BGE 68 II 29
6. Auszug aus dem Urteil der 1. Zivilabteilung vom 20. Januar 1942 i. S.
Wildhaber gegen Landwirtschaftlichen Verein des Kantons Graubünden.
Regeste:
Geschäftsführung ohne Auftrag, Art. 419 ff
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 419 - Celui qui, sans mandat, gère l'affaire d'autrui, est tenu de la gérer conformément aux intérêts et aux intentions présumables du maître. |
des Schuldners durch den Gläubiger auf Rechnung seiner Forderung. Ist die
Zahlung nach dem Willen des Schuldners an sich für einen Dritten bestimmt,
aber nicht als solche erkennbar, so handelt der Gläubiger nicht als
Geschäftsführer für den Dritten.
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Gestion d'affaires, art. 419 et sv. CO. Créancier acceptant un versement du
débiteur comme acompte sur sa dette. Si, selon la volonté du débiteur, la
somme versée était en réalité destinée à un tiers, sans que cette volonté fût
reconnaissable, le créancier qui a reçu l'argent n'a pas géré l'affaire du
tiers.
Gestione d'affari, art. 419 e seg CO. Creditore che accetta un versamento del
debitore a titolo di acconto sul suo eredito. Se, secondo la volontà del
debitore, la somma versata era in realtà destinata ad un terzo, senza però che
questa volontà fosse riconoscibile, il creditore che ha ricevuto il denaro non
ha agito come gestore dell'affare del terzo.
A. Der beklagte landwirtschaftliche Verein des Kantons Graubünden vermittelt
durch eine besondere Kommission (die sog. Viehvermittlungskommission = VVK)
Viehverkäufe an ausländische Käufer. Auf diese Weise wurden u. a. im Jahre
1937 grössere Viehexporte an E. Foroni in Sondrio durchgeführt. Der Käufer
oder sein Vertreter, begleitet von einem Mitglied der VVK, kaufte jeweilen bei
Landwirten oder Viehhändlern die einzelnen Stücke an, worauf dann der Verein
die Transporte ins Ausland gesamthaft durchführte, dem Verkäufer die
Viehexportprämie des Bundes ausrichtete und den vom ausländischen Käufer noch
zu bezahlenden Kaufpreis durch Vermittlung der Verrechnungsstelle einzog.
Gewöhnlich zahlte die VVK die Verkäufer bei Kaufsabschluss direkt aus, sodass
die VVK Gläubigerin des ausländischen Käufers wurde.
B. Nach diesem System hat auch der Kläger Wildhaber, Viehhändler in Flums,
bis Mitte Oktober 1937 unter Kontrolle und über die Rechnung der VVK
Graubünden 78 Stück Vieh an Foroni in Sondrio geliefert; die entsprechenden
Forderungen wurden durch die VVK geregelt.
Als Foroni Mitte Oktober 1937 mit den Clearingzahlungen stark im Rückstand war
er schuldete dem Beklagten damals ca. Fr. 300000.-, weigerte sich die
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VVK, ihm weiter Vieh zu liefern. Die Aufkäufer Foronis wandten sich daher
direkt an die Verkäufer, u. a. an Wildhaber. Auf Anfrage Wildhabers erklärte
ihm die VVK wiederholt, für Foroni keine Kontrolle und keine Rechnung zu
übernehmen, bis grössere Zahlungsanweisungen Foronis bei der
Verrechnungsstelle Zürich vorliegen; falls Wildhaber jedoch Vieh an Foroni
liefern wolle, möge er das auf eigene Rechnung und Gefahr tun und seine
Forderungen auch unter privatem Namen bei der Verrechnungsstelle anmelden.
Daraufhin hat Wildhaber tatsächlich am 11. November 1937 12 Stück Vieh und am
16. November 1937 weitere 14 Stock Vieh an Foroni direkt verkauft; die
entsprechenden Exporte wurden unter der Kontrolle des Schweizerischen
Braunviehzuchtverbandes in Luzern durchgeführt, der dem Wildhaber auch die
Exportprämien ausrichtete. Wildhaber hatte, nach Abzug der Exportprämie, aus
diesen beiden Lieferungen vom 11. und 16. November 1937 Kaufpreisforderungen
gegenüber Foroni von Fr. 11198.- und Fr. 7996.- = total Fr. 19194.-.
C. Am 23. November 1937 zahlte Foroni bei seiner Bank in Tirano zwei
Lirebeträge im Werte von Fr. 11198.- und Fr. 7996.- ein. Auf dem
Einzahlungsdoppel ist als Empfänger genannt die «Commissione esportazione
Landquart», also die VVK des landwirtschaftlichen Vereins des Kantons
Graubünden, der damals seinen Sitz in Landquart hatte. Als Bankverbindung ist
die Bündner Kantonalbank erwähnt, und als «merce importata» sind 12, bezw. 14
Stück Vieh, als Lieferungsdaten der 11. und 16. November 1937 angegeben.
Die schweizerische Verrechnungsstelle in Zürich, welche diese Beträge von der
Verrechnungsstelle Rom erhielt, zahlte sie zu Anfang 1938 an die VVK aus und
zwar «nicht gegen spezielle Forderungsanmeldungen sondern in Anrechnung an den
Globalforderungsbestand der VVK gegenüber Foroni». Das erklärt sich daraus,
dass nie eine spezielle Forderungsanmeldung erfolgt war, weder von
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Wildhaber noch vom Schweizerischen Braunviehzuchtverband in Luzern. Wie
Wildhaber ausführt, nimmt nämlich dieser Verband die Anmeldung bei der
Verrechnungsstelle erst vor, wenn er von der Einzahlung im Ausland Mitteilung
erhalten hat. Eine solche Mitteilung seitens Foronis erfolgte aber deswegen
nicht, weil er nach Feststellung der Vorinstanz und übereinstimmender
Auffassung der Parteien bei der Einzahlung der vorerwähnten beiden Beträge
irrtümlich annahm, es handle sich um Lieferungen unter Kontrolle und auf
Rechnung der VVK Graubünden, wie dies bei den frühern Exporten der Fall
gewesen war.
Foroni geriet dann in Konkurs, anscheinend infolge der von der VVK angehobenen
Betreibung. Die VVK hat heute noch eine ungedeckte Forderung von etwa Fr.
90000.- gegenüber Foroni, ohne Einrechnung der Forderung Wildhabers von Fr.
19194.-.
D. Im vorliegenden Prozess verlangt der Kläger Wildhaber vom beklagten
landwirtschaftlichen Verein Bezahlung der Fr. 19194.- samt Zins zu 5 % seit 1.
Januar 1938.
Das Bezirksgericht Plessur hiess die Klage grundsätzlich gut.
Das Kantonsgericht Graubünden wies die Klage durch Urteil vom 21. Juli 1941
ab.
E. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte beantragt
Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz geht in tatsächlicher Beziehung davon aus, dass Foroni mit
seinen beiden Einzahlungen vom 23. November 1937 an die Bank in Tirana, bez.
durch diese auf den italienisch-schweizerischen Clearing (Fr. 11198.- und Fr.
7996.-), in Tat und Wahrheit seine Schuld gegenüber dem Kläger Wildhaber aus
dem Kauf
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vom 11. und 16. November 1937 begleichen, nicht aber einen Teil seiner
Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten (VVK) abtragen wollte; Foroni habe
den Beklagten nur deshalb als Empfänger bezeichnet, weil er irrtümlich
angenommen habe, auch diese Käufe seien durch die VVK vermittelt worden. Diese
tatsächliche Feststellung, die sich auf die Angabe der Viehstückzahlen und der
Lieferungsdaten (11. und 16. November 1937) auf den Einzahlungsdoppeln, auf
eine briefliche Erklärung Foronis vom 10. Juli 1938 und auf Foronis
Zeugenaussage stützt, ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 81
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 419 - Celui qui, sans mandat, gère l'affaire d'autrui, est tenu de la gérer conformément aux intérêts et aux intentions présumables du maître. |
2. Rechtlich, nämlich nach den massgebenden Einzahlungsurkunden, hat Foroni
nur den Willen geäussert, an den Beklagten (VVK) eine Zahlung zu machen. Der
Beklagte hat durch die Verrechnungsstelle bezw. durch die Bündner Kantonalbank
diese Zahlung gültig entgegengenommen; die Zahlung ist, wie alle früheren
Zahlungen, auf diese Weise in das Vermögen des Beklagten übergegangen, wie von
den Parteien an sich zugegeben wird.
Das Guthaben des Klägers ist durch Foronis Zahlung rechtlich nicht getilgt
worden. Die Zahlung war weder bei der Bank in Tirano, noch bei den
Verrechnungsstellen als Zahlung an Wildhaber bezeichnet. Sie wurde an die VVK
geleistet, also an jemand, den der Schuldner Foroni für den Gläubiger hielt.
Sie ist daher rechtlich im Verhältnis zum Kläger unwirksam, und Foroni muss
sie, da es sich um eine Geldleistung handelt, trotz Leistung an den
Unrichtigen, gegenüber dem Gläubiger Wildhaber wiederholen.
Dass der Beklagte für diese Zahlungen dem Kläger ersatzpflichtig wäre, weil er
irgendwie die Stellung eines Vertreters des Klägers eingenommen hätte, z. B.
als Inkassobevollmächtigter oder als ein vom Gläubiger Wildhaber bezeichneter
Anweisungsempfänger oder als Zahlstelle, ist zu verneinen. Es fehlt an jedem
Indiz hiefür. Die VVK hat gegenteils dem Kläger Wildhaber noch Mitte Oktober
1937 ausdrücklich und wiederholt erklärt, für
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Foroni keine Kontrolle und keine Rechnung zu übernehmen; wenn der Kläger
dennoch Vieh an Foroni liefern wolle, möge er das auf eigene Rechnung und
Gefahr tun und seine Forderungen auch unter privatem Namen bei der
Verrechnungsstelle anmelden.
Die Forderung des Klägers gegen den Beklagten kann daher nicht auf Vertrag
oder Stellvertretungsverhältnis begründet werden.
3. (Ebensowenig liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten auf
Kosten des Klägers vor.)
4. Es bleibt die Frage, ob die Klageforderung aus Geschäftsführung ohne
Auftrag abgeleitet werden kann.
Der Kläger ist forderungsberechtigter Geschäftsherr, sofern der Beklagte durch
Entgegennahme der Zahlung Foronis ein Geschäft des Klägers besorgt hat.
Die Entgegennahme der Zahlung stellt unzweifelhaft eine Geschäftsbesorgung
dar, wie sie erstes Erfordernis der Geschäftsführung ohne Auftrag ist, und
zwar sowohl der echten wie der unechten Geschäftsführung.
Eine andere Frage ist aber die, ob die Entgegennahme der Zahlung, die der
Schuldner festgestelltermassen irrtümlich an den Beklagten statt an den Kläger
leistete, als fremdes Geschäft, als Besorgung des Geschäftes «eines andern»,
nämlich eines Geschäftes Wildhabers angesehen werden kann. Dies wäre der Fall,
wenn die entgegengenommene Zahlung an sich, durch ihre Art, Bezeichnung oder
Erscheinung sich als Zahlung an den Kläger oder zugunsten des Klägers
präsentiert hätte. Dann hätte man wohl von einem negotium re ipsa alienum
sprechen können; es hätte ein objektiv fremdes Geschäft vorgelegen. Das trifft
aber in Wirklichkeit nicht zu. Die Einzahlungsdoppel wie die Überweisung der
Verrechnungsstelle nannten nirgends den Namen Wildhabers, wohl aber jenen des
Beklagten. Freilich verwiesen die Einzahlungsdoppel auf Lieferungen vom 11.
und 16. November 1937 im Umfange von 12 und 14 Stück. Es ist jedoch nicht
dargetan, dass der Beklagte aus diesen Angaben seines Grossabnehmers
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und Grosschuldners Foroni erkennen konnte, geschweige denn erkannte, dass es
sich um Lieferungen Wildhabers handle. Der Beklagte hatte ja von derartigen
Lieferungen abgeraten, deren Vermittlung und Kontrolle abgelehnt, und es ist
nicht behauptet, dass er sonstwie von diesen Lieferungen Wissen hatte. Der
Beklagte hatte von Foroni letztmals einen Monat früher Abzahlungen verlangt
und seine Lieferungen bis auf weiteres eingestellt. Natürlich mussten dem
Beklagten die Lieferungsdaten (11. und 16. November 1937) auffallen, da er
damals an Foroni nicht mehr geliefert hatte. Er konnte aber annehmen, es liege
hier endlich eine Teilzahlung Foronis an seine aufgelaufene Schuld bei der VVK
vor, wobei dem Foroni ein Irrtum in der Angabe der Lieferungsdaten oder
Stückzahl oder in der Summe unterlaufen sei, nicht aber ausgerechnet in der
Person des Zahlungsempfängers. Nimmt man indessen an, der Beklagte hätte
Veranlassung gehabt, der Sache durch eine nachträgliche Rückfrage an Foroni
auf den Grund zu gehen, so konnte er im Zeitpunkt, als er die an ihn
adressierte Überweisung von Fr. 19194.- entgegennahm, eben doch nicht ersehen,
dass es sich hier im Grunde um eine für Wildhaber bestimmte Zahlung handle. Es
lag daher kein objektiv fremdes Geschäft vor.
Dass aber der Beklagte selber die an ihn adressierte Zahlung im Zeitpunkt
ihrer Entgegennahme irgendwie mit Wildhaber in Beziehung gebracht hätte, ist
nach dem schon Gesagten nicht dargetan, sogar unwahrscheinlich; denn der
Beklagte wartete seit langem auf Zahlungen Foronis, und es ist daher
natürlich, dass er die erste Überweisung, trotzdem sie nicht recht erklärliche
Lieferungsdaten anführte und in einem eigentümlich ungeraden Betrage erfolgte,
für sich, als Teilzahlung an die aufgelaufenen Verpflichtungen Foronis in
Empfang nehmen und behalten wollte. Von einem subjektiv fremden Geschäft
(negotium contemplationi gestoris alienum) kann daher nicht die Rede sein.
Es ergibt sich somit, dass die Entgegennahme der streitigen
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Zahlung durch den Beklagten gar nicht die Besorgung eines Geschäftes «für
einen andern» darstellte. Es war ein eigenes Geschäft. Es fehlt an der
Zuordnung, an der in der Sache selbst gelegenen oder durch den Willen des
handelnden Geschäftsführers hergestellten Beziehung der Besorgung (=
Empfangnahme einer Geldzahlung) zum Geschäftskreis des Klägers. Und weil nicht
die Angelegenheiten eines andern im Sinne von Art. 419 ff. besorgt wurden,
kann für den Kläger auch keine Forderung aus Geschäftsführung ohne Auftrag
entstanden sein. Die Klage ist auch unter diesem Gesichtspunkt abzuweisen.
Die hier zu Grunde gelegte Umschreibung des «fremden Geschäftes» entspricht
der bundesgerichtlichen Praxis und der Literatur. Diese sehen das Wesen der
«Fremdheit» des Geschäftes im Sinne von Art. 419
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 419 - Celui qui, sans mandat, gère l'affaire d'autrui, est tenu de la gérer conformément aux intérêts et aux intentions présumables du maître. |
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 423 - 1 Lorsque la gestion n'a pas été entreprise dans l'intérêt du maître, celui-ci n'en a pas moins le droit de s'approprier les profits qui en résultent. |
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1 | Lorsque la gestion n'a pas été entreprise dans l'intérêt du maître, celui-ci n'en a pas moins le droit de s'approprier les profits qui en résultent. |
2 | Il n'est tenu d'indemniser le gérant ou de lui donner décharge que jusqu'à concurrence de son enrichissement. |
d'autrui) darin, dass die Handlung eine Einmischung in den fremden
Interessenkreis oder eine Einmischung, einen Eingriff in die fremde
Rechtssphäre darstelle (BGE 45 II 207; 47 II 198; 51 II 583; ebenso
OSER-SCHÖNENBERGER, Art. 419 N. 8).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom
21. Juli 1941 bestätigt.