S. 68 / Nr. 20 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 68

20. Entscheid vom 30. Mai 1939 i. S. Bächler.

Regeste:
Lohnpfändung, Art. 93 SchKG. Die Frist zur Beschwerde wegen der Bemessung des
Notbedarfs läuft für den Gläubiger wie für den Schuldner erst von der
Zustellung der Pfändungsurkunde an;
- auch bei früherer Kenntnisnahme;
-- insbesondere wenn dem Gläubiger der Betrag des Notbedarfs mit dem Formular
Nr. 11 mitgeteilt worden war (Anzeige über den Bestand eines nicht
feststellbaren Lohnanspruches).

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Saisie de salaire, art. 93 LP. Le délai pour porter plainte contre la fixation
de la somme qui est indispensable au débiteur pour subsister ne court, pour le
créancier comme pour le débiteur que dès la notification du procès-verbal de
saisie;
- même lorsque le créancier et le débiteur ont connaissance plus tôt du
montant fixé par l'office;
-- en particulier lorsque le créancier a eu connaissance de ce montant par la
notification de la formule no 11 (avis en cas de saisie d'un salaire dont le
montant n'est pas déterminé).
Pignoramento di salario, art. 93 LEF. Il termino per aggravarsi dalla
determinazione della somma indispensabile al debitore pel suo sostentamento
decorre, sia pel creditore, sia pel debitore, soltanto dalla notifica del
verbale di pignoramento, anche se il creditore ed il debitore già prima hanno
avuto conoscenza dell'importo fissato dall'ufficio e, in particolare anche se
il creditore ha conosciuto questo importo in seguito alla notifica del modulo
no 11 (avviso al creditore concernente il pignoramento di una mercede
indeterminata).

In der Betreibung des Rekurrenten gegen Monsch erliess das Betreibungsamt am
1. Dezember 1938, da sich sonst nichts Pfändbares vorgefunden hatte, eine
«Anzeige an den Gläubiger über den Bestand eines nicht feststellbaren
Lohnanspruches» unter Verwendung des hiefür vorgeschriebenen Formulars Nr. 11.
Der Gläubiger antwortete darauf am 9. Dezember, er schätze den Verdienst des
Schuldners auf 270 Fr. im Monat, worauf das Betreibungsamt den angeblichen
Lohnüberschuss von monatlich 40 Fr. pfändete und die Pfändungsurkunde am 16.
Dezember versandte.
Am 24. Dezember führte der Gläubiger Beschwerde wegen übersetzter Bemessung
des Notbedarfs des Schuldners. Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben die
Beschwerde als verspätet von der Hand gewiesen. Sie sind der Meinung, die dem
Gläubiger bereits am 1. Dezember in der mit Formular Nr. 11 erlassenen
«Anzeige» mitgeteilte Festsetzung des Notbedarfs sei mit Ablauf von zehn Tagen
seit jener Mitteilung rechtskräftig geworden. Demgegenüber nimmt der
Gläubiger, auch mit dem vorliegenden Rekurs, eine erst seit Zustellung der
Pfändungsurkunde laufende Beschwerdefrist in Anspruch.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Bei nicht feststellbaren Lohnbezügen des Schuldners hat das Betreibungsamt
nach Feststellung des Ungenügens der übrigen Pfändung, noch vor Abschluss und
Zustellung der Pfändungsurkunde, den Gläubiger mit dem Formular Nr. 11
aufzufordern, sich binnen zehn Tagen darüber zu erklären, ob er ein den (ihm
zugleich mitgeteilten) Betrag des Notbedarfs übersteigendes Lohneinkommen des
Schuldners annehme; der betreffende Überschuss würde dann sofort gepfändet,
bei unbenutztem Ablauf der Frist dagegen Verzicht auf die Lohnpfändung
angenommen.
Die kantonalen Aufsichtsbehörden halten dafür, neben dieser dem Gläubiger
gesetzten Erklärungsfrist, die er benutzt hat, sei ausserdem die gesetzliche
Beschwerdefrist zur Anfechtung der ihm zugleich mitgeteilten
Notbedarfsbemessung gelaufen. Dem ist nicht beizustimmen. Die Festsetzung des
Notbedarfs des Schuldners und seiner Familie stellt keine selbständige
Verfügung des Betreibungsamtes dar, die für sich allein in Rechtskraft treten
könnte und auf dem Beschwerdewege anzufechten wäre. Das Betreibungsamt hat
nicht die Lebenshaltung des Schuldners als solche zu gestalten, sondern sich
mit dessen Notbedarf nur im Hinblick auf die allfällige Vornahme einer
Lohnpfändung zu befassen, da eben der Notbedarf die Schranke solchen
Pfändungsvollzuges bildet. Demgemäss fällt als vollstreckungsrechtliche
Verfügung, gegen die sich eine Beschwerde richten kann, nicht die Festsetzung
des Notbedarfs, sondern nur die teilweise darauf beruhende Vornahme und
Bemessung oder aber Ablehnung einer Lohnpfändung in Betracht. Solange diese
Verfügung nicht getroffen war, hatte der Gläubiger keine Veranlassung, wegen
zu hoher Bestimmung des Notbedarfs Beschwerde zu führen. Er hat mit Recht die
Zustellung der Pfändungsurkunde abgewartet. Wenn zwar der

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Grund der vorliegenden Beschwerde in der Bestimmung des der Pfändung
entzogenen Notbedarfs zu sehen ist, so erscheint doch als Gegenstand der
Beschwerde einzig die Bemessung der Lohnpfändung selbst, wie sie dem Gläubiger
erst durch Zustellung der Pfändungsurkunde eröffnet worden ist.
Daraus folgt, dass die mit dem Formular Nr. 11 erfolgte Fristansetzung nicht
geeignet war, über den allenfalls zu pfändenden angeblichen Lohnüberschuss
endgültig Klarheit zu schaffen. Das kann aber auch gar nicht der Zweck des mit
der Formularanzeige einzuleitenden Zwischenverfahrens des Pfändungsvollzuges
sein. Dieses Verfahren wird nur gegenüber dem Gläubiger durchgeführt. Dem
Schuldner bleibt somit ohnehin vorbehalten, die Lohnpfändung nach Empfang der
Pfändungsurkunde anzufechten, was ausschliesst, dass die Bemessung des
Notbedarfs schon zuvor in Rechtskraft treten könnte. Es ist anerkannt, dass
die Frist für Unpfändbarkeitsbeschwerden erst mit der Zustellung der
Pfändungsurkunde in Gang kommt, gleichgültig ob und wieweit der Schuldner von
den darin enthaltenen Verfügungen schon zuvor Kenntnis erhalten hatte. Der
Gläubiger verdient hinsichtlich der Ausübung seines entgegengesetzten
Beschwerderechtes nicht schlechter gestellt zu werden. Weder besteht ein
Grund, ihm gegenüber die Massnahmen des Pfändungsvollzuges früher in
Rechtskraft erwachsen zu lassen, noch liesse sich rechtfertigen, ihm im
Gegensatz zum Schuldner als Unterlage einer Beschwerde nur die kurze
ziffermässige Angabe des Notbedarfs laut dem Formular Nr. 11 an die Hand zu
geben oder ihm eine nähere Erkundigung auf dem Betreibungsamte zuzumuten, um
eine Beschwerde hinreichend begründen zu können. Durch die Gleichstellung von
Gläubiger und Schuldner wird zudem die gleichzeitige Beurteilung der
allenfalls von beiden Seiten gegen dieselbe Verfügung angehobenen Beschwerden
ermöglicht. Gelingt es übrigens dem Gläubiger die Ausscheidung von
Kompetenzstücken

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gemäss Art. 92
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG mit Erfolg anzufechten, so wird unter Umständen eine
Lohnpfändung überhaupt unnötig. Das Ergebnis eines zuvor wegen der Bestimmung
des Notbedarfs durchgeführten, mehr oder weniger langen Beschwerdeverfahrens
hinge dann in der Luft. Eine solche Verwicklung der Verhältnisse liesse sich
nicht rechtfertigen, während das sich in der Ansetzung einer Erklärungsfrist
von zehn Tagen und der Entgegennahme einer allfälligen Erklärung erschöpfende
Zwischenverfahren, wie es dem Texte des Formulars Nr. 11 entspricht, seinen
Zweck einer voraussichtlichen Vereinfachung erfüllt und der Nachteil der
dadurch bedingten kurzen Verzögerung der Zustellung der Pfändungsurkunde in
den Kauf genommen werden mag, auch für den Fall, dass die erfolgte
Fristansetzung nachträglich ihre Bedeutung wegen genügender anderweitiger
Pfändung verliert.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die Sache zu materieller Beurteilung an die
kantonale Aufsichtsbehörde zurückgewiesen .
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 III 68
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 30. Mai 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 III 68
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Lohnpfändung, Art. 93 SchKG. Die Frist zur Beschwerde wegen der Bemessung des Notbedarfs läuft für...


Gesetzesregister
SchKG: 92
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
BGE Register
65-III-68
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Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • betreibungsamt • tag • beschwerdefrist • lohnanspruch • frist • monat • kenntnis • empfang • berechnung • entscheid • begründung des entscheids • kommunikation • auskunftspflicht • erwachsener • familie • luft • schuldbetreibungs- und konkursrecht