S. 193 / Nr. 40 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 69 I 193

40. Urteil vom 29. Oktober 1943 i. S. Ludwig zur Gilgen gegen
Wehropfer-Rekurskommission und Krisenabgabe-Rekurskommission des Kantons
Luzern.


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Regeste:
Krisenabgabe und Wehropfer:
1. Vermögensmassen ohne Rechtspersönlichkeit (Sondervermögen, Zweckvermögen,
Fonds, Sammelvermögen, Gemeinschaftsgüter und dergleichen) sind nicht
Gegenstand gesonderter Besteuerung; sie werden dem Vermögen des
Steuerpflichtigen zugerechnet, dem sie zustehen.
2. Ein Familienfideikommiss ist von seinem Inhaber zusammen mit dem übrigen
Vermögen zu versteuern.
Contribution fédérale de crise et sacrifice pour la défense nationale:
1. Les masses de biens auxquelles n'est pas attachée la personnalité (masses
de biens distinctes, affectées à un but spécial, collectives, fonds etc.) ne
font pas l'objet d'une imposition distincte; elles sont comptées avec la
fortune du contribuable qui y B droit.
2. Le titulaire d'un fidéicommis de famille doit le déclarer, en vue de la
taxation, avec le reste de sa fortune.
Contribuzione federale di crisi e sacrificio per la difesa nazionale:
1. Le masse di beni che non hanno la personalità giuridica (beni speciali,
beni in vista d'uno scopo determinato, fondi, beni in comunione, eco.) non
sono colpite da un'imposizione a parte ma sono imputate alla sostanza del
contribuente.
2. Il titolare d'un fedecommesso deve dichiararlo, ai fini della tassazione,
col resto della sua sostanza.

A. ­ Der Beschwerdeführer ist derzeitiger Inhaber des am 8. März 1697
errichteten zur Gilgen'schen Familienfideikommisses, bestehend in der
Liegenschaft Kapellplatz 1 in Luzern. Nach der Fideikommissordnung darf das
«Haus ..... niemals in einen Erbteil eingeschlossen, noch verteilt werden,
sondern solches soll lediglich meinem ältesten Sohne ..... zufallen und
zuständig sein, auch soll solches fürder auf seine Kinder männlichen Stammes
aufeinanderfolgen». Der jeweilige Fideikommissar hat das Haus in Ehren zu
halten, für seine Erhaltung besorgt zu sein; er darf es weder verkaufen noch
belasten (SAUTIER, Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, S.
189).
Bei der eidgenössischen Krisenabgabe (IV. Periode) und beim eidgenössischen
Wehropfer ist das Fideikommissgut mit dem Vermögen des Beschwerdeführers
zusammengerechnet

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worden. Der Beschwerdeführer verlangte, dass das Fidoikommissgut, für das er
beim Wehropfer eine besondere Steuererklärung eingereicht hatte, für sich
besteuert werde; er ist aber abgewiesen worden, zuletzt durch zwei Entscheide
der Steuerrekurskommission des Kantons Luzern (in ihrer Eigenschaft als
kantonale Rekurskommision für die beiden eidgenössischen Abgaben) vom 30. März
1943 mit der Begründung, dass das Fideikommiss nach luzernischem Recht keine
Stiftung mit Rechtspersönlichkeit sei, sondern als gebundenes Eigentum des
Fideikommissars angesehen werde (Maximen des luzernischen Obergerichtes VII,
Nr. 616 und 620 und andere nicht publizierte Entscheidungen). Das Fideikommiss
sei daher, nach Art. 5 KrisAB und Art. 4 WOB, nicht Steuersubjekt. Für eine
getrennte Besteuerung des Fideikommisses und des übrigen Vermögens des
Rekurrenten aber fehle eine gesetzliche Grundlage. Übrigens sei die
Zusammenrechnung der beiden Vermögensmassen auch nicht unbillig.
B. ­ Mit rechtzeitig eingereichten Eingaben beantragt der Beschwerdeführer,
die beiden Entscheide aufzuheben und sein persönliches Vermögen und das zur
Gilgen'sche Fideikommissvermögen bei der Krisenabgabe und beim Wehropfer «als
getrennte Steuersubjekte und -objekte» zu behandeln. Zur Begründung wird
geltend gemacht, der Gesetzgeber habe die Besteuerung der Fideikommisse nicht
geordnet; es liege eine Lücke in der Gesetzgebung vor, die unter dem
Gesichtspunkte der Steuergerechtigkeit, nicht bloss auf dem Wege juristischer
Konstruktion zu ergänzen sei. Vom Standpunkte der Steuergerechtigkeit aus
seien die angefochtenen Entscheide zu beanstanden. Denn nach ihnen werde der
Beschwerdeführer verhalten, das Fideikommissgut in gleicher Weise zu
versteuern, wie andere Personen das ihnen zu freier Verfügung zustehende
Vermögen. Mit einem Vorerben sei der Fideikommissar nicht zu vergleichen, weil
jener aus reinem Wohlwollen des Erblassers eine vermögensrechtliche Leistung
erhalte, auf die er keinen rechtlichen Anspruch habe

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sich für die erbrachten Steuerleistungen aus dem Erbgut erholen könne, während
beim Fideikommiss die starre Vermögenswidmung den Vermögensertrag
beeinträchtige. Auch die Stellung des Oberhauptes einer Familie, das das
Familienvermögen als Einheit zu versteuern habe, sei eine viel freiere als die
eines Fideikommissars. Das Fideikommiss nähere sich am ehesten der
Familienstiftung. Darum werde die Gleichbehandlung mit der Familienstiftung
verlangt. Es sei geradezu willkürlich, über die zwischen den beiden Instituten
bestehende, offensichtliche Parallelität hinwegzugehen. Das Fideikommiss müsse
sodann, wenn nicht eine ungerechte Besteuerung erfolgen solle, überhaupt, ohne
Rücksicht auf die zivilrechtliche Betrachtungsweise, als selbständiges
Steuersubjekt anerkannt werden. Übrigens komme dem Fideikommiss, als einer
Stiftung oder stiftungsähnlichen Anstalt, zivilrechtlich Rechtspersönlichkeit
zu. Das Bundesgericht habe gelegentlich das Fideikommissgut als
Fideikommissstiftung bezeichnet und spreche von Willen des Stifters (BGE 18 S.
932). Wolle man aber das Fideikommiss nicht als Stiftung betrachten, BO komme
weiterhin die Rechtsform der privaten Anstalt in Frage. Das zur Gilgen'sche
Fideikommiss weise mit seiner starren Gebundenheit diesen Charakter in
besonders hohem Masse auf. Es sei einfach nicht tragbar, dass der
Fideikommissar den Vermögenskomplex zusammen mit seinem Eigentum zum
Progressionssatz des Gesamtvermögens versteuern müsse, weil seine Vorfahren
vor ein paar hundert Jahren die damalige Form der Stiftung gewählt hätten,
diese aber, wegen ihrer Starrheit, eine zeitgemässe Anpassung an die
Familienstiftung des ZGB ausschliesse.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1. ­ Subjekte der eidgenössischen Krisenabgabe und des Wehropfers,
krisenabgabe- und wehropferpflichtig sind (abgesehen von einer hier
unerheblichen Ausnahme,

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vgl. Art. 5, Ziff. 3 KrisAB und Art. 4, Ziff. 3 WOB) ausschliesslich
natürliche und juristische Personen (Art. 5, Ziff. 1, 2 und 3 KrisAB und Art.
4, Ziff. 1, 2 und 3 WOB). Vermögensmassen ohne Rechtspersönlichkeit
(Sondervermögen, Zweckvermögen, Fonds, Sammelvermögen, Gemeinschaftsgüter und
dergleichen) sind nicht Gegenstand gesonderter Besteuerung, sondern werden dem
Steuerpflichtigen zugerechnet, dem sie zustehen (Urteil vom 31. Mai 1943 i. S.
Meyer, Erw. 1, nicht publiziert). Massgebend ist bei beiden Abgaben das
gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Steuerpflichtigen (Art. 28,
Abs. 1, KrisAB, Art. 14, Abs. 2, WOB). Eine Teilung in einzelne
Vermögensmassen ist nach dieser Ordnung grundsätzlich ausgeschlossen
(vorbehältlich von Ausscheidungen zur Vermeidung internationaler
Doppelbesteuerung). Die eidgenössischen Steuergesetze erfassen ausdrücklich
das gesamte Vermögen des Steuerpflichtigen als Einheit. Die Klasseneinteilung
erfolgt stets nach Massgabe des Gesamtvermögens, auch wenn mangels
Steuerhoheit ein Teil des Vermögens von der Steuer ausgenommen ist (Art. 66,
Abs. 1 KrisAB, Art. 28 WOB und Marginalien dieser Artikel).
2. ­ Das Fideikommissgut zur Gilgen kann daher nur dann als besondere Einheit
besteuert werden, wenn es einem Steuersubjekt zusteht, das über kein anderes
Vermögen verfügt. Der Beschwerdeführer behauptet, das Fideikommiss sei
Steuersubjekt. Was er dafür anführt, trifft aber offensichtlich nicht zu.
a) Die Bundesratsbeschlüsse über die Krisenabgabe und über das Wehropfer
bezeichnen die Steuersubjekte abschliessend. Andere als die in den Erlassen
angeführten Steuersubjekte gibt es bei diesen Abgaben nicht. Der Versuch, aus
einer «zivilrechtlichen Betrachtungsweise» abzuleiten, das Fideikommiss müsse
als ein selbständiges Steuersubjekt anerkannt werden, ist mit der Umschreibung
der Steuerpflicht in Art. 5 KrisAB und Art. 4 WOB unvereinbar. Das
Fideikommiss ist nur dann

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Steuersubjekt, wenn es die Voraussetzungen erfüllt, an die das Gesetz die
persönliche Steuerpflicht knüpft, wenn es eine juristische Person ist.
b) Dieser Voraussetzung genügen aber Fideikommisse jedenfalls im allgemeinen
nicht und das zur Gilgen'sche Fideikommiss macht in diesem Punkte keine
Ausnahme. Zivilrechtlich bildet das Fideikommiss ein Sondervermögen in der
Hand der berechtigten Person, wobei nach der im schweizerischen Recht
vorherrschenden Auffassung dem jeweiligen Inhaber das Alleineigentum am
Fideikommissgut zusteht mit der Modalität, dass es sich dabei um hinsichtlich
Verpfändung, Veräusserung und Vererbung gebundenes Eigentum handelt (EGGER.,
Komm. (II. Aufl.) S. 372 Nr. 22 zu Art. 335
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 335 - 1 Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
1    Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
2    Die Errichtung von Familienfideikommissen ist nicht mehr gestattet.
ZGB, BGE 67 III S. 13 f.). Der
Wortlaut der zur Gilgen'schen Fideikommissordnung entspricht dieser
Auffassung. Es ist ohne weiteres klar, dass nach den Vorschriften über die
Krisenabgabe und das Wehropfer ein solches Sondervermögen dem übrigen Vermögen
des Berechtigten zugerechnet werden muss.
Aber selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer annehmen wollte, das zur
Gilgen'sche Fideikommiss sei wie eine Stiftung oder «privatrechtliche Anstalt»
zu behandeln, käme man zu keiner andern Lösung. Denn es wäre auf jeden Fall
eine unselbständige Stiftung oder Anstalt und daher nicht eine juristische
Person, woraus sich wiederum die Besteuerung des Stiftungsgutes bei dem nach
der Stiftungsordnung berechtigten Inhaber ergeben würde. Der Rekurrent
übersieht, dass Stiftungen und Anstalten nicht ohne weiteres mit
Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, sondern dass dafür besondere
Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die aber bei einer in der Hand des
ordnungsmässigen Eigentümers liegenden, jeder weiteren Organisation
entbehrenden Vermögensmasse nicht zutreffen können.
3. ­ Unbegründet ist schliesslich die Behauptung, die Zusammenrechnung des
Fideikommissgutes und des übrigen

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Vermögens führe zu einer Schlechterstellung des Beschwerdeführers gegenüber
andern Steuerpflichtigen. Der Beschwerdeführer wird wie die andern
Steuerpflichtigen für sein gesamtes Reinvermögen besteuert. Die Meinung ist
dabei, dass er gemäss seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfasst
werde. Es liegt aber auf der Hand, dass hiebei das Fideikommiss nicht ausser
Betracht gelassen werden kann. Die einzige Frage, die sich etwa erheben
könnte, wäre, ob dem Umstande, dass das Fideikommissgut dem jeweiligen
Berechtigten nur zu gebundenem Eigentum zusteht, bei Schätzung seines
Steuerwertes Rechnung zu tragen ist. Der Beschwerdeführer hat aber in dieser
Beziehung keine Einwendungen erhoben, und den Akten ist nicht zu entnehmen,
dass das Fideikommissgut als Bestandteil des Vermögens des Beschwerdeführers
unrichtig geschätzt worden wäre.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 I 193
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 29. Oktober 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 I 193
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Krisenabgabe und Wehropfer:1. Vermögensmassen ohne Rechtspersönlichkeit (Sondervermögen...


Gesetzesregister
ZGB: 335
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 335 - 1 Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
1    Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
2    Die Errichtung von Familienfideikommissen ist nicht mehr gestattet.
BGE Register
67-III-13 • 69-I-193
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
fideikommiss • stiftung • mass • eigentum • juristische person • familienstiftung • biene • weiler • bundesgericht • frage • entscheid • berechnung • autonomie • direkte bundessteuer • begründung des entscheids • erbschaftsteilung • kauf • berechtigter • gegenstand • familie
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