BGE 69 I 1
1. Auszug aus dem Urteil vom 8. April 1943 i. S. Schmid gegen Kantonsgericht
Schwyz.
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Regeste:
Die Kantone sind nur verpflichtet, solche Befähigungsausweise zur Ausübung des
Anwaltsberufes gelten zu lassen, denen eine materielle Untersuchung auch über
die praktischen Fähigkeiten vorausgegangen ist, und daher befugt, einem
Anwaltsdiplom die Anerkennung für ihr Gebiet zu versagen, das ausschliesslich
auf Grund eines akademischen Grades erteilt wurde.
Les cantons ne sont tenus de reconnaître la validité d'un certificat de
capacité pour l'exercice du barreau que s'il a été délivré après examen des
capacités de l'intéressé comme praticien Les cantons peuvent par conséquent
refuser d'admettre comme suffisant pour leur territoire le brevet d'avocat
décerné exclusivement en raison d'un grade universitaire.
I cantoni debbono riconoscere come valido soltanto quel certificato di
abilitazione all'esercizio dell'avvocatura che sia stato rilasciato dopo esame
delle capacità pratiche dell'interessato. I cantoni possono quindi rifiutare
di riconoscere come sufficiente per il loro territorio il diploma di avocato
rilasciato esclusivamente in base ad un grado universitario.
A. Dem Beschwerdeführer ist vom Regierungsrat des Kantons Uri die
Bewilligung zur Ausübung des Berufes
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als Landesfürsprecher erteilt worden auf Grund des Ausweises der Universität
Freiburg i. Ue., dass der Beschwerdeführer die Bedingungen zur Erlangung des
Doktorates beider Rechte erfüllt habe. Eine besondere Prüfung des
Gesuchstellers durch die Prüfungskommission hat nicht stattgefunden. Unter
Berufung auf dieses Patent ersuchte Dr. Schmid das Kantonsgericht Schwyz um
die Erlaubnis, den Anwaltsberuf im Kanton Schwyz ausüben zu dürfen, wurde aber
damit abgewiesen. Nach schwyzerischem Recht sei ein Fähigkeitsausweis
notwendig, dem in irgendeiner Weise eine materielle Prüfung über die zur
Berufsausübung erforderlichen wissenschaftlichen und praktischen Fähigkeiten
vorausgegangen sei. Hieran fehle es bei einem bloss gestützt auf die Erwerbung
eines akademischen Grades erteilten Patent; es könne nicht als Ausweis
praktischer Befähigung gelten. Wenn Kantone, deren Patent auf einer Prüfung
über die theoretische und praktische Befähigung beruhe, die Bewilligung bloss
auf Grund eines Befähigungsausweises erteilen müssten, wie der Rekurrent ihn
vorweise, würde dadurch gegenüber den Bewerbern, aus dem eigenen Kanton auch
eine Rechtsungleichheit geschaffen.
B. Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Dr. Schmid, der
Beschluss des Kantonsgerichtes sei aufzuheben und dieses anzuweisen, dem
Rekurrenten die nachgesuchte Bewilligung zu erteilen. Es wird Verletzung der
Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
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1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
aus folgenden Erwägungen:
1. Der Anwaltsberuf gehört zu den wissenschaftlichen Berufsarten, deren
Ausübung die Kantone von einem Nachweis der Befähigung abhängig machen dürfen
(Art. 33 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
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1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
berechtigt zur Berufsausübung in der ganzen Eidgenossenschaft (Art. 5
Üb.Best.). Verlangt ein
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Bewerber auf Grund eines solchen Ausweises, in einem andern Kanton zur
Berufsausübung zugelassen zu werden, BO kann die Behörde des ersuchten Kantons
immerhin in gewissem Umfang prüfen, ob damit die Eignung des Bewerbers
dargetan sei. Sie kann zwar die Bewilligung nicht davon abhängig machen, ob
die Voraussetzungen erfüllt seien, die im Kanton des Gesuches selbst an den
Fähigkeitsausweis gestellt werden. Denn dadurch würde die Freizügigkeit
aufgehoben. Dagegen darf sie untersuchen, ob die berufliche Eignung
festgestellt worden sei, und braucht einen Fähigkeitsausweis nicht
anzuerkennen, der bloss auf Grund gewisser Formerfordernisse oder einer
Prüfung nur der moralischen Eignung erteilt wurde (BGE 30 I 25, 41 I 390, 45 I
362).
Dem Beschwerdeführer ist, soweit die Befähigung in Frage steht, die
Bewilligung erteilt worden allein auf den Nachweis hin, dass er die
Bedingungen zur Erlangung des Doktors beider Rechte der Universität Freiburg
erfüllt habe. Bis zum Jahre 1900 erteilte auch der Kanton Genf das
Anwaltsdiplom schon auf Grund des Doktor- oder Lizenziatsgrades einer
schweizerischen Universität. Im Gegensatz zum Bundesrat liess das
Bundesgericht durch Entscheid vom 14. Juni 1900 i. S. Raspini (SALIS,
Bundesrecht Bd. 2 Nr. 858) einen solchen Ausweis als genügend zur
Berufsausübung in der ganzen Schweiz gelten. Noch im gleichen Jahre
verschärfte der Kanton Genf die Zulassungsbedingungen zur Anwaltschaft in
Zivilsachen dadurch, dass er ausser dem Universitätsausweis noch eine
mindestens zweijährige praktische Betätigung, wovon ein Jahr in Genf,
verlangte. Dass ein solcher Ausweis den Anforderungen des Art. 5 Üb.Best.
genüge, entschied das Bundesgericht in den Urteilen vom 18. Februar 1904 i. S.
Wolhauser und vom 28. März 1904 i. S. Hurter (BGE 30 I S. 19 und S. 29). Schon
früher hatte es erklärt, dass der Kanton, in dem die Bewilligung zur
Berufsausübung nachgesucht werde, verlangen könne, dass in irgendeiner Weise
eine materielle Untersuchung über die zur Berufsausübung
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erforderlichen wissenschaftlichen und praktischen Fähigkeiten vorausgegangen
sei (BGE 22 S. 928). Es bestätigte dies in einem Urteil vom 27. Juni 1906 (BGE
32 I 267) womit es die Beschwerde eines bernischen Fürsprechers guthiess, dem
der Kanton Genf die Bewilligung zur Berufsausübung nicht erteilen wollte, weil
der Bewerber sich nicht im Sinne von Art. 138 des genferischen Gesetzes über
die Gerichtsorganisation darüber ausweisen könne, dass er sich während zwei
Jahren praktisch betätigt habe. Im Urteil wird ausgeführt, der Kanton, bei dem
um die Bewilligung zur Berufsausübung nachgesucht werde, könne den vorgelegten
Ausweis daraufhin prüfen, ob in irgendeiner Form eine materielle Feststellung
darüber vorausgegangen sei, dass der Bewerber die nötigen wissenschaftlichen
und praktischen Kenntnisse besitze; dagegen könnten keine weitern Ausweise
verlangt werden. In ähnlicher Weise wurde in BGE 45 I 362 entschieden.
3. Ein akademischer Titel bildet keinen Ausweis über die praktische
Befähigung des Bewerbers. Das kommt in den geltenden kantonalen Ordnungen
dadurch zum Ausdruck, dass sie eine praktische Betätigung als Voraussetzung
des Befähigungsausweises verlangen oder eine Prüfung auch in praktischer
Hinsicht vorschreiben. Der Entscheid i. S. Raspini kann daher nicht massgebend
sein. Er entspricht der übrigen Praxis des Bundesgerichts und den
Anforderungen nicht, die heute an den Befähigungsausweis gestellt werden
müssen. Das Erfordernis praktischer Tätigkeit drängt sich geradezu auf. Das
Bundesgericht hat denn auch vor und nach dem erwähnten Entscheid die Kantone
nur verpflichtet, solche Ausweise gelten zu lassen, denen in irgendeiner Weise
eine materielle Untersuchung über die erforderlichen wissenschaftlichen und
praktischen Fähigkeiten vorausgegangen ist (die bereits erwähnten Urteile i.
S. Curti, BGE 22 S. 929, i. S. Götschel, BGE 32 I S. 271 und i. S. Brenn, BGE
45 I S. 365). Darnach kann einem Kanton nicht verwehrt werden, einem
Anwaltsdiplom die Anerkennung in seinem Gebiete zu
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versagen, das ausschliesslich auf Grund des Doktorgrades erteilt wurde.
Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Ausweis auf einer Untersuchung nicht
nur über die wissenschaftlichen Kenntnisse, sondern auch über die praktischen
Fähigkeiten beruht.
4. Die Bewilligung, die der Regierungsrat des Kantons Uri dem
Beschwerdeführer ausgestellt hat, entspricht diesen Anforderungen der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht. Auch wenn der Beschwerdeführer in
seinem nicht bei den Beschwerdeakten liegenden Gesuch an den Regierungsrat
auf seine praktische Betätigung im Bureau seines Vaters hingewiesen haben
sollte, ändert das nichts daran, dass der Regierungsrat darüber keinerlei
Prüfung vornahm, und dass daher ein bezüglicher Ausweis fehlt.
Der Entscheidung der Frage soll damit nicht vorgegriffen werden, ob nicht
inskünftig an den Ausweis über die Zulassung zur Anwaltschaft im Sinne von
Art. 5 Üb.Best strengere Anforderungen gestellt werden dürfen, als dies nach
der bisherigen Rechtsprechung zulässig war.