S. 101 / Nr. 23 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 69 I 101

23. Urteil vom 17. September 1043 i. S. Gmür & Cie A.-G. gegen eidg.
Steuerverwaltung.

Regeste:
Stempelabgaben und Quellenwehrsteuer: Den eidgenössischen Stempelabgaben und
damit der Quellenwehrsteuer sind nur diejenigen Obligationen unterworfen, die
einer der in Art. 10 Abs. 1
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 10 - 1 Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
1    Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
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3    und 4...66
, lit. a und b, StG aufgeführten Gruppen angehören.
Droit de timbre et impôt pour la défense nationale perçu à la source: Sont
seules soumises au droit de timbre et à l'impôt pour la défense nationale
perçu à la source les obligations qui rentrent dans l'un des groupes désignés
à l'art. 10 al. 1 lit. a et b LT.
Diritto di bollo e imposta per la difesa nazionale riscossa alla fonte: Sono
assoggettate al diritto di bollo ed all'imposta per la difesa nazionale
riscossa alla fonte soltanto le obbligazioni che fanno parte di uno dei gruppi
indicati nell'art. 10, cp. 1, lett. a e b LTB.

A. ­ Die Familienaktiengesellschaft Gmür & Cie hat am 7. Oktober 1941 bei drei
ihrer Aktionäre Darlehen im Gesamtbetrage von Fr. 10003.- aufgenommen und

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jedem Gläubiger einen Schuldschein ausgestellt. Im Dezember 1941 hat sie einen
weiteren Schuldschein über Fr. 5000.-, lautend auf die Erbengemeinschaft
Geschwister Gmür, ausgegeben. Die vier Schuldscheine lauten einheitlich wie
folgt:
«Schuldschein. Die unterzeichnete Fa. Gmür & Cie, A.-G. bescheinigt hiemit,
von ......... den Betrag von Fr. ......... als Darlehen empfangen zu haben.
Das Darlehen ist verzinslich mit 4% p. a. Luzern, den .................. ».
Die eidgenössische Steuerverwaltung fordert die eidgenössische Emissionsabgabe
von jährlich 1,2% vom Nennwert dieser Titel, sowie die Couponabgabe und die
Quellenwehrsteuer vom Zinsertrag und hat ihre Forderung mit
Einspracheentscheid vom 27. Mai 1943 bestätigt. Sie betrachtet die vier
Schuldscheine als Anleihensobligationen im Sinne von Art. 10
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 10 - 1 Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
1    Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
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, Abs. 1, lit. a
StG. Die Titel seien zur Deckung eines bestimmten Kreditbedarfes in Abwicklung
eines einheitlichen Kreditgeschäftes gleichzeitig und zu übereinstimmenden
Bedingungen ausgegeben worden, was sie als Anleihensobligationen
charakterisiere.
B. ­ Die Gmür & Cie, A.-G. erhebt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt Aufhebung des Einspracheentscheides der eidgenössischen
Steuerverwaltung, Befreiung der Beschwerdeführerin von den verlangten Abgaben
und Anordnung der Rückerstattung der bereits entrichteten Beträge. Sie macht
geltend, die vier Schuldscheine seien weder Anleihensobligationen noch
Kassenobligationen im Sinne der Stempelgesetzgebung und darum den
beanspruchten Abgaben nicht unterworfen.
C. ­ Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.
Als Anleihensobligationen seien Schuldanerkennungen zu betrachten, welche
zwecks Abwicklung eines einheitlichen Kreditgeschäftes in einer Mehrzahl von
Exemplaren und zu gleichartigen Bedingungen ausgegeben werden, welche
Voraussetzungen hier erfüllt seien.

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Das Bundesgericht hat die Beschwerde begründet erklärt und den angefochtenen
Entscheid aufgehoben
In Erwägung:
1. ­ Die vier Schuldscheine, die die Aktiengesellschaft Gmür & Cie im
September und Dezember 1941 ausgegeben hat, werden als Anleihensobligationen
in Anspruch genommen.
Der Begriff der Anleihensobligation ist in der Stempelgesetzgebung nicht
umschrieben. Die Praxis hat Obligationen charakterisiert als Schuldurkunden,
die zum Zwecke kollektiver Mittelbeschaffung in einer Mehrzahl von Exemplaren
zu gleichartigen Bedingungen ausgegeben werden (BGE 57 I S. 403), und
Anleihensobligationen im besondern als Obligationen, die auf Teilbeträge einer
bestimmten Anleihe lauten und deshalb einheitliche Bedingungen aufweisen (BGE
60 I S. 377). Die Titel müssen durch einheitliche Laufzeit und
Rückzahlungsbedingungen, Hinweis auf einen Gesamtanleihebetrag, Bezugnahme auf
einen gemeinsamen Tilgungsplan oder durch andere Umstände derart verbunden
sein, dass sie irgendwie als fungible Teile einer als Ganzes gedachten Anleihe
erscheinen (AMSTUTZ/WYSS: Stempelsteuerrecht S. 32, Note 3 zu Art. 10
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 10 - 1 Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
1    Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
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StG),
wobei es u. a. genügen kann, wenn die Verbundenheit der Partialen aus
Erörterungen und Verabredungen erkennbar ist, die die Ausgabe der Titel
begleiten (vgl. BGE 59 I S. 85).
2. ­ Hier fehlt es an solchen besondern Merkmalen, die es gestatten würden,
die vier Schuldscheine der Rekurrentin als Anleihensobligationen anzusehen.
Was die Steuerverwaltung anführt, vermöchte allenfalls die Charakterisierung
der Titel als Obligationen, d. h. als eine Mehrzahl von Schuldurkunden mit
gleichen oder gleichartigen Bedingungen zu rechtfertigen. Es fehlt aber an der
Verbundenheit der Titel zu Bestandteilen einer Gesamtanleihe, die als
besonderes Merkmal bei Anleihensobligation gefordert werden muss. Dem
Wortlaute nach

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sind es Schuldscheine ohne einen solchen Zusammenhang. Nebenverabredungen, aus
denen auf einen solchen zu schliessen wäre, sind nicht nachgewiesen worden.
Den eidgenössischen Stempelabgaben, und damit auch der Quellenwehrsteuer, sind
aber nur diejenigen Obligationen unterworfen, die einer der im Gesetze, Art.
10
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 10 - 1 Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
1    Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
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3    und 4...66
, Abs. 1, lit. a und b, StG aufgeführten Gruppen angehören. Das Gesetz
erfasst nicht Obligationen schlechthin.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 69 I 101
Datum : 01. Januar 1942
Publiziert : 16. September 1943
Quelle : Bundesgericht
Status : 69 I 101
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Stempelabgaben und Quellenwehrsteuer: Den eidgenössischen Stempelabgaben und damit der...


Gesetzesregister
StG: 10
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 10 - 1 Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
1    Für Beteiligungsrechte ist die Gesellschaft oder Genossenschaft abgabepflichtig.64 Für die beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten (Art. 5 Abs. 2 Bst. b) geschuldete Abgabe haftet der Veräusserer der Beteiligungsrechte solidarisch.
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BGE Register
57-I-399 • 59-I-85 • 69-I-101
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
anleihensobligation • bedingung • darlehen • einspracheentscheid • stempelabgabe • entscheid • aktiengesellschaft • geschwister • schuldanerkennung • not • erbengemeinschaft • empfang • deckung • bestandteil • bundesgericht • couponabgabe • kassenobligation