BGE 68 III 162
43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Oktober 1942 i. S. Landtwing und
Speck gegen Röthlin.
Regeste:
Wirkung der Konkurseröffnung auf hängige Prozesse, Art. 207
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 207 - 1 Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse, in denen der Schuldner Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, eingestellt. Sie können im ordentlichen Konkursverfahren frühestens zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung, im summarischen Konkursverfahren frühestens 20 Tage nach der Auflegung des Kollokationsplanes wieder aufgenommen werden. |
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1 | Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse, in denen der Schuldner Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, eingestellt. Sie können im ordentlichen Konkursverfahren frühestens zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung, im summarischen Konkursverfahren frühestens 20 Tage nach der Auflegung des Kollokationsplanes wieder aufgenommen werden. |
2 | Unter den gleichen Voraussetzungen können Verwaltungsverfahren eingestellt werden. |
3 | Während der Einstellung stehen die Verjährungs- und die Verwirkungsfristen still. |
4 | Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Entschädigungsklagen wegen Ehr- und Körperverletzungen oder auf familienrechtliche Prozesse. |
Der Konkurs berührt die Aktivlegitimation (Legitimation zur Sache) des Klägers
nicht, sondern schränkt nur seine Dispositionsfähigkeit ein. Diese erlangt er
wieder, wenn die Konkursmasse auf die Weiterführung des Prozesses verzichtet
und kein Gläubiger die Abtretung nach Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
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1 | Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
2 | Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern. |
3 | Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458 |
Effet de la faillite sur les procès pendants, art. 207 LP.
Le demandeur qui tombe en faillite durant le procès conserve sa qualité pour
agir quant au fond; la faillite a seulement pour effet de limiter son droit de
disposition. Le failli recouvre cependant la plénitude de ce droit lorsque la
masse renonce à poursuivre le procès et qu'aucun créancier ne demande la
cession prévue à l'art. 260 LP.
Effetto del fallimento sulle cause pendenti, art. 207 LEF.
L'attore, che cade in fallimento nel corso della causa, conserva la veste per
agire nel merito; il fallimento ha soltanto come effetto di limitare il suo
diritto di disposizione. Il fallito riacquista tuttavia in pieno questo
diritto, qualora la massa rinunci alla continuazione della causa e nessun
creditore chieda la cessione prevista dall'art. 260 LEF.
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte Röthlin war Geschäftsführer der Buchdruckerei Speck & Cie in Zug.
Sein Gehalt betrug
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monatlich Fr. 1250. unter dem Vorbehalt, dass die Geschäftsbilanz eine so
hohe Belöhnung erlaube. Unter Berufung auf diese Bestimmung richtete die
Gesellschaft dem Beklagten im Jahre 1935 einen Lohn von nur Fr. 12000., 1936
einen solchen von nur Fr. 7920. aus. In der Überzeugung, dass die ihm
vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen gefälscht seien, erstattete der
Beklagte gegen den Teilhaber Speck und den Vormund von dessen unmündigen
Geschwistern, Landtwing, Strafanzeige wegen Betruges. Das Verfahren wurde
jedoch eingestellt.
Speck und Landtwing erhoben gegen Röthlin Klage auf Bezahlung einer
Schadenersatz- und Genugtuungssumme von Fr. 12000. wegen falscher
Strafanzeige.
Das Bezirksgericht Muri wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil ergriffen die
Kläger die Appellation mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage.
Da der Kläger Speck während der Appellationsfrist in Konkurs geraten war,
wurde der Prozess nach Art. 207
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 207 - 1 Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse, in denen der Schuldner Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, eingestellt. Sie können im ordentlichen Konkursverfahren frühestens zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung, im summarischen Konkursverfahren frühestens 20 Tage nach der Auflegung des Kollokationsplanes wieder aufgenommen werden. |
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1 | Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Zivilprozesse, in denen der Schuldner Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, eingestellt. Sie können im ordentlichen Konkursverfahren frühestens zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung, im summarischen Konkursverfahren frühestens 20 Tage nach der Auflegung des Kollokationsplanes wieder aufgenommen werden. |
2 | Unter den gleichen Voraussetzungen können Verwaltungsverfahren eingestellt werden. |
3 | Während der Einstellung stehen die Verjährungs- und die Verwirkungsfristen still. |
4 | Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Entschädigungsklagen wegen Ehr- und Körperverletzungen oder auf familienrechtliche Prozesse. |
teilte dem Obergericht mit, dass die Konkursmasse die Fortführung des
Prozesses ablehne.
Das Obergericht des Kantons Aargau verneinte die Aktivlegitimation des Klägers
Speck unter Hinweis auf den über ihn ausgebrochenen Konkurs und wies die Klage
des Landtwing ab.
Das Bundesgericht bejaht die Aktivlegitimation des Klägers Speck, weist aber
die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen der beiden Kläger ab.
Aus den Erwägungen:
Die Vorinstanz hat dem Kläger Speck die Aktivlegitimation abgesprochen wegen
des vor der Appellationserklärung über ihn ausgebrochenen Konkurses. Der
Konkurs berührt aber die Aktivlegitimation, d.h. die Legitimation zur Sache
nicht. Der Gemeinschuldner bleibt Eigentümer seines Vermögens und Gläubiger
der ihm zustehenden Forderungen; entzogen wird ihm gemäss Art. 204
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 204 - 1 Rechtshandlungen, welche der Schuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, sind den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. |
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1 | Rechtshandlungen, welche der Schuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, sind den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. |
2 | Hat jedoch der Schuldner vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses einen von ihm ausgestellten eigenen oder einen auf ihn gezogenen Wechsel bei Verfall bezahlt, so ist diese Zahlung gültig, sofern der Wechselinhaber von der Konkurseröffnung keine Kenntnis hatte und im Falle der Nichtzahlung den wechselrechtlichen Regress gegen Dritte mit Erfolg hätte ausüben können. |
die Dispositionsfähigkeit (vgl.
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BGE 46 III 28). Es ist daher auf jeden Fall unrichtig, wenn die Vorinstanz die
sachliche Legitimation des Klägers Speck verneinte und gestützt darauf seine
Klage ohne weiteres abwies. Der Konkurs hätte höchstens dazu führen können,
auf die Appellation mangels Verfügungsfähigkeit des Klägers nicht einzutreten.
Allein auch diese Folgerung würde zu weitgehen. Allerdings wäre der Kläger
nach der Konkurseröffnung zur Appellation zunächst nicht mehr befugt gewesen.
Die Konkursmasse hat jedoch laut Schreiben des Konkursamtes Zug an die
Vorinstanz vom 26. Juli 1941 die Fortführung des Prozesses abgelehnt, und
damit hat der Kläger das Verfügungsrecht über die eingeklagten Forderungen
zurückerlangt. In diesem Sinne ist in BGE 46 III 27 f. entschieden worden in
einem Falle, wo die Konkursverwaltung es unterlassen hatte, einen Anspruch des
Gemeinschuldners zur Masse zu ziehen, obwohl er ihr bekannt war. Das Gleiche
muss erst recht dann gelten, wenn die Konkursmasse ausdrücklich darauf
verzichtet hat, den Anspruch durch Fortführung des Prozesses für sich geltend
zu machen. Und zwar tritt in einem solchen Falle der Kläger nicht erst mit der
Rechtskraft des Konkursschlusserkenntnisses wieder in sein Verfügungsrecht
ein. Indem die Konkursmasse die Fortführung des Prozesses ablehnt und keiner
der Konkursgläubiger die Abtretung gemäss Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
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1 | Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
2 | Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern. |
3 | Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458 |
das Konkursbeschlagsrecht über die Forderung, und damit fällt das
Verfügungsrecht ohne weiteres an den Gemeinschuldner zurück (vgl. JÄGER, Nr. 9
zu Art. 207, S. 70).
Die zürcherische Zivilprozessordnung erklärt in § 48 Abs. 2 ausdrücklich, der
Gemeinschuldner könne den Prozess, wenn die Fortsetzung auf Rechnung der Masse
abgelehnt werde, auf eigene Rechnung betreiben. Das gilt nach dem Gesagten
schon allgemein von Bundesrechts wegen und daher auch dort, wo das kantonale
Zivilprozessrecht einen derartigen Hinweis nicht enthält.
Über den Verzicht der einzelnen Konkursgläubiger,
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den Klageanspruch gestützt auf Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
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1 | Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. |
2 | Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern. |
3 | Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458 |
Akten keinen unmittelbaren Aufschluss. Der Verzicht darf aber daraus
geschlossen werden, dass einerseits nach dem Schreiben des Konkursamtes an die
Vorinstanz vom 14. Februar 1941 der Beschluss der Masse über die Fortführung
des Prozesses auf dem Zirkularwege gefasst wurde (summarisches Verfahren),
womit also sämtliche Gläubiger vom Prozesse Kenntnis haben mussten, und dass
andererseits in der Mitteilung dieses Beschlusses an die Vorinstanz vom 26.
Juli 1941 keinerlei von einzelnen Gläubigern gestellte Abtretungsbegehren
vorbehalten wurden. Der Beklagte stellt den Verzicht der Gläubiger denn auch
nicht irgendwie in Abrede.