S. 36 / Nr. 7 Obligationenrecht (d)

BGE 68 II 36

7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. März 1942 i. S. Mayer
gegen Bank in Ragaz.

Regeste:
Forderungsrecht an Sparheften, die ein Vater für seine Kinder anlegt.
Spargeldprivileg gemäss Art. 15 u. 54 des BG über die Banken u. Sparkassen vom
8. November 1934.
Droit aux créances dérivant des livrets d'épargne qu'un père fait établir pour
ses enfants. Privilège attaché aux dépôts d'épargne aux termes des art. 16 et
54 de la loi fédérale du 8 novembre 1934 sur les banques et les caisses
d'épargne.

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Diritto sui crediti risultanti da libretti di risparmio che un padre ha fatto
aprire per i suoi figli. Privilegio a favore dei depositi a risparmio secondo
gli art. 15 e 64 della legge federale su le banche e le casse di risparmio
(dell' 8 novembre 1934).

A. Albert Mayer, Malermeister in Bad Ragaz, hatte im Jahre 1935 bei der Bank
in Ragaz zwei Inhabersparhefte, Nr. 5216 und 5217, mit Einlagen von je Fr.
4000.- angelegt, die heute auf Fr. 4530.90 und Fr. 4631.60 lauten. Daneben
besitzt er noch ein anderes, auf seinen Namen lautendes Sparheft Nr. 5218 mit
einer Einlage von Fr. 5000.-.
Am 28. Dezember wurde über die Bank in Ragaz in Anwendung des
Bundesratsbeschlusses über die Sanierung von Banken vom 17. April 19~6113.
Juli 1937 das Sanierungsverfahren eröffnet.
Mayer verlangte, dass die drei Sparhefte aus der Sanierung herauszunehmen und
als privilegiert zu behandeln seien. Zur Begründung machte er geltend, er habe
die Sparhefte Nr. 5216 u. 5217 für seine beiden Söhne angelegt, damit daraus
ihre Studienkosten bestritten werden können.
Die Aufsichtskommission wies durch Entscheid vom 27. November 1941 das
Privilegierungsgesuch bezüglich der Sparhefte Nr. 5216 und 5217 ab.
B. ­ Mayer reichte darauf gestützt auf Art. 26 Abs. 2 des Sanierungsplanes,
der in Anwendung von Art. 5 Abs. 2 des BRB das Bundesgericht als einzige
Instanz für derartige Streitigkeiten bestimmt, vorliegende Klage ein mit dem
Antrag, der Privilegierungsanspruch sei auch bezüglich an Sparhefte Nr. 5216
und 5217 zu schützen.
Die Bank in Ragaz beantragt Abweisung der Klage und gerichtliche Feststellung,
dass dem Kläger für die beiden Inhabersparhefte Nr. 5216 und 5217 und für das
auf seinen Namen lautende Sparheft Nr. 5218 zusammen nur einmal das
gesetzliche Sparguthabenprivileg von Fr 5000.- zustehe.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 6 Abs. 1 des Sanierungsplanes in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2
und Art. 54 des Bankengesetzes «geniessen alle durch den Ausdruck Sparen in
irgend einer Wortverbindung gekennzeichneten Einlagen bis zum Betrage von Fr.
5000.- für jeden Einleger ein Konkursprivileg». Ob die beiden Sparhefte Nr.
5216 und 5217 privilegiert seien oder nicht, hängt deshalb ausschliesslich
davon ab, wer als «Einleger» aufgefasst werden muss. Ist es der Kläger, so
kann, weil er schon ein anderes Sparheft im Betrage von Fr. 5000.- besitzt,
keines der beiden in Frage stehenden Hefte als privilegiert angesehen werden.
Sind es dagegen die beiden Söhne, so ist für beide Sparhefte das Privileg
zuzuerkennen.
2. ­ Der Vater, der Sparhefte auf den Namen seiner Kinder anlegt, macht diese
dadurch allein noch nicht materiell zu Gläubigern der betreffenden
Sparguthaben. Entscheidend ist vielmehr, ob sein Wille auch tatsächlich
dahinging, den Kindern sofortige und definitive Zuwendungen zu machen (vgl.
BGE 42 II 212 f., Appellationshof Bern in der Zeitschrift des bernischen
Juristenvereins 29 S. 528, Appellationsgericht Basel-Stadt in der Schweiz.
Juristenzeitung 12 S. 374 Nr. 328, Obergericht Zürich in den Blättern für
zürcherische Rechtsprechung 28 S. 1 Nr. 1; aus der deutschen Gerichtspraxis
Reichsgerichtliche Entscheide in Zivilsachen 11 S. 241, sowie
Oberlandesgericht Braunschweig in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte 26
S. 263; im gleichen Sinne auch die herrschende Meinung in der Doktrin:
HUGGENBERG, Die Sparkassen und das Sparkassengeschäft, S. 81 Fussnote 2,
Villiger, Das Sparheft im geltenden schweizerischen OR, S. 33 ff.,
OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 112 Nr. 17, BEELER, Die Wertpapiere im
schweizerischen Recht, S. 274, JACOBI in Ehrenberg's Handbuch des gesamten
Handelsrechtes IV/1 S. 435, ENNECCERUS, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts,
23./27. Auflage, 1/2, § 259 Nr. 2,

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während v. TUHR, Allgemeiner Teil des schweizerischen OR, S. 631 Fussnote 45,
im Zweifel auf ein selbständiges Recht des Begünstigten schliessen möchte).
Eine solche Zuwendungsabsicht kann nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn
ein Vater, wie es hier geschehen ist, für Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren
auf Sparheften Studiengelder bereitstellt. Regelmässig ist das lediglich eine
Art Selbstversicherung. Es liegt nichts dafür vor, dass der Kläger, der ja im
Besitz der Sparhefte geblieben ist, sich nicht vorbehalten habe, jederzeit auf
diese Ausscheidung zurückzukommen, so wenn er z. B. das Geld dringend für sich
selbst benötigen würde. Ganz abgesehen davon handelt es sich um eine
Ausscheidung auf weite Sicht, bei der keineswegs feststeht, ob überhaupt
jemals ein Gebrauch zum vorausgesetzten Zweck in Betracht kommen wird.
Dazu kommt, dass die Sparhefte Nr. 5216 und 5217 gar nicht auf den Namen der
Kinder lauten, sondern auf den Inhaber ausgestellt sind. Umso strengere
Anforderungen müssen an den Beweis, dass es sich um sofortige und endgültige
Zuwendungen an die Kinder handeln sollte, gestellt werden. Für diesen Beweis
ist indessen überhaupt nichts vorgebracht worden, weshalb die Klage abgewiesen
werden muss.
Bei diesem Ergebnis kann unerörtert bleiben, ob dem Vater nicht die
Aktivlegitimation abzusprechen gewesen wäre, weil er im eigenen Namen anstatt
als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Söhne geklagt hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen und demzufolge festgestellt, dass dem Kläger für die
Sparhefte Nr. 5216, 5217 und 5218 der Bank in Ragaz zusammen nur einmal das
gesetzliche Sparguthabenprivileg von Fr. 5000.- zusteht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 68 II 36
Datum : 31. Dezember 1942
Publiziert : 16. März 1942
Quelle : Bundesgericht
Status : 68 II 36
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Forderungsrecht an Sparheften, die ein Vater für seine Kinder anlegt. Spargeldprivileg gemäss Art...


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