BGE 66 II 65
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Mai 1940 i. S. Neuenschwander gegen
Zürcher.
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Regeste:
Blutuntersuchung als Gegenbeweismittel im Vaterschaftsprozess (Art. 314 I und
II ZGB):
Das die Vaterschaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschliessende Ergebnis
entkräftet von Bundesrechts wegen die Vermutung des Art. 314 I , wenn es den
Beklagten, und anderseits die aus Mehrverkehr der Mutter mit einem Dritten
hergeleiteten erheblichen Zweifel gemäss Art. 314 II , wenn es diesen Dritten
betrifft
· wie bei der Untersuchung der Blutgruppen O, A, B und AB so auch bei der
Untersuchung nach dem M-N-System
· vorausgesetzt dass die Untersuchung richtig vorgenommen wurde und der Befund
keine besondern Zweifelsmomente aufweist
Das die Vaterschaft des Beklagten oder des Dritten in solcher Weise
ausschliessende Ergebnis nach der einen Untersuchungsart wird in seiner
Schlüssigkeit nicht in Frage gestellt durch ein neutrales, die Vaterschaft
nicht ausschliessendes Ergebnis nach der andern Untersuchungsart.
Recherche de la formule sanguine comme moyen de preuve dans l'action en
paternité (art. 314 al. 1 et 2 CC):
Le défendeur peut, par sa formule sanguine, renverser la présomption de
paternité qui le charge (art 314 al. 2).
Lorsque, pendant la période critique, la mère a cohabité avec un tiers, la
formule sanguine de celui-ci peut exclure les «doutes sérieux» que cette
circonstance permettait d'élever sur la paternité du défendeur (art. 314 al.
2).
Pour l'application de ces principes, il n'importe que l'examen ait eu lieu
selon l'une ou l'autre des méthodes de laboratoire usuelles (groupes OAB et AB
ou facteurs MN).
Il faut, toutefois, que l'examen ait été bien conduit et ne laisse pas, en
lui-même, place au doute.
Lorsque l'examen par l'une des méthodes donne un résultat qui exclut la
paternité du défendeur ou du tiers, il garde toute sa valeur, alors même que
l'autre méthode ne permet aucune conclusion.
Esame del sangue come mezzo di prova nell'azione di paternità (art. 314 cp. 1
e 2 CC):
Il risultato dell'esame del sangue del convenuto può far cadere la presunzione
di paternità a carico di lui (art. 314 cp. 2 CC).
Se, durante il periodo critico, la madre ha avuto relazioni sessuali con un
terzo, l'esame del sangue di quest'ultimo può eliminare i «seri dubbi» che
questa circostanza permetteva di far sorgere sulla paternità del convenuto
(art. 314 cp. 2 CC).
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Per l'applicazione di questi principi nulla importa che l'esame abbia luogo
secondo l'uno o l'altro dei metodi usuali (gruppi OAB e AB o fattori MN).
Occorre tuttavia che l'esame sia stato bene eseguito e non lasci sussistere
particolari motivi di dubbio.
L'esame che, fatto secondo l'uno dei suddetti metodi, esclude la paternità del
convenuto o del terzo, conserva tutto il suo valore anche se con l'altro
metodo si giunge ad una conclusione che non esclude la paternità.
A. - Der Appellationshof des Kantons Bern hat diese Vaterschaftsklage am 22.
Februar 1940 in Anwendung von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
mehrerer Indizien müsse angenommen werden, die Kindsmutter habe in der Nacht
vom 26. auf den 27. März 1938 zuhause nicht nur mit dem Beklagten, der den
Verkehr zugibt, sondern nach dessen Weggang auch noch mit einem andern
Kiltgänger, R. Z., geschlechtlich verkehrt. Das begründe erhebliche Zweifel an
der zunächst zu vermutenden Vaterschaft des Beklagten. «Auch das Ergebnis der
in oberer Instanz angeordneten Blutgruppenuntersuchung ist nicht geeignet,
diese Zweifel zu beseitigen. Während sich nach dem O-A-B-System die
Vaterschaft weder des Beklagten noch des R. Z. ausschliessen lässt, gelangt
der Experte auf Grund des M-N-Systems zur Auffassung, die Vaterschaft des R.
Z. sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verneinen. Da nicht feststeht, welchem
der beiden Systeme der Vorzug zu geben ist, - mangels anderer Angaben ist
offenbar von ihrer Gleichwertigkeit auszugehen - und im übrigen auch das
M-N-System keine absolut sicheren Schlüsse zulässt, kann dem Bericht über die
Blutgruppenprobe im wesentlichen entnommen werden, dass die Vaterschaft des R.
Z. objektiv möglich ist.»
B. - Die Klägerschaft zieht dieses Urteil an das Bundesgericht mit dem
erneuten Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte beantragt Bestätigung
des kantonalen Urteils.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Lässt sich die Blutgruppe des Kindes, die ihm vom Vater oder von der
Mutter vererbt sein muss, bei
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der Mutter nicht feststellen, so kommt nach dem Stande der serologischen
Forschung ein Mann, der die betreffende Blutgruppe auch nicht aufweist, mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Vater in Betracht. Führt die
Blutuntersuchung zu diesem Schluss hinsichtlich des Vaterschaftsbeklagten
selbst, so ist damit die allenfalls ihm gegenüber gemäss Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
begründete Vaterschaftsvermutung im Sinne von Abs. 2 daselbst entkräftet (BGE
61 II 72). Betrifft das dahingehende Ergebnis der Blutuntersuchung einen
Dritten, aus dessen Beziehungen mit der Kindsmutter die Einrede des
Mehrverkehrs hergeleitet wird, so folgt daraus eine Gegeneinrede zugunsten der
Klägerschaft, indem der betreffende Mehrverkehr angesichts dieses Ergebnisses
nicht mehr als Zeugungsakt in Betracht fällt und daher keine erheblichen
Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2 rechtfertigt (BGE 64 II 253). Bietet die
Blutuntersuchung zur Zeit auch noch nicht völlige Sicherheit, wie sie bei
gegebener Ehelichkeitsvermutung zum Ausschluss der ehelichen Abstammung
gefordert wird (Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschliessende Ergebnis einer solchen
Untersuchung doch, um «erhebliche Zweifel» im Sinne von Art. 314 Abs. 2 zu
begründen, und ebenso, um eine Mehrverkehrseinrede zu entkräften. Es ist
anerkannt, dass wie die Untersuchung der sogenannten klassischen Blutgruppen
O, A, B und AB auch die Untersuchung der M-N-Faktoren sich in diesem Sinne
forensisch verwerten lässt. Das Bundesgericht hat kürzlich ausgesprochen, ein
kantonales Urteil, das die Vaterschaft des Beklagten (oder die erheblichen
Zweifel wegen Mehrverkehrs) auf Grund eines die Blutsverwandtschaft des Kindes
mit dem betreffenden Manne ausschliessenden Befundes nach dem M-N-System
verneint, halte vor dem Bundesrecht ebenso stand, wie wenn ihm ein im gleichen
Sinn ausgefallener Befund betreffend die klassischen Blutgruppen zugrunde läge
(BGE 65 II 124). Darüber hinaus ist nun
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anzuerkennen, dass ein dahinlautender Befund, sofern er sich auf eine
fachmännisch und sorgfältig durchgeführte Untersuchung stützt und keine
besondern Zweifelsgründe bestehen, bei der einen wie bei der andern
Untersuchungsart von Bundesrechts wegen zur Entkräftung der
Vaterschaftsvermutung bezw. der Mehrverkehrseinrede geeignet ist. In dem nicht
veröffentlichten Urteil Schmid gegen Martin vom 2. Juni 1939 ist aus
gerichtlichen Gutachten des Gerichtlich-Medizinischen Institutes der
Universität Zürich folgendes hervorgehoben: Bei der Untersuchung nach dem
M-N-System bestehen noch gewisse geringe Fehlermöglichkeiten infolge seltenen
Vorkommens eines defekten N-Typus. Auch können sich Fehlbestimmungen ergeben
bei Verwendung ungenügend gereinigter Immunseren. Die Fehlermöglichkeit dürfte
höchstens 1: 500-1000 betragen, während sie bei den klassischen Blutgruppen
noch geringer ist (weniger als 1: 1000). Das Ergebnis nach dem M-N-System
wurde aber doch als so zuverlässig erachtet, dass es im Vaterschaftsprozess
als gleichwertig gelten könne.
Im vorliegenden Falle bestehen keine Zweifel an der richtigen Durchführung der
Blutuntersuchung-Experte war Dr. Ottensooser, der Vorsteher der serologischen
Abteilung des Schweizerischen Serum- und Impfinstitutes in Bern -, und für die
Würdigung des Ergebnisses fällt die Bemerkung des Experten in Betracht, es
bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass ein schwaches N bei R. Z. oder bei der
Mutter hätte übersehen werden können. Anderseits ist der Faktor N beim
Beklagten festgestellt, und zwar in der Verbindung MN wie beim Kinde.
Der Appellationshof zieht die Richtigkeit dieses Befundes keineswegs in
Zweifel, und er stellt den Befund dem die klassischen Blutgruppen betreffenden
auch als gleichwertig zur Seite. Er glaubt aber die Mehrverkehrseinrede
trotzdem als unentkräftet erachten zu sollen, weil eben nicht beide
Untersuchungen zum Ausschluss der
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Vaterschaft des R. Z. geführt haben. Diese Betrachtungsweise ist irrtümlich.
Die beiden Untersuchungen sind voneinander unabhängig; sie betreffen
verschiedene, einander nicht beeinflussende Eigenschaften des Blutes, wie in
der Wissenschaft anerkannt und auch in den jeweiligen Gutachten angenommen
ist. Sonst müsste in jedem Falle nach den beiden Methoden untersucht werden,
und die Schlüssigkeit eines die Vaterschaft nach der einen Methode
ausschliessenden Ergebnisses wäre dadurch in Frage gestellt, dass die andere
Methode ein neutrales, die Vaterschaft des betreffenden Mannes nicht
ausschliessendes Ergebnis aufweist. So verhält es sich nach dem Gesagten
nicht. Vielmehr ist die Vaterschaftsvermutung bezw. die Mehrverkehrseinrede,
soweit auf den Verkehr mit dem betreffenden Manne gestützt, entkräftet, wenn
auch nur eine der beiden erprobten Untersuchungsarten zu diesem Schlusse
führt. Trifft dies zu bei der ersten im einzelnen Falle angewendeten
Untersuchungsart, so ist, richtige Vornahme und eindeutiges Ergebnis
vorausgesetzt, der Entkräftungsbeweis bereits erbracht. Nur wenn das Ergebnis
aus irgendeinem Grunde nicht sicher genug ist, besteht alsdann Veranlassung,
noch die andere Untersuchung durchzuführen. Daher hindert anderseits hier
nichts, nach neutralem Ergebnis der ersten, die klassischen Blutgruppen
betreffenden Untersuchung auf das zuverlässige Ergebnis der davon unabhängigen
Untersuchung nach dem M-N-System abzustellen.
2.- Ist demnach die aus dem Umgang mit R. Z. hergeleitete Mehrverkehrseinrede
zu verwerfen, so dringt dagegen die Einrede des unzüchtigen Lebenswandels der
Kindsmutter durch (Art. 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
Zeit in mehreren aktenkundig gewordenen Fällen hemmungslos hingegeben, sondern
namentlich hat die Beweisführung über die Vorgänge in jener Nacht, in der sie
mit dem Beklagten verkehrte, eine derartige Schamlosigkeit der Kindsmutter
kundgetan, dass der dringende Verdacht noch anderweitigen in die
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Zeit der Empfängnis fallenden Geschlechtsverkehrs begründet ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Bern vom 22. Februar 1940 bestätigt.