S. 15 / Nr. 4 Familienrecht (d)

BGE 66 II 15

4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. März 1940 i. S. Traber gegen Traber.

Regeste:
Scheidungsklage der Ehefrau, Gerichtsstand, Art. 144 ZGB.
Will die Klägerin einen selbständigen Wohnsitz (Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB) in
Anspruch nehmen, so hat sie dessen Voraussetzungen vor der materiellen
Klagebegründung darzutun.
Action en divorce intentée par la femme, for, art. 144 CC.
La femme qui prétend avoir un domicile séparé (art. 25 al. 2 CC) doit prouver
qu'elle y a droit avant d'aborder le fond.
Azione di divorzio promossa dalla moglie, foro, art. 144 CC.
La moglie, che pretende di avere un domicilio proprio (art. 25 cp. 2 CC), deve
provare, prima di procedere alla motivazione del merito, il suo diritto a un
tale domicilio.

Die Beschwerdeführerin zog bereits im Sommer 1936 von ihrem in St. Gallen
wohnenden Ehemann fort. Am 8. Februar 1938 erteilte ihr der Präsident des
Bezirksgerichts St. Gallen gemäss Art. 145
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB die Bewilligung zum
Getrenntleben für die Dauer des Scheidungsprozesses, den sie nach Abhaltung
des Sühneversuches vom 4. gl. M. durchführen wollte. Es kam jedoch dann nicht
zur Prozessführung in St. Gallen. Vielmehr liess die Ehefrau in Luzern, wo sie
am 25. Februar 1938

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Aufenthaltsbewilligung erhielt, am 16. Juli 1938 einen neuen Sühneversuch
abhalten und reichte am 21. August 1938 beim Amtsgericht Luzern
Scheidungsklage ein. Während das Amtsgericht die Scheidung aussprach, erklärte
das Obergericht des Kantons Luzern, an das der Beklagte appellierte, am 28.
Dezember 1939 die luzernischen Gerichte als unzuständig, weil die Klägerin bei
Klageanhebung nicht in Luzern Wohnsitz gehabt habe.
Gegen diesen Unzuständigkeitsentscheid richtet sich die vorliegende
zivilrechtliche Beschwerde der Klägerin mit dem Antrage, den kantonalen
Entscheid aufzuheben und die Sache zu materieller Beurteilung der Klage an das
Obergericht zurückzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die in St. Gallen am 8. Februar 1938 erteilte Bewilligung galt, wie in den
Erwägungen des Entscheides hervorgehoben wurde, entsprechend Art. 170 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.

ZGB nur für die Dauer des dort durchzuführenden Scheidungsprozesses. Sie fiel
spätestens nach drei Monaten, mit dem Ablauf der unbenutzten Klagebewilligung,
dahin (Art. 131 des st. gallischen Gesetzes betreffend die Zivilrechtspflege
vom 31. Mai 1900). Von da an war die Beschwerdeführerin wiederum verpflichtet,
beim Manne zu wohnen, sofern kein das Getrenntleben rechtfertigender Grund
gemäss Art. 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB vorlag. Eine blosse Einwilligung des Mannes genügte
nicht (BGE 41 I 106 und 302). Um den Gerichtsstand Luzern als den eines
selbständigen Wohnsitzes gemäss Art. 144 ZGB in Anspruch zu nehmen, brauchte
die Ehefrau allerdings nicht der Klageanhebung vorgängig eine richterliche
Erlaubnis des Getrenntlebens auf Grund von Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
in Verbindung mit
Art. 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB nachzusuchen. Es stand ihr frei, das nach diesen
Bestimmungen begründete Getrenntleben wie auch das Bestehen eines festen
Wohnsitzes in Luzern (nicht etwa nur zum Zweck, dort den Prozess
durchzuführen) in der Scheidungsklage selbst

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darzutun (BGE 64 II 395 und 401). Das hat sie aber nicht in tauglicher Weise
getan. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ist eine vor dem
Eintreten in die Sache selbst zu beurteilende Prozessvoraussetzung. Dem
Gerichte kann daher nicht zugemutet werden, die hiefür in Betracht fallenden
tatsächlichen Behauptungen und Beweisanträge aus der materiellen
Klagebegründung herauszusuchen. Vielmehr ist der von der Norm des Art. 25 Abs.
1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB abweichende, aus einer nicht zu vermutenden Berechtigung der Ehefrau,
getrennt zu leben, hergeleitete Gerichtsstand gesondert zu begründen. Eine
solche auf Art. 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB gestützte, der materiellen Klagebegründung
vorangestellte Darlegung des Gerichtsstandes fehlt in der vorliegenden Klage.
Das Obergericht durfte daher annehmen, dass die Regel Platz zu greifen habe,
wonach die Ehefrau den Wohnsitz des Mannes teilt, gleichgültig wo sie
tatsächlich lebt. Eine Pflicht, von Amtes wegen nach allfälligen zureichenden
Gründen für das Getrenntleben zu forschen, bestand nach Bundesrecht nicht.
Damit erweist sich die Ablehnung der Zuständigkeit der luzernischen Gerichte
als unanfechtbar. Obwohl sich nach den Akten im Gegensatz zur Vorinstanz kaum
verneinen lässt, dass die Beschwerdeführerin sich in Luzern festgesetzt hatte
in der Absicht, dort dauernd, d.h. längere Zeit und unabhängig vom Verlauf des
Prozesses zu bleiben, fehlt es eben am gehörigen Nachweis einer Berechtigung,
mit solcher Niederlassung einen nach Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB anzuerkennenden
selbständigen Wohnsitz zu erwerben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 II 15
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 07. März 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 II 15
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Scheidungsklage der Ehefrau, Gerichtsstand, Art. 144 ZGB.Will die Klägerin einen selbständigen...


Gesetzesregister
ZGB: 25 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
144  145  170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
BGE Register
41-I-100 • 64-II-395 • 66-II-15
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
getrenntleben • dauer • mann • scheidungsklage • bundesgericht • bewilligung oder genehmigung • prozessvoraussetzung • ehegatte • entscheid • richterliche behörde • begründung des entscheids • autonomie • vermutung • weiler • vorinstanz • von amtes wegen • leben • klagebewilligung • aufenthaltsbewilligung • beklagter
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