S. 4 / Nr. 2 Familienrecht (d)

BGE 66 II 4

2. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Januar 1940 i. S. Strebel gegen
Nietlispach..

Regeste:
Die gemäss Art. 188 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB belangte Ehefrau kann gegenüber den Gläubigern,
denen sie mit dem empfangenen Vermögen haftet, ihre Frauengutsforderung, die
durch den Vermögensübergang gedeckt werden sollte, entsprechend dem Range der
Forderungen geltend machen. (Änderung der Rechtsprechung.) Art. 179 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 179 - 1 Ändern sich die Verhältnisse, so passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an oder hebt sie auf, wenn ihr Grund weggefallen ist. Die Bestimmungen über die Änderung der Verhältnisse bei Scheidung gelten sinngemäss.231
1    Ändern sich die Verhältnisse, so passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an oder hebt sie auf, wenn ihr Grund weggefallen ist. Die Bestimmungen über die Änderung der Verhältnisse bei Scheidung gelten sinngemäss.231
2    Nehmen die Ehegatten das Zusammenleben wieder auf, so fallen die für das Getrenntleben angeordneten Massnahmen mit Ausnahme der Gütertrennung und der Kindesschutzmassnahmen dahin.
,
188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB.
La femme mariée, actionnée en vertu de l'art. 188 al. 2 CC, peut opposer aux
demandeurs, selon le rang légal des droits respectifs, la créance qu'elle
avait contre son mari en raison de ses apports et qui devait être couverte par
les transferts de biens opérés dans la séparation. (Changement de
jurisprudence.) Art. 179 al. 3, 188 CC.

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La moglie, convenuta in virtù dell'art. 188 cp. 2 CC, può opporre agli attori,
secondo il grado legale dei rispettivi diritti, il credito che essa aveva
verso suo marito a motivo dei suoi apporti e che doveva essere coperto
mediante i beni trasferiti in sua proprietà. (Cambiamento di giurisprudenza.)
Art. 179 cp. 3, 188 CC.

A. - Im Jahre 1926 starb die erste Frau des Burkard Strebel; die heutige
Klägerin, geb. 1910, ist das einzige Kind aus dieser Ehe. Im folgenden Jahre
heiratete Strebel in zweiter Ehe Marie Gugerli, die heutige Beklagte. Im Mai
1937, also im Alter von 27 Jahren, erhob die Tochter Klage gegen ihren Vater
auf Herausgabe ihres Muttergutes. Mit Urteil vom 8. November 1937 erklärte das
Bezirksgericht Muri Burkard Strebel pflichtig, der Tochter 3/4 des Muttergutes
= Fr. 9750. - nebst Zins zu 5% seit Klageanhebung herauszuzahlen; das
Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 11. Februar 1938 dieses Urteil.
Zwischen Klageanhebung und erstinstanzlichem Urteil, am 12. Juli 1937, schloss
Strebel mit seiner zweiten Frau einen Ehevertrag ab, wonach die Eheleute mit
Bezug auf das ganze Vermögen der beiden Parteien als Güterstand die
Gütertrennung vereinbaren. Im Ehevertrag anerkennt Strebel, dass seine zweite
Frau ihm als Frauengut einen Barbetrag von Fr. 13000.- in die Ehe gebracht
habe. Gemäss diesem Vertrag übergab Strebel seiner Ehefrau zur teilweisen
Deckung der Frauengutsforderung zu Eigentum einen Kaufforderungstitel auf Fr.
8522.20, ferner den gesamten Bienenbestand mit Kasten und Zugehör im Werte von
Fr. 1000.-, den gesamten Hausrat sowie Brennmaterialien u.a. im Werte von Fr.
1000.-. Dieser Ehevertrag erhielt am 23. Juli 1937 die Genehmigung der
Vormundschaftsbehörde und wurde im aargauischen Amtsblatt publiziert.
In der Folge betrieb die Klägerin ihren Vater für ihre Muttergutsforderung und
erhielt auf dessen Rechtsvorschlag hin definitive Rechtsöffnung für Fr.
10634.- nebst Zins und Kosten. Die Fortsetzung der Betreibung führte jedoch
zur Ausstellung einer Pfändungsurkunde als

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Verlustschein, da Strebel sich unter Hinweis auf die Vermögensübereignung an
seine Ehefrau als vermögenslos erklärte.
B. - Am 14. Juli 1938 focht die Tochter mittelst Klage gemäss Art. 285 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 285 - 1 Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.498
1    Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.498
2    Zur Anfechtung sind berechtigt:499
1  jeder Gläubiger, der einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein erhalten hat;
2  die Konkursverwaltung oder, nach Massgabe der Artikel 260 und 269 Absatz 3, jeder einzelne Konkursgläubiger.
3    Nicht anfechtbar sind Rechtshandlungen, die während einer Nachlassstundung stattgefunden haben, sofern sie von einem Nachlassgericht501 oder von einem Gläubigerausschuss (Art. 295a) genehmigt worden sind.502
4    Nicht anfechtbar sind ferner andere Verbindlichkeiten, die mit Zustimmung des Sachwalters während der Stundung eingegangen wurden.503
.
SchKG gegen Frau Strebel-Gugerli die durch den Ehevertrag erfolgte Abtretung
der Kaufrestanzforderung an, zog jedoch im Oktober 1938 diese Klage wieder
zurück und reichte gegen jene gestützt auf Art. 188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB die vorliegende Klage
ein mit dem Begehren:
«Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin für die
gegen Burkard Strebel-Gugerli ... in Betreibung gesetzte Forderung von Fr.
10634.- mit den gemäss Ehevertrag vom 12. Juli 1937 auf die Beklagte
übertragenen Vermögenswerten persönlich hafte, und es sei demgemäss die
Beklagte pflichtig zu erklären, der Klägerin Fr. 10634.- nebst Zins seit
Friedensrichtervorstand zu bezahlen».
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage im vollen Umfange. Sie erhob die
Einrede der mangelnden Passivlegitimation, indem Burkard Strebel trotz dem
Ehevertrag Schuldner der Klägerin geblieben sei; Art. 188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB gebe dem
Gläubiger lediglich die Möglichkeit, in der Betreibung gegen den
schuldnerischen Ehegatten die Ausdehnung der Pfändung auf das an den andern
Ehegatten übereignete Vermögen zu verlangen, nicht aber diesen persönlich zu
belangen. Sodann könne sich die Klägerin nicht auf Art. 188 berufen, weil ihr
die Forderung von Fr. 9750.- erst mit Urteil vom 8. November 1937 zugesprochen
worden sei, also erst nach der am 21. August 1937 erfolgten Publikation des
Güterstandswechsels. Ferner liege kein Vermögensübergang im Sinne des Art. 188
vor, da die Übereignung gemäss Ehevertrag nur die teilweise Deckung der
Frauengutsforderung von Fr. 13000.- darstelle.
Eventuell beantragte die Beklagte Abweisung der Klage, soweit sie Fr. 2322.20
übersteige, mit der Begründung, dass sie von dem empfangenen Vermögen im Werte
von

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Fr. 8822.20 die privilegierte Hälfte ihrer Frauengutsersatzforderung (Fr.
6500.-) in Abzug bringen dürfe.
C. In Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Muri hat das Obergericht des
Kantons Aargau am 3. November 1939 die Klage in der Höhe von Fr. 9747.20, auf
welchen Betrag das übereignete Vermögen auf Grund einer Expertise bewertet
wird, gutgeheissen und die Beklagte zu dessen Bezahlung verurteilt. Das
Obergericht führt aus, nach den Akten sei als erstellt anzunehmen, dass der
Ehevertrag vom 12. Juli 1937, der offenbar den Zweck verfolgte, die Klägerin
für ihre Muttergutsforderung leer ausgehen zu lassen, sich als ein
Vermögensübergang im Sinne von Art. 188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB auswirke. Freilich könne sich auf
Art. 188 nur der Gläubiger berufen, dessen Forderung vor dem Eintritt der
Auseinandersetzung bezw. der Publikation des Güterstandswechsels entstanden
sei. Dies sei aber hier der Fall, da die Klägerin schon seit ihrer Mündigkeit
(1930) Anspruch auf Herausgabe ihres Muttergutes gehabt habe. Nach der
geltenden Auslegung des Art. 188 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB hafte der Ehegatte, der bei der
Auseinandersetzung Vermögenswerte empfangen habe, den Gläubigern des andern
persönlich, also sei die Beklagte passiv legitimiert. Auseinandersetzung und
Vermögensübergang im Sinne von Art. 188 sei namentlich auch die Tilgung der
Ersatzforderung eines Ehegatten für nicht mehr vorhandenes eingebrachtes Gut
durch Hingabe von Vermögenswerten an Zahlungsstatt. Gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 45 II 113 ff.) und entgegen der an
dieser seither in der Literatur geübten Kritik könne die Beklagte sich ihrer
Haftung gemäss Art. 188 Abs. 2 gegenüber auch nicht darauf berufen, dass sie
vordem für die Hälfte ihrer Frauengutsforderung privilegiert war.
D. - Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten
mit dem Antrag auf Abweisung der Klage im vollen Umfange, eventuell soweit sie
mehr

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als Fr. 2322.20 verlangt. Auf mündlichen Vortrag vor Bundesgericht haben die
Parteien verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Hinsichtlich der von der Beklagten vor den Vorinstanzen erhobenen
Einwendungen, sie könne nicht persönlich belangt werden, die Forderung der
Klägerin sei erst nach dem Vermögensübergang entstanden, und die Deckung einer
Frauengutsforderung stelle keinen Vermögensübergang im Sinne des Art. 188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB
dar, kann ohne weitere Ausführungen auf die zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanzen verwiesen werden, die mit der geltenden Rechtsprechung im
Einklang stehen.
2.- Letzteres ist auch der Fall hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte die
Deckung ihrer bisherigen Frauengutsforderung - in Konkurrenz mit der Forderung
der Klägerin - oder allenfalls wenigstens der vordem privilegierten Hälfte
derselben verlangen kann, was das Bundesgericht verneint hatte (BGE 45 II 115
Erw. 3). An dieser Rechtsprechung kann indessen nach erneuter Prüfung nicht
festgehalten werden (vgl. die Kritik bei EGGER Komm. Art. 188 N. 15, GMÜR Art.
188 N. 9 a-b, MUTZNER SchlT Art. 11 N. 23; HELD, SJZ 19 S. 40 ff.; BOSSHARDT,
Gläubigerschutz bei Veränderung und Auflösung des Güterstandes, S. 69 ff.;
GUHL, ZbJV 64 S. 165; HOMBERGER, ZbJV 68 S. 4). Nach jener Praxis stellt sich
die Ehefrau bei der in der Regel gerade zu ihrem Schutze vorgenommenen
Auseinandersetzung und Gütertrennung schlechter, als wenn sie den bisherigen
Zustand hätte weiter bestehen lassen und sich auf die Wahrung ihrer Ansprüche
durch Teilnahme am allfälligen Konkurse des Ehemannes bezw. durch
Anschlusspfändung beschränkt hätte, wobei sie für die privilegierte Hälfte
ihrer Frauengutsforderung (gegenüber nicht privilegierten Mannesgläubigern)
vorweg gedeckt worden wäre und für die andere Hälfte mit jenen Gläubigern
konkurriert hätte. Die ratio legis des Art. 188 geht lediglich dahin, den

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Drittgläubiger, dem bisher ein bestimmter Vermögenskomplex haftete, vor
Benachteiligung infolge Übertragung von solchem Vermögen auf den andern
Ehegatten zu schützen. Nach der bisherigen Rechtsprechung hat die
Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten, also das Rechtsgeschäft, von dem
das Gesetz will, dass es auf die Haftungsverhältnisse ohne Einfluss bleibe,
trotzdem Wirkungen auf diese, nämlich in dem der Absicht der Eheleute
entgegengesetzten Sinne einer Schlechterstellung der Ehefrau und
Besserstellung des Gläubigers gegenüber dem vorherigen Zustande. Kann schon
die Schlechterstellung der Ehefrau nicht ohne weiteres in jedem Falle als
gerechte Sanktion eines vom Gesetze missbilligten Manövers anerkannt werden,
da die Frau bei der Transaktion gutgläubig gewesen sein kann, so zeigt vor
allem die Besserstellung der Gläubiger die Unbilligkeit der Lösung; denn
niemals kann der böse Glaube einem Dritten einen Vorteil verschaffen, den
dieser ohne die bösgläubig erfolgte Handlung des andern nicht erlangt hätte.
Diese Auslegung des Art. 188 Abs. 2 geht somit über das vom Gesetze
angestrebte Ziel hinaus. Wenn der Sinn der Vorschrift dahin geht, dass das
empfangene Vermögen für alle Schulden, für die es im Zeitpunkte des Übergangs
haftete, nach diesem weiterhaften soll, so ist als eine solche Mannesschuld
auch die Frauengutsforderung zu berücksichtigen. Diesem Postulat kann die
konstruktive Schwierigkeit, dass die Frauengutsforderung mit der
Deckungsübereignung getilgt worden ist und daher im Zeitpunkte der Belangung
der Ehefrau von dieser nicht mehr zur Verrechnung gegen sich selbst bezw.
gleichsam zur Anschlusspfändung bei sich selbst verwendet werden könne, nicht
entgegenstehen. Wenn durch die Weiterhaftung des übergegangenen Vermögens und
die direkte Belangung der Frau gemäss Art. 188 der Vermögensübergang
nachträglich in seinem Effekt, wirtschaftlich betrachtet, wieder als
unbeachtlich behandelt wird, so muss anderseits ein Wiederaufleben der durch
ihn nur vermeintlich

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befriedigten Frauengutsforderung angenommen werden. Die Haftung der Ehefrau
nach erfolgter Auseinandersetzung und durchgeführter Gütertrennung für die
Mannesschulden erscheint nur als Nachwirkung des vorangegangenen Güterstandes,
woraus billigerweise weiter folgt, dass die Haftung des Frauenvermögens unter
der neu eingeführten Gütertrennung nicht ausgedehnter sein kann, als sie es
unter dem früheren Güterstande war (HOMBERGER a.a.O. S. 5). Die gleiche
Folgerung ergibt sich auch aus der analogen Anwendung von Art. 188 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
ZGB,
wonach das, «was die Ehefrau aus dem Konkurse des Ehemannes oder in einer
Anschlusspfändung zurückerhält, den Gläubigern des Ehemannes, soweit sie nicht
auch Gläubiger der Ehefrau sind, entzogen bleibt». Für die Frauengutsforderung
war die Ehefrau Gläubigerin des Mannes bis zur Deckungsübereignung und wird es
wieder, sobald und soweit sie nach dieser die andern Gläubiger befriedigt
haben wird. Die beiden in Art. 188 gegebenen Möglichkeiten: einerseits
Exekution gegen den Ehemann unter Admassierung bezw. Mitpfändung des auf die
Frau übergegangenen Haftungssubstrats und Beteiligung bezw. Anschluss der
Ehefrau für ihre Frauengutsforderung (Abs. 1), anderseits Exekution gegen die
Ehefrau bis zum Betrage des Empfangenen (Abs. 2) stellen nur zwei verschiedene
Wege zur Verwirklichung desselben, in Art. 179 Abs. 3 allgemein aufgestellten
Grundsatzes der Unveränderbarkeit der Vermögenshaftung dar und müssen daher
zum gleichen rechnerischen Resultat führen. Die Ehefrau muss nach Abs. 2 auf
ihre Forderung gleichviel erhalten, als sie nach Abs. 1 erhielte. Insoweit
Abs. 2 nach seinem Wortlaute nicht zu diesem Ergebnis führt, liegt eine Lücke
des Gesetzes vor, die der Ausfüllung bedarf.
Wenn in dem fraglichen Urteile die Berücksichtigung der Frauengutsforderung
u.a. mit der Erwägung abgelehnt wurde, ob und inwieweit die Ehefrau ohne die
Gütertrennung wirklich Deckung erhalten hätte, lasse sich

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nachträglich nicht beurteilen, weil es unmöglich sei festzustellen, welches
die Forderungen gewesen wären, mit denen sie in der Vollstreckung gegen den
Ehemann hätte in Konkurrenz treten müssen (S. 117), wird zu Unrecht
angenommen, es müsste auf eine fiktive Exekution gegen den Ehemann mit
hypothetischem Forderungsbestand abgestellt werden. Es handelt sich um eine
effektive Vollstreckung gegen die Ehefrau in das empfangene Vermögen, bei der
als Forderungen, neben der Frauengutsansprache, nur diejenigen der sie gerade
betreibenden bezw. klagenden Gläubiger in Betracht fallen, deren Höhe und Rang
feststehen. Alle Mannesgläubiger, denen das Vermögen vor dem Übergange
haftete, einzubeziehen und das Vermögen proportional auf sie zu verteilen,
kommt so wenig in Frage wie nach der bisherigen, die Frauengutsforderung nicht
berücksichtigenden Praxis; wer von den Gläubigern zuerst nach Art. 188 Abs. 2
gegen die Ehefrau vorgeht, kommt neben derselben zuerst zum Zug.
Was im vorstehenden über die Berücksichtigung der Frauengutsforderung gesagt
wurde, bezieht sich grundsätzlich auf den ganzen Betrag derselben, nicht nur
auf deren privilegierte Hälfte. Das Bestehen einer privilegierten Häfte hat
notwendigerweise das Bestehen einer ganzen Forderung zur Voraussetzung, und
wenn jene geltend gemacht werden darf, so auch diese, nur eben mit dem
Rangunterschied. Wollte man nur die privilegierte Hälfte in Abzug bringen
lassen, dagegen die nicht privilegierte von der Konkurrenz mit den Gläubigern
ausschliessen, so hätte diese Anwendung des Art. 188 Abs. 2 immer noch eine
Schlechterstellung der Ehefrau und Besserstellung der Gläubiger gegenüber
ihrer Lage, wie sie ohne den Vermögensübergang wäre, zur Folge, was zu
vermeiden das ausschlaggebende Motiv der vorliegenden Änderung der Praxis
bildet. Befinden sich unter den gemäss Art. 188 Abs. 2 gegen die Ehefrau
eingeklagten bezw. in Betreibung gesetzten Forderungen

Seite: 12
ebenfalls privilegierte, so können es nur solche der 1. bis 3. Klasse sein,
die daher der privilegierten Frauengutshälfte vorgehen. Für die
unprivilegierte Hälfte konkurriert die Ehefrau mit den geltend gemachten
gleichrangigen Drittforderungen ...
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 II 4
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 25. Januar 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 II 4
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Die gemäss Art. 188 Abs. 2 ZGB belangte Ehefrau kann gegenüber den Gläubigern, denen sie mit dem...
Einordnung : Änderung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
SchKG: 285
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 285 - 1 Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.498
1    Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.498
2    Zur Anfechtung sind berechtigt:499
1  jeder Gläubiger, der einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein erhalten hat;
2  die Konkursverwaltung oder, nach Massgabe der Artikel 260 und 269 Absatz 3, jeder einzelne Konkursgläubiger.
3    Nicht anfechtbar sind Rechtshandlungen, die während einer Nachlassstundung stattgefunden haben, sofern sie von einem Nachlassgericht501 oder von einem Gläubigerausschuss (Art. 295a) genehmigt worden sind.502
4    Nicht anfechtbar sind ferner andere Verbindlichkeiten, die mit Zustimmung des Sachwalters während der Stundung eingegangen wurden.503
ZGB: 179 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 179 - 1 Ändern sich die Verhältnisse, so passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an oder hebt sie auf, wenn ihr Grund weggefallen ist. Die Bestimmungen über die Änderung der Verhältnisse bei Scheidung gelten sinngemäss.231
1    Ändern sich die Verhältnisse, so passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an oder hebt sie auf, wenn ihr Grund weggefallen ist. Die Bestimmungen über die Änderung der Verhältnisse bei Scheidung gelten sinngemäss.231
2    Nehmen die Ehegatten das Zusammenleben wieder auf, so fallen die für das Getrenntleben angeordneten Massnahmen mit Ausnahme der Gütertrennung und der Kindesschutzmassnahmen dahin.
188
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein.
BGE Register
45-II-110 • 66-II-4
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • ehegatte • empfang • deckung • bundesgericht • rang • vorinstanz • ehe • zins • aargau • wert • guter glaube • weiler • stelle • frage • vater • eingebrachtes gut • vorteil • wirkung • entscheid
... Alle anzeigen
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