S. 43 / Nr. 6 Doppelbesteuerung (d)

BGE 66 I 43

6. Auszug aus dem Urteil vom 7. Juni 1940 i. S. Ganz gegen Zürich und
Basel-Stadt.


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Regeste:
Hat ein Steuerpflichtiger in einem andern Kanton als demjenigen des Wohnsitzes
und der Berufsausübung eine Liegenschaft und ergibt sich bei dieser ein
Überschuss der Unterhaltskosten über den Ertrag, so müssen dieser Überschuss
und sämtliche Schuldenzinsen, sofern beide Kantone das System der
Reineinkommenssteuer haben, vom Ertrag des beweglichen Vermögens und, soweit
nötig, vom Berufsertrag im Kanton des Wohnsitzes und der Berufsausübung
abgezogen werden.
Lorsqu'un contribuable possède un immeuble dans un autre canton que celui où
il a son domicile et où il exerce sa profession et que les frais d'entretien
dépassent le rapport de l'immeuble, le canton de domicile et de la profession
doit déduire cet excédent du revenu de la fortune mobilière et, s'il est
besoin, du produit du travail imposables dans ce canton, en tant que les deux
cantons appliquent le système de l'imposition du revenu net.
Se un contribuente possiede un immobile in un altro cantone che quello ov'è
domiciliato ed esercita la sua professione, e se le spese di manutenzione
eccedono il reddito dell'immobile, il cantone ov'egli ha il domicilio ed
esercita la professione deve dedurre questa eccedenza dalla sostanza mobiliare
e, occorrendo, dal prodotto del lavoro imponibile in questo cantone, sempre
che i due cantoni applichino il sistema dell'imposizione del reddito netto.

A. ­ Der Rekurrent wohnt in Basel und ist Mit- oder Gesamteigentümer zu 1/4
einer Liegenschaft an der Bahnhofstrasse in Zürich. Diese wurde 1938 umgebaut
mit einem Aufwand von Fr. 102515.­, wovon durch die Steuerbehörden in Zürich
Fr. 30000.­ als dauernde Verbesserung betrachtet und der Rest als Unterhalt
anerkannt wurde. Nach Abzug der Mietzinseinnahmen ergab sich, im Jahre 1938,
ein Unkostenüberschuss von Fr. 6062.­, mit den Hypothekarzinsen von Fr.
30975.­ zusammen ein Verlust von Fr. 37037.­, der zu 1/4, das heisst Fr.
9260.­, den Rekurrenten trifft (gemäss einer «für die Steuererklärung der
Teilhaber» aufgestellten «Hausrechnung»).
In Basel wurde der Rekurrent im Jahre 1939 für die Einkommenssteuer 1938
veranlagt. Er nahm dabei den Standpunkt ein, dass der Verlust auf der Zürcher

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Liegenschaft vom Ertrag des beweglichen Vermögens ­ der zu dessen Deckung
nicht hinreicht ­ und vom Berufsertrag in Abzug komme. Das wurde von der
Steuerverwaltung abgelehnt. Sie machte von jenen in Basel steuerpflichtigen
Erträgnissen nur einen Abzug für «Beiträge etc.» von Fr. 300.­ und von 27% vom
Betrag der gesamten, vom Rekurrenten nach seinen Steuererklärungen zu
tragenden Schuldzinsen, Fr. 2720.­.
B. ­ Hierüber hat sich Prof. Ganz beim Bundesgericht beschwert.
Das Bundesgericht hat diese Beschwerde gutgeheissen mit folgender
Begründung:
4. ­ Streitig ist die Frage, ob der Rekurrent bei der Veranlagung zur
Einkommenssteuer in Basel für 1938 den in diesem Jahr auf der Zürcher
Liegenschaft nach der «Hausrechnung» gemachten Verlust von Fr. 9260.­ ganz
abziehen könne, also 1/4 des Unkostenüberschusses mit Fr. 1516.­ und der
Hypothekarzinsen mit Fr. 7744.­, nicht bloss denjenigen Teil dieser Zinsen,
der bei verhältnismässiger Verteilung auf Basel fällt (Fr. 380.­ nach der
Basler Steuerrechnung).
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Basel-Stadt und Zürich das
System der Reineinkommens-, wie auch der Reinvermögenssteuer haben. Beide
Kantone besteuern den Gesamtbetrag der Einkünfte aus Erwerb, Vermögensertrag
und andern Einnahmequellen und machen vom Bruttoeinkommen die zur Ermittlung
des Reineinkommens erforderlichen Abzüge. Zu diesen Abzügen gehören u.a. die
Passivzinsen und die Kosten des Unterhalts von Liegenschaften (Basel-Stadt
Steuergesetz § 17). Über das Verhältnis, in dem grundsätzlich die Passivzinsen
zu verteilen sind, herrscht hier kein Streit. Es entspricht dem Verhältnis, in
dem die Passiven ­ 1/4 der Hypotheken in Zürich und die Schulden in Basel ­
auf die beiden Kantone entfallen.

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Was jenen Verlust anlangt, so bestreitet Basel nicht, dass der Rekurrent ihn
erlitten hat. Es erhebt speziell keine Einwendung dagegen dass, in
Übereinstimmung mit der Feststellung der Zürcher Steuerorgane, von den
gesamten Umbaukosten von Fr. 102515.­ Fr. 72515.­ als Unterhaltskosten
betrachtet werden. Der Rekurrent wird somit verhalten, in Basel eine Summe als
Einkommen zu versteuern, die sein Reineinkommen anerkanntermassen um Fr.
8880.­ übersteigt. Diese mit dem Prinzip der Reineinkommenssteuer in
Widerspruch stehende Art der Einschätzung wird damit begründet, dass der
fragliche Abzug in Basel deshalb nicht stattfinden könne, weil die
Liegenschaft, aus deren Unterhalt der Verlust entstanden ist, sich in einem
andern Kanton befindet. Es handelt sich somit um eine durch das interkantonale
Verhältnis bedingte Art der Besteuerung, nicht um die blosse Anwendung des
kantonalen Steuerrechts.
5. ­ Der Rekurrent hat in Zürich einen Spezialsteuerort, der sich auf die
durch den dortigen Immobiliarbesitz gegebene Zugehörigkeit stützt. Für seinen
Liegenschaftsanteil, soweit er Reinvermögen darstellt, ist er in Zürich
steuerpflichtig. Desgleichen für den Ertrag dieses Vermögensobjektes, der nach
Abzug der Unterhaltskosten und eines proportionalen Teils der Schuldenzinsen
verbleibt (BGE 46 I S. 237, 63 I S. 69, 66 I S. 41). Da der
Liegenschaftsertrag diesen Teil der Passivzinsen im Jahr 1938 überhaupt nicht
deckte, so muss dieser beim Einkommen von 1938, weil in Zürich nicht
anrechenbar, in Basel ­ auf dem Ertrag des beweglichen Vermögens und des
Berufes ­ zum Abzug kommen Basel-Stadt hat bei dieser Sachlage mehr als den
proportionalen Anteil, sämtliche Passivzinsen zu übernehmen. Im Falle Ruf
gegen Zürich und Solothurn (30. April 1937, BGE 63 I S. 69) wurde
ausgesprochen, dass, wenn die Passivzinsen im ganzen die Vermögenserträgnisse
übersteigen, der Überschuss auf das andere Einkommen zu verlegen ist, was nur
in der Weise geschehen

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kann, dass der Kanton, wo das übrige Einkommen steuerbar ist, den Abzug des
Überschusses zulässt. Die Lösung entspricht der Regel, die sich in der Praxis
des Bundesgerichts herausgebildet hat, dass ein Kanton den Pflichtigen deshalb
nicht anders und nicht stärker belasten darf, weil er nicht in vollem Umfang
seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge einer territorialen Beziehung
auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig ist (BGE 60 I S. 107 und
dortige Zitate).
Diese Regel trifft aber auch zu für den Überschuss der Unterhaltskosten über
die Mieterträgnisse, der sich im Jahr 1938 bei der Zürcher Liegenschaft
ergeben hat. Wäre die Liegenschaft in Basel, so stände der Abzug ausser
Zweifel. Weil sie in Zürich ist, wird der Abzug, der dort nicht möglich ist,
in Basel verweigert, was zur Folge hat, dass der Rekurrent, sehr im
Widerspruch zum Steuersystem der beiden Kantone und speziell zu dem von
Basel-Stadt, einen Betrag versteuern soll, der sein Reineinkommen erheblich
übersteigt. Gewiss fallen die Unterhaltskosten der Liegenschaft in den Bereich
des Spezialsteuerorts des Rekurrenten in Zürich. Sie schmälern ausschliesslich
den dort zu versteuernden Ertrag der Liegenschaft, und eine verhältnismässige
Verlegung auf Basel, wie bei den Passivzinsen, findet nicht statt. Soweit aber
in Zürich ein Überschuss von Unterhaltskosten über den Ertrag verbleibt,
schmälert dieser Überschuss das übrige Einkommen des Rekurrenten, für das er
in Basel steuerpflichtig ist; und wenn der Abzug hier verweigert wird, so
ergibt sich eine Überbesteuerung, wie sie jener Grundsatz der Praxis gerade
verhindern will. Es ist in dieser Hinsicht kein Unterschied zu machen zwischen
Passivzinsen und Unterhaltskosten. In beiden Fällen handelt es sich darum,
dass eine dem Spezialsteuerort zugehörige Auslage dort nicht abgezogen werden
kann und deshalb das am Hauptsteuerdomizil steuerbare allgemeine Einkommen
verkürzt.
Basel wendet ein, dass die grossen Unterhaltskosten,

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die für die Liegenschaft im Jahre 1938 aufgewendet wurden, Zürich insofern in
der Zukunft zugute kommen, als sie die Mietzinsen erhöhen oder hoch erhalten.
Es behauptet aber nicht, dass eine steuerrechtliche Berücksichtigung des
Verlustes in Zürich in den spätern Jahren möglich sei, wenn der Abzug in Basel
nicht verlangt werden kann, oder dass bei umgekehrter Sachlage Basel den
spätern Abzug zulassen würde. Sobald wirkliche Unterhaltskosten vorliegen, die
den Ertrag der Liegenschaft überschreiten ­ und dass dieser Tatbestand hier
vorhanden ist, wird ja von Basel nicht bestritten ­ und die das übrige
Einkommen des Rekurrenten mindern, lässt sich eine bundesrechtswidrige
Besteuerung nur in der Weise vermeiden, dass Basel, getreu seinem System der
Reineinkommenssteuer, den Abzug bewilligt.
6. ­ Das Bundesgericht hat freilich wiederholt erklärt, dass, wenn der
Pflichtige im Liegenschaftenkanton, weil dieser bei Liegenschaften das System
der Objektbesteuerung anwendet, den verhältnismässigen Schuldenabzug nicht
machen kann, der Wohnsitzkanton deshalb nicht verhalten werden könne, mehr als
seinen prozentualen Schuldenanteil auf die Aktiven anzurechnen. Und dasselbe
muss auch gelten in Hinsicht auf die Passivzinsen, wenn sie in einem Kanton
mit Objektbesteuerung nicht abgezogen werden können, wie das z.B. bei der
bernischen Einkommenssteuer II. Klasse der Fall ist, Steuergesetz Art. 19, 24
(s. BGE 48 I S. 364 f, 51 I S. 126 f, Urteil Mathieu vom 3. Mai 1940). Aus
dieser Rechtsprechung ist aber keine entsprechende Folgerung für den
vorliegenden Tatbestand zu ziehen, weil dieser von jenen Fällen in einem
wesentlichen Punkte abweicht. Kann dort der Pflichtige einen Teil der Schulden
oder der Passivzinsen weder am einen, noch am andern Ort abziehen, so ist das
eben die Folge der objektiven Richtung des Steuersystems des einen Kantons; er
kann nicht verlangen, besser behandelt zu werden, als es diesem Steuersystem
entspricht. Deshalb liegt eine Doppelbesteuerung gar nicht

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vor, auf deren Vermeidung der andere Kanton Bedacht nehmen müsste. Beim
Rekurrenten dagegen ist die Unmöglichkeit, die Unterhaltskosten der
Liegenschaft mitsamt dem proportionalen Teil der Passivzinsen in Zürich voll
abzuziehen, nicht eine rechtliche, sondern eine rein tatsächliche: der Ertrag
der Liegenschaft deckt diese Auslagen nicht. Und es bedeutet eine
Doppelbesteuerung, dass der Rekurrent, entgegen dem Steuersystem der beiden
Kantone, mehr als sein Reineinkommen versteuern soll.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 I 43
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 06. Juni 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 I 43
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Hat ein Steuerpflichtiger in einem andern Kanton als demjenigen des Wohnsitzes und der...


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