenen
Sache in Betracht fallen. In BGE 51 I 49 wurde darauf nur deshalb beiläufig
verwiesen, weil an jenem Orte, was entscheidend war, gleichzeitig einer der
Beklagten wohnte. Es muss dem Rekursbeklagten überlassen bleiben, die Klage
beim Wohnsitzrichter eines der Rekurrenten anzubringen; dort haben sich dann
auch die übrigen darauf einzulassen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die angefochtenen Verfügungen werden im
Sinne der Erwägungen aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 69 I 5
Date : 01. Januar 1942
Published : 26. März 1943
Source : Bundesgericht
Status : 69 I 5
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Art. 59 BV als Vorschrift von interkantonaler Bedeutung; Klagen auf Aufhebung eines Kaufvertrages...


Legislation register
BV: 4  59
BGE-register
32-I-288 • 35-I-70 • 51-I-47 • 53-I-47 • 69-I-5
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
appeal relating to public law • character • day • decision • defendant • district • father • federal court • guarantee of right of residence • hamlet • heir • intention • joinder of parties • land register • legal ground • mortgage • mortgage insurance • number • position • prohibition of arbitrariness • replacement • revocation • right of personal statement • sentencing • testator