S. 221 / Nr. 49 Obligationenrecht (d)

BGE 67 II 221

49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Dezember 1941 i.S.
Aktiengesellschaft für Industrielle Finanzierungen gegen Einwohnergemeinde
Hausen.

Regeste:
1. Verkauf einer Wasserversorgungsanlage als Haupt- und einer Bodenparzelle
als Nebensache. Kaufsbedingungen, die sich nicht speziell auf das Grundstück
beziehen, brauchen nicht öffentlich beurkundet zu werden. Erw. 1.

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2. Vertrag mit einer Gemeinde über eine zeitlich unbegrenzte
Wasserbezugspflicht zu den Bedingungen des jeweiligen Wasserreglementes ist
nicht unsittlich. Erw. 3.
1. Vente d'une installation de fourniture d'eau comme objet principal du
contrat et d'une parcelle de terrain comme objet accessoire. Les conditions de
vente qui ne concernent pas spécialement le fonds n'ont pas à être
authentiques (consid. 1).
2. N'est pas contraire aux moeurs la convention stipulant l'obligation, de
durée indéterminée, de se fournir d'eau auprès d'une commune aux conditions du
règlement d'eau en vigueur, présent ou futur (consid. 3).
1. Vendita d'un impianto di fornitura d'acqua, come oggetto principale del
contratto, e d'una parcella di terreno, come oggetto accessorio. Le condizioni
di vendita che non concernono specialmente il fondo non necessitano l'atto
pubblico (consid. 1).
2. Non è contraria ai buoni costumi la convenzione che prevede l'obbligo di
fornirsi d'acqua presso un comune alle condizioni del regolamento in vigore,
presente o futuro, anche se quest'obbligo non è limitato nel tempo (consid.
3).

A. ­ Durch Vertrag vom 2. November 1928 verpflichtete sich die A. G.
Portland-Cement-Werke Hausen, täglich mindestens 80 m3 Wasser von der Gemeinde
Hausen zu beziehen. Die Leitung von der Pumpstation der Gemeinde bis zur
Fabrik mit den weitern nötigen Einrichtungen (Reservoir, Schieber, Zähler
usw.) hatte die A.G. auf ihre Kosten zu erstellen. Diese Anlage blieb im
Eigentum der A.G.
Im Jahre 1930 wurde die Fabrik von der Beklagten gekauft und stillgelegt.
Am 19./30. November 1936 verkaufte die Beklagte ihre Wasserversorgungsanlage
für Fr. 12000.­ der Gemeinde. Dabei übernahm sie in Art. 5 des Vertrages für
sich und ihre Rechtsnachfolger die Verpflichtung, alles für die
Fabrikliegenschaft nötige Wasser zu den Bedingungen des Wasserreglementes von
der Gemeinde zu beziehen. Mit der Wasserversorgungsanlage wurde auch eine
Bodenparzelle verkauft und dafür noch ein besonderer, öffentlich beurkundeter
Vertrag aufgesetzt. Der Preis von Fr. 600.­ für die Parzelle war im
Gesamtkaufpreis von Fr. 12000.­ inbegriffen.
Durch Vertrag vom 8. März 1938 verkaufte die Beklagte

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die Fabrikliegenschaft der Firma Münzel, Chemische Unternehmung, Lenzburg,
ohne der Käuferin die Verpflichtungen aus Art. 5 des Vertrages vom 19./30.
November 1936 mit der Gemeinde zu überbinden. Die Käuferin erstellte in der
Folge ein eigenes Grundwasser-Pumpwerk.
B. ­ Mit der vorliegenden Klage verlangt die Gemeinde von der Beklagten
Schadenersatz dafür, dass sie ihrer Rechtsnachfolgerin die Wasserbezugspflicht
nicht überbunden habe.
Die Klage wird vom Bundesgericht in Übereinstimmung mit den kantonalen
Instanzen grundsätzlich geschützt.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Die Beklagte macht in erster Linie geltend, aus dem Vertrag vom 19./30.
November 1936 könnten gar keine rechtsgültigen Verpflichtungen abgeleitet
werden, weil dieser Vertrag der gesetzlichen Form ermangle und daher
unverbindlich sei. Der Kaufvertrag vom 19./30. November 1936 beziehe sich
nämlich nicht nur auf bewegliche Gegenstände (Leitungen usw.), sondern auch
auf ein Grundstück (Parzelle 633). Die Verpflichtungen nach Ziffer 5 dieses
Vertrages seien mithin dem Verkäufer auch in seiner Eigenschaft als
Grundstücksveräusserer auferlegt worden. Diese Pflichtüberbindung hätte daher,
gleich wie alle andern wesentlichen Bestandteile des Liegenschaftsverkaufes,
der öffentlichen Beurkundung bedurft. Da indessen nur die Hingabe der Parzelle
633 mit der Entrichtung eines Preises von Fr. 600.­ öffentlich beurkundet
worden sei, vermöge Ziffer 5 des Vertrages vom 19./30. November 1936 keine
rechtliche Wirkungen zu entfalten.
Diese Argumentation ist mit Recht schon von den beiden kantonalen Instanzen
abgelehnt worden. Der Vertrag vom 19./30. November 1936 über die
Wasserversorgungsablage stellt die Hauptabmachung der Parteien dar. Demzufolge
sind in erster Linie ihr die Bestimmungen darüber zu entnehmen, was jede
Partei im einzelnen zu leisten hat. Der Vertrag über die Parzelle Nr. 633 ist
demgegenüber

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offensichtlich eine Abmachung bloss über eine Nebensache, was schon darin zum
Ausdruck kommt, dass der Preis für die Liegenschaft nur 1/20 des Gesamtpreises
beträgt. Eine Abspaltung dieses Nebenpunktes erfolgte lediglich deshalb, weil
Art. 657
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen.
ZGB für die Verbindlichkeit des Vertrages auf Eigentumsübertragung
hinsichtlich eines Grundstückes öffentliche Beurkundung fordert. Die
Verpflichtung zu dieser Spezialabmachung war aber eine Folge des
Grundvertrages. Es genügt daher vollkommen, dass dieser die generellen, nicht
speziell mit dem Grundstück zusammenhängenden Verpflichtungen des Veräusserers
umschreibt, und zwar in gewöhnlicher Schriftform.
Fragen könnte man sich dann allerdings, ob der Vertrag vom 19./30. November
1936 im Verhältnis zum Grundstücksvertrag nicht als Vorvertrag aufgefasst
werden müsse und als solcher nicht der gleichen Form bedurft hätte wie dieser.
Die Frage kann indessen offen bleiben, nachdem das Grundstück auf Grund eines
öffentlich beurkundeten Vertrages an die Klägerin veräussert worden ist.
3. ­ Die Beklagte wendet gegenüber dem Anspruch der Klägerin weiter ein, so
wie diese die Ziff. 5 des Vertrages vom 19./30. November 1936 interpretiere,
sei die Bestimmung untragbar und damit unsittlich. Denn es würde sich alsdann
um eine ewige Verpflichtung handeln, Wasser zu beziehen auf Grund der
Preisansetzung eines Reglementes, dessen Gestaltung und Abänderung einzig und
allein von der Willkür der Klägerin abhänge und das die Wasserbezüger der
Einwohnergemeinde Hausen vollständig ausliefere.
Die Vorinstanz hat diesen Einwand mit der Begründung abgelehnt, mangels einer
zeitlich festgesetzten Dauer der Gültigkeit der Ziffer 5 des Vertrages von
1936 sei gestützt auf Art. 127
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 127 - Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt.
OR über die Verjährung von Forderungen
anzunehmen, dass die Verpflichtung nur während 10 Jahren gelte. In diesem
Umfang sei sie alsdann nicht unsittlich. Dieser Argumentation kann nicht
beigepflichtet

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werden. Wie schon in BGE 25 II 450 ff. und 23 743 ff. erkannt worden ist, geht
es nicht an, dass das Gericht selber einem Vertrag eine bestimmte zeitliche
Dauer setzt; ein Vertrag, der von Anfang an nichtig ist, kann nicht
nachträglich durch willkürliche Unterschiebung eines andern Vertragsinhaltes
zu einem gültigen werden (vgl. für das analoge deutsche Recht auch RGZ 76, S.
78 ff.).
Das Bundesgericht hat sich in altern Entscheiden auf den Boden gestellt,
Abnahmeverpflichtungen auf unbeschränkte Zeit seien unsittlich und damit nicht
rechtsbeständig (vgl. BGE 25 II 450 ff. und 473 ff., sowie 26 II 120). Dies
muss jedenfalls dann angenommen werden, wenn sich in Würdigung aller
Verhältnisse des einzelnen Falles ergibt, dass durch eine Abnahmeverpflichtung
auf unbeschränkte Zeit der Verpflichtete sich in einer gegen die guten Sitten
verstossenden Weise in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einschränkt
(vgl. auch STAUDINGER, Komm. zum deutschen BGB, 10. Aufl., 1, S. 708;
bezüglich eines auf Lebzeiten abgeschlossenen Mietvertrages siehe BGE 56 II
192
).
Durch Ziff. 5 des Vertrages vom 19./30. November 1936 hat sich die Beklagte
ohne zeitliche Begrenzung zunächst einmal verpflichtet, das von ihr für die
Fabrik benötigte Wasser von der Klägerin zu beziehen. In dieser Verpflichtung
allein kann etwas Sittenwidriges nicht erblickt werden. Denn eine Gemeinde
kann, wenn ein allgemeines Interesse vorliegt, einen gewerblichen Betrieb,
insbesondere auch eine Wasserversorgung, monopolartig an sich ziehen (vgl. BGE
40 I 192). Alsdann sind alle Gemeindeansässigen auf unbestimmte Zeit zur
Abnahme beispielsweise von Wasser (resp. von Gas oder Elektrizität)
verpflichtet. Es kann daher auch nicht als gegen die guten Sitten verstossend
angesehen werden, wenn sich ein Privater ohne Vorhandensein eines solchen
Monopols aus freien Stücken verpflichtet, das von einer bestimmten Fabrik
benötigte Wasser immer bei der Gemeinde zu beziehen. Denn er schafft damit ja
nur einen Zustand, zu dem er

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unter Umständen auf Grund öffentlichrechtlicher Bestimmungen gezwungen werden
kann. Eine Grundlage für die Annahme einer Sittenwidrigkeit vermag auch der
Umstand nicht zu bilden, dass der Preis einseitig von der Gemeinde bestimmt
wird. Denn es handelt sich dabei um den allgemeingültigen Preis nach Massgabe
des Wasserreglementes der Gemeinde, und sollte dieser willkürlich festgesetzt
werden, so stünden allen Interessierten die nötigen Rechtsbehelfe zur
Verfügung (vgl. auch STAUDINGER, a.a.O., 1, S. 709, sowie die dortigen
Verweisungen). Auf alle Fälle brauchte sich die Beklagte einen willkürlichen
Preis schon auf Grund ihres Vertrages nicht gefallen zu lassen.
Ist aber die Verpflichtung zur Abnahme von Wasser ohne zeitliche Beschränkung
unter den obwaltenden Verhältnissen nicht sittenwidrig, so kann es auch die
Garantie der auf eine Drittperson zu übertragenden Abnahmepflicht nicht sein.
Ziffer 5 des Vertrages vom 19./30. November 1936 ist daher gültig.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 67 II 221
Datum : 31. Dezember 1941
Publiziert : 08. Dezember 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 67 II 221
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 1. Verkauf einer Wasserversorgungsanlage als Haupt- und einer Bodenparzelle als Nebensache...


Gesetzesregister
OR: 127
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 127 - Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt.
ZGB: 657
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen.
BGE Register
25-II-450 • 26-II-117 • 40-I-188 • 56-II-189 • 67-II-221
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • beklagter • wasser • fabrik • dauer • unternehmung • nichtigkeit • sitte • bedingung • weiler • bundesgericht • frage • entscheid • kauf • terrain • grundstück • begründung des entscheids • baute und anlage • vorvertrag • grundwasser
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