S. 13 / Nr. 4 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 67 III 13

4. Entscheid vom 17. Januar 1941 i. S. Sparkasse Willisau A.-G.


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Regeste:
Familienfideikommisse des luzernischen Rechts:
­ sind in ihrer Substanz unpfändbar, wenigstens für andere als
Fideikommisschulden.
Art. 335 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 335 - 1 Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
1    Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
2    Die Errichtung von Familienfideikommissen ist nicht mehr gestattet.
ZGB. Kantonales Recht. Haftungsgrundsätze.
Fidéicommis de famille du droit lucernois. Insaisissabilité des biens du
fidéicommis dans leur substance, du moins pour d'autres dettes que celles du
fidéicommis.
Art. 335 al. 2 CC. Droit cantonal. Principes de responsabilité.
Fedecommesso di famiglia del diritto lucernese.
Impignorabilità dei beni del fedecommesso relativamente alla loro sostanza,
almeno per altri debiti che quelli del fedecommesso.
Art. 335 cp. 2 CC. Diritto cantonale. Principi relativi alla responsabilità.

Die Aufsichtsbehörde des Kantons Luzern hat mit Entscheid vom 16. Dezember
1940 die Pfändbarkeit des Fideikommissvermögens des Schuldners F. L. von
Sonnenberg, abgesehen von den bereits am 6. Juli 1940 pfändbar erklärten
Erträgnissen, verneint. Demgegenüber beantragt die Gläubigerin mit dem
vorliegenden Rekurs, dieses Vermögen sei als pfändbar zu erklären und die
Pfändung anzuordnen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Während sich BGE 42 III 255 nur mit der Frage nach der Pfändbarkeit des
Nutzungsrechts eines Fideikommissars zu befassen hatte, steht nun die Frage
nach der Pfändbarkeit des Fideikommissgutes selbst zur Entscheidung. Sie ist
mit der Vorinstanz zu verneinen angesichts der von dieser dargelegten
materiellen Ausgestaltung des luzernischen Fideikommissrechtes. Wenn Art. 335
Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 335 - 1 Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
1    Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
2    Die Errichtung von Familienfideikommissen ist nicht mehr gestattet.
ZGB bestimmt, dass Familienfideikommisse nicht mehr errichtet werden
dürfen, so folgt daraus anderseits, dass bereits bestehende, unter der
Herrschaft des kantonalen Rechts entstandene und rechtsbeständig gebliebene
Fideikommisse auch nach Inkrafttreten des ZGB nach Massgabe des kantonalen
Rechts fortbestehen können. Im Kanton Luzern ist nach den Ausführungen der
Vorinstanz

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der Fortbestand solcher Fideikommisse anerkannt, und zwar ist nach
luzernischem Recht ein Fideikommissgut und im besondern dasjenige der Familie
Sonnenberg «ein durch gültige Privatdisposition unveräusserlich mit einer
Familie verbundener, zum Genuss durch die Familienglieder nach bestimmter
Sukzessionsordnung bestimmter Vermögenskomplex», der zwar dem jeweiligen
Fideikommissar zu Eigentum zustehe, jedoch mit der Beschränkung, dass er es in
seiner Substanz unverändert erhalten müsse und weder verkaufen noch
vertauschen noch verpfänden, sondern nur die Erträgnisse für sich beanspruchen
dürfe. Diese Auslegung des kantonalen Rechts ist vom Bundesgericht im
Rekursverfahren nach Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
SchKG nicht nachzuprüfen. Die Rekurrentin bringt
vor, Veräusserungen von Fideikommissgut seien im Kanton Luzern schon
vorgekommen und von den Behörden genehmigt worden. Sie legt zum Beweis hiefür
die Botschaft des Regierungsrates vom 23. November 1931 betreffend die
Genehmigung des Verkaufes der Liegenschaft «Tribschen» des Fideikommisses am
Rhyn ältere Linie an die Einwohnergemeinde Luzern vor. Dort ist aber unter
Ziff. III ausdrücklich hervorgehoben, dass der Nettoerlös seinerseits als
Fideikommissvermögen zu behandeln und in die Depositalkasse der
Ortsbürgergemeinde Luzern einzulegen sei, indem sich das Realfideikommiss in
ein Geldfideikommiss verwandle. Die allfällige Möglichkeit solcher Umwandlung
lässt den Grundsatz der Unveräusserlichkeit unberührt; als Verwertung kommt
sie nicht in Frage, da der Erlös ebenso wie das bisherige Realvermögen
gebundenes Fideikommissgut bliebe. Die Frage ist nur, ob diese Bindung des
Vermögens auch vor dem Vollstreckungsrecht bestehen könne, oder ob zu Gunsten
der Gläubiger des gegenwärtigen Fideikommissars zur Aufhebung und Liquidation
des Fideikommissvermögens geschritten werden könne. Das ist jedoch zu
verneinen, da nach den erwähnten materiellrechtlichen Grundsätzen, die mit der
allgemeinen Lehre übereinstimmen, am

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Fideikommissgut gar nicht Eigentum im Sinne freier Verfügungsgewalt besteht,
vielmehr das Gut den durch die dafür aufgestellte Erbfolgeordnung bezeichneten
Anwärtern verfangen ist, «eine eigene Vermögenssphäre» bildet und nur für
Fideikommisschulden haftet, auch für solche übrigens manchenorts nur mit den
Früchten (STOBBE-LEHMANN, Deutsches Privatrecht, 3. Aufl., 2. Band, S. 541
ff.); daraus ist denn bereits gefolgert worden, dass mit der Pfändung von
Fideikommissgut für andere Schulden in die Rechte der Anwärter bezw. das
«Obereigentum» der Familie eingegriffen würde (STOBBE, a.a.O. 537,
Entscheidungen des deutschen Reichsgerichts in Zivilsachen 30 Nr. 119). Für
die vorliegende, nicht Fideikommisschulden betreffende Betreibung hat daher
die Vorinstanz mit Recht die Anordnung einer Pfändung von Fideikommissgut
abgelehnt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es vorbehältlich abweichender
Vorschrift dem Parteibelieben versagt ist, Vermögen dem Zugriff der Gläubiger
zu entziehen, etwa durch unentgeltliche Zuwendung mit solcher Beschränkung,
und dass gewillkürte Veräusserungsverbote, gleichgültig ob sie auf
Rechtsgeschäften unter Lebenden oder von Todes wegen beruhen, unbeachtlich
sind, sobald die Veräusserung im Zwangsvollstreckungsverfahren in Frage steht.
Demgegenüber stellen die Familienfideikommisse, wo sie von der
Privatrechtsordnung anerkannt sind, einen erbrechtlichen Vorbehalt besonderer
Art dar, der über die vom ZGB anerkannte Nacherbeneinsetzung (Art. 491)
hinausgeht. Die damit geschaffene Haftungsbeschränkung muss vom
Schuldvollstreckungsrecht respektiert werden gleichwie andere zivilrechtliche
Haftungsbeschränkungen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 67 III 13
Datum : 31. Dezember 1941
Publiziert : 16. Januar 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 67 III 13
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Familienfideikommisse des luzernischen Rechts:­ sind in ihrer Substanz unpfändbar, wenigstens für...


Gesetzesregister
SchKG: 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
ZGB: 335
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 335 - 1 Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
1    Ein Vermögen kann mit einer Familie dadurch verbunden werden, dass zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen oder zu ähnlichen Zwecken eine Familienstiftung nach den Regeln des Personenrechts oder des Erbrechts errichtet wird.
2    Die Errichtung von Familienfideikommissen ist nicht mehr gestattet.
BGE Register
42-III-255 • 67-III-13
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frage • kantonales recht • vorinstanz • fideikommiss • familie • eigentum • betreibung auf pfändung • nichtigkeit • kauf • richtlinie • weisung • rechtskraft • inkrafttreten • schuldbetreibungs- und konkursrecht • tod • sparkasse • schuldner • rechtskraft • regierungsrat • zivilsache
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